Bernd Leitenbergers Blog

Mondumrundung à la SpaceX

Die wievielte meiner Prophezeiungen geht in Erfüllung? Vor 4 Jahren rechnete ich vor, das man mit der Falcon Heavy eine Mondumrundung schafft aber wohl keine Mondumlaufbahn, aber man könnte eine Mondumrundung schaffen.

Nun kündigt man genau das an. Zwei Personen sollen mit einer Dragon 2 Ende nächsten Jahres auf eine Mondumrundungsbahn geschickt werden. Diese Flüge sollen nach dem ersten operationellen Flug zur ISS, das ist der zweite bemannte Mission nach einem unbemannten Testflug.

Die weiteren bekannten Details:

Fangen wir mal mit den Berechnungen an. Die 7-8 Tage Dauer für die Mission werden kritisch. Wird der Mond passiert, bevor man das Apogäum erreicht, so erhält man entweder Bahnen mit einer Gesamtmissionsdauer von etwa 5-6 Tagen, oder so elliptische das man länger als 8 Tage unterwegs ist. So vermute ich wird man den Mond erst auf dem Rückweg passieren. Die ungewöhnliche Vorgehensweise ist wohl eine Sicherheitsmaßnahme. Erwischt man beim Hinweg nicht den richtigen Korridor, so kann bei einem Geschwindigkeitsvektor, der nach außen gerichtet ist, der Mond auch das Perigäum deutlich anheben. Beim Rückweg ist das kaum möglich, selbst wenn die Sonde abbremst, wird, wirkt sich das auf das schon durchlaufene Apogäum aus.

Die Startgeschwindigkeit für eine Bahn (ohne Mondpassage) maximal in 480.000 – 640.000 km Erdferne beträgt 10.946 bis 10.964 m/s aus einer 200-km-Kreisbahn. Man sieht: kleine Geschwindigkeitsänderung, große Folge. Doch man kann ja noch nachkorrigieren.

Die zweite Frage ist die Wirtschaftlichkeitsberechnung

Als die Falcon Heavy noch als Komplettstart auf SpaceX Website stand, kostete sie 135 Mill. $. Nun findet man nur noch den Startpreis für eine Version für eine kleine Nutzlast, die wohl von Wiederverwendung der Booster ausgeht. Das dürfte aber bei dieser Mission ausscheiden, da braucht man die volle Performance der Rakete zumal die Dragon schwerer als die zur ISS sein wird. Bei CCDev Missionen kosten die ersten beiden Missionen von SpaceX und Boeing 850 und 1190 Mill. $ zusätzlich zu den Entwicklungsgeldern. Nimmt man dieses Zahlenverhältnis auch für die folgenden Flüge an, so kommt man bei gemittelten 58 Mill. $ pro Sitzplatz und vier Astronauten pro Flug auf 193,4 Mill. $ für SpaceX (und 270,6 für Boeing). Die Falcon 9 wird derzeit auf der Website mit 62 Millionen $ angegeben, sodass ohne weitere Kosten man die Flugkosten auf 266.2 Millionen $ angeben kann, was dann bei zwei Astronauten doch deutlich und nicht etwas teurer ist. (136,1 Mill. $ pro Person). Selbst beim billigeren Startpreis der Falcon Heavy von 90 Mill. $ kommt man auf 221,3 Mill. $ für die Mission.

Risikobewertung

Bei einem Start Ende nächsten Jahres wird das der dritte bemannte Start einer Dragon sein und der zweite Start einer Falcon Heavy, die mit viel Glück vielleicht Ende des Jahres startet. Mag sein, dass sie noch einen weiteren Flug zwischendurch schafft. Ich habe mal mich erinnert, wie das früher war. Bei Mercury gab es etliche Flüge der Mercury Kapsel vor dem ersten bemannten Einsatz. Insgesamt 18 bis zum Flug von John Glenn (auf drei Trägern!). Die Atlas wurde dabei auch für bemannte Starts qualifiziert. Bei Gemini fand die Qualifikation der Titan 2 schon als ICBM-Version mit der NASA statt, sodass es nur zwei unbemannte Flüge mit Gemini 1+2 gab. Bei Apollo hatte die Saturn IB vier und die Saturn V zwei Starts vor der ersten bemannten Mission absolviert und Apollo fünf Flüge.

Das einzige Gefährt, das gleich bemannt startete, war das Space Shuttle, weil es so ausgelegt wurde (Wunsch der Astronauten, man hätte es wie Buran auch unbemannt starten und landen können). Selbst die Orion wurde schon mal unbemannt getestet. Der erste bemannte Start mit der SLS ist aber auch vergleichbar im Risiko wie mit der Falcon Heavy wenn – ja wenn beide Raketen gleiche Sicherheitsstandards haben. Davon kann man bei schon zwei Fehlstarts mit der Falcon 9 aber nicht ausgehen. Die RS-25 Triebwerke der SLS stammen vom Shuttle, die bei den ersten Missionen verwendeten Triebwerke sind sogar flugerprobt: die ersten 16 Triebwerke wurden aus den Shuttles ausgebaut. Die Booster sind auch schon bei dem Shuttle erprobt, wenn auch in kürzerer Konfiguration und die Oberstufe ist, die seit 2002 eingesetzte Delta 4 Oberstufe DCSS. Ich halte sie für zuverlässiger, zumal wir ja wissen das bei SpaceX für die Arbeit nach NASA-Standards bei einem Raketenstart rund ein Drittel des Preises addiert.

