Bernd Leitenbergers Blog

Klimawandel, Klimakrise, Klimakatastrophe

In der letzten Zeit hat sich in der Sprache einiges getan. Das begann erst mit der Ohrfeige des Bundesverfassungsgerichtes an die Regierung, das ihre Klimapolitik nicht der Verfassung entspricht. Selten habe ich eine so schnelle 180 Grad Wende gesehen. Angesichts seit Monaten steigender Umfragewerte der Grünen, gab sich Altmaier selbstkritisch, obwohl er als Wirtschaftsminister der große Bremser in der Koalition war, angefangen vom Kohleausstieg, über die CO2-Bepreisung bis hin zu den Regelungen für Windkraftanlagen. Nicht das dies etwas geändert hätte – denn es geht ja um die Zeit nach 2030 und für die gibt es nur Pläne, und Pläne kann man revidieren.

Dann kam die Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Bisher war immer vom Klimawandel die Rede, nun von der „Klimakrise“. Das war für mich der Anlass für diesen kleinen Zwischenblog. Mit Wörtern kann man ja Stimmung machen. Am einfaltreichsten ist das bei Steuern. Selbst wenn das Wort „Steuer“ im Wort ist, findet der Staat einen Weg, das schön zu verpacken wie in „Mehrwertsteuer“. Klingt doch toll. Wer will denn nicht einen „Mehrwert“ haben? Doch was ist das für ein Mehrwert. Ist es qualitativ hochwertiger, ist es exklusiver, ist es langlebiger. Nein es ist nur 19 % teurer als ohne Steuer. Jeder hätte doch auch gerne einen Zuschlag beim Essen und jeder von uns ist doch solidarisch mit anderen, denen es schlechter geht, also nennt man eine neue Steuer dann „Solidaritätszuschlag“. Oder man benennt die Steuer so, das man meint, das sie einen eigentlich persönlich gar nichts angehen, und hängt das Wort „Umlage“ an. Sehr beliebt sind auch die „Abgaben“. Man erkennt zwar das man, was bezahlen muss, aber es klingt wenigstens noch besser als „Steuer“ oder man rechnet die Summe klein, wie beim „Kohlepfennig“.

So etwas passiert nun auch bei der Herausforderung der Konstanterhaltung des Klimas – ihr merkt ich will nicht einen gängigen Begriff Klima-xxx benutzen. Lange Zeit war vom Klimawandel die Rede. Ein Wandel ist eine Veränderung. Das kann positiv oder negativ sein. Das Wort ist per se neutral. Wir finden es auch in Begriffen wie „sozialer Wandel“ oder „Lebenswandel“ und natürlich in der „Wandlung“, also der Rückabwicklung eines Kaufgeschäftes. Lange Zeit war auch nur vom Klimawandel die Rede. Der Wandel ist in der Regel etwas Langsames, Schleichendes, etwas das seine Zeit braucht. Wenn etwas schnell geht, dann benutzen wir oft andere Wörter, um dies zu beschreiben. Und lange Zeit war der Klimawandel auch etwas Langsames. Alle Ziele der Klimakonferenzen lagen weit in der Zukunft. Die erste Klimakonferenz der UN, damals noch „Umweltgipfel“ genannt, war 1992 in Rio. Das ist nun 28 Jahre her. Ziele wurden seitdem immer weiter in die Zukunft verlegt. Das 2030 Klimaziel ist, da es bis dahin nur neun Jahre sind, und es nicht mehr erreichbar ist, inzwischen auf 2050 verlegt. Vom 1,5 Grad Ziel (Erwärmung der Erde um 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau) haben sich Politiker zumindest hinter verschlossenen Türen längst verabschiedet und peilen inzwischen 2,0 Grad an. In jedem Fall reden wir von langfristigen Veränderungen, sowohl beim Klima, wie auch bei den Maßnahmen, die man trifft und da passt dann das Wort „Wandel“ ganz gut. Wenn, ja wenn, man auch wirklich diesen Wandel voranbringen würde.

