Bernd Leitenbergers Blog

Nachgerechnet – wie oft muss man das „Lunar Starship“ auftanken?

Ich hatte das schon mal durchgerechnet, wenn auch etwas kurz und unter Verwendung der Apollo-Erfahrungen und bei Rückkehr zur Erde. Nun will ich das etwas genauer tun und unter Berücksichtigung dessen das ein Halo Orbit angestrebt wird.

Da der Artikel wahrscheinlich wieder von SpaceX Fans gelesen wird, die erfahrungsgemäß wenig Ahnung von Raumfahrt an sich haben und längere argumentative Auseinandersetzungen scheuen, hier ein kleiner Vergleich, was die grundlegende Problematik ist, mit Apollo.

Wie man auf dem Mond landet, ist eine Frage des Missionsdesigns. Bei Apollo gab es dafür zwei Ansätze mit drei Lösungen:

Vom Energieaufwand sind beide Ansätze identisch, es gibt aber einen bedeutsamen Unterschied. Für Ansatz 2 muss das Gefährt das auf dem Mond landet nicht wieder auf der Erde landen. Das heißt, es kann viel leichter gebaut werden und benötigt keinen Hitzeschutzschild. Weiterhin kann man es im Mondorbit belassen und spart so Treibstoff um diese Masse aus dem Mondorbit zu befördern. Das heißt man benötigt weniger Treibstoff um die Mission durchzuführen.

Bei Apollo war es so, das die Kommandokapsel 5,9 t wog, das Servicemodul, 30,3 t von dem waren 24,5 t nur Treibstoff, der Mondlander 16,5 t, wovon 4,9 t Trockenmasse waren. Man sieht also, schon bei diesem optimierten Verfahren bestand das Raumschiff zum größten Teil aus Treibstoff. Von maximal 48,6 t Startmasse waren 36 t Treibstoff. Auf die Erde kehrten lediglich 5,5 t zurück. 2,3 t blieben auf der Mondoberfläche 2,4 t im Mondorbit.

Dies war noch die optimierte Lösung. Mit einer direkten Landung der viel schwereren Kommandokapsel (5,5 anstatt 2,3 t Leermasse) hätte man zwei Saturn V Starts oder einen Start der noch größeren Nova Rakete benötigt. Die Nova hatte in etwa die Startmasse eines Super Heavy / Starship Gespanns.

Ohne rechnen zu müssen, kann man daher prognostizieren, das bei 120 t Masse, wie es ein normales Starship ohne Treibstoff haben soll, man etliche Tankerflüge brauchen wird.

Das ist auch ein Unterschied zu den postulierten Marsmissionen mit dem Starship. Denn zum einen ist dort keine Rückkehr vorgesehen, zum anderen hat der Mars eine Atmosphäre, sodass diese einen Großteil der Ankunftsgeschwindigkeit vernichten kann. Für eine Marsmission würde man daher mit viel weniger Auftankflügen auskommen.

Die genaue Rechnung

Die Mission eines Lunar Starships (LS) umfasst folgende Phasen

Für jede der Phasen kann man den Geschwindigkeitsaufwand, im Fachchinesisch Δv (gesprochen „delta-vau“) berechnen. Die Gesamtmission ist dann die Summe dieser Δv. Dazu kommen noch weitere Geschwindigkeitsänderungen für Manöver und die leider unvermeidliche Tatsache, das die Gravitation auch während des Triebwerksbetriebs an dem Raumschiff zieht und so einen Teil der Geschwindigkeitsänderung wieder zerstört.

Geschwindigkeitsbedarf für Bahnänderungen

Fangen wir mit dem Verlassen der Erdumlaufbahn an. Alle Rechnungen kann man selbst nachrechnen, sofern man die vis-viva Gleichung nutzt.

