Bernd Leitenbergers Blog

Eine Prüfung für die Demokratie

Nun ist Trump ja als Präsident vereidigt worden und was schon im Vorfeld sichtbar war, hat sich auch gleich in den ersten Amtstagen fortgesetzt. Nach der Wahl verbreiteten zumindest Kommentatoren und Journalisten, Trump würde „gebändigt“ werden. Er würde sehen, dass nicht alles so einfach ist, wie er es sieht und es gäbe ja genügend Berater, die ihn „korrigieren“ könnten. Doch die Monate nach der Wahl zeigten, das sich da nichts geändert hat. Selbst wenn ihm die eigenen Geheimdienste Beweise vorlegen, dass russische Hacker in die Wahl eingegriffen haben, dann nimmt er das einfach nicht zur Kenntnis – zumindest solange bis Russland ein Dossier mit belastendem Material über ihn veröffentlicht.

Nun geht es weiter wie bisher. Wenn berichtet wird, dass seine Amtseinführung weniger Leute verfolgt haben, dann verkündet seine Sprecherin „alternative Fakten“. Der Mensch scheint neben anderen persönlichen Defiziten auch noch Minderwertigkeitskomplexe zu haben. Was juckt es mich, wie viele Leute bei der Amtseinführung zuschauen? Wichtig ist doch das man Präsident geworden ist und nicht wie viele Leute das gesehen haben. Kurzum: ich glaube nicht, dass sich was ändert. Der Mensch wird genauso so weitermachen wie im Wahlkampf. Das nährt die schlimmsten Befürchtungen. Ich denke dabei nicht an Strafzölle gegen deutsche Autos, die Mauer an der Grenze zu Mexiko, sondern an Bemerkungen wie „Wozu haben wie Atomwaffen, wenn wir sie nicht einsetzen?“. Leute mit einer solchen Denke sollten nicht mal eine Schreckschusspistole besitzen dürfen, geschweige denn die Codes für die Atomraketen der USA. Da er sich auch nur Leute als Berater aussucht, die seiner Meinung sind, bzw. eine ähnliche kapitalistische Gesinnung haben, dürfte auch keine Mäßigung durch Berater zu erwarten sein. Wie kommt man auch auf die Idee, dass er als Berater Leute nimmt, die zwar nicht seiner Meinung sind, aber qualifiziert sind. Der Mensch machte bisher nicht den Eindruck als würde er andere Meinungen, als seine eigene respektieren würde.

Nun kommt die Bewährungsprobe für das parlamentarische System der USA und die anderen Institutionen, wie Judikative und Medien.

Ich sehe da aber schwarz nach den Erfahrungen der letzten Jahre. Der Kongress hat die Politik von Obama blockiert, soweit es nur ging und das primär, weil dort die Republikaner dominieren. Dabei ging es nicht um das Wohl des Landes, denn es kam ja zweimal vor, dass man es fast soweit kommen ließ, dass die USA zahlungsunfähig gewesen wären, und man Regierungsbeamte in den Zwangsurlaub schickte. Zum Wohl des Landes kann dies ja wohl nicht gewesen sein.

Auf der anderen Seite habe ich nicht vergessen wie es beim Beginn des Irakkriegs war. Damals hat Bush und seine Minister einfach dreist behauptet Hussein würde Al Quaida unterstützen und an Massenvernichtungswaffen arbeiten. „Beweise“ waren einige Grafiken, die mobile Labors auf Lastwagen zeigen sollten. Auf den Fotos der Lastwagen selbst war nichts zu erkennen und die UN-Beobachter, die seit Jahren den ganzen Staat durchsucht haben fanden auch nichts. Später wurde bekannt, dass die „Beweise“ auf den Behauptungen einer einzigen Quelle beruhten: eines vom BND befragten Irakers, der bei den US-Geheimdiensten den Codenamen „Curveball“ erhielt.. Ich habe da mal eine Dokumentation gesehen, in der er selbst zu Wort kam. Demnach haben die US-Geheimdienste nicht mal Verdacht geschöpft als ein Betrieb der angeblich Chemikalien herstellen sollte, nach Satellitenfotos eine Mauer baute, die den angeblichen Herstellungsort (der nicht zum Betrieb gehörte) abtrennte, sodass man gar nicht zu ihm gelangen konnte. Der BND stufte den „Zeugen“ als unzuverlässig ein, doch die Amis glaubten ihm. Die „Beweise“ überzeugten dann auch fast keine andere Nation. Nur England war bereit auch in den Krieg zu ziehen. Doch im Repräsentantenhaus stimmten 296 zu 133 für den Krieg, im Senat 77 zu 23. Kurzum es hat damals das Parlament als Kontrollorgan versagt und das tat es eigentlich auch in den letzten Jahren von Obamas Regierung, in der es eigentlich nur darum ging zu blockieren. Daher sehe ich schwarz dafür, dass der Kongress Trump zügelt, den die Republikaner haben dort eine satte Mehrheit.

