Bernd Leitenbergers Blog

Ein Jahr Ukraine Krieg

Am 24. Februar ist es genau einem Jahr her, dass Russland die Ukraine überfallen hat. Ich will diesen kurzen Blog Eintrag das vergangene Jahr auch in der bundesdeutschen Politik Revue passieren lassen. Zuerst sah es so aus, als würde Russland die Ukraine in wenigen Tagen besiegen. Zu unterschiedlich waren die Machtverhältnisse Russlands Armee war um ein Vielfaches größer und stärker als die der Ukraine. Diese konnte sich schon nicht gegen die Annektion des Dombass wehren. Doch nachdem als erstes Kriegsziel nicht die Einnahme von Kiew gelang, und die Angreifer zurückgeschlagen wurden, wurde aus dem kurzen Feldzug der mit einem Sieg enden sollte ein einjähriger Abnützungskrieg.

Die deutsche Position war zwar immer eindeutig und wurde von der neuen Außenministerin auch ganz undiplomatisch vorgetragen. Aber bei der praktischen Umsetzung hapert es dann. Deutschland war immer führend dabei wenn es um Sanktionen geht. Bei der Umsetzung also der Beschlagnahme von Vermögen von Oligarchen sind andere Länder wie Italien weitaus schneller und effizienter. Vor allem aber war deutsche Politik bei Waffenlieferungen erbärmlich. Einen großen Teil der Schuld daran trägt die frühere Verteidigungsministerin Lambrecht. Das sie eine Nullnummer ist war schon früh klar, als sie ernsthaft der Ukraine 5.000 Helme schickte. Das in die Medien druchsickerte, das sie eigentlich mit dem Innenministerium liebäugelte und spekulierte das Faeser das räumt wenn sie bei der Hessenwahl als Spitzenkandidatin antritt macht es auch nicht besser. Das zog sich wie ein roter Faden durch das ganze Jahr. Immer hieß es zuerst. „Wir können das nicht liefern“, dann wurde einige Wochen doch geliefert, aber in wirklich kleinen Mengen. Zuerst 7, dann 12 Panzerhaubitzen 2000. Gut, wir hier alle wissen das unsere Bundeswehr beschränkt einsatzbereit ist. Das ist nicht neu, die Problematik zieht sich schon durch mehrere Legislaturperioden. Meier Meinung nach könnte man mehr liefern, auch wenn die Bundeswehr dann nicht mehr einsatzbereit ist. Denn jeder zerstörte russische Panzer, jedes abgeschossene Flugzeug ist keine Bedrohung für uns mehr. Aber ich gebe zu, das ist politisch nicht durchsetzbar. Es würde wohl auch praktisch scheitern, denn womit sollten dann unsere Soldaten üben?

Aber man hätte nachdem im Juli die erste Zusagen für die Panzerhaubitze 2000 kamen mal weiter denken können. Schon damals forderte die Ukraine Kampfpanzer. Schon damals war auch klar, dass bei der Industrie knapp 200 Leopard 1 und 2 in verschiedenen Ausführungen lagern und die bevor man mit ihnen ins Gefecht ziehen kann erst mal wieder instand gesetzt werden müssen, was Monate bis zu einem Jahr dauern kann. Also wäre eine vorausschauende, kluge Politik gewesen, dafür schon mal den Auftrag zu geben. Wenn man sich wie nun im Januar geschehen, entscheidet doch Panzer zu liefern, dann wäre ein Teil der Leopard schon einsatzbereit, die anderen wären in sechs Monaten anstatt einem Jahr einsatzbereit. Wenn nicht, kann die Bundeswehr diese übernehmen bis sie in einigen Jahren dann neue Panzer aus dem 100 Milliarden Paket bekommt. Besser veraltete Panzer im Einsatz, als gar keine Panzer. Wobei „veraltet“ sich auf unsere Begriffswelt bezieht. Denn die russische Armee scheint, wie der Verlauf des Kriegs zeigt, mit noch mehr veralteten Waffen zu kämpfen und ukrainische Soldaten meinen das selbst der bei uns längst ausgemusterte Leopard 1 viel besser wäre, als die T-72 die sie im Einsatz haben.

