Bernd Leitenbergers Blog

Teststartnachlese, die SpassX N-1 und die SpaceX Wette für 2023

Ich habe einen Artikel über die Vorkommnisse beim Teststart, nachdem man nun etwas mehr weiß auf der Website veröffentlicht. Hier im Blog einige Kommentare zu dem Artikel. Die wichtigste neue Erkenntnis ist ein „privater“ Chat den Elon Musk bei Twitter abhielt (wer dabei sein wollte musste blechen). Daraus stammen auch die Auszüge. Der Chat bringt wenig neues über den Kontrollverlust und das späte Verhalten der Rakete, aber einige Passagen sind doch interessant.

Frühere Betrachtungen gab es direkt nach dem Teststart. Ich habe mich auch mit den Triebwerksausfällen und wie man sie vermeiden kann beschäftigt und den Anlagen beim Startkomplex beschäftigt.

Triebwerke

Zu den Ausfallen schreibt Musk: „Die Triebwerke des Booster 9, der als nächstes an der Reihe ist, sind viel neuer und konsistenter und weisen erhebliche Verbesserungen in der Zuverlässigkeit auf“, sagte er, ebenso wie eine verbesserte Abschirmung. „Ich denke, dass wir mit Booster 9 eine viel robustere Triebwerkssituation erleben werden.“, so Musk. Die Frage die sich der Autor stellt, ist die warum man einen Teststart ansetzt wenn schon vorher bekannt ist das die Triebwerke unzuverlässig sind. Neben den finanziellen Folgen, z.B. bei Zerstörung der Starbase sind so die Daten auch nur bedingt auf die nächsten Triebwerke übertragbar und was macht es für einen Eindruck wenn Elon Musk verspricht, dass diese Rakete Menschen transportieren soll, aber schon beim Start Triebwerke ausfallen die seinen Angaben nach 1.000-mal wiederverwendet werden sollen, es Explosionen gibt und die Rakete dann unkontrollierbar taumelt?

Flight Termination System

Zitat von Musk: „Musk said while controllers initiated the flight termination system, it took much longer than expected, about 40 seconds, for explosives to rupture the vehicle’s tanks.“.

Normalerweise ist das absolut sicherste System einer Rakete das Flight Termination System, abgekürzt FTS. Bei den bemannten Programmen Mercury, Gemini und Apollo gab sich die NASA große Mühe das dieses System absolut zuverlässig funktionierte, denn von ihm hing das Leben der Besatzung ab (es löste dort auch die Abtrennung der Kapsel von der Rakete aus). Aber auch bei unbemannten Raketen ist ein FTS das System mit der höchsten Zuverlässigkeit. Als die Ariane 501 beim Jungfernflug abrupt vom Kurs abwich wurde sie innerhalb eines Sekundenbruchteils vom FTS gesprengt.

SpaceX meinte zuerst überhaupt kein FTS zu benötigen und installierte erst eines als es durch die FAA als Auflage auf sie zukamen und dann drückt man dort auf den Knopf und nichts passiert. Gut 40 Sekunden später löst es aus, doch ich wage zu bezweifeln das die Explosion eine Reaktion auf die Terminierung des Flugs durch die Bodenkontrolle ist. Dazu dauert das einfach viel zu lange. Vielmehr scheinen andere Ursachen das FTS ausgelöst zu haben.

Ich finde es sehr bezeichnend, dass nicht mal das was woanders einwandfrei funktionierte (es gab in den letzten Jahren ja einige Fehlstarts von US-Newcomern bei denen die Rakete durch das FTS aufgrund von Bodenkommandos gesprengt wurde), hinbekommt.

Beschädigungen

Musk played down the damage to the pad itself, including concrete debris scattered over nearly 400 acres around the pad and a plume that deposited a sand-like material more than 10 kilometers away. “The debris was basically sand and rocks,” he said, “but we don’t want to do that again.”.

SpaceX had been working on that device before the launch but it was not ready in time. “If we had expected to dig a hole, we would not have flown,” Musk said. Data from the static fire test in February, when 31 of 33 Raptor engines fired at 50% of their rated thrust, caused “fairly modest erosion” of Fondag, the heavy-duty concrete used on the pad. “We thought it would be fine for one launch.”

Also, was soll man dazu sagen? Elon Musk leitet seit 20 Jahren eine Raketenfirma. Er gibt sich selbst bei Twitter als Chefkonstrukteur aus. Er hat die Startanlagen der NASA am Cape gesehen, von denen aus startet ja die Falcon. Da soll ich es glauben, das wenn er eine Rakete startet, die zehnmal schubkräftiger ist als die Falcon 9, dass er ernsthaft glaubt, da würde nichts passieren obwohl er nichts tut, um die Flammen zu bändigen.

Bezeichnend ist auch das man nachdem schon am 9. Februar kleinere Beschädigungen gab, diese herunterspielte und das obwohl ja klar ist das nun mehr Schub länger einwirkt. Nur mal als Vergleich. Bei den wirklich gut ausgebauten Anlagen der Rampe 39 im Kennedy Space Center gab es 2008 leichte Beschädigungen bei den Backsteinen des Flammentunnels. Es gab eine formale Untersuchung obwohl es bei über 100 Starts vorher keine Probleme gab und nur noch 11 Starts des Space Shuttles anstanden.

