Bernd Leitenbergers Blog

Feindbilder

Die Kommentarflut zu Linux vs. Windows zeigte mir neben dem schon angesprochenen Extrapolieren von persönlichen Erfahrungen auf alle User auch ein mir bekannten Effekt: Das Feindbild. Warum ist Linux besser? Weil es nicht von Microsoft ist! Diese Firma mit marktbeherrschender Stellung kann ja nichts gutes produzieren. Wenn ein Produkt erfolgreich ist, dann nur wegen hinterhältigen Machenschaften wie Rabatte an Hersteller, Benutzung undokumentierter Funktionen oder Aufkaufen der Konkurrenz. Linux muss ja schon besser sein weil es nicht von M$ ist. Natürlich ist es das auch. Wenn jemand schon immer wissen will, wie ein Betriebssystem funktioniert für den ist Linux das beste System. Es kommt eben immer drauf an den Aspekt herauszusuchen, der einem in den Kram passt. Doch gäbe es keine Feindbilder wenn nicht 90% der Benutzer leider das böse Windows wählen würden.

Es ist doch schön wenn man Feindbilder hat. Das führt dann zum ABM: Anything but Microsoft. Also nur kein Produkt von Microsoft auf dem Rechner. Bei manchen geht das noch weiter. Wenn andere Produkte große Marktbedeutung haben, dann werden die auch gemieden. Schließlich sind sie die Monopolisten der Zukunft.

Microsoft ist da ja nicht alleine. Vor einiger Zeit kam auch Google in diesen Ruf. Die Firma soll zu viele Daten über seinen Benutzer sammeln und über seine Dienste akkumulieren und dies ausnutzen. Neben dem, das jede Firma versucht ihre Marktmacht zu festigen oder mehr Umsatz zu machen findet man eben auch den Ansatz dabei auszuloten was geht. Es zeigt sich dann was geht und was nicht. Derzeit ist Apple dran. Nachdem nun das iphone und ipad erfolgreich sind gerät die Firma in die Kritik. Dabei hat sich ihr Konzept nicht geändert: Sie macht benutzerfreundliche Produkte, indem sie weitgehend die Kontrolle über das Produkt behält. Musik wird eben über itunes heruntergeladen und Apps eben nur vom Appstore. Aber schon der Mac war das schon so, auch wenn es hier natürlich Fremdanwendungen gab. Es war schon immer so, dass Hardware und Software bei Apple stärker verbunden sind. Wer ein Produkt von der Firma gekauft hat wusste das und nun gibt es eben viele neue Nutzer des ipads, denen das seltsam vorkommt.

Bei dem ipad kommt nun die Kritik auf, weil die Apps nur über den Appstore installiert werden. Und da bestimmt eben Apple was drauf kommt. Steve Jobs will keine Pornos auf dem Ipad. Das ist nachzuvollziehen, auch wenn es Leute gibt die vielleicht das anschauen wollen. Doch es geht weiter: Auch „Bild“ muss retuschieren, denn „Porno“ sind schon nackte Brüste, so werden die Nackedeis retuschiert. Am miserablen Inhalt des Blatts muss aber nichts geändert werden, obwohl hier durchaus Verbesserungen möglich sind. Auch ein Comic konnte erst online gehen, als der Autor einen Preis gehen, weil er politisch inkorrekt war. Wie man am Screenshot rechts sieht ist ja schon ALDI betroffen, wenn es nur um BH&Binikis geht.

Ich sehe das viel einfacher – who cares? Das ipad ist ein neues Gerät, wo so keiner genau weiß, wozu man es brauchen kann. Es ist kompakter als ein Netbook, aber größer als ein Smartphone. es kann wie ein ebook Reader benutzt werden und hat doch auch Funktionen eines Computers. Apple hat sich am iphone orientiert . Wenn andere Firmen ähnliche Geräte vorstellen und die weniger restriktiv sind, dann wird sich zeigen ob dieses Konzept aufgeht. Zuletzt gibt es auch auf dem ipad einen Webbrowser.

Der Markt wird zeigen was sich durchsetzt und was nicht. Aber das jede Firma versucht erst mal das maximal mögliche heraufzuholen ist normal. Ich habe in der ct‘ gelesen, dass es bei Adobe auch recht übel ist. Updates kosten hier massig Geld und Updatepfade sind verschlungen und die Sache ist fehleranfällig. Noch mehr als bei Microsoft wird das Produkt an Rechner gebunden. Die Firma kann es sich leisten weil es im professionellen Bereich keine Alternative zu Photoshop & Designer gibt.

Ich sehe es relativ entspannt – jede Firma muss immer gut bleiben, um ihren Marktanteil zu erhalten. Auch wenn sie einen hohen hat, bedeutet das nicht das er so bleiben muss. Auch hier ein Beispiel von Microsoft: Die Firma hat mehrere Jahre lang alles daran gesetzt Netscape klein zu machen und mit dem Internet Explorer marktbeherrschend zu werden. Danach hat sie die Entwicklung einige Jahre schleifen lassen. Das Ziel war ja erreicht. Sie verlor laufend Marktanteile und der IE war auch in vielen technischen Aspekten (JavaScript Performance, Unterstützung von Webstandards, Werbeblocker) hinter den anderen Browsern angesiedelt. Im letzten Jahr hat der IE 10 % bei den Besuchen auf meiner Website verloren, Firefox um 15 % zugelegt (nun 50% Firefox, 30% IE, Rest andere). Ich denke wenn der Browser nicht bei jedem PC vorinstalliert ist und z.B. bei Firmen-PC die Anwender gar keinen anderen Browser installieren können, dann wäre das Verhältnis noch extremer. Nun beginnt MS wieder am IE etwas zu tun.

Daher sehe ich das ganze ohne Feindbild ganz entspannt. Der Markt wird es schon richten. Selbst bei eiben Betriebssystem ist Erfolg nicht vorprogrammiert – siehe Windows Vista – die meisten Computerhersteller haben XP auch nach dem Erscheinen von Vista auf die Computer installiert und auch bei den Privatkäufern mit denen der eigentliche Umsatz gemacht wurde kam es nicht an.

Die mobile Version verlassen