Bernd Leitenbergers Blog

Dorftrottel, Blase, Trump und die Weimarer Republik

Halt! Bevor Du weiter liest, halt mal einen Moment inne und überlege, was diese Begriffe gemeinsam haben. Es ist nicht schwer und man kann drauf kommen…

Es geht um selektive Wahrnehmung, entweder bewusst oder unbewusst oder von fremden gesteuert. Wer einen Blog hat, oder sich im Internet bewegt, wird sehr bald auf Leute stoßen die die absurdesten Theorien haben. Sie sind sehr untriebig und posten massenweise, einen besonders renitenten Siegfried Marquard habe ich für den Blog sogar gesperrt, weil er permanent, ohne auf das Thema einzugehen, seine seitenlangen Behauptungen zum Mondprogramm veröffentlichte, identisch auf mehreren Artikeln (offenbar meint er, durch Kopieren seine Position zu verstärken). Ich sehe mehrfache Posts dagegen als SPAM an und daher hat er es zumindest zu einem Rekord gebracht: er ist die einzige Person, die ich in 12 Jahren des Blogs gesperrt habe.

Solche Leute gibt es überall. Sie meinen, ihre Meinung wird bedeutender, wenn sie mehrfach vorgetragen wird und sie haben einen kleinen Geduldfaden, wenn sie auf andere Meinungen treffen, und fangen dann oft an, die welche die „etablierte“ Meinung vertreten zu beleidigen.



Dorftrottel aller Länder vereinigt euch!

Das ist nicht neu. Früher hatte jedes Dorf einen Dorftrottel, der mit seinen abstrusen Ideen allen auf die Nerven ging und seine Ansicht auch ungefragt aufdrängte. Beim Saufgelage mit erhöhtem Alkoholgehalt noch lustig, ging das sonst allen auf den Nerven. Was in Zeiten des Internets neu ist und seit jeder Trottel auch ins Internet reinkommt, wie Boris Becker in seiner AOL-Werbung auch demonstrierte, ist das sich die Dorftrottel organisieren können, na ja organisieren in dem Sinne, wie es eben Dorftrottel tun. Für sie ist das Internet das Paradies. Waren sie vorher alleine mit ihrer Meinung, finden sie nun Tausende von Gesinnungsgenossen. So wird man für fast jeden Wirren Gedanken, den es gibt, findet man Tausende, die dran glauben. Egal ob impfen gefährlich ist, die Erde hohl oder wahlweise flach ist, die CIA das 911 verursachte oder die Mondlandung im Filmstudio gedreht wurde. Wenn man danach bei Google sucht, findet man Tausende wenn nicht Millionen von Treffer. Ein Dorftrottel hat ein bipolares Weltbild und Paranoia. Das bipolare Weltbild bedeutet, es gibt wenige, die alles durchschauen, darunter natürlich er und alle anderen sind doof oder Büttel des Systems, die einen vorgefertigten Standpunkt vertreten müssen, vor allem die sind es natürlich die sich in der Materie auskennen. Und natürlich Paranoia, denn es muss ja einen Grund haben, warum die Erkenntnis die sie gewonnen haben, nicht von allen verstanden wird und sich nicht in Medien oder Wissenschaft wiederfindet. Daran ist die Regierung schuld. Jawohl die Regierung, denn die ist für alles verantwortlich, was es an staatlichen Stellen gibt, die sind ja nicht unabhängig. Also als ich noch zur Uni ging, kam auch jeden Tag Seehofer, der damals als Gesundheitsminister tätig war, in unser Labor vorbei und hat genau geschaut, ob wir das richtige erforschen.

Neu am Internet ist nicht nur die Möglichkeit, die sich früher die Kommunisten wünschten: die riefen jahrzehntelang „Arbeiter der Welt vereinigt euch“, heute ist das zu einem „Dorftrottel der Welt vereinigen sich“ geworden. Denn in den letzten Jahren hat sich mit der Optimierung der Suchalgorithmen einiges geändert. Fand man früher bei einem Suchbegriff eine Ordnung vor, die die Suchstellen nach Relevanz und Besucherzahlen ordnete, so ist es heute eine Reihenfolge, die von dem eigenen Profil bzw. den Ergebnissen anderer Personen mit ähnlichem Surfverhalten abhängt. Kurzum: Suchergebnisse auf Websites, die ich schon mal besucht habe, tauchen weiter oben auf, andere weiter unter. Damit wird man vor allem Ergebnisse finden die die eigene Position bestätigen und man lebt in der Blase, abgeschottet von der Wirklichkeit. Noch besser geschieht dies auf sozialen Netzwerken, wo man sich in Gruppen organisieren und gegenseitig den Daumen hoch versichern kann. Da entstehen dann schnell abgeschottete Gruppen in denen andere kaum rein gehen, weil sie gleich mit Kontra überhäuft werden und sie sind das Evangelium für Dorftrottel: alle sind dort ihrer Meinung, anders als im täglichen Leben. Also muss ich doch recht haben! Ich nenne so was eine Blase. Die ist auch abgeschottet von allem, was außen ist.

