Bernd Leitenbergers Blog

Buchkritik: Eugen Reichl: Typenkompass Trägerraketen

Ich will heute mal eine neue Rubrik eröffnen und Raumfahrtbücher besprechen. Neben aktuellen, die ich derzeit lese, auch empfehlenswerte, die heute nur noch antiquarisch erhältlich sind. Den Reigen eröffnet Eugen Reichls „Typenkompass Trägerraketen“. Es ist das erste Buch dieses Autors, das ich mir kaufte, obwohl er schon einige geschrieben hat. Das lag daran, dass er bisher vor allem über bemannte Raumfahrt schrieb und dass ist nicht mein Hauptinteressengebiet und wenn ich da was lese, dann meistens zur Recherche. Die kurzen Typenkompass Werke passten daher nicht so richtig zu mir. Das einzige Buch das mich interessierte war sein Raketentypenbuch, das war mir aber zu teuer. Nun gibt es ein Buch zum Thema Trägerraketen für 10 Euro, also habe ich gleich mal zugegriffen.

Aufmachung

Die erste Überraschung ist der Einband. Auf Amazon sieht das Buch anders aus: Dort findet man auf der Vorderseite eine Abbildung der Saturn V und einer R-7 (wahrscheinlich Vostok Version), auf dem mir zugeschickten Buch dagegen eine Proton und eine Delta IV Heavy. gravierender ist das dort vermerkt ist „1957 bis 1980“, sodass ich erwartete die Modelle dieser Zeit komplett wiederzufinden. Auf dem Buch das ich in den Händen halte, steht „seit 1957″ und es entfällt die Hälfte des Buchs auf die aktuellen Typen und die andere Hälfte auf verschiedene frühere Typen. Wer also mit der Erwartungshaltung das Buch kauft, die Träger von 1957 bis 1980 genauer beschrieben zu bekommen, der macht einen Fehlkauf. Inzwischen hat der Verlag nachkorrigiert und den Titel nochmals angemeldet, sodass es nun zwei Bücher bei Amazon gibt mit unterschiedlichen Covers.

Die Ausstattung ist auf gehobenem Niveau. Das gesamte Buch ist im Farbdruck. Links findet man eine sehr gut gezeichnete Darstellung der Trägerrakete als technische Zeichnung sowie die technischen Daten in einem Kasten. Rechts auf einer Seite dann noch eine Beschreibung der Trägerrakete und ein Foto. Bei den Fotos ist die Qualität durchwachsen. Natürlich ist es schwer von bestimmten Trägern qualitativ hochwertige Aufnahmen zu bekommen, entweder weil sie alt sind oder es keine qualitativ hochwertigen gibt wie von den chinesischen Trägerraketen. Diese Problematik kenne ich auch von meinen Büchern, trotzdem sind die Bilder obwohl kleiner bei bei meinem Buch von deutlich schlechterer Qualität. Man sieht die Rasterung von JPEG-Artefakten. Eine behutsame Hochskalierung mit Kantenschärfung, die ich bei meinen Büchern betreibe, wurde nicht betrieben.

Das Format ist recht klein (20,5 x 14 cm). Das lässt bei zwei Spalten für den Text nicht viel Beschreibung für jeden Träger.

Was auffällt ist die Sprache. Also ich bin ja nicht gerade empfindlich gegenüber Grammatikfehlern, vor allem weil ich selbst viele mache, aber die Sprache ist doch anstrengend. Die Sätze sind lang und oftmals beim zweiten Durchlesen verständlich. Mal zwei Zitate:“Ob Satelliten oder Teile einer Raumstation, Weltraumverpflegung oder Besatzungstransport ins All: Ohne Trägerraketen bliebe das alles auf der Erde„. Da muss man den ganzen Satz lesen, bis das eigentliche Subjekt kommt, noch dazu mit zwei „oder“. Warum nicht „Ohne Trägerraketen blieben Satelliten, Raumstationen, deren Besatzung oder ihre Verpflegung auf der Erde“. Sie ist auch sonst umständlich wie das zweite Beispiel zeigt: „Nachdem das Programm der Europa-Rakete gescheitert war, beschloss die Europäische Ministerratskonferenz am 20 Dezember 1972 das Projekt L3S als Nachfolge-Vorhaben aufzusetzen„. Also mir wäre hier ein anderes Verb als „aufzusetzen“ eingefallen und der Satz wäre gut in zwei Sätze trennbar gewesen. Das macht das Lesen mühsam.

Die Fakten

Das wichtigste an einem Typenbuch sind die Fakten. Ich will nur anhand von drei Typen die sechs Seiten des Buches ausmachen mal zeigen wie sich hier der Typenkompass schlägt.