Nachdem es in den letzten Jahren zahlreiche Klimaextreme gab. Zum einen Winter fast ohne Schnee, Sommer ohne Regen und Dürre, viel zu wenig Regen, sinkende Grundwasserspiegel, dann lokale Extremereignisse, wie eben diese Rekordfluten (die es in anderen Orten aber schon vor einigen Jahren gab) redet man von der Klimakrise, und zwar unisono. Ich habe das Wort von Fridays for Future, den Grünen und Laschet gehört. „Krise“ ist eine kurzfristige, drastische Veränderung, meistens eine die eine Verschlechterung bedeutet. Wir kennen das von der Wirtschaftskrise oder Konjunkturkrise. Von einer Wohlstandskrise habe ich zumindest noch nie gehört. Ich verbinde mit einer Krise, dass man sie meistern kann, wie eine Lebenskrise. Es ist eine Herausforderung. Man muss kurzfristig etwas mehr tun, um aus der Wirtschaftskrise herauszukommen, aber sie kann auch so zeitlich begrenzt sein, wie es die Erdölkrise 1973 war. Deutlich wird das bei dem Anhängen der Worte an das Wort „Leben“. Ein Lebenswandel ist, wie man sein Leben verbringt, was einem wichtig ist, wie man die Zeit verbringt. Es ist eine Beschreibung des ganzen Lebens über längere Zeit, denn auch der Lebenswandel kann sich ändern. Eine Lebenskrise ist eine kurzfristige dramatische Veränderung, durch den Tod eines nahen Verwandten, durch Unfall oder ein wirtschaftliches Ereignis, am deutlichsten wird es in dem englischen Lehnwort der „Midlife-krisis“.

Das heißt erst mal klingt „Klimakrise“ viel dramatischer und schlechter als „Klimawandel“, aber in Wirklichkeit suggeriert und die Krise, das es etwas Kurzfristiges, wieder Vorbeigehendes ist, gegen das wir uns wappnen können. Und so reden nun ja auch die Politiker. Ja, wir müssen Hochwasserrückhaltebecken bauen, nicht so nahe an Fließgewässern siedeln, wir müssen die Vorwarnung verbessern etc. Das dies natürlich überhaupt nichts daran ändert, dass es durch die Veränderung des Klimas immer wieder solche Ereignisse geben wird und sie sogar noch schlimmer werden, es also keine kurzfristige Krise ist, geht dabei komplett unter.

Ich bin für den Begriff „Klimakatastrophe“. Denn die Veränderung des Klimas ist eine Katastrophe. Wir alle sind an bestimmte Umgebungsbedingungen angepasst, oder sie zumindest gewohnt. Sie sind natürlich nicht auf der Welt gleich, aber wir haben uns jeweils regional angepasst. Das Menschen nahe des Äquators eine dunklere Hautfarbe haben ist eine unmittelbare Folge der höheren Sonneneinstrahlung in dieser Region. Der Schutz der Haut vor UV-Strahlen ist dann wichtiger, als die Gewinnung von Vitamin D in der Haut ebenfalls durch Sonnenlicht. Und das kann man auch nicht schnell ändern. Meine Schwägerin kommt aus der Dominikanischen Republik. Sie wohnt seit mindestens 10 Jahren in Deutschland zieht sich aber immer so an, als wäre es 10 Grad kälter als es tatsächlich ist. Das es eine Veränderung des Klimas gibt, hat inzwischen selbst die AfD erkannt, wie ich im aktuellen Sommerinterview mit Tino Chrupalla, erfahren habe. Nur verstanden hat er es nicht, er schreibt das vor langer Zeit (er meint wohl die letzte Eiszeit) damals die Wüsten bewohnt waren und es bei uns Gletscher gab. Klimaveränderung wäre also was Natürliches. Ist es auch, nur wollen wir das? Sollen dann alle Europäer in die Sahara auswandern, weil dann dort das Klima so ist wie jetzt bei uns? (Wobei bei einer steigenden Weltmitteltemperatur wir dann ja eher nach Island, Grönland und Sibirien auswandern müssten). Schon jetzt sehen wir ja die Folgen des Klimaanstiegs, wenn Menschen aus Afrika zu uns flüchten, weil sie ihre Lebensgrundlage in ihrem Heimatland nicht mehr gesichert sehen.