Ich glaube kaum, das nun aber noch Kampfflugzeuge folgen. Auch wenn die Ukraine diese fordert. Es gibt eine Reihe von Gründen die dagegen sprechen. Der erste ist das eine Pilotenausbildung für ein solches Flugzeug lange dauert. Wir beschaffen ja nun F-35 und da sagte ein Bundeswehrgeneral, das die Flugausbildung für diese Maschine zwei Jahre dauert. Dabei kann man voraussetzen das die deutschen Piloten alle englisch können, denn die Ausbildung findet natürlich bei der US-Air Force in Amerika statt. Wie es ist wenn jemand der die Sprache gar nicht spricht, die Ausbildung durchläuft, wage ich mir nicht vorzustellen. Das heißt, selbst wenn wir heute die Lieferung von Flugzeugen beschließen würden, vor zwei Jahren wären sie nicht einsatzbereit. Das zweite ist das ein Flugzeug viel verwundbarer ist als ein Panzer. Den Panzer kann man schnell von einem Ort zum anderen bewegen, er kann getarnt werden. Ein Kampfflugzeug ist auf funktionierende Flugplätze angewiesen und die Hallen in denen sie stehen, sind wahrscheinlich Primärziele schon bei der ersten Angriffswelle gewesen. Wenn die Flugzeuge aber von NATO-Staaten aus starten würden, dann wären wir direkt im Krieg beteiligt und das will keiner. Mich wundert nur das die Ukraine keine Hubschrauber fordert. Die sind als Zwischenstufe zwar auch empfindlicher gegenüber Feindeinwirkung, aber viel leichter schützbar und verbergbar und nicht auf Flugplätze angewiesen.

Dann hat man noch ein 100 Milliarden Paket für die längst fällige Rüstung beschlossen. Passiert ist in dem Jahr fast nichts. Also nicht nur das nichts ausgeliefert wurde, das ist bei den Produktionszeiten bei Rüstungsgütern die im Bereich von Jahren liegen nicht verwunderlich, nein es wurde auch noch nichts bestellt. Wenn die Verzögerung darauf beruht, das man das Beschaffungswesen reformiert, also diese 12.000 Personen starke zentrale Beschaffungsstelle, die mit an der Knappheit schuld ist, verschlankt und effizienter macht, dann darf das gerne dauern. Ich befürchte nur, gerade hier hat man nichts geändert.

Es gäbe viel zu tun. Auch nicht neu ist das die Bundeswehr nur Munition für einige Tage Krieg hat, weitaus weniger als die NATO fordert (1 Monat). Man hat auch überproportional abgerüstet. Vor der Wiedervereinigung hatte alleine die Bundeswehr 2125 Leopard 2 Panzer, dazu noch einige Leopard 1, insgesamt über 2.500 Panzer. Das bei einer Gesamtstärke von 498.000 Soldaten, also 1 Panzer auf 199 Soldaten. Heute sind es 328 Panzer auf 183.000 Soldaten/innen, also einer pro 557 Soldaten. Man hat nicht nur die Größe der Armee verkleinert, sondern auch ihren Bestand an Waffen, weshalb eine eingeschränkte Einsatzbereitschaft und die Forderung Waffen an die Ukraine abzugeben, sie doppelt treffen. In einer Diskussionsrunde sagte eine ehemaliger General der Panzerstreitkräfte, er hätte von den 2500 Panzern, die er noch 1990 hatte, problemlos 500 an die Ukraine abgeben können, das wären nur Reserve, die den Ausfall im Falle eines Konflikts abfedern soll. Heute reißen schon 14 abgegebene Leopard 2 eine Lücke.

