Bernd Leitenbergers Blog

Die 2020 SpaceX-Rückschau und die Wette für 2020

Wie jeden Monat eine Rückschau auf die SpaceX-Aktivitäten – oder wie es in diesem Jahr meist der Fall war – die Inaktivitäten der Firma. Wie fast immer habe ich meine Wette gegen SpaceX gewonnen. Nun wurde bei meinem letzten Blog angemerkt, das wäre nun ja bei „SpaceX-Speech“ kein Wunder. Okay, das SpaceX Dinge einhält die versprochen werden, und das selbst, wenn es um die kurzfristige Zeitplanung geht, wo man ja eigentlich wissen müsse, was in den nächsten Monaten geplant ist, ist so wahrscheinlich als, wie das Trump einen Tag lang nicht lügt. Ich habe auch gefragt, was ihr für Vorschläge für die neue Wette habt. Ich habe mich davon inspirieren lassen und überlegte eine Zeit lang, ob ich nicht wetten sollte, das der Flughafen BER vor dem orbitalen Erstflug des Starships eröffnet. Aber angesichts dessen, das dessen Eröffnung nun schon vor 7 Jahren stattfinden sollte und der Betreiber Journalisten eingeladen hat zur Besichtigung, sich also recht sicher ist, dass der nächste Termin nun hält, fand ich das dann doch unfair. Ich schwankte dann noch, ob ich wetten sollte ob das Starship jemals fliegt oder die Firma vorher in Konkurs geht. Ich habe mich dazu entschlossen, wieder eine Startwette zu machen. Doch dazu weiter unten mehr.

Ich fange mal zuerst mit der Dezembernachlese. Anstatt im November angekündigter vier Starts waren es nur zwei (siehe meine Bemerkung über die Unsicherheit selbst kurzfristiger Planung). Koenigsmann gab ja die Maximalnutzlast einer Falcon 9 für einen normalen GTO (27 x 200 x 35.887 km) mit 5,5 t an. Die Angaben auf der Homepage geben wohl dagegen eher das Wunschdenken des Managements an. Nun startete eine Falcon 9 den JCSAT-18/Kacific-1, dessen Startmasse zwischen 6.800 und 6.956 kg angegeben wird. Das liegt deutlich darüber. Erreicht wurde auch nur ein 272 x 20319 x 26,9 Grad Orbit. Das ist insofern interessant, weil dies deutlich mehr als 5,5 t in den echten GTO entspricht. Nach meinen Berechnungen sollte die Falcon 9, wenn sie 9,95 t in diesen Orbit transportieren kann, etwa 6 t in einen GTO bei gleicher Bergungsmethode. Ich vermute bei SpaceX hat man mit mehr Erfahrung vor allem sukzessive die Restmenge an Treibstoff für die Landung reduziert. Bei diesem Start hatte die erste Stufe nach 152 s Brennschluss, die Web Angabe beträgt 162 s. 10 s sind immerhin ein Sechzehntel des Treibstoffs, den man so nicht nutzen kann.

Interessanter war der Start der Frachtdragon. Nicht wegen der Primärnutzlast, sondern weil die Oberstufe einen weiteren Test durchführte, nachdem die Dragon abgetrennt wurde. Nach mehreren Stunden absolvierte die Stufe eine weitere Zündung über 20,1 s die auch die Inklination änderte. Warum das? Nun offensichtlich war die STP-2 Mission der Falcon Heavy, in der diese Stufe verschiedene Manöver demonstrieren sollte, die die Rakete braucht, um für militärische Missionen qualifiziert zu sein, nicht ganz erfolgreich, obwohl das SpaceX ja reklamierte. Das Manöver sollte die dritte Zündung einer Oberstufe simulieren, die in der Höhe des GTO erfolgt, um diesen zu zirkularisieren. Dass man dafür eigens Prallbleche installiert hat, was offensichtlich vorher nicht der Fall war, zeigt auch das es wohl vorher nicht klappte. Die Episode zeigt zumindest eines: man kann SpaceX nicht glauben. Dort heißt es immer 100 % Mission Success. Denn das es Probleme bei der STP-2 Mission gab, war ja neu und die USAF sagt, weil es eine militärische Mission ist, natürlich auch nichts. Das kennt man ja schon von der Zuma Mission, wo die Falcon 9 den Satelliten wieder versenkte. So ist bis heute offen wer dran schuld ist SpaceX, oder Grumman die den Adapter bauten oder beide, vielleicht weil irgendwo etwas in der Kommunikation und dadurch Installation schieflief.

