Bernd Leitenbergers Blog

Die Corona-Spionagesatelliten

Es gibt zwar schon auf meiner Webseite einen Artikel darüber, aber ich möchte heute im Blog etwas mehr über die Corona-Satelliten schreiben. Nach neueren Informationen zu suchen ist inzwischen relativ schwer, weil wenn man das Stichwort Corona eingibt, man eigentlich nur noch Sachen zur Pandemie bekommt. Noch problematischer ist, dass einige Schlüsselworte, die in diesem Zusammenhang fällig werden, wie Mural für den Kameratypus, der als zweites eingesetzt wurde, auch eine Bedeutung bei Corona haben.

Das Corona-Projekt waren die allerersten Spionagesatelliten der USA, die auch als Keyhole bezeichnet wurden. Der Name Corona kommt von der Typenschreibmaschine Corona von LC-Smith, auf der die Anträge für das Projekt getippt wurden. Das Projekt entstand auf einem Vorgängerprojekt namens WS-117L, abgekürzt für Wepon-System-117L, das aber schließlich eingestellt wurde, das einen Aufklärungssatelliten im Orbit vorsah. Bei den Satelliten, die von Lockheed gebaut wurden, handelte es sich um eine Konstruktion, die anfangs fest verbunden mit der Oberstufe Agena war. Die gesamte Elektronik, Avionik und Batterien steckten in der Agena. Von dem Satelliten blieb eigentlich nur noch die Kamera und der Film übrig und am Ende des Satelliten eine Rückkehrkapsel. Der Film, der anfangs ungefähr knapp einen Kilometer lang war, 70 mm Film, wurde von der Agena durch die Kamera durchgezogen und in der Rückkehrkapsel aufgespult. Wenn die Kapsel voll war oder der Film nicht mehr transportiert werden konnte, wurde die Kapsel abgestoßen und dabei der Satellit abgebremst, sodass er gleichzeitig verglühte.

Das Kamerasystem war für seine Zeit relativ aufwendig und weit entwickelt. Es basierte auf einer Petzval-Linse. Das ist ein Fotoobjektiv, das im Alltag sehr selten eingesetzt wird, aber in militärischer Hardware sehr häufig vorkommt. Die Petzval-Linse hat einen Durchmesser von 12,6 cm und eine Brennweite von 61 cm. Das bedeutet, sie hatte eine Blende von 5. Der 70mm-Film wurde nicht bildweise belichtet, sondern er wurde durch die Kamera durchgezogen. Damit nun nicht das ganze Bild verschmierte, war es so, dass hinter der Linse nur ein kleiner Spalt frei war, durch den das Licht fallen konnte. Gleichzeitig wurde die Kamera geschwenkt und bildete so die Umgebung ab. Man erhielt einen relativ langen Streifen, der bei dem Satelliten, der sich in Nord-Süd-Richtung bewegte, nach Ost-Westen ausgerichtet war. Fertige teilgeschnittene Frames waren knapp 30 cm lang. Durchgezogen wurde aber in einem Pass immer 1,2 m Film in 2 Sekunden. Danach gab es 6 Sekunden Pause und dann wurde die Sequenz wiederholt. Man erhielt so eine Abbildung, die über 70 Grad ging und nach 8 Sekunden wieder durch die Satellitenbewegung an neues Gebiet anschloss, wobei sich die einzelnen Streifen um 10% überlappten. Bei einem Pass zwischen 40 und 80 Grad Nord, wo die Kamera aktiv war, konnten ungefähr 670.000 Quadratmeilen abgebildet werden.