Rein rechnerisch reicht es für eine direkte Mondlandung eine elliptische Erdumlaufbahn zu erreichen, die bis auf 9/10 der Mondentfernung führt. Dann muss man aber direkt landen, weil der Mond die letzte Strecke durch seine Anziehung kompensiert. Für Missionen, die in einen Orbit führen, egal ob in einen niedrigen Orbit oder den Haloorbit muss die Erdumlaufbahn hinter den Mond führen, in 450.000 bis 550.000 km Distanz. Dann krümmt der Mond die Bahn so, das sie um ihn herumführt ohne das man aufschlägt. Nehmen wir 450.000 km Maximaldistanz, so sieht die Rechnung aus einer erdnahen 200 km Bahn so aus.

Bahn Parameter v-Kreisbahn Peri v-Kreisbahn Apo v-real Peri v-real Apo ?V
Ausgangsbahn [km] 200,00 × 200,00 × 0,00 ° 7.784,2 7.784,2 7.784,2 7.784,2
Anpassung Apo 200,00 × 450.000,00 × 0,00 ° 7.784,2 934,55 10.930,0 157,54 3.145,8
Umlaufdauer: Ausgangsbahn 1 h 28 m
Umlaufdauer: Endbahn 12 d 19 h

Es resultiert ein Δv von 3148,3 m/s.

Für das Einschwenken in den Haloorbit ist der Geschwindigkeit bekannt, da die Orion dies leisten muss. Es sind 420 m/s.

Der Haloorbit hat die Bahndaten 3.000 x 70.000 km. Aus diesem muss nun gelandet werden. Das geschieht in zwei Schritten. Zuerst wird der mondnächste Punkt auf eine niedrige Höhe, eventuell sogar 0 km abgesenkt. Dafür benötigt man nur wenig Geschwindigkeit:

Bahn Parameter v-Kreisbahn Peri v-Kreisbahn Apo v-real Peri v-real Apo ?V
Ausgangsbahn [km] 3.000,00 × 70.000,00 × 0,00 ° 1.019,6 262,03 1.396,5 92,236
Anpassung Peri 0,00 × 70.000,00 × 0,00 ° 1.638,4 262,03 2.352,4 56,992 35,243
Umlaufdauer: Ausgangsbahn 7 d 17 h
Umlaufdauer: Endbahn 7 d 7 h

Dann muss gelandet werden. Der Geschwindigkeitsaufwand dafür steht schon in der obigen Tabelle, es ist die Perigäumsgeschwindigkeit, also 2.352,4 m/s. Für den Rückstart muss man dann dieselbe Geschwindigkeit aufbringen. Im Halo Orbit angekommen steigen die Astronauten um und das Starship ist nun ja nutzlos geworden und muss entsorgt werden. Der einfachste Weg dafür ist es seine Umlaufbahn nochmals bis auf die Mondoberfläche abzusenken, wo es dann mit 2,3 km/s ankommt, was es wahrscheinlich nicht überlebt.

Damit haben wir eine erste Bilanz:

Manöver Geschwindigkeitsänderung
Erdumlaufbahn → Mondtransferbahn 3.149 m/s
Einschwenken Haloorbit 420 m/s
Abbremsen Haloorbit Perilunäum 36 m/s
Landung 2.353 m/s
Rückstart Haloorbit Transfer (0 x 70.000 km) 2.353 m/s
Anhebung Haloorbit Perilunäum auf 3.000 km 36 m/s
Abbremsen Haloorbit Perilunäum Entsorgung 36 m/s
Summe 8.383 m/s

Der Haloorbit ist übrigens, was die gesamte Geschwindigkeitsänderung für die Landung angeht, ungünstiger als der niedrige Obit den Apollo einnahm. Bei einem leichtgewichtigen Lander, wie ihn die anderen Firmen vorschlugen, ergibt sich trotzdem ein Vorteil, weil die sehr schwere Orionkapsel nur 420 anstatt 900 bis 1.000 m/s Δv für das Erreichen und Verlassen des Orbits aufwenden muss.

