Bernd Leitenbergers Blog

Die spinnen, die Briten!

Für den heutigen Blog, der sich mal mit einem aktuellen (und das schon seit zwei Jahren) Thema befasst, gäbe es etliche Überschriften. Man könnte auch den Song von „The Clash“ nehmen: „Should i stay or should i go?“. Es geht natürlich um den Breakxit. Thema auch hier im Blog schon seit dem 18.6.2016 – ja es ist schon fast die Jahre her, das die Briten darüber abgestimmt haben.

Meine Meinung dazu habe ich ja schon mal hier von mir gegeben. Was diese Woche aber abläuft, kann ich wohlwollend wohl nur als eine Zeitschleife bezeichnen. Possentheater, Leben in einem Paralleluniversum würde aber auch fallen. Es ist im Prinzip eine Wiederholung vom Dezember/Januar. Ein Drama in drei Akten:

Schon im Januar war mein Verständnis für die britische Regierung klein. Sie hatten zwei Jahre Zeit zum Verhandeln, haben die Verhandlungen lange Zeit blockiert und so wurde der Vertrag erst relativ spät fertig – im Januar waren es ja auch nur noch 2 Monate zum Austritt. Dabei haben sie den Antrag erst am 29.3.2017 gestellt – die Volksabstimmung war am 23.6.2016. Sie hatten also 9 Monate Vorlauf um sich eine Strategie zusammen mit der EU zu überlegen. Es gab Zeit genug, doch die Briten meinten schon damals, mit Blockadepolitik weiter zu kommen. Das hat sie viel Zeit gekostet.

Nun schmeckt der Vertrag den meisten englischen Abgeordneten nicht, sowohl von der Opposition wie auch der Regierungskoalition. Doch schon im Januar muss allen klar gewesen sein, dass der Termin fix ist und es einen Austritt aus der EU gibt, mit oder ohne Vertrag. Also ich hätte ihn akzeptiert, den England ist in zweierlei Weise in einer schlechten Verhandlungsposition. Sie sind alleine gegen 27 EU-Staaten und sie haben den Austrittstermin vom 29.3. im Rücken. Was folgte war innenpolitisches Gezänke auf Kosten von Europa und den Briten. Es stimmten die Konservativen gegen den Vertrag, den er nicht weit genug ging und es stimmten die gegen den Vertrag, die gar nicht raus aus der EU wollten. Das ergab eine satte Mehrheit dagegen. Nur weil man in der Opposition, die wohl mehrheitlich in der EU bleiben will, gegen die Regierung sein muss.

Nun sind zwei Monate vergangen, jeder weiß, dass May nicht viel bei den Nachverhandlungen rausschlagen konnte, wie den auch in der Position in der sie ist, und es wiederholt sich! In welcher Welt leben die Abgeordneten dort?

Meine Bitte an alle in Brüssel, die etwas zu sagen haben: Keine Nachverhandlungen mehr, kein neuer Termin. Keine Verschiebung des Austritts. Mir wäre eine Kooperation Englands mit der EU auch lieber, aber es hat Grenzen und das, was da als Nachverhandlungen bezeichnet wird, wirkt für mich wie Erpressung, denn es sind ja Nachverhandlungen, die nur zu Gunsten eines Partners sind.

Vor allem möge man sich an politisch verantwortlicher Stelle überlegen, was man für ein Signal man damit aussendet. Wir haben in der EU ja auch ein paar Probleme. EU-Länder vor allem im Osten die keine Asylanten aufnehmen wollen, Polen, wo Meinungsfreiheit und Abhängigkeit der Justiz beschnitten werden. Ungarn, Bulgarien und Rumänien mit Demokratiedefiziten. Europafeindliche Regierungen in Italien, Österreich und den Niederlanden. Wenn man in der Art mit der EU umspringen kann, dürfte auch diese Staaten die Überlegung anstellen, dass man sein eigenes Süppchen weiter kochen kann, mit der EU kann man es ja machen.