Übrigens: seit gestern hat die SpassX N-1 keine gebuchte Nutzlast mehr, denn eine Falcon Heavy startete den Viasat 3, die einzige gebuchte Nutzlast der SpassX N-1.

Persönliches Fazit

Was mich am meisten bei der ganzen Sache wundert, was sich aber schon durch die vorherigen Tests des Starships durchzieht die ja auch meistens scheiterten, ist diese überall auftretende Mischung von Dilettantismus und Leichtsinnigkeit. Nur als Erinnerung: SpaceX ist über zwanzig Jahre alt, hat über 200 Starts durchgeführt und fällt bei der Entwicklung des Starships auf ein Niveau zurück das sei nicht mal bei der Falcon 1 hatten. Bei der Falcon 1 hatten sie keine Befahrung, das haben inzwischen führende Köpfe zugegeben, aber bei ihr klappten ja wenigstens die Bodentests im Vorfeld. Nun startet man mit nicht einsatzbereiten Triebwerken. Macht sich keine Gedanken um die Auswirkung von 20 t Treibstoff pro Sekunde die verbrannt auf Beton treffen, platziert Treibstofftanks direkt neben dem Startturm. SpassX meint man könne kein FTS, als sie eines aufgrund der 75 Forderungen der FAA einbauen müssen funktioniert es nicht. Wie ist das erklärbar?

Die „SpassX N-1“

Ab sofort nenne ich die Kombination „SuperHeavy / Starship“ nur noch „SpassX N-1“. Denn die Parallelen sind ja nach dem Teststart auffällig. Dies betraf in meiner ersten Einschätzung nur die Technik, aber das Interview mit Musk zeigt das auch die Vorgehensweise die gleiche ist:

Man weiß das Triebwerke unzuverlässig sind und ausfallen können. Anstatt sie vorher alle zu testen startet man.

Mam arbeitet unter Zeitdruck. Bei der N-1 wegen der Mondrennens, bei der SpassX N-1 weil Elon Musk so ungeduldig ist und ursprünglich meinte dieser Testflug könnte sechs Monate nach seiner Ankündigung im Herbst 2019 stattfinden.

Es gibt keine Absicherung gegen eine Katastrophe. Auch bei der N-1 wurde keine einzige gesprengt, nur Triebwerke abgeschaltet wie bei der SpassX N-1

Gerechterweise muss man sagen das die N-1 einen wirksamen Schutz gegen die Flammen hatte. Unter dem Satrttisch gab es einen 42 m tiefen Schacht mit drei Flammenumlenken zu drei Tunneln im 120 Grad winkel. So gesehen ist die N-1 weiter als die SpassX N-1

Es geht nach Musk ja nur um den Unterhaltungsfaktor des Starts. Wörtliches Zitat: “Once again, excitement is guaranteed,” Musk said of the next launch. “Success is not.”

Die 2023-er SpaceX Wette

Ich habe ja früher regelmäßig eine SpaceX Wette gehabt, die sich meist mit den völlig überschriebenen Ankündigungen zu Jahresanfang wie viele Starts sie denn absolvieren würden beschäftigte. In den letzten Jahren habe ich das gelassen auch weil Musk/Shotwell dazulernten und nichts mehr ankündigten. Doch diesmal hat sich wieder Musk aus dem Fenster gelehnt:

Musk estimated SpaceX will attempt four to five Starship launches this year. “I would be surprised if we exit this year without getting to orbit,” he said, giving the company an “80%-plus probability” of doing so, increasing to nearly 100% within 12 months.

Also dagegen wette ich: Ich wette das SpaceX dieses Jahr mit der SpassX N-1 keinen Orbit erreicht. Ein Orbit ist definitionsgemäß eine Bahn die mindestens einmal um die Erde herum im Weltraum (über 100 km Höhe) führt. Alles andere ist Suborbital, auch dieser Testflug ist ein Suborbitaler (egal ob er gelang oder nicht). Das liegt nicht nur an der Abbremsung für die Landung. Nach FAA-Dokumenten sollte das Perigäum in nur 50 km Höhe liegen, sodass die SpassX N-1 auch so keinen vollständigen Orbit durchlaufen hätte, weil sie unterhalb etwa 70 bis 80 km Höhe durch die Luftreibung so stark abgebremst wird, dass sie deorbitert.

Übrigens für alle SpassX Freunde: Wenn SpassX dieses Jahr 2 Milliarden in die SpassX N-1 investiert (siehe obiges Zitat) und es (mit diesem Testflug) fünf bis sechs Starts gibt, dann kostet ein Start 333 bis 400 Millionen Dollar, nicht 20 und auch nicht 2 Millionen Dollar, Herr Prof. Walter ….

Appendix

2.5.2023: Inzwischen wird sogar die FAA verklagt weil sie SpaceX die Startlizenz zu leichtfertig erteilt hat. Dürfte den nächsten Start etas aufhalten. Denn nun wird man sicher bei der FAA wesentlich strenger prüfen unter welchen Umständen der stattfinden darf.

 

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