Schon die vergangenen Jahre zeigen, was auf uns zukommt. Es wird bei uns wärmer, Schnee wird im Winter die Ausnahme sein, die Sommer trockener und heißer und es wird über das Jahr weniger regnen, der Grundwasserspiegel sinkt ab. Die Folgen sehen wir schon heute. Die Landwirtschaft hat durch die Dürre weniger Erträge, wenn sie nicht bewässern kann – und das wird bei sinkendem Grundwasserspiegel auch abnehmen. Wälder leiden genauso und sterben teilweise ab (vor allem flach wurzelnde Fichten) und sind anfälliger gegen Schädlinge, da sich Insekten auch stärker vermehren. Es gibt bei Hitzewellen bis zu mehrere Tausend Tote. Nach dem Ärzteblatt lagen 5 der 11 Hitzwellen, bei denen es viele tote gab (seit 1950 zwischen 2000 und 2019 (in dem Jahr wurde der Artikel veröffentlicht). Natürlich gibt es auch kurzzeitige sehr hohe regionale Schäden, wie die Hochwasser vor zwei Wochen. Aber die großen Schäden entstehen durch die Veränderung in der Fläche. Wenn die Nullgradgrenze im Winter nach oben wandert, die Gletscher abschmelzen dann leiden ganze Regionen, die vom Ski-Tourismus leben. Versicherungen warnen das alleine die Schäden durch Naturphänomene seit Jahren ansteigen. Nicht umsonst pochen gerade die Versicherer auf Einhaltung der klimaziele.

Wenn sich unser Leben gravierend ändert und man nichts dagegen tun kann und dies alle betrifft, dann ist das schon eine Katastrophe. Es kommen auf uns Kosten zu, will der Staat nicht ganze Wirtschaftszweige untergehen lassen, so wird er diese stützen und die Steuern erhöhen. Versicherer werden die Prämien erhöhen, wenn es immer mehr Schäden gibt, Nahrungsmittel werden teurer und Klimaanlagen und ihr Strom kosten ebenfalls. Unser Leben wird sich verändern. Das dies langsam geschieht, ist kein Widerspruch zum Wort „Katastrophe“. Auch ein Lavafluss der sich mit dem Schneckentempo auf das eigene Grundstück zu bewegt ist eine Katastrophe, denn das Haus kann sich ja nicht bewegen und ich finde dieser Vergleich passt gut. Denn die Veränderung des Klimas ist ebenso langsam, wie unveränderlich wie man den Lavafluss nicht stoppen kann.

Was wird kommen? Selbst wenn die Welt – wir alleine können es angesichts der Bedeutung Deutschlands nicht alleine wuppen – die Ziele einhält, die es sich gesetzt hat, dann wird eines nicht mehr kommen: das alte Klima. Das Kohlendioxid ist in der Atmosphäre und der Treibhauseffekt wird bleiben. Bis es natürlicherweise aus der Atmosphäre verschwindet, wird auf geologische Zeiträume rauslaufen. Da der Pegel über die Geschichte der Erde durch Veränderungen des Klimas aber auch der Emissionen (natürlicherweise vor allem vulkanische und tektonische Aktivität) schwankt, ist es schwer einen Zeitraum zu formulieren. Auf der anderen Seite hat der Mensch Jahrtausende lang schon mit einer großen Population Holz verbrannt und ganze bewaldete Regionen in Ackerland umgewandelt und das hat das Klima nicht verändert. Aber die Menge, die in den letzten 150 bis 200 Jahren emittiert wurde, ist eben in der Atmosphäre. Mag sein, dass die Menschheit in einer fernen Zukunft Energie so billig produzieren kann, das man daran denken kann das Kohlendioxid wieder aus der Atmosphäre zu entfernen und den Treibhauseffekt zu senken. Denn dafür brasucht man in jeem falle Energie und man hat direkt ja nichts davon. Aber das erlebe ich nicht mehr und ich wage die Prognose, auch die jüngsten Blogleser werden das nicht erleben. Das heißt, wir werden und dann das neue Klima anpassen müssen. Die Landwirtschaft wird das anbauen, was dann möglich ist, Waldbauern experimentieren jetzt schon mit Baumarten aus dem Mittelmeer. Wasser wird wahrscheinlich deutlich teurer werden und wie schon in Kalifornien nicht in unbegrenzter Menge zur Verfügung stehen, selbst wenn man es bezahlen kann. Wie wir dann von diesem Klima reden? Keine Ahnung! Vielleicht „Klima 2.0“ oder „Neues Klima“. Ich befürchte aber die Politiker werden den Begriff prägen und dann von „Mehrwertklima“ oder „Optimalklima“ reden. Was ist euer Vorschlag für das Klima, das dann herrscht, wenn wir den Temperaturanstieg zum Stillstand gebracht haben?