Nun zum Jahresrückblick. Wie von mir gewettet, hat SpaceX nicht so viele Starts geschafft wie 2018, und zwar nicht ein bisschen weniger, sondern deutlich weniger. 13 anstatt 21. Ich meinte aber das SpaceX durchaus eine reelle Chance hatte, bei Jahresanfang die Starts von 2018 zu erreichen – zu Jahresanfang waren noch zwei weitere Missionen der Crewed Dragon geplant, zusätzlich sieben Starlink Starts. Wären diese erfolgt, so wären es 20 Starts gewesen. Und gerade bei Starlink tickt die Uhr (siehe unten) und daher sollte man annehmen, dass die Firma da dahinter ist. Bei den kommerziellen Starts gibt es keine großen Überraschungen. SpaceX generiert ja keine neue Nachfrage, die hohe Startrate in den letzten Jahren kam vor allem durch den Stau zustande, weil die Firma bisher immer ihrem Zeitplan hinterherhinkte. Zudem wurden Startaufträge angekündigt und können so verfolgt werden.

Stattdessen glänzte SpaceX durch drei Explosionen – neuer Rekord, bisher war es maximal eine pro Jahr. Man hat eine Crew Dragon mit dem System in die Luft gejagt, das sie eigentlich bei einer Havarie retten sollte – eine Blamage, wenn das Sicherheitssystem unsicherer als die Rakete selbst ist. Dann explodierte noch ein Raptor bei einem Versuch und zuletzt ein Prototyp der Starship/Super Heavy bei einer Probebetankung. Das ist schon außergewöhnlich. In der Häufung. Es gab zwar auch beim Test der Triebwerke für die Falcon 9 mindestens eine Explosion, aber eben nur eine.

Auch manche Aussagen zeigen, dass man bei SpaceX immer noch weiter von einer „richtigen“ Firma entfernt ist. So die folgende Aussage: “We definitely learned a lot,” Shotwell said Friday. “NASA warned us (that) crew is going to be 10 times harder (than cargo). And I think we were like, 10 times harder? What does that mean? What does that look like? How does that feel? You just don’t know until you start into the program.”

Oh welche Überraschung! Das bemannte Raumfahrtprogramm war schon immer um ein vielfaches teurer als das unbemannte. Für die Entwicklung der Dragon für Frachttransporte bekam SpaceX 396 Millionen Dollar, im Rahmen des CCDev Programmes 3145 Millionen Dollar, also die achtfache Summe. Da diese wohl auch mit Aufwendungen, vor allem Arbeitszeit verknüpft ist, würde ich auch annehmen, dass es achtmal mehr Arbeit gibt und entsprechend schwerer es ist eine bemannte Version zu entwickeln. Das liegt doch nahe bei den 10-Mal die Shotwell zitiert. Warum also die Überraschung dort? Hat man angenommen man, bekäme Milliarden von der NASA, ohne etwas dafür zu tun?

Die 2020 er Wette

Ich komme zur Wette für dieses Jahr. Ich habe mir die Zahl der Starlink Starts als Wette vorgenommen. Offiziell werden es 24 Starts sein, die ersten beiden noch im Januar, sodass wenn SpaceX diese Kadenz halten kann, es nicht unmöglich ist. Doch was wette ich dagegen? Eine Möglichkeit wäre es wie vorgeschlagen einen festen Faktor zu nehmen – 2/3 also 16 wurde vorgeschlagen. Aber ich will eine fundierte Schätzung machen und mich dem Thema unterschiedlich nähern. Eine Sache ist, wie viele Starts die Firma pro Jahr abwickeln kann. Das sind mindestens 21. Bei Wiederverwendung der ersten Stufe muss nur die zweite Stufe neu gefertigt werden das lässt eigentlich viele Starts zu. Daneben gibt es zwei Startrampen für unbemannte Starts in Vandenberg und dem Cape. Dazu noch LC39A nur für bemannte Starts, Vor allem die Starlink Satelliten können beide Rampen nutzen. Niedrige Inklinationen wie die ersten beiden Starts (bis etwa 56 Grad) das CCAF, ansonsten Vandenberg. Bisher gab es maximal 12 Starts pro Jahr von einer Rampe aus. Damit müsste es für Starlink und kommerzielle Starts mindestens 24 Startmöglichkeiten geben. Bei minimal 11 Tagen zwischen zwei Starts von einer Rampe die schon demonstriert wurden wären es sogar 66 Starts, wobei die Zahl natürlich ohne Urlaub und Feiertage ist und Verzögerungen und Unterbrechungen durch kommerzielle Starts nicht mit einschließt. Bei von mir geschätzten drei Wochen zwischen zwei Starts von einer Rampe aus, wären 34 Starts pro Jahr möglich. Das wären die 24 Starts für Starlink, 10 kommerzielle Starts (genauso viele wie dieses Jahr) und dann noch die bemannten Starts die vom Kennedy Space Center aus erfolgen. Kurz: die 24 Starts wären technisch möglich.

