Bernd Leitenbergers Blog

Die Crux der bemannten Raumfahrt

Ich greife mal die Frage von Thomas auf: „Wie würde denn ein vernünftiges”, bemanntes Mond-/Marsprogramm aussehen ?„. Das bringt es auf den Punkt. Die Crux eines bemannten Programmes ist: Will man mehr erreichen, dann steigt der Aufwand gleich enorm an. Schlicht und einfach deswegen, weil Menschen immer Platz, Nahrung, Sauerstoff, Wasser bnenötigen Und je ausgedehnter die Aktivitäten sind, desto höher wird das Gewicht das transportiert wird.

Das Gegenteil ist bei unbemannten Missionen der Fall. Man muss sich vielleicht einfach einmal mal ansehen, was sich hier in 40 Jahren getan hat: Man möge mal die instrumentelle Ausstattung des Lunar Orbiters und des Lunar Reconnaissance Orbiters vergleichen. Oder was die MRO heute leistet und Mariner 6+7 vor 40 Jahren. Durch zunehmende Miniaturisierung werden unbemannte Sonden laufend leistungsfähiger. Wenn ein Mensch auf dem Mond aber mehr leisten will, so muss viel mehr Aufwand getrieben werden – Anstelle eines einfachen Landers muss dann eine Mondstation gebaut werden, es muss Energie bereit gestellt werden, Nahrung, Gase, wasser, und das für jeden Tag.

Ich gebe zu, ich habe bislang noch wenig Informationen, wie das Constellation Programm aussehen wird. Aber zuerst einmal wird es eben nur eine Wiederholung von Apollo sein, nur eben mit einer längeren Aufenthaltsdauer. Vielleicht folgt mal eine Mondbasis, aber ich bin mir da bei der NASA Politik recht sicher, dass dem nicht so sein wird. Es ist eben dann wie Griffin sagte „Apollo on Steroids“.- böse Zungen sprechen eher von „Apollo 1.5“ (Microsoft Anhänger würden es wohl als „Apollo 2020“ bezeichnen). Die Frage ist: Wie sieht die Öffentlichkeit dies? Ich bin mir recht sicher, dass die meisten Kommentare in der Art sein werden: „So jetzt sind sie also erneut auf dem Mond gelandet – was ist da das besondere?“. Wir erwarten immer eine spektakuläre Erstleistung oder zumindest was neues. In den ersten 10 Jahren der bemannten Raumfahrt gab es dies auch – Erster Mann im All, erster 24 Stunden Flug – Zwei Mann im All, Drei Mann, Weltraumspaziergänge, Kopplungsmanöver, immer längere Flüge, Mondumkreisung, Fast-Mondlandung und schließlich die Mondlandung. Doch: Was dann? Was wenn dann die zweite Mondlandung folgt, die dritte, die vierte – Wir wissen es – die Bevölkerung verliert das Interesse und die NASA musste das Programm einstellen. Ich prophezeie, dass es der ISS genauso gehen wird. Nun ist es noch spannend – mit jedem Flug wird sie weiter ausgebaut, dazu die Ungewissheit – wird es nicht wieder einen Verlust eines Space Shuttles geben, wird der Zeitplan eingehalten werden? Doch dann – ist sie fertig und es wird dort geforscht. Die Forschung auf der ISS dient Grundlagenforschung und vorwiegend der Erforschung des Menschen in der Schwerelosigkeit (die wiederum überflüssig wäre, gäbe es keine bemannte Raumfahrt). Es wird aber nichts spektakuläres geben was für die Öffentlichkeit wichtig wäre.

Gerade der Mond zeigt wie leistungsfähig heute unbemannte Sonden sind. Ich habe mal ja eine unbemannte Mondprobengewinnung skizziert. Der Grundgedanke: Ein umgebauter Mars-Rover (nukleare Energieversorgung, Probennehmer, Bohrgestänge) entnimmt eine Reihe von Bodenproben und wenn er eine gewisse Menge zusammen hat, wird ein zweiter Lander gestartet mit einer Rückkehrstufe. In diese werden die Bodenproben verladen und zur Erde zurückgebracht. Nun ist selbst bei den optimistischen Prognosen ein solcher Rover nicht so effektiv wie ein Mensch. Er wird vielleicht eine Probe pro Tag gewinnen, anstatt in ein paar Minuten. Aber er hat andere Vorzüge: Er kann über Monate auf dem Mond operieren und jede Probe vor der Gewinnung untersuchen – das geht auch berührungslos mit Infrarotspektrometern und Röntgenfluoreszenz und Alphastrahlen Spektrometern. Damit kann er sich auf die Gewinnung der Proben gewinnen, die wissenschaftlich wichtig sind. Bei Apollo fand die Untersuchung erst auf der Erde statt.

Vor allem aber wird es billiger: Constellation ist mit 124-230 Milliarden Dollar angesetzt. Ich glaube das ein unbemanntes Programm im niedrigen Bereich von wenigen Prozent dieser Summe liegen würde, sicherlich unter 10 %. Eine ähnliche Tendenz können wir heute schon beim Mars sehen: Die aktuellen Rover sind nun über Jahre hinweg in Betrieb und haben jeder rund 10 km zurückgelegt – man stelle sich mal vor, sie hätten während dieser Zeit Bodenproben gesammelt und wir würden diese nun nur noch abholen. Wäre das nicht schon fast mit den Ergebnissen einer ersten bemannten Landung vergleichbar? Vor 30 Jahren wäre das unvorstellbar gewesen. Viking war viel teurer, aber nicht mobil und nicht autonom. Der Unterschied zwischen dem was eine bemannte Mission 1980 leisten konnte (für den Termin hatte Wernher von Braun die erste Marslandung geplant) und dem was man unbemannt erreichen konnte, war viel größer. Vor 2030 wird es keine bemannte Landung geben – ich wage zu prophezeien, dass bis dahin Roboter effektiver sein werden. Schon der nächste wird pro Tag eine 100 mal längere Strecke als die derzeitigen Rover zurücklegen können, instrumentell besser ausgestattet sein.