Bleibt noch die Judikative. Die USA haben ja auch ein oberstes Bundesgericht, den Supreme Court, das Gegenstück zu unserem Verfassungsgericht. Doch die Richter dafür werden auch vom Präsidenten ernannt und dürften so bestimmte nicht auf Gegenkurs gehen. Zumindest war das in den letzten Jahrzehnten so. Auf der anderen Seite sind sie zumindest etwas unabhängiger als die Politiker. Sie müssen nicht wiedergewählt werden. Bei Nixon stimmte das Bundesgericht einstimmig für die Herausgabe der Tonbänder die Nixon belasteten und die er nicht herausgeben wollte.

Der Watergate Skandal hat gezeigt das auch die Presse, heute würde man sagen die Medien, eine wirksame Kontrolle der Regierung sein können. Doch das ist 40 Jahre her. Gerade im Irakkrieg zeigte sich eine andere Art von Medien. Kritik an der Regierung? Fehlanzeige. Stattdessen schon Vorfreude auf den Krieg, das Zelebrieren der eigenen technischen Überlegenheit, Glorifizieren von Waffen. Es gab keine Kritik an dem Militär mit der Politik von „eingebeteten Reportern“, die anders als in Vietnam natürlich immer da mitfuhren, wo man sicher sein konnte, das sie die „richtigen“ Bilder und Nachrichten sehen. Woodward und Bernstein, welche die Watergate Affäre ins Rollen brachten, machen mir aber Hoffnung: Heute wäre das anders. Sie hätten damals fast alleine recherchiert. Niemand anders interessierte sich für den Einbruch ins Watergate Haus. (Anders ausgerückt: Auch die anderen Medien versagten). Heute würde eine solche Meldung von einer Community im Internet aufgenommen und weiterverfolgt werden. Das zeigte sich ja auch bei uns beim Fall Gutenberg, wo Freiwillige innerhalb von wenigen Tagen beweisen, dass seine Doktorarbeit nur kopiert war.

Auf der anderen Seite zeigt aber gerade die letzte Wahl wie man mit Fake-News die Meinung zu seinen Gunsten beeinflusst. Und als Milliardär und Präsident hat er gleich zwei Instrumente, um wirksam Meinungen zu verändern. Er kann sein Vermögen einsetzen, um falsche Meldungen zu lancieren – wer sagt denn das die russischen Hacker nur für Putin arbeiten müssen? Und mit dem Regierungsapparat hat er ein zweites Machtinstrument zur Verfügung, mit denen er sowohl Meldungen lancieren kann, wie auch unliebsame andere Meinungen zum Schweigen bringen kann.

Schon die Wahl von Trump selbst zeigt doch das das Problem viel tiefer geht. Es sind nicht nur Parlament, Supreme Court oder Medien, die versagen. Es ist die Bevölkerung selbst. Mal abgesehen von lancierten Meldungen, gab es doch genügend Äußerungen von ihm selbst, über Twitter, in Reden oder bei den TV-Duellen, die bei jedem vernünftig denkenden Menschen die Alarmglocken anschlagen lassen. Trotzdem wurde er gewählt, und zwar wie Analysen zeigen, weil Clinton zu wenige Stimmen bekam. Trump hatte nicht mehr Stimmen, als Romney, der letzte Republikaner der 2012 gegen Obama verlor, aber Clinton bekam viel weniger Stimmen als Obama, 15% weniger. Due Leute die gegen Trump waren, gingen einfach nicht zur Wahl, weil wohl Clinton ziemlich unbeliebt ist. Gut sie kommt kühl herüber, das Lachen ist aufgesetzt. Aber will ich jemand haben der sympathisch ist oder jemanden der gut regieren kann?