Dorftrottel Trump

Seit wir Trump haben, der offensichtlich vor allem durch Twitter kommuniziert, hat das eine neue Dimension erreicht. Ich will gleich betonen, das folgende kann das Verhalten von Trump nur zu einem Teil charakterisieren. Wenn ich mir seine Verlautbarungen anhöre, scheint es da auch noch andere Punkte zu geben. Aber er scheint auch in einem abgeschotteten Weltbild verhaftet zu sein, denn etliches was er von sich gibt ist blanker Unsinn. Damit hat ein Dorftrottel erstmals das wichtigste Amt in den USA erreicht und er bestätigt meine Vermutung, wonach US-Amerikaner bevorzugt, Kandidaten wählen, die ihnen geistig unterlegen sind, wahrscheinlich, weil sie befürchten, das geistig überlegene dann eine Politik machen, die sie benachteiligt. In den USA gibt es die ja bei Dorftrotteln so populäre Ansicht „Die Regierung bescheißt das Volk“ ja als allgemeine Paranoia.

Die Weimarer Republik

Ich sehe aber auch eine Parallele zur Weimarer Republik. Was diese von der Bundesrepublik unterscheidet, war das die Parteienlandschaft aber auch die Presse viel mehr polarisiert war. Es gab Partien mit einer engen ideologischen Ausrichtung und extremen Ansichten, viele auch antidemokratisch. Entweder um die Monarchie wieder zu etablieren oder einen autoritären Staat oder eine kommunistische Republik und es gab auch entsprechende Medien, damals vor allem Zeitungen, die alle Ereignisse unter diesem ideologischen Gesichtspunkt interpretierten und dann eben eine kommunistische Ausrichtung, monarchistische oder faschistische haben. Ich denke das war neben vielen anderen Punkten ein Fakt, der die Weimarer Republik destabilisiert hat. Heute kennt man das kaum noch. Lediglich die von Axel Springer verlegten Medien waren für ihre rechte Gesinnung und ihren Pro-Israelismus bekannt. Wenn es heute Meinung in einer Zeitung gibt, dann vor allem in den Kommentaren. Nicht umsonst achtete man im Dritten Reich darauf, dass die Meinung systemkonform war. Die Presse und der Rundfunk wurden schnell „gleichgeschaltet“ und der Volksempfänger wurde so konstruiert, das man ohne Manipulation keine Fremdsender mehr empfangen konnte, was technisch wegen der damals verwendeten Lang- und Mittelwellen damals noch über Ländergrenzen funktionierte.

Dorftrottel als Gefahr für die Republik

Dieses Jahr jährt sich das Grundgesetz zum siebzigsten Mal. Steinmeier und andere haben darauf hingewiesen, das man Demokratie in jeder Generation neu erkämpfen oder verteidigen muss und ich denke er hat recht. Wir gehen meist auf die Straße, wenn uns etwas an der Regierungsarbeit stört. Zu meiner Zeit gegen die Nachrüstung. Also meistens gegen die Regierung. Heute gehen die Dorftrottel und Konsorten auf die Straße. Mich stören Demonstrationen wo Tausend AFD und Pegida Anhänger schreien „Wir sind das Volk“. Nein das seid ihr nicht. Ihr seid 1000 Dorftrottel zusammengekarrt aus der ganzen Republik an einen Platz. Den Spruch haben die Demonstranten in Ostdeutschland erfunden, doch da gingen bis zu 500.000 auf die Straße, bei 16 Millionen Einwohnern, da war das auch so, das dies ein größerer Anteil des Volkes war und es wären sicher mehr gewesen, wenn die Demonstrationen nicht illegal gewesen wären. Heute werden die rechten Demonstranten sogar noch von der Polizei geschützt, damit sie nicht von einer viel größeren Menge von Gegendemonstranten vermöbelt werden.

Ansonsten gilt: Demonstrieren gegen die Regierung ist noch immer unerwünscht. Anders kann ich mir das negative Echo zahlreicher Politiker zu den Demonstrationen der Schüler nicht erklären. Sie sollten froh sein, dass diese sich so früh für Politik und ein wichtiges Thema interessieren und auch auf das basisdemokratische Element der Demonstration zurückgreifen. Aber wie immer: Wenn jemand nicht ihrer Meinung ist, wird er heruntergemacht.