Zusatzaufwand

Diese durch die Orbitalmechanik diktierten Geschwindigkeitsänderungen sind leicht berechenbar. Etwas komplizierter wird es mit einem Zusatzaufwand. Es gibt zum einen kleine Geschwindigkeitsänderungen für Bahnveränderungen. Der Hauptteil sind aber Gravitationsverluste. Sie entstehen dadurch, dass der Mond immer das Raumschiff anzieht. Solange ein Raumschiff im Orbit ist, kompensiert die Zentrifugalkraft dies. Sobald man aber landet oder startet, ist dem nicht so. Bei Apollo war es so das man mit folgendem Mehraufwand rechnete:

Der höhere Aufwand für die Landung als den Rückstart liegt daran, das dann die Besatzung den Landepunkt verschieben und bis zu 90 Sekunden lang schweben kann. Das Starship hat das Potenzial diese Verluste zu minimieren, das liegt an dem hohen Schub. Dadurch reduziert sich die Betriebsdauer der Triebwerke und damit auch die Zeit in der Mond die Geschwindigkeit vernichten kann. Man kann dies abschätzen. Die Mondbeschleunigung liegt bei 1,6 m/s². Multipliziert man dies mit der Brenndauer, so erhält man eine brauchbare Abschätzung der Verluste. Stellt man den Schub des Starships so ein, dass es mit Erdbeschleunigung abbremst. Das ist man gewohnt und ein guter Kompromiss zwischen Minimierung, der Verlusten und Beanspruchung der Besatzung, die ja auch reagieren muss. Bei 2353 m/s Δv und einer Abbremsung um 9,81 m/s² kommt man auf eine Betriebsdauer von 240 s. Multipliziert mit der Schwerebeschleunigung von 1,6 m/s² sind dies 384 m/s. Ich runde mal auf ein Δv von 400 m/s auf. Für die Landung hat man bei Apollo 300 m/s zusätzlich addiert und auch die Verluste für das Erreichen des Orbits von 200 m/s habe ich von Apollo auf die Hälfte reduziert. Sie waren großzügig ausgelegt und alle Missionen hatten relativ viel Resttreibstoff. Dann kommt man zu folgender Tabelkle an Zusatzaufwand:

Manöver Geschwindigkeitsänderung
Orbitaltransfers und Manöver im Orbit 100 m/s
Landung: 700 m/s
Rückstart 400 m/s
Summe 1.200 m/s

Zusammen mit dem bekannten Geschwindigkeitsänderung für Landung und Orbitänderungen ist man dann bei 1.200 + 8.383 m/s = 9.583 m/s Δv.

Die Masse des Starships

Relativ einfach gestaltet sich nun die Berechnung der Startmasse des Starships im Erdorbit. Es gilt die Ziolkowski Gleichung:

v = Ispez * ln (Vollmasse/Leermasse)

Die Vollmasse ist unbekannt, v ist bekannt (9.583 m/s), Ispez auch (nach SpaceX Angabe: 380 s * 09,81 m/s² = 3727 m/s) und die Leermasse (120 t) ebenfalls. So kann man umformulieren:

Vollmasse = Exp(v/Ispez)*Leermasse

und erhält mit obigen Werten eine Vollmasse von 1569 t. Das ist nun etwas dumm, da in das Starship maximal 1.200 t Treibstoff passen, es also maximal 1.320 t wiegen kann. Die sinnvollste Maßnahme ist es, das Starship leichter zu machen. So benötigt es keinen Hitzeschutzschild, es landet ja nicht mehr auf der Erde. Ebenso reichen die drei Triebwerke für den Vakuumbetrieb aus, die drei anderen die man für die Landung auf dem Erdboden benötigt kann, man entfernen. Jedes Triebwerk wiegt über 2 t. Ebenso entfällt die Nutzlastspitze. Auf der anderen Seite benötigt man eine Kapsel für die Besatzung, wird Equipment und ein Aufzug mitgeführt. Kann man die Masse auf 100 t absenken, so wäre eine Landung mit vollen Tanks möglich. Ebenso könnte man auf ein Schweben verzichten, da dies wegen des hohen Schubs der Triebwerke sowieso nicht möglich ist, das spart 300 m/s ein, was dem exponentiellen Anstieg der Startmasse diese auf 1.448 t reduziert. Weitere Einsparungen ergeben sich dadurch das Apollo drei Stufen hatte, jede musste ein Sicherheitspolster an Treibstoff haben, hier wäre es aber eine Stufe, sodass man die dabei mit einkalkulierten Reserven reduzieren kann.