Ich finde die Argumentation „Menschen können alles besser, weil sie Verstand haben“ immer sehr belustigend, weil diese Leute die Nachteile von Menschen schlichtweg ignorieren. Dazu muss man nur mal seinen Blick über den Tellerrand schweifen lassen. Es gibt so viele Bereich wo Menschen durch Roboter ersetzt wurden. Nicht nur bei immer gleichen Tätigkeiten wie in Fabriken. Denken wir an die Tiefseeforschung: Früher gab es da ausschließlich bemannte Kapseln. inzwischen wird sie von ferngesteuerten Robotern durchgeführt. Der Durchbruch kam, als ein Pilot einer Fähre bemerkte, dass der Forscher nicht mehr aus dem Bullauge schaute sondern auf den Monitor, der mit der Fernsehkamera gekoppelt war – und das konnte er bequem auch vom Schiff aus. Roboter haben Tiefseetaucher verdrängt und verlegen heute Pipelines und verschweißen Bohrinseln an der Basis im Meeresboden. Roboter machen heuten automatisch Analysen mit einem GC/MS.- man stellt nur noch eine Probenpalette unter den Arm und eine Probe wird nach der anderen geöffnet und in den GC injiziert. Am GC/MS prüft eine Software die Signale gegen eine Datenbank und gibt zurück um welche Substanzen es sich handelt und in welcher Konzentration. Das sind heute übliche vollautomatische Analysen in Labors. Wahrscheinlich könnte man auch die Schreiben an die Staatsanwaltschaft automatisch erstellen, wenn die Konzentration vorgeschriebene Grenzwerte überschreitet. Bei Blutuntersuchungen auf Alkohol geschieht des ja schon.

Das erinnert mich an das Buch, das ich gerade gelesen habe. Das Buch Digital Apollo: Human and Machine in Spaceflight (Inside Technology) beschreibt recht genau wie die NASA extrem viel Wert darauf legte für eine aktive Rolle der Besatzung, auch wenn es nicht notwendig war. Im letzten Kapitel ist das noch deutlicher, als beim Apollo Computer: Bedingt durch den Fortschritt der Computertechnik hätte das Space Shuttle vollständig vom Computer geflogen werden können. Auch hier bestand die NASA auf eine manuelle Landung. Das ganze wurde dann mechanisch gelöst: Zwar kann der Computer das Space Shuttle landen, aber bis zum Verlust der Columbia musste das Landefahrwerk mechanisch durch einen Schalter ausgelöst werden. Erst nach dem Verlust der Columbia gab es eine Möglichkeit dies zu umgehen. Nicht gedacht für eine bemannte Landung, sondern den Fall, dass wieder eine Fähre beschädigt ist. Die Besatzung wäre dann auf der ISS geblieben und das Shuttle sollte so unbemannt zurückkehren. Das es auch anders geht bewiesen die Sowjets mit der Buran, obwohl deren Computertechnik der der USA hinterherhinkte. Der Bordrechner von Buran war auch langsamer als der des Space Shuttles (0.37 MOps verglichen mit 0.48 MOps – ein aktueller Quadcore Prozessor liegt übrigens so in der Größenordnung von rund 5-10.000 MOps….Denken sie mal drüber nach was man damit alles machen könnte….)

Das zeigt ein Kernproblem der NASA: Damit man das Programm verkaufen kann wird viel Wert auf eine aktive Rolle der Besatzung gelegt. Das führt aber dazu, dass wenn offensichtlich ist, dass diese nicht benötigt wird und durch Roboter ersetzt werden könnte das ganze Programm in Frage gestellt wird. In dieser Hinsicht sind die meisten Science Fiction Filme viel fortschrittlicher: Dort hat die Besatzung meist sehr wichtige Forschungsaufgaben. Die Routinetätigkeit machen die Computer. Sie steuern die System und das Raumfahrzeug. Wenn dort Personen steuern, dann wie beim Auto mit einem Lenkrad oder sie geben Befehl „Computer – beschleunigen“. Aber sie legen nicht hunderte von Kippschaltern in der richtigen Reihenfolge um oder – Anachronismus bei Apollo: Der Computer steuert, aber die Besatzung gibt von Hand die Daten ein, die von der Bodenkontrolle mündlich übermittelt werden ein. (Als „fortschrittliches“ System war ein Fernschreiber vorgesehen, aber schon das war zu wenig Verantwortung für die Besatzung und wurde von den Astronauten abgelehnt). Auf so fortschrittliche Dinge wie das Übermitteln derselben Werte per Telemetrie (mit Paritätsinformationen und Gegenkontrolle über Senden des Empfangenen vor Eingabe) kam man im Apollo Programm nicht.

Ich kann obiges Buch jedem wärmstes empfehlen. Es ist ein Buch nicht nur über Apollo, sondern die Rolle von Menschen und Maschinen in den 60 er Jahren, beginnend schon bei der X-15, über Mercury und Gemini. Man lernt viel über den AGC, aber noch viel mehr über seine Philosophie, seine Entwicklung, seine Programme und die Auseinandersetzung welche Rolle er in dem Programm hatte.

Die mobile Version verlassen