Was Militärexperten überrascht hat, war anfangs das Russland nicht seine Ziele erreichen konnte. Zum einen weil die russische Militärmaschinerie nach einem Niedergang von 1990 bis 2000 seit Putin an der Macht ist massiv aufgerüstet hat. Seit 2008 gibt Russland immer mehr als 4 Prozent seines BIP für Rüstung aus, die Bundeswehr liegt derzeit bei 1,7 Prozent und angestrebt werden von der Nato 2,5 Prozent. Inzwischen erstaunt die Experten mehr, dass Russland seit Monaten so viele Waffen verfeuern kann. Die modernen sind längst verbraucht, was auch für die Kollateralschäden bei der Zivilbevölkerung verantwortlich sein soll, da die alten Waffen nicht so genau sind. Aber wenn man weiß, dass die NATO fordert für einen Monat Krieg Munition vorzuhalten und der Krieg nun schon 12 Monate dauert, dann weiß man was Russland an Vorräten haben muss. Sie scheinen nichts was sie jemals produziert haben verschrottet zu haben, anders als im Westen. Das erinnert mich an eine Fernsehdoku über die Wiedervereinigung, als ein ehemaliger Oberst der Volksarmee der Bundeswehr enorm große Waffendepots übergab, von deren Existenz und für die kleine Volksarmee enormen Umfang sie nichts wusste. Scheint eine russische Doktrin zu sein, Munition zu horten. Derzeit verschießt Russland so viel Munition am Tag wie die europäische Rüstungsindustrie in einem Monat produziert. Gut der Vergleich hinkt etwas, weil man im Krieg immer mehr verschießt als im Frieden. Zudem haben wir in Europa stärker abgerüstet als Russland. Immerhin, nun scheint auch Russland die Munition auszugehen und diese Kritik kommt ausgerechnet von dem Chef der Söldnertruppe Wagner, die Russland besonders gerne einsetzt, weil das weniger problematisch ist als wenn man reguläre Truppen verliert.

Aber auch an anderer Front zeigen sich Schwächen. Nun gibt es bei uns mehr als 1 Million ukrainische Flüchtlinge. Die Hauptlast der Flüchtlingswelle tragen die unmittelbaren Nachbarn der Ukraine, allen voran Polen. Erst jetzt, ein Jahr nach Kriegsbeginn setzt sich Innenministerin Faeser mit den Landesinnenministern/innen zusammen um die Situation zu verbessern. Hat man denn nichts aus der Flüchtlingswelle 2015 gelernt? Dabei gibt es nun mehr als dreimal so viele Flüchtlinge wie damals, die Herausforderung ist also viel größer. So langsam verstehe ich warum Lambrecht auf den Posten scharf war. Innenministerin – das ist ein Teilzeitjob. Sieht auch Faeser so, denn sie kann ja nebenher noch Wahlkampf betrieben. Anders als 2015 kann aber die AfD aus der Welle kein Kapital schlagen. Denn die Flüchtlinge kommen diesmal nicht aus einem islamisch geprägten Raum, haben kein arabisches Aussehen und sind, weil die Männer in der Ukraine zum Wehrdienst eingezogen werden, vor allem Frauen und Kinder. Wenn man dagegen hetzt macht man sich auch bei der eigenen Wählerschaft unbeliebt. Nur Friedrich März ist so dumm und spricht von „Sozialtouristen“.

Immerhin haben wir nun seit etwas mehr als einen Monat einen Verteidigungsminister der etwas bewegt. Die Panzer kommen, wird auch Zeit. Erstaunlicherweise habe ich bei der Münchner Sicherheitskonferenz registriert das Kanzler Scholz so oft kritisiertes zögerliches Vorgehen Nachahmer hat. Denn keiner wollte seiner „Panzerallianz“ beitreten.