Eine andere Sache ist das mit den Terminen, und da gibt es irritierende Äußerungen. Am 29.3.2018, also gerade mal eineinhalb Jahre her, waren 4.425 Satelliten geplant und die FCC genehmigte diesen Plan mit der Auflage, das die Hälfte davon, also 2.212 Satelliten innerhalb von sechs Jahren, also bis zum 29.3.2024 starten sollte. SpaceX saget damals: diese Frist wäre „impractical“ und man in sechs Jahren 1.600 Satelliten starten könnte. Also Stand März 2018: SpaceX kann pro Jahr im Mittel 267 Satelliten starten. Selbst wenn man die beiden Jahre 2018/19 dazunimmt, in denen nur 120 Satelliten gestartet wurden. wären es für die nächsten vier Jahre 370 Satelliten pro Jahr oder etwa sieben Starts mit je 60 Satelliten wie bisher.

Inzwischen hat SpaceX die Zahl zuerst auf 12.000 und inzwischen auf 42.000 Satelliten erhöht – nur mal als Vergleich, seit dem Sputnik 1 wurden insgesamt nur 11.947 Nutzlasten gestartet – und nun planen sie alleine für nächstes Jahr 24 Starts mit 1.440 Satelliten also so viel, wie sie vor eineinhalb Jahren in sechs Jahren starten wollten. Also in eineinhalb Jahren von „unpraktikabel“ zu „nicht mal die Hälfte dessen, was wir planen“. So geht das bei SpaceX.

Ein offenes Buch ist, wie viele Starts die Firma finanzieren kann. Oneweb hat dieses Jahr weitere 1,25 Milliarden Dollar aufgebracht. Selbst wenn Gelder diese für die zweite Stufe des Ausbaus sind, auch hier sind weitere Starts geplant, sind es immer noch 2,1 Mrd. Dollar für die erste Stufe. Ein Satellit bei Oneweb soll in Serienfertigung 1 Million Dollar kosten, das sind 720 Millionen Dollar. Mindestens 22 Starts der Sojus, jeder sicher 50+ Millionen Dollar teuer, kommen dazu. Dazu noch die Fabrikanlage und nicht zu vergessen: Kunden gewinnen kostet auch Geld. Viasat gibt pro Kunde rund 700 Dollar aus für die Hardware, Marketing etc.

SpaceX mag die Herstellung billiger machen, doch nimmt man die Preise der Trägerraketen oder die Entwicklungskosten bei COTS und CCDev als Ausgang, so sicher nicht unter 2/3 der Kosten für Oneweb. Jeder Satellit wird dann netto (mit allen Nebenkosten) rund 2 Millionen Dollar kosten, gegenüber 3 Millionen bei Oneweb). Bisher haben sie rund 2 Milliarden Dollar für ihre beiden Projekte Starship und eben Starlink eingetrieben, wobei ich annehme, dass das Starship das teurere davon ist. Nehme ich eine Verteilung 50 zu 50 an, dann bleibt 1 Milliarde für die Konstellation übrig. Damit können sie 500 Satelliten finanzieren, die sie in rund 9 Starts in den Orbit befördern können.

Das wäre die Untergrenze für eine Schätzung.

Also würde ich bei Berücksichtigung der obigen Fakten eine Startzahl zwischen 9 und 24 Starts für 2020 für möglich halten. Ich habe mich für das Mittel entscheiden, das wären 16,5 Starts pro Jahr, ich runde mal auf 17 auf. Meine Wette für 2020 ist also:

Ich wette, dass SpaceX bis zum 31.12.2020 nicht mehr als 17 Starlink Starts durchführt

So siehts aus – jetzt kommst Du!

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