COTS

Das Commercial Orbital Transportation Services, kurz COTS ist ein Programm das ich mal heute näher beleuchten will. Es wurde im Januar 2006 engkündigt mit dem Ziel, die ISS privat zu versorgen bis ihre Orion Kapsel zur Verfügung steht. Dabei geht es um den Transport von Fracht unter Druck, ohne Druck und Rücktransport zur Erde. Die Wikipedia führt auch den Mannschaftstransport auf, doch habe ich keine Ausschreibung gesehen, bei der die NASA dies wirklich privat durchführen will.

Im Mai 2006 gab es die ersten Finalisten und gewählt wurden SpaceX und Kistler. Nicht das Boeing und Lockheed sich nicht auch beteiligt hätten – das taten sie mit adaptierten Versionen des HTV und ATV auf US-Trägerraketen. Aber die NASA bevorzugte die Newcomer. SpaceX bekam 278 Millionen Dollar und Kistler, damals schon pleite, 207 Millionen, von denen die bankrotte Firma noch 32,1 Millionen einstreichen konnte bevor die NASA das merkte und in einer zweiten Runde an OSC die restlichen 170 Millionen ausgab.

SpaceX muss dafür 3 Demo Versionen fliegen. Nach den NASA Angaben ist SpaceX da wohl etwas im Zeitverzug, denn die Demo 1 Mission sollte im Juni dieses Jahres abgeschlossen sein. Die letzte im März 2010. OSC muss nur einen Flug für seine 170 Millionen Dollar absolvieren.

COTS wurde dann, nachdem hier 500 Millionen Dollar zur Anschubfinanzierung ausgegeben wurden, von CRS abgelöst (Commercial Resupply Services). Auch hier boten wieder verschiedene Anbieter mit. Inzwischen hatten sich Boeing, Lockheed und ATK sogar zu PlanetSpace zusammen geschlossen, es gewannen aber wieder OSC (8 Flüge für 1,9 Milliarden Dollar) und SpaceX (12 Flüge für 1,6 Milliarden Dollar).

Was ist davon zu halten? Nun wie vieles hat das ganze mehrere Aspekte. Nehmen wir mal die Versorgung der ISS. Die NASA hat hier eine preiswerte Möglichkeit für die ISS Versorgung mit Fracht gefunden. Ein Flug von OSC transportiert 2300 kg zur ISS und 1.200 kg zurück. Ein Flug kostet 237,5 Millionen Dollar. SpaceX bekommt deutlich weniger. Hier darf ein Flug nur 133 Millionen Dollar kosten, obwohl nach den SpaceX Angaben diese mit 3000 kg eine höhere Fracht transportiert.

In jedem Falle zahlt die NASA nur für erfolgte Flüge. Kann einer der Anbieter nicht die 20 t Nutzlast erbringen geht er leer aus. So ist das Risiko für die NASA gering. Fällt ein Anbieter aus, so kann sie noch einen ATV Flug buchen oder eine Progress. Ein Vergleich der Progress mit US-Systemen ist unfair, weil wir alle wissen, dass die Lohnkosten in Russland andere sind als bei uns und die machen in der Raumfahrt den Hauptkostenanteil. Ein ATV transportiert 7767 kg für 500 Millionen Dollar, also rund 64.300 $/kg. Die Cygnus von OSC liegt bei 103.200 $/kg und die Dragon bei 44.300 $/kg. Im einen Fall wird es also ziemlich billiger, im anderen etwas teurer. Dann gäbe es noch die Progress (bedeutend billiger) und das HTV (bedeutend teurer) als Alternativen.

Wenn beide Anbieter scheitern, hat die NASA maximal die 500 Millionen Dollar der Anschubfinanzierung in den Sand gesetzt. Das ist ein Gesichtsprunkt. Es gibt noch einen zweiten. Geht es eigentlich wirklich um die Versorgung der ISS? Wenn dem so wäre, warum schreibt man die Aufträge erst 2006 aus, wenn schon 2004 der Beschluss gefallen ist die Space Shuttles 2010 auszumustern? Wenn man die ISS versorgen will, warum gibt man sich nicht mehr Mühe frühzeitig die Orion Kapsel verfügbar zu haben, schließlich ist der Mannschaftstransport wichtiger, denn Versorgungssysteme gibt es ja schon drei Stück. Wenn die ISS so wichtig ist, warum taucht dann immer wieder im Zusammenhang mit dem Constellation Programm die Idee auf, die ISS 2015, wenn die vertraglichen Verpflichtungen gegenüber Europa und Japan enden, aufzugeben? Und warum bekamen Anbieter keine Chance die schon existierende und erprobte Systeme auf US-Trägern offerierten?