Zuerst aber noch einen Kommentar zu den Daten. Eugen Reichl verwendet für den spezifischen Impuls die US-Einheit Sekunden. Es gibt ja auch noch die metrische SI-Angabe, die ich bevorzuge. Egal welche man nimmt, man sollte aber dem Leser erklären, wie man darauf kommt und um was es sich handelt. Eugen Reichl schreibt dazu „Maßeinheit für die güte eines chemischen Antriebssystems. Mit diesem Begriff kann die Qualität von Triebwerken unterschiedlicher Schubklassen miteinander verglichen werden. Der spezifische Impuls wird nach Auflösung der ihm zugrunde liegenden Gleichung in Sekunden ausgedrückt„. Alles klar? Für mich klingt das so „alle Zahlenwerte dich gefunden habe waren in Sekunden, deswegen habe ich diese Einheit genommen. Wie sie berechnet wird weiss ich leider nicht„.

So nun aber zu den Fehlern auf nur sechs Seiten.

Ariane 1-3

Nun zur Delta

Der Autor gibt keine technische Beschreibung der Delta, sondern fasst die Flüge und Differenzen aller Versionen auf einer Seite zusammen. Anstatt nun ein typisches Modell für den Kasten für die technischen Daten zu wählen, entschied er sich für die Delta 5920, die gerade einmal eingesetzt wurde.

Anders als der Autor schreibt setzte die Delta 5920 die Delta K Stufe ein, mit dem Triebwerk AJ10-118K und nicht TRW 201. Voll/Leermasse, Brenndauer, Schub und spezifischer Impuls, also alle Daten dieser Stufe sind falsch. Interessanterweise schreibt Reichl rechts, dass das AJ10 Triebwerk eingesetzt wurde… Das Korrekturlesen ob der Text zu den Daten passt wurde offensichtlich unterlassen.

Falcon 1

Das sind nur einige Fehler, die ich auf gerade einmal 6 Seiten gefunden habe. Es gibt noch mehr. Die Falcon 9 wiegt, wenn man die Stufen addiert, 50 t mehr als die angegebene Startmasse. Bei der Taurus II könnte die Rakete wegen einer um 30% zu schweren ersten Stufe gar nicht abheben, weil der Schub kleiner als das Gewicht ist und so weiter… Das sind die Fehler die mir sofort auffallen. Wenn man jeden Wert nachprüft (wie ich es bei den Delta Starts getan habe, die ich auch nicht im Kopf habe, so summieren sich die fachlichen Fehler auf jeder Seite.

Fazit

Die Aufgabe, alle Trägerraketen zu beschreiben und dies auf 128 Seiten – damit hat sich Eugen Reichl übernommen. Ich halte das bei rund 200 Typen, die weltweit in den letzten 50 Jahren eingesetzt wurden, für unmöglich. Ich fand den Ansatz, den die Amazon Aufmachung hatte, gut: Dieser suggerierte die Beschränkung auf die Typen von 1957 bis 1980. Dann wäre vielleicht noch ein Band von 1980 bis 2000 gefolgt und vielleicht einer mit den aktuellen Typen. So ist es aber zu kompakt. Der Autor ist sich dessen Nachteils bewusst und schreibt; dass er in zukünftigen Auflagen Raketentypen „durchtauschen“ will – ich halte das für eine Unverschämtheit. So soll wohl der Leser zum mehrfachen Kauf des Buches animiert werden.

In der Kürze mit zwei Seiten pro Träger fällt es schwer einen Nutzen für das Buch zu finden. Ein mittellanger Wikipedia Eintrag ist umfangreicher. Es bleibt übrig eine aussagekräftige Grafik und ein Typenblatt und Daten von einem Autor, anstatt dem unterschiedlichen Niveau und Format von Wikipedia. Wer sich für Technik interessiert, sollte das Buch nicht kaufen. Man findet über den technischen Aufbau der Träger nichts. Nur über die Einsatzgeschichte.

Aber auch denen die daran interessiert sind, kann ich nicht zu dem Buch raten. Dafür gibt es einfach zu viele Fehler. Auf fast jeder Seite fallen mir offensichtliche Fehler auf, wenn ich anfange alle Daten mit meinen Aufzeichnungen und Quellen zu vergleichen, so erreicht die Fehlerzahl pro Doppelseite schnell zweistellige Werte und das ist nicht tolerierbar. Kein Buch ist fehlerfrei, auch mir fallen bei Neuauflagen fehlerhafte Dinge auf, aber in einer solchen Häufung habe ich das noch nie gesehen. Ich kann aus diesem Grunde vom Kauf dieses Buches nur dringenst abraten.

[Edit 2019]

Inzwischen habe ich drei Bücher von Reichl, das schon oben erwähnte Raketentypenbuch, nachdem es im Preis reduziert wurde und das Buch über die russische N-1. Bei diesen längeren Bänden habe ich dann festgestellt, das der Autor massiv bei meinr Website geklaut hat. Nicht als wörtliches Zitat sondern leicht umgeschrieben. Das ist ein Plagiat im großen Stil, bei jedem neuen Buch wiederholt. Das haben auch andere Käufer bemerkt und bei seinen Büchern bei Amazonkritiken moniert. Das hohe Fehlerniveau ist allen Büchern eigen, genauso wie die