Nur noch ein Wort zu dem Aufruf von Alice Schwarzer Aachen und Sarah Wagenknecht. Ich halte den für einen Versuch sich wieder in den Medien prominente zu platzieren. Denn, was kann dieser Aufruf bewegen? Er beeinflusst den Krieg nicht. In der Ukraine wird man ihn nicht wahrnehmen. In Russland schert sich Wladimir Putin ja nicht mal um Sanktionen oder internationale Isolierung, was soll da ein Aufruf bewegen. Wahrscheinlich kennt Putin Alice Schwarzer unter Sarah Wagenknecht nicht mal. Das Manifest ist vielmehr an die deutsche Öffentlichkeit gerichtet. Die beiden Protagonistinnen wollen sich als Pazifisten profilieren. Vielleicht sind sie auch nur zu lange nicht so wie in den Medien vertreten gewesen wie sie wollten. Angeblich gibt es ja am 25.sten eine Demonstration zu der „alle kommen sollen“. Für mich der einzig richtige Ort wäre vor der russischen Botschaft. Nicht das ich glaube das eine Demonstration irgend etwas ändert, aber wenn es eine Chance gibt dann vielleicht wenn die Botschafter an Putin berichten sie wären von Menschen eingekesselt worden. Die Demo findet aber am Brandenburger Tor statt. Was hat das mit Russland oder der Ukraine zu tun? Für mich ist dieses Manifest – es ist ja das zweite dieser Art – ein Zeugnis von Pantoffel-Pazifisten. Das sind Leute die gemütlich im 23 Grad warmen, von russischem Erdgas geheizten Wohnzimmer, an Manifesten arbeiten weil sie sonst zu wenig in den Medien vorkommen. Selbst Gerhard Schröder, der nun ein Parteiausschlussverfahren wegen seinen russlandfreundlichen Äußerungen und Einsatz für russische Firmen am Hals hat, hat da mehr getan, nämlich wenigstens versucht Putin in einem persönlichen Gespräch zu überzeugen. Aber dazu müsste man ja mal nach Russland reisen und das gemütliche Wohnzimmer verlassen. Vielleicht könnten Schwarz und Wagenknecht dann auch mit der russischen Gastfreundschaft in Sibirien Bekanntschaft machen.

Sie sind aber in guter Gesellschaft. Genauso pazifistisch wie die Linke und AfD ist die Schweiz, bei der russische Flüchtlinge gerne willkommen sind, damit sie ihr Geld auf Schweizer Nummernkonten lagern können (also die „Flüchtlinge“ die reich sind, keine ukrainische Zivilbevölkerung), aber die keine Munition für den Flugabwehrpanzer Gepard liefert, dessen Kanone von der Schweiz produziert wurde. Wenn man einem Land das angegriffen wird, nicht bei der Verteidigung helfen will und der Gepard ist ja kein offensives System, vor allem wenn man weiß, dass Russland längst nicht mehr nur militärische Ziele aus der Luft angreift, dann ist das wirklich erbärmlich. Ich würde mich schämen wenn ich Schweizer wäre.

Wie geht es weiter?

In einem hat das Manifest recht, die Ukraine kann Russland nicht besiegen. Das würde ja voraussetzen das Ukraine auf russisches Territorium vordringt. Aber man kann dafür sorgen, dass die Ukraine nicht verliert. Je länger der Krieg dauert, desto mehr trifft er jeden Russen durch die Sanktionen, desto mehr bröckelt aber auch Putins Stellung. Seine Gegner sind nicht Oppositionelle, die er durch Mordanschläge töten lässt oder in Gulags steckt. Seine Gegner sind die Oligarchen von denen auch er abhängig ist und gegen die auch die Sanktionen zielen. Nicht zuletzt sind Maßnahmen wie die Mobilmachung von Reservisten aber auch die Gefallenen Tatsachen, die an seiner Popularität auch unter dem gemeinen Volk rütteln. Egal wie beeinflusst dieses von der Propaganda ist, irgendwann hat auch dieses die Schnauze voll von Putin. Denn selbst wenn man es „militärische Sonderaktion“ nennt, jedem ist doch klar, das es ein Krieg in einem anderen Land ist und Russland selbst nicht angegriffen wird. Man also den Krieg beenden kann, ohne Land zu verlieren oder als Verlierer dazustehen.

Meine Prognose: es wird irgendwann einmal Friedensverhandlungen geben. Damit Russland mit erhobenem Haupt aus diesen heraus gehen kann wird die Ukraine Gebiete abtreten müssen. Wenn es gut läuft wird man nur die völkerrechtswidrige Annektion der Krim absegnen. Wenn es schlecht läuft die seit 2014 autonomen Gebiete im Dombass. Ich glaube aber nicht das dies mit Putin als Kreml-Chef möglich ist. Der lebt auch zu sehr in seiner Ideenwelt, in der er eigentlich gegen die NATO kämpft.

Die mobile Version verlassen