Die Technologie entpuppte sich als relativ anfällig. Die erste Generation, die noch als Discoverer bezeichnet wurde, inoffiziell aber KH1 lief, hieß war noch experimentell um die Technologie zu erproben. Von insgesamt 15 Satelliten erreichten viele gar nicht in Orbit und bei vielen anderen fiel die Kamera oder die Rückkehrkapsel oder sonst irgendetwas aus. Sodass es auch Satelliten gab, die überhaupt keine Kamera mehr beinhalteten oder auf die Rückkehrkapsel verzichteten und nur mit Instrumentierung ausgerüstet wurden, damit man die Probleme erkennen konnte. Ein Problem war zum Beispiel, dass der Filmtransportmechanismus immer wieder stecken blieb und es zeigte sich, dass dies an der Basis des Films lag, die aus Acetat bestand und im Vakuum versprödete und hart wurde. Sie wurde durch eine Polyesterbasis ersetzt. Nur eine einzige Mission, Discoverer 14, lieferte Bildmaterial wieder zurück zur Erde, aber diese eine Mission lichtete 4,2 Millionen Quadratkilometer des Ostblocks ab und offerierte den Bildauswertern neue Erkenntnisse. Es wurden zahlreiche neue Luftstützpunkte entdeckt und es wurde festgestellt, dass die Sowjetunion weitaus weniger einsatzbereite ICBMs hatte als die USA. Nach der KH1-Generation kam die KH2-Generation dran, die identisch aufgebaut war. Man hatte lediglich die Filmmenge von 9 auf 18 Kilogramm erhöht. Von diesen Satelliten waren schon wesentlich mehr erfolgreich. Bei der nächsten Generation, KH3, wurde eine neue Kamera von ITEK anstatt von Fairchild eingesetzt. Diese Kamera hatte zwar die gleiche Linsengröße, aber verwandte eine Linse mit einer kürzeren Brennweite, sodass die Blende nur noch 3,5 betrug. Dadurch fiel mehr Licht auf den Film und es konnte ein feinkörniger Film verwendet werden, wodurch die Auflösung anstieg. Die nächste Generation, KH4, verwandte auch diese Kamera, allerdings zwei Stück davon, 30 Grad zueinander geneigt, und die Filmmenge wurde auch verdoppelt. So konnten stereoskope Aufnahmen gemacht werden und man konnte die Objekte nicht nur flach sehen, sondern man konnte ihre Höhe abschätzen. Die letzte Generation, KH4a und 4b, hatten eine nochmals verdoppelte Filmmenge und sie führten dann auch zwei bzw. vier Rückkehrkapseln mit. Zudem boten sie eine Bewegungskompensation, verringerten so den Schmiereffekt, der dadurch entsteht, dass sich der Satellit mit 7 km/s relativ zum Boden bewegte. Die neue Mural Kamera hatte nun eine Brennweite von 101 cm und eine Linse mit 30 cm Öffnung. Weiterhin wurde in diese für Satelliten eine Kamera für grobe Aufnahmen integriert, denn es gab neben dem Corona-Programm noch weitere Spionagesatellitenprogramme.

Sie setzten dieselbe Technik der Filmrückführung ein, allerdings andere Optiken und kamen daher zu anderen Resultaten. Da war zum einen das ARGON-Programm. Das waren Satelliten, die vor allem die Aufgabe der Kartierung hatten. Das heißt, sie machten nicht Aufnahmen mit hoher Auflösung, sondern Aufnahmen mit großer Kantenlänge. Dies war militärisch von Bedeutung, denn die USA waren damals in zahlreiche Konflikte in der dritten Welt verwickelt, so in Vietnam, Kambodscha, Laos oder in verschiedenen afrikanischen Staaten und in all diesen Gegenden waren gute Karten praktisch nicht vorhanden. Diese Aufnahmen sollten also Karten für das Militär liefern und so eine genaue Übersicht des Gebietes liefern. Beim Ostblock war das noch dringender, da es natürlich nicht so war, dass man in den nächsten Laden gehen konnte und sich einfach eine Landkarte oder eine Detailkarte eines Luftwaffenstützpunkts der UdSSR oder DDR besorgen konnte. Das war aber auch nicht nur dort so. Man findet auch auf deutschen Karten dieser Zeit zahlreiche US-Waffenstützpunkte nicht eingetragen. Argon war aber nicht erfolgreich. Zahlreiche Satelliten erreichten nicht einmal den Orbit und die anderen fielen dann aus bzw. produzierten nur relativ wenige Bilder. 12 ARGON Satelliten produzierten nur knapp 32.000 Bilder mit etwa 40 m Bodenauflösung. So wurde diese Aufgabe durch die Aufnahme einer Kamera mit geringerer Brennweite den KH4 Satelliten mit übertragen. Da die Aufnahmen parallel mit den Detailaufnahmen erfolgten war es auch einfacher diese geografisch zuzuordnen.