Meine Meinung: Es ging nie um die ISS. Die NASA hat ein anderes Problem, dass sie damit lösen will: Im Laufe der letzten Jahrzehnte haben alle größeren Aerospace Firmen fusioniert. Erinner sich noch jemand an Namen wie Douglas, McDonnell, General Dynamics, Martin-Marietta, North American ? Heute gibt es nur noch Boeing und Lockheed und diese fangen an, sich nicht mehr Konkurrenz zu machen, sondern gemeinsam als ein Anbieter aufzutreten. Bei den Trägern ist es „United Launch Alliance“ und bei dem COTS Programm fanden sich beide auch in der Firma „PlanetSpace“ wieder. Natürlich kann ein Monopolist die Preise diktieren, wie man an dem deutlichen Anstieg der Startpreise von Atlas und Delta zwischen 1999 und 2006 sieht – im gleichen Zeitraum sanken die von Ariane 5 um 30 %! Die NASA vergibt die Aufträge bewusst an einen Newcomer und kleine Firma um diese quer zu finanzieren und so neue Konkurrenten zu kreieren.

Ist das eine Auszeichnung für SpaceX und OSC? Vielleicht. Aber ich habe, wie die Wahl von Kistler zeigt, eher das Gefühl, dass es für die NASA keine Alternative mehr gab, als diese Firmen. Zumindest SpaceX wird dabei nicht reich werden. 133 Millionen Dollar für einen Start ist verdammt wenig. Wenn ihre Falcon 9 so im Preis steigt und die Nutzlast so abnimmt wie bei der Falcon 1, dann zahlt die Firma wahrscheinlich sogar drauf. Für SpaceX gab es wahrscheinlich kaum Alternativen für das Angebot, denn kommerzielle Kunden hat sie ja keine. Von den zwei die es Anfang dieses Jahres gab, ist ja einer abgesprungen. Elon Musk hofft auf das große Geld durch bemannte Transporte. Das Spiel ist ja nicht neu – erst mal preiswert ein System anbieten, dann es bemannt verkaufen und Druck durch Publicity machen „Wir können doch nicht unsere Astronauten von Russen befördern lassen“ und dann erheblich mehr für die Kapsel kassieren und so doch noch zu schwarzen Zahlen kommen. Ich glaube aber das die Rechnung nicht aufgehen wird. Die NASA weiß aus zwei Space Shuttle Unglücken welche Publicity es gibt wenn Astronauten sterben. Daher wird sie diese nicht starten lassen, wenn nicht alles 100 % sicher ist und hinsichtlich Kompetenz sehe ich da einige Bedenken gegenüber SpaceX. Das ist bei Fracht Wurst, das juckt die Öffentlichkeit nicht und man bestellt mal schnell eine Progress bei den Russen.

Die Cygnus halte ich für besser kalkuliert. Egal wie es läuft. Spätestens 2014/15 wenn die Orion einsatzbereit ist, werden beide Firmen ihre Transporte einstellen müssen, denn dann hat die NASA wieder selbst genug Transportkapazität.

So zum Schluss noch eine Quizfrage. Mal sehen wie viele Raketen meine Blogleser kennen. Wie schon an dieser Stelle angekündigt gibt es als nächste Bücher ein zweibändiges Raketenlexikon (bevor dann Teil 2 der Europäischen Trägerraketen mit Ariane und Vega kommt). Es enthält Datenblätter über jede Subversion einer Rakete, für die ich genug Daten fand um ein solches zu erstellen. Was meint ihr wie viele Datenblätter sind es auf 780 Seiten geworden? Ein Tipp: Es sind mehr als in dem existierenden Werk von Eugen Reichl.

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