In jedem Falle müsste aber das lunare Starship, wenn es mit wenigen Tankerflügen auskommen soll, deutlich leichter sein, als das Starship das für Satellitenmissionen gedacht ist.

Tankerflüge

Geplant ist, dass das LS in den Erdorbit startet und dort aufgetankt wird. Wie oft muss dies erfolgen, wenn es voll betankt werden soll, also mit 1.200 t Treibstoff? Nun ein Richtwert wäre die normale Nutzlast von 100 t. Wenn diese Nutzlast wegfällt, bleiben mindestens 100 t Treibstoff in den Tanks. Es sind sogar noch mehr, weil das Starship vom Start weg immer 100 t leichter ist und so beim Aufstieg auch weniger Treibstoff benötigt. Ich errechne so 117 t Treibstoff in den Tanks ohne Nutzlast. Allerdings wird das normale Starship auch noch Treibstoff benötigen, um an das LS anzukoppeln und man benötigt Zusatzhardware um den Treibstoff umzupumpen. Trotzdem sollte man mit 10, eher 11 Flügen das LS aufgetankt haben. Neben dem, das man dies noch nie in der Form durchgeführt hat, gibt es natürlich noch einiges zu lösen. So muss man verhindern, dass die Treibstoffe wieder zum Teil verdampfen, denn Methan und Sauerstoff gehen bei -183 und -162 ° Celsius vom flüssigen in den gasförmigen Zustand über. Dafür benötigt man mindestens eine gute Isolierung, je nachdem wie lange es dauert, zehnmal aufzutanken auch eine Rückverflüssigungsanlage, die auch unter Schwerelosigkeit funktionieren muss.

Meine Meinung

Es ist technisch aufgrund der hohen Geschwindigkeitsanforderung unsinnig, ein sehr schweres Gefährt zum Mond und zurückzuschicken. SpaceX hätte die Starship Technologie ja auch anders nutzen können, indem sie eine Dragon auf eine verkleinerte Starship Stufe setzen, die hat nur ein Raptor Triebwerk und sollte in die Nutzlasthülle passen. Die Crewed Dragon wiegt beim Start 12 t, davon sind 1,5 t Treibstoff, die man weglassen kann. Bei dem für große LOX/Kerosin Stufen erreichbaren Voll/Leermasseverhältnis von 17 (besser als beim Starship, aber eine Wiederverwendung ist ja nicht geplant) beträgt die Startmasse dann nur noch 561 t, was mit vier Tankerflügen möglich wäre.

Noch besser wäre natürlich ein leichtgewichtiger Mondlander, der ja anders als die Dragon auch nie auf der Erde landen soll, wie bei Apollo oder den Konkurrenten. Allerdings wird SpaceX selbst den leichten Apollomondlander (2,3 t) nicht ohne Tankerflüge bis zum Mond und zurück befördern können.

Es ist klar, das das lunare Starship so mit dem normalen nur den Namen gleich hat, denn es muss entscheidend leichter werden. Denn selbst wenn es nur die Hälfte des normalen Starships wiegt, benötigt man schon sechs Auftankflüge. As normale Starship ist sogar zu schwer als das es mit absolut voll gefüllten Tanks diese Mission durchführen kann.

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