Vor allem ist ja nicht auszuschließen, dass noch andere Länder aus der EU mal austreten wollen. Wenn dann der Breakxit Vorbild ist, in der Art, dass man solange nachverhandelt, bis man das Ergebnis hat, das einem selbst nützt wie z.B. Zugang zum Binnenmarkt aber keine Zahlung an die EU und volle staatliche Unabhängigkeit, dann dürfte dies einige Länder dazu animieren, sich einen Austritt zu überlegen. Die meisten nicht, die zentralen Länder wie Deutschland durch die alle Waren gehen und mit vielen Nachbarn, für die wäre es wirtschaftlich schlecht. Das müssten Länder an der Peripherie ohne viele EU-Nachbarn sein. Die südlichen EU-Staaten wie Spanien, Italien, Griechenland scheiden aus, weil sie hoch verschuldet sind und ohne EZB Aufkäufe von Anleihen der Staatsbankrott droht. Ebenso die Östlichen (ehemalige Ostblockstaaten) die Nettoempfänger sind. Aber Schweden, Finnland und Irland an der Peripherie für die wäre vielleicht ein Zugang zum Binnenmarkt ohne EU als übergeordnete Instanz verlockend, vor allem für Irland, die davon profitiert, dass dort etliche Konzerne ihr Geld zu kleinen Steuersätzen versteuern und die nun die Steuern anheben sollen. Als unabhängiger Staat sind sie nicht am an die EU-Weisung gebunden, können ihre Steuern selbst festlegen und durch die Insellage dann auch physisch von der EU getrennt. Das kann sich lohnen, denn wenn auch der Steuersatz niedrig ist, aber die ganzen EU-Einnahmen im kleinen Irland versteuert werden, ist das ein sattes Plus für ein bevölkerungsarmes Land. Wenn die Briten mit dieser Taktik davonkommen und ein noch weitergehendes Abkommen durchsetzen können, dann könnte ich mir schon vorstellen, dass die irische Regierung einen Austritt doch mal durchrechnen lässt. Zumal sie dann ja keine Probleme mehr mit der Grenze in Nordirland haben,

Klar ist, wenn es bei dem Stand heute Mittag bleibt, also keiner Ratifizierung des Vertrags es auf beiden Seiten Verlierer gibt. Es ist vor allem eine Abkehr von einem Status an, den man sich gewöhnt hat. Sowohl als Privatperson (Reisen in ganz Europa ohne Reisepass oder Visum) wie auch Unternehmen (keine Zölle, gemeinsame Normen und Vorschriften, ein Produkt ist EU-weit verkehrsfähig, wenn es in einem EU-Staat die Bormen erfüllt). Aber für die meisten EU-Staaten ist das eben dann mehr Bürokratie, aber in einem tolerierbaren Maß, den England macht bei keinem den Großteil des Exports oder Imports aus, eventuell mit Ausnahme von Irland die auch Lebensmittel produzieren, die im restlichen Europa niemand essen möchte wie Cheddar-Käse (mit einer Ausnahme: er ist die Basis für Schmelzkäse). Aber für England sind die Folgen dramatisch. 2015 importierte England Waren für 303 Milliarden Euro und exportierte für 185 Milliarden in die EU – bei Gesamtimporten von 565 Milliarden und Importen von 415 Milliarden Euro. Kurz: 2/3 der Importe stammen aus der EU, aber nur 40 % der Exporte. Wenn dies nun teurer wird, dann ist vor allem die EU betroffen, sondern England.

Das mus eigentlich einem Abgeordneten klar sein. Unverständlich, warum dann so viele gegen die vernünftigste Lösung stimmen. Vielleicht ist das so ein Briten-Gen. Es ist dieselbe Sturheit, die sie 1776 an den Tag legten, als die Kolonien in Amerika sich gegen eine Steuer wehrten die nur dem englischen König zugutekam, der aber 5.000 km entfernt ist. Vernünftige Leute hätten gesagt, „okay da ist was dran, geben wir das Geld in den Kolonien aus, die müssen ja sowieso entwickelt werden, dann hat man längerfristig sogar noch mehr Nutzen“, denn man importierte ja viel aus den Kolonien: Tabak, Felle etc. Nein, da schickt man die Armee hin. Resultat: heute sind die Kolonien eine Weltmacht und Großbritannien ist nur noch dem Namen nach Groß. Die Leute ticken dort anders. Das geht schon mit dem Essen los. Jedes Land hat Dinge, die man nur dort mag und andere Gerichte, die sich weltweit durchsetzen, doch England scheint nur die erste Kategorie bei den Gerichten aufzubieten: Pommes mit Essig, frittierten Fisch, zum Frühstück Bratwürste, Spiegeleier und Speck, so leckere Gerichte wie Lamm mit Minzsoße oder Brotpudding. Für den Rest Europas ungenießbar. Das kann nur Zufall sein, doch ich habe das Gefühl, diese Insellage fördert irgendwie eine gewisse Verschrobenheit.

Auch politisch tickt man dort anders. Schon in den Achtzigern gab es unter Margret Thatcher Dauerzoff mit der EU. Als Deutschland wiedervereinigt werden sollte, war England dagegen. England war der einzige Staat, der Bush in den völkerrechtlich nicht legitimierten Angriffskrieg auf den Irak folgte. Nur dort kam man auf die sämtliche Energie die gesamte staatliche Infrastruktur inklusive Stromnetz, Wasserversorgung und Bahn zu privatisieren. Weil nur dort (und in den USA) der Glaube an den Kapitalismus noch so präsent ist. Woanders hat man erkannt, dass der reine Kapitalismus nur zur Verarmung der meisten und wenigen Reichen führt.

Was bleibt? Auch dafür gibt es einen Song von den Clash: London Calling. Mehr als Warten was die Abgeordneten beschließen kann man nicht tun. Ich mache aber eine Prophezeiung: Am Ende der Woche ist man genauso weit wie am Anfang ….

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