Das ist ein allgemeines Problem in allen Demokratien der westlichen Welt. Die Leute wählen, wenn sie unzufrieden sind, nicht mehr eine andere Partei, sie gehen einfach gar nicht mehr zu Wahl. 2013 gingen 71,5% aller Wahlberechtigten zur Wahl, der zweitschlechteste Wert den es jemals gab. 1972 waren es noch 91,1%. Diese 20%, die da fehlen, sind das Potenzial für Rechtspopulisten. Sie müssen nur dieses Wählerpotenzial erschließen. Schafft die AFD es nur das die Hälfte der 20% Nichtwähler, die es mehr zwischen 1972 und 2013, gab (man wird nie alle zur Wahl bekommen, die restlichen 9% dürfen also „dauerhafte“ Nichtwähler sein) als Stimmen zu gewinnen so wäre es 12,2% die sie bei der nächsten Wahl bekommen würde.

Ich kann die Wahlverweigerung bis zu einem bestimmten Grad verstehen, auch wenn ich bisher zu jeder Wahl gegangen bin, selbst zu der letzten OB-Wahl, als es nur einen Kandidaten gab (ich habe meinen Namen auf den Wahlzettel geschrieben, weil unser OB nur Politik für Kinder und Jugendliche macht: Für die gibt es neue Schulen, Kitas etc. Für alle anderen Bürger wird nichts investiert, die dürfen nur Steuern oder neue Abgaben zahlen. Das Problem ist, das die Parteien sich stark angenähert haben. CDU und SPD kann ich im Parteiprogramm kaum noch unterscheiden, es scheint ja inzwischen mehr Differenzen zwischen CDU und CSU zu geben, als zwischen CDU und SPD. Die Grünen sind nicht mehr wirklich grün. Auch weil vieles schon umgesetzt wurde. Selbst so konservative wie Kohl haben schnell „grüne“ Politik gemacht, als die Partei in den Achtzigern rasch wuchs. Man will ja keine Wählerstimmen an die Grünen verlieren. Es bleiben nur die FDP und Linke, die beiden bestimmte Klientel vertreten. Die FDP die Gutverdiener wie Selbstständige, Ärzte, Firmenbesitzer und die Linke haben absurde Forderungen, die in Richtung Umverteilung des Volkseinkommens gehen, und sind zudem völlig unkritisch prorussisch. So gesehen gibt es eigentlich auch keine Partei, die ich mit voller Überzeugung wählen kann.. Trotzdem werde ich wohl wieder die Grünen wählen, denn nicht wählen heißt nicht sich der Stimme zu enthalten sondern sein Recht auf Mitentscheidung zu verschleudern.

Leider bin ich damit aber die Ausnahme und daher werden Populisten nicht nur in den USA oder Deutschland sondern in vielen Staaten von Europa eine immer größere Gefahr für die Demokratie. Wie dünn der demokratische Anstrich der AFD ist, zeigt ja gerade mal wieder Björn Höcke. Es ist ja nicht die erste Entgleisung des Thüringer AFD-Vorsitzenden. Doch Parteiausschluss? Fehlanzeige. Der Stuttgarter AFD-Vorsitzende redete das sogar noch gut, indem er die Betonung verschob „Ein Denkmal der Schande“ sollte nicht heißen, dass das Denkmal ein Schandfleck ist, sondern es ein Denkmal an die Schande des Holocaustes ist – leider gibt es andere Sätze in der Rede, die dieser Interpretation widersprechen. Was er bekommt, sind nun „Ordnungsmaßnahmen“. Das klingt für mich wie Ordnungsmaßnahmen in der Schule. Muss Höcke nun nachsitzen oder bekommt er einen Eintrag ins Klassenbuch?

Kurzum: Trump ist nur das letzte Symptom, das die Demokratie durch die eigene Unfähigkeit des Volkes bedroht ist. Wir sehen das ja auch im Ausland. Putin reagiert seit über einem Jahrzehnt praktisch diktatorisch in Russland. Er ist aber auch immer wiedergewählt worden. In der Türkei konnte Erdogan einen Ausnahmezustand nach dem Attentatsversuch durchsetzen und reagiert seitdem auch ohne parlamentarische Kontrolle. Zehntausende wurden entlassen, weil sie angeblich mit den Terroristen verbandelt sind, wahrscheinlich haben sie nur eine andere Meinung als Erdogan. So was hat man in Nazi-Deutschland „Gleichschaltung“ genannt und es ist auch dasselbe. Der Ausnahmezustand wurde gerade wieder mal verlängert. Früher habe ich mich immer gefragt, wie die Weimarer Republik so schnell in eine Diktatur abgleiten konnte. Die Türkei macht vor, wie es geht: Es ist das Parlament das in beiden Fällen versagt.

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