Ein zweites konkurrierendes Programm war Lanyard. Dabei hat man auch denselben Grundtypus des Satelliten verwendet, aber eine leistungsfähigere Optik, die eine wesentlich höhere Auflösung hatte. Auch diese Satelliten lieferten nicht die Resultate, die sie bringen sollten. Lanyard wurde eingestellt und stattdessen wurde ein komplett neues Programm namens Gambit aufgelegt, mit wesentlich größeren Satelliten, die auf Atlas- und später Titan-Trägerraketen gestartet wurden. Die letzte Generation von Keyhole, KH4, A und B hatte auch noch weitere Optimierungen. So wurde zum Beispiel ein Filter eingeführt, womit man zwar keine Farbaufnahmen machen konnte, der Film zeichnete nach wie vor in schwarz-weiß auf, aber man konnte wenigstens Farben ausblenden und so zum Beispiel einen Panzer mitten im Wald deutlich hervorheben. Weiterhin war es nun so, dass der Schlitz, der für die Belichtung notwendig war, variabel war. Er konnte damit mehr oder weniger Licht durchlassen und auch mehr oder weniger große Details auf dem Film abbilden. Das war wichtig weil die Erdoberfläche auch sehr große Helligkeitsunterschiede hat – von sehr hell bei schneebedeckten Flächen bis recht dunkel wie es bei bewaldetem Gebiet der Fall ist.

Insgesamt über 880.000 Aufnahmen wurden von den 130 Satelliten des Keyhole-Programms im Laufe der Zeit von 1959 bis 1972 gemacht. Die meisten Satelliten wurden relativ früh gestartet, zwischen 1962 und 1964. Danach nahm die Zahl ab, auch weil die Filmmenge pro Satellit immer größer wurde und es mehr Rückführkapseln gab, sodass es nicht nötig war, die Satelliten in so kurzem Abstand zu starten. Ab 1966 startete das konkurrierende Programm Gambit, wodurch dann auch die Nachfrage nach Satelliten des Corona-Programms deutlich zurückging. Später übernahm die noch größeren KH9-Hexagon-Satelliten, die eine Panoramakamera hatten, beide Aufgaben, nämlich die der Detailaufnahmen wie auch die der grundlegenden Kartierung.

Die Auflösung lag bei den ersten Satelliten bei rund 12 m. Bei KH-2 stieg sie auf rund 9 m. KH-3 liefere mit den neuen Kameras Bilder mit 7,5 m Auflösung und die letzte FGeneration Aufnahmen mit 3 bis 4,5 m Auflösung. Bei Film ist es relativ schwer die Auflösung anzugeben. Sie wird üblicherweise in Linienpaaren/mm angegeben. Dazu wird mit einer Optik eine Fläche fotografiert, bei der ein Schwarz-Weiß Linienmuster immer feiner wird. Der Punkt wo man noch Schwarz/Weiss von einer grauen Fläche unterscheiden kann, ist die maximale Auflösung. Angegeben wird, wie viele Schwarz-Weiss Paare so pro Milimeter Film noch aufgelöst werden. Die erreichbare Auflösung hängt aber von der Lichtmenge, dem Kontrast und der Entwicklung ab. Bedingt durch die Methode, das der Film durchgezogen wurde, das produzierte Erschütterungen und Lageveränderungen des Satelliten und bei der Bewegung verschmierte der Film natürlich die Details wurde eine viel niedrigere Auflösung erreicht die die Optik idealerweise liefern konnte. Die erste Kamera-Generation von Fairchidl/ITEK, die maximal 9 m große Details zeigt, hatte z.B. unter idealen Umständen eine optische Auflösung von 2,2 m.

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