Bernd Leitenbergers Blog

SpaceX und OSC

Am Mittwoch steht nun der Jungfernflug der Antares an. OSC geht in dem ganzen SpaceX Hype ja etwas unter, auch weil die Firma weniger durch Ankündigungen auffiel. Dafür gibt es von der Antares harte Daten, seitens OSC, ATK und der NASA.

Die Firmen und ihre Herangehensweise könnten unterschiedlicher nicht sein, OSC ist zwar kein Riesenkonzern wie Boeing oder Lockheed, aber eine etablierte Größe im US-Weltraumprogramm. Die Firma hat die Pegasus entwickelt und militärische ICBM zu Trägern umgerüstet. SpaceX ist dagegen ein Newcomer ohne irgendwelche Erfahrungen, aber mit dem Anspruch alles besser zu machen als die anderen.

Fangen wir mit den Fakten an. Beide Firmen entwickeln Frachter für das COTS / CRS Programm. SpaceX kam in der ersten Runde dran, OSC erst als Kistler-Rockjetplane der Auftrag wegen fehlender Eigen Finanzmittel wieder entzogen wurde. Vertagsunterzeichnung war am 22.1.2008 für OSC, aber schon am 18.8.2006 für SpaceX. Das wird gerne vergessen. Es ist logisch, dass OSC daher immer hinter SpaceX hinterherhinkt, schon alleine deswegen, weil sowohl Dragon wie auch Falcon 9 von SpaceX entwickelt wurden, bevor sie den Vertrag hatten (die Ankündigungen findet man im Februar und März 2006 auf der Website). OSC kündigte die Entwicklung der Antares (ehemals Taurus II) und Cygnus dagegen erst nach Vertragsunterzeichnung an.

Die ersten COTS Testflüge sollten nach den COTS-Planungen im September 2008 (SpaceX) und Dezember 2010 (OSC) stattfinden. Die insgesamt durch COTS zugesagten Mittel betrugen 396 SpaceX und 278 Millionen Dollar für OSC. SpaceX hat also erheblich mehr Mittel erhalten. Beide haben übrigens einen 118 Millionen Dollar Nachschlag bekommen, weil keine der firmen mit diesen Mitteln eine Trägerrakete und einen Transporter bauen kann.

Der Erstflug einer Falcon fand 4.6.2010, also 4 Jahre 3 Monate nach Ankündigung statt. Bei der Antares werden es, wenn am Mittwoch der Start stattfindet 4 Jahre 8 Monate sein. Definitiv wird OSC mehr Verzögerungen als SpaceX beim ersten COTS Flug haben, der im Dezember 2010 stattfand, er war 26 Monate zu spät. Wenn der bisher für den Juni geplante Start von COTS Demo pünktlich stattfindet, so sind es 29 Monate, doch beides sind vergleichbare Zahlen. Aufgrund der Zahlen (Finanzvolumen, Termintreue) ist der Hype um SpaceX nicht nachvollziehbar.

Was beide Firmen unterscheidet, ist die Herangehensweise. OSC hat für den COTS/CRS Auftrag eine Trägerrakete entwickelt die genau das tut was man von ihr erwartet. Sie ist leistungsfähig genug für die Versorgungsmission und könnte auch die wenigen NASA Nutzlastend er Delta II Klasse starten., für die sich sonst kein eigener Träger lohnt. Sie ist kein Schmuckstück und verwendet wo es geht schon existierendes. Die Tanks werden nach der Zenit gefertigt, die Haupttriebwerke sind 40 Jahre alt. Die Oberstufe ist ein verkürzter Castor 120 Booster. Einiges ist an der Konstruktion ungewöhnlich, so wäre es technisch sinnvoller die Erststufe zu verkürzen und dafür einen Castor 120 Booster einzusetzen. Das spart auch Entwicklungskosten. Die Falcon 9 soll dagegen auch bei GTO-Transporten mitmischen und muss so leistungsfähiger sein. OSC hat sich das gespart, wohl wissend, dass dort ein harter Preiskampf tobt und andere US-Unternehmen aus dem Markt ausstiegen. Man dard nicht vergessen, dass der Regierungsmarkt auch so sehr lukrativ ist. Es gibt im mittleren Nutzlastsegment keine Konkurrenz. Die Falcon 9 wäre eine, doch bei NASA und DoD entscheiden mehr Zuverlässigkeit als Preis und die bisherigen Erfahrungen mit SpaceX in dieser Hinsicht sind noch verbesserungswürdig.