[Edit]

Als ich den Blog online stellte und Schlagworte vergab, wurde mir auch „Klimakollaps“ aus den schon existierenden Tags vorgeschlagen. Ich hoffe, dass es dazu nicht kommt, aber es könnte dazu kommen. Ein Klimakollaps ist ein recht rascher Wechsel des Klimas zwischen zwei stabilen Zuständen die dann wieder längere Zeit weitestgehend konstant bleiben. Die bekanntesten Beispiele sind die Wechsel zwischen Warm- und Eiszeiten in den letzten 1-2 Millionen Jahren oder die Klimaänderungen die Massenaussterbewellen verursachten wie z.B. der Einschlag eines Asteroiden, der das Aussterben der Dinosaurier verursachte.

Im Falle der Eiszeiten weiß man durch Tiefbohrkerne in das Eis auf Grönland und der Antarktis, wie schnell dies ging. Das Eis ist teilweise an Boden einige Hunderttausend Jahre alt und es schließt auch ein, was damals in der Luft war – von der Luft selber über Polen und Staub. Über die Isotopenzusammensetzung der Proben kann man die Temperatur damals bestimmen, da diese temperaturabhängig ist. Über Pollen, welche Pflanzen es in der Umgebung gab und Staub weist auf geologische Ereignisse wie Vulkanausbrüche hin. Der Wechsel von einer Warm- in eine Eiszeit geschah in Zeitskalen von Jahrhunderten, mit einer Temperaturänderung vergleichbar dem derzeitigen Anstieg.

Eine der Ursachen ist, die das die Abläufe im Klima normalerweise ein dämpfendes Feedback gegenüber Störungen haben, d.h. ein kurzzeitiges Ereignis wie z.B. ein Vulkanausbruch, der viele klimarelevante Gase freisetzt, führt zu einer kurzfristigen Änderung, doch nicht zu einer langfristigen. Innerhalb von Jahrzehnten werten solche Spitzenemissionen nivelliert. Es gibt aber in dem System Punkte, werden die überschritten, so tritt das genaue Gegenteil ein, ein Feedback, das die Wirkung noch verstärkt. Am besten verstanden ist dies bei der Vereisung der Arktis. Wird es wärmer, so schmilzt mehr Eis im Sommer ab, als im Winter wieder ausfriert. Es sollte normalerweise ein Gleichgewicht geben, denn Wasser hat eine sehr niedrige Reflexionsrate für Sonnenlicht und Schnee/Eis ein sehr hohe. So sorgt das Eis in der Arktis dafür, das über den Winter die Erde wieder etwas abkühlt. Gibt es immer weniger Eis, so wird dieser Effekt immer kleiner und ab einem bestimmten Punkt bildet sich überhaupt kein neues Eis im Winter mehr, sondern das vorhandene schmilzt auch noch ab. Als Folge wird die Fläche, die Sonnenstrahlung aufnimmt und sich erwärmt, immer größer und die Temperatur steigt immer weiter. Wenn dann noch das Wasser auf Grönland schmilzt, kommt noch diese Landmasse mit niedrigem Reflexionsgrad hinzu. Eis auf dem Festland hält sich länger als auf dem Wasser, weil der Boden noch kälter ist als das Eis, anders als bei Eis das auf dem Wasser schwimmt. Als Sekundärfolgen können Ozeanströmungen durch das wärmere Wasser, das noch dazu reich an Süßwasser ist, beides macht es leichter abreisen oder sich neue bilden, die den Effekt noch verstärken können. So kann das Klima sich innerhalb kürzester Zeit dramatisch ändern – das geht natürlich durch Umkehrung des Vorgangs auch in die andere Richtung, also hin zu riesigen Eisschilden die dann ganz Nordeuropa und Teile von Nordamerika bedecken. Hoffen wir also, das wir nicht bald von einem Klimakollaps reden müssen.

 

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