Zone der Intoleranz

Mal sehen, wie das weitergeht. Bei der AFD geht es nun ja wieder abwärts, vor allem, aber weil ihr Hauptthema in der aktuellen Gesellschaft keine Rolle spielt. Was mich aber deprämiert ist, dass sie immer noch so stark in Ostdeutschland sind. Wir feiern ja auch 30 Jahre Mauerfall in diesem Jahr. 30 Jahre, das ist eine ganze Generation. Man sollte also erwarten das viele die heute wählen; die DDR nicht mehr kennen und in der Bundesrepublik aufgewachsen sind. Warum trotzdem neben denen, die immer noch die Ideologie der SED wählen, nun „Linke“ genannt inklusive bedingungslosem Grundeinkommen, (die Tatsache das man dort Geld verdiente ohne wirklich arbeiten zu müssen hat die DDR ruiniert) und Für-Gut-Halten alles was Russland tut inklusive Annektion der Krim und Einmischung in den Wahlkampf anderer Länder – geschenkt. Aber das dort so viele eine ausländerfeindliche Gesinnung haben ist bestürzend. Da scheint sich nichts seit den Anschlägen von Hoyerswerda geändert zu haben. Und ich fürchte da wird sich auch nichts ändern. Denn wenn ich ein Unternehmen hätte, würde ich dort Stellen schaffen? In vielen Branchen geht es nicht ohne Fachkräfte aus dem Ausland. Die IT-Branche beklagt den Fachkräftemangel schon seit Schröder in der Regierung war. Will man dann Standorte in einem Land errichten, wo die Menschen und auch potenzielle Mitarbeiter ausländerfeindlich sind? Ich weiß nicht, was dort schief lief oder noch schief läuft. Aber es fällt auf. Im Westen gab es die 68-er, die sich knapp 25 Jahre nach dem Krieg, gegen zu viel Faschismus und zu wenig Meinungsfreiheit gewandt haben, also gegen das, was vorher 12 Jahre lang das Land ruinierte. Im Osten hat man sich offensichtlich rückwärts gewandt. In der DDR waren wenigstens die „Fremdarbeiter“, die es dort auch gab, noch toleriert worden. Heute scheint es gefährlich zu sein, in den östlichen Bundesländern zu sein durch Hautfarbe oder Typus aufzufallen.

Bald sind dort Wahlen, aber ich glaube nicht, dass die AFD große Verluste hat. Manchmal denke ich mir „wenn die nur einmal in einem Bundesland dort regieren würden, dann würden alle sehen, was für ein verein das ist“. In Österreich haben sie das ja schon demonstriert. So in der Art „opfern wir Mac-Pom, damit die anderen Leute dort aufwachen“. Aber dann setzt sich wieder meine demokratische Grundhaltung durch und ich verwerfe den Gedanken und schließlich sind auch in Mac-Pom die meisten Einwohner keine AFD-Wähler.

Ansonsten sehe ich viele Parallelen zur NSDAP. So der Ton, die Übergriffe gegen andere Partien und Formulierungen wie man würde diese „jagen“. Erinnert mich stark an die Polemik Hitlers und Göbbels. Dann die Finanzierung durch das Großkapital und Aktionen wie gekaufte „Likes“ bei Facebook. Wohl das Gegenstück zur Finanzierung Hitlers durch Großindustrielle und herangekarrte Nazianhänger bei Auftritten damals. Und natürlich die offensichtlichste Parallele: die Partei mit nur einer Ideologie. Damals waren die Juden an allem schuld (genauer gesagt: das „internationale Finanzjudentum“), heute sind es die Flüchtlinge. Kein Witz: bei einer Debatte im Bundestag über den Wolf (Abschuss ja/nein) hat der AFD-Sprecher die ganze Zeit nur von Flüchtlingen gesprochen. Erst auf eine Rüge des Bundestagsvizepräsidenten hin hat er dann männliche Flüchtlinge ohne Familie mit herumstreunenden Wölfen verglichen, um dem Thema gerecht zu werden. Oder zur Klimapolitik: man sollte die Flüchtlinge in Afrika lassen, da dies weniger Treibhausgase ausstößt. Dumm nur das die Flüchtlingszahlen seit 2015 laufend sinken, sich bei den Wählern der AFD aber die Situation trotzdem nicht gebessert hat.

Das die Wähler ihr Stimmverhalten trotzdem nicht in dem Maße verändert haben hat dazu geführt, dass ich eine Einschätzung korrigiert habe. Ich dachte seit Jahren, das etwa 10% der Bevölkerung mehr oder weniger einen an der Waffel haben und das am Wahlverhalten festgemacht. Meiner Meinung nach kann man die FDP nicht wählen, außer man gehört zu den Reichen und ist asozial in dem Sinne, dass man von seinem Geld nichts für einen Sozialstaat ausgeben will, denn das ist das Kernprogramm der FDP. Die lag bei den Bundestagswahlen immer so zwischen 5 und 10 %. Das war falsch. Es sind 20 % der Bevölkerung, die so dämlich sind, das sie Partien wählen, die nicht ihre Interessen vertreten: denn die AFD hat ja auch wirtschaftspolitische Punkte im Programm und die sind noch radikaler als bei der FDP und da dürften sich im Osten, wo es eher weniger Millionäre gibt, etliche summ aus der Wäsche gucken, wenn die Wirtschaftspolitik der AFD mal umgesetzt wird.

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