Vor allem ist die Orion für Deep Space Missionen konzipiert und nicht als ISS-Versorger. Dafür wird man einiges an der Dragon 2 modifizieren müssen und für das ist dies dann ein Jungfernflug. Ich würde es als High-Risk-Unternehmen bezeichnen, vor allem da wir wissen, wie SpaceX testet und vor allem wie viel.

Die Folgen für die Firma

Fangen wir zuerst einmal mit den Folgen für die Kunden an. Die haben, wenn ich dem Launch Schedule von Spaceflight Now folge, schon 9 Monate Verzögerung. SpaceX hat schon im letzten Jahr kaum neue Startaufträge gewonnen. Anstatt das man also die Aufträge abarbeitet, addiert man eine weitere Mission in den mittelfristigen Startplan, die davon profitieren würde, wenn sie später stattfindet und es mehr Flüge der Falcon heavy und Dragon 2 gibt. Das ist … suboptimal. Man kann dann auch damit rechnen, dass die Vorbereitung für diese Mission länger dauert und das addiert weitere Verzögerungen. SpaceX hat die letzte Propagandamission, die Red Dragon schon um zwei Jahre verschieben müssen. Bei einem bemannten Unternehmen zum Mond wäre das noch blamabler. Ich verstehe ehrlich gesagt diese Schnellschüsse nicht die es von Anfang an gab. COTS wurde 35 Monate verspätet abgeschlossen, die Falcon Heavy hinkt 4 Jahre dem Zeitplan hinterher. Bei jeder Ankündigung weiß man schon, das sie nicht in der Zeitspanne die meist nur zwei Jahre in der Zukunft liegt umsetzbar ist. Was kann man damit gewinnen? Eigentlich nichts. Man verliert nur etwas: Glaubwürdigkeit.

Was kann man mit der Mondmission selbst gewinnen? Sicher Renommee. Doch salbst Musk dürfte nicht annehmen, das die NASA nach einem Jahrzehnt Entwicklung nun die SLS und Orion einstellt und dann auf die Falcon Heavy umstellt. Sie ist neu, unerprobt und hat eine viel kleinere Nutzlast. Die NASA erwägt, wegen der Verzögerungen von CCDev jetzt sogar die Orion für ISS-Missionen einzusetzen. Das hat sie vorher vehement abgelehnt, um den kommerziellen Firmen keine Konkurrenz zu machen. Auch die Vorziehung der EM-1 Mission und der Flug zum Mond kommt nun auf Wunsch der Trump-Regierung. Das sieht nicht nach Unterstützung von SpaceX aus.

Wenn es nicht klappt, dürften die Folgen gravierend sein.

Wirtschaftliche Folgen

Wird SpaceX bei ihren Kunden damit punkten können? Für die Satellitenbetreiber zählen pünktliche Starts und Zuverlässigkeit. Bei beiden muss die Firma schon jetzt nachbessern. Die neue Mission nützt hier nichts. Sie addiert im Gegensatz weitere Verzögerungen und bindet Kräfte innerhalb von SpaceX. Die NASA hat ein kommerzielles Programm für die ISS und wird sich nicht auf eine Firma verlassen. Auch hier hast nicht mehr zu erwarten. Eher könnten die Verzögerungen, die es auch bei CRS und CCDev gibt, dazu führen das die Konkurrenten mehr Starts bekommen. Schon jetzt ist es so, dass Orbital am 19.3. die letzte Cygnus des CRS-Programms starten wird. Die letzte Dragon ist erst für > 1.8. geplant. Dabei begann Orbital mit dem ersten COTS Flug 33 Monate nach SpaceX. Kurz: Orbital hat drei Jahre in 7 Jahren aufgeholt!

Für unbemannte NASA-Missionen läuft die Zertifizierung nach festgelegten Kriterien und die sind unabhängig von einer Mondmission. Schon jetzt ist sie sehr zurückhaltend bei der Vergabe von Aufträgen an SpaceX. Das gilt bisher auch für das DoD und die NRO. Diese dürften vor allem die Verzögerungen und die mangelnde Zuverlässigkeit stören. Nur mit billigen Starts kann man sie nicht ködern.

Nicht zuletzt wird man sicher nicht nach einem Jahrzehnt nur wegen eines privaten Hüpfers einfach das bisherige Orion/SLS Programm einstellen. Vielleicht gibt es weitere „Kunden“ für Mondmissionen doch bei Preisen von 100+ Millionen Dollar wird der Kundenkreis klein sein. Zudem wäre es risikoloser und deutlich günstiger, die drei nicht belegten Sitzplätze zur ISS zu nutzen. Ich bin sicher, dass man zumindest für US-Bürger hier mit der NASA eine Einigung erreichen könnte.

Kurzum: Es macht für eine kommerzielle Firma die primär Geld verdienen will wenig Sinn. Es lohnt sich nicht. Es macht nur Sinn, wenn man das Ego hat, das man dauernd im Rampenlicht stehen muss und das koste es was wolle, auch wenn man als Angeber, der seine Versprechen nicht hält, dasteht. Diesmal könnte dieser Anspruch zum ersten Mal Menschenleben fordern.

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