Die Cygnus nutzt einen Bus von OSC, einen Nutzlastbehälter basierend auf den MPLM und die Sensoren von ATV und HTV.

SpaceX hat dagegen Dragon und Falcon 9 vor der Auftragsvergabe im Design650 festgelegt, mit weitreichenden Konsequenzen. Beide sind für die Aufgabe nicht ausgelegt. Die Dragon hat einen kegelförmigen Druckbehälter – mit kleinem Volumen und großer Oberfläche. Gedacht ist sie für Besatzungstransporte, nicht für Fracht. Ergänzt haben sie dies um einen Trunk, für Fracht ohne Druck. Doch davon braucht man nicht sehr viel auf der Raumstation, vor allem Ersatzteile werden so transportiert. OSC hat dagegen genau den Frachtbehälter im Kleinformat eingesetzt der schon bei den MPLM und ATV eingesetzt wurde. Das ist die Anpassung an den vom Kunden gewünschten Zweck. Die Entwicklung eines Raumschiffs so aufs Blaue hinaus und dann die Zweckentfremdung einer Kapsel für bemannte Flüge für Versorgungsflüge ist dies nicht.

Die Falcon 9 hat eine zu kleine Nutzlast um die Dragon mit nomineller Fracht transportieren zu können. Bei drei Flügen lag die Fracht bisher bei zweimal 500 kg und einmal 847 kg. Nicht sehr viel, nicht mal die Transportleistung eines Progresstransporters derselben Größe. Nun muss eine neue Version der Falcon 9 her. Doch selbst mit dieser wird nur in Ausnahmefällen die 6 t Fracht erreicht werden, weil wie schon gesagt, das interne Volumen von 10 m³ (Cygnus: 27 m³) zu klein ist.

Der Hauptunterschied ist die Herangehensweise und die Öffentlichkeitsarbeit. Zur letzteren. Von OSC gibt es Broschüren, Fact Sheets und auch Präsentationen auf Kongressen die echte Daten enthalten. Die Tests finden auch in NASA Zentren wie dem Stennis Test Center statt und die Ergebnisse sind öffentlich. Von SpaceX gibt es nur (positive) Pressemiteilungen, kaum Fakten, alle Tests sind abgeschottet auf einem Testgelände in Texas durchgeführt worden. Dafür gibt es jede Menge an Kündigungen. Die Herangehensweise ist auch deutlich bei der Triebwerksentwicklung. Das Merlin 1 wurde in 3262 s qualifiziert, das Merlin 1D nach 1970 s. Wer sich auskennt, weiss das diese Zahlen etwa eine Größenordnung unter der anderer Triebwerke ist. Beim RS-68 waren es z.B. fast 19.000 s, bei Vulcain sogar über 90.000 s. Die langen Testzeiten kommen daher zustande das man sich bei anderen Triebwerkbauern langsam einem kompletten Triebwerk annähert und dann natürlich auch zahlreiche Fehler oder Betriebsweisen jenseits der Spezifikation ausprobiert und jeder Test wird mehrmals gemacht um versteckte Mängel zu finden, die man nicht sofort findet, sondern sich nur ab und an manifestieren. Ein Punkt der zu so vielen Tests führt ist aber die Statistik. Will man, wie heute üblich eine Zuverlässigkeit von 99+% haben, so muss man natürlich so oft getestet haben, dass diese Aussage mit statistischer Signifikanz getroffen werden kann. Das Merlin absolvierte beispielsweise nur 28 Tests, das RS-68 dagegen 180. Wenn alle vom Merlin erfolgreich waren, so kann man damit nur belegen, dass ein Ausfall nach minimal 28 Einsätzen stattfindet. Das kann auch der 29-ste sein. Die Engine-Out Capability ist damit nicht ein Feature, sondern essentiell notwendig wie auch die Vergangenheit zeigte: es gab bei 55 Einsätzen (5 an Bord der Falcon 1, 50 auf der Falcon 9) schon drei Ausfälle: beim ersten Falcon 1 Start, beim zweiten Falcon 9 Start einen nicht vom Boden sichtbaren, der erst Monate später beim Safety Advice Panel der NASA bekannt wurde (vorbildliche Pressearbeit, Fehlschläge so lange zu verschweigen) und einen beim vierten Flug, der leider bemerkt wurde – SpaceX meinte durch Umschalten der Kameraperspektive und Kürzen des Startvideos diese vertuschen zu können, aber das gelang nicht.

Vor allem gelingt es SpaceX mit der Informationspolitik positive Stimmung zu machen. Nach Abschluss des COTS Programmes, letzten Mai gab die Firma bekannt, dass sie bisher 1,2 Milliarden Dollar an Aufwendungen hatte. Davon stammen 120 Millionen von Elon Musk, der 65% der Firma hält, 100 Millionen von Kapitalgebern, aber 850 Millionen von der NASA (COTS, CRS und CCDev Gelder), der Rest sind Zahlungen der DARPA für die Falcon 1 und kommerzielle Einnahmen oder Vorauszahlungen (Start von Rakhsat, Transportaufträge). De Fakto hat man also mit Eigenkapital von 220 Millionen es erreicht, dass der Staat viermal so viel ausgibt und verkauft dies noch als „private Raumfahrtfirma“. OSC hat schon bei Ankündigung des Vertrags verlautbart, selbst 170 Millionen in die Entwicklung zu stecken, weitaus weniger Gelder der NASA enthalten und ist nicht bei CCDEv beteiligt mit dem SpaceX Verbesserungen an der Dragon querfinanzieren kann. So gesheen ist OSC die weniger am Staatstropf hängende und weitaus risikofreudigere der beiden Firmen.

Die erstaunlichste Leistung von SpaceX und das meine ich nicht ironisch, ist wie die Firma Publicity macht und dies zu dem eignen Vorteil ausnutzt. Nach Abschluss von COTS kletterte der Firmenwert von 1,2 auf 2,4 Milliarden, wenn die Firma damals an die Börse gegangen wäre. Dass ist erstaunlich, wenn man bedenkt, dass bisher nur 220 Millionen Eigenkapital eingebracht wurden (Rendite über 1000%) und die Firma (damals) 1800 Mitarbeiter hat. Sie hatte damals zwar für nominell  über 2 Milliarden Dollar Aufträge im Backlog , aber das sind ja keine Firmenwerte und vor allem ist es kein Reingewinn, das sind vielleicht 10 bis 20% der Summe. Auch wenn man einen Vergleich von deutschen börsennotierten Unternehmen macht ist die Summe enorm groß. Zum Beispiel gibt es eine Beziehung zwischen Unternehmenswert und Anzahl der Mitarbeiter. In Deutschland rund 100.000 Euro pro Arbeitsplatz. Das sind rund 130.000 Dollar. Teilt man die 2,4 Milliarden Unternehmenswert durch die 1,800 damals beschäftigten Mitarbeiter, so sind es dort 1,3 Millionen. Ein Arbeitsplatz ist dort also zehnmal mehr wert.

Ich habe ja schon lange den Verdacht, dass es bei SpaceX darum geht viel Geld an der Börse zu machen. Dann kann man auch auf dem Weg dahin Verluste in Kauf nehmen. Wenn Elon Musk dann seine 65% verkauft ist er 1,5 Milliarden reicher – bei 120 Millionen Dollar Kapitaleinsatz. Das es selbst wenn die Preise gehalten werden können und die Firma tatsächlich 10-12 Flüge pro Jahr durchführt wie schwierig es wird bei 2,4 Milliarden Unternehmebnswert eine ordentliche Dividende hinzubekommen steht auf einem anderen Blatt: Angenommen 5% des Auftragsvolumens wären Dividende (es gibt ja auch noch Investitionen) dann sind das bei 10-12 Starts und 700 bis 800 Millionen Einnahmen pro Jahr maximal 40 Millionen Dollar oder magere 1,67% Verzinsung.

Das die Firma immer weiter den Zeitpunkt des Börsengangs verschiebt (nun schon um zwei Jahre) deutet auch darauf hin, dass man den Gewinn hier maximieren will. Solange mit jedem Flug der Firmenwert weiter steigt völlig losgelöst von der Auftragslage und dem Gewinn macht dies Sinn. Dann muss man nur rechtzeitig die Anteile verkaufen bevor die Aktionäre bemerken wie viel die Firma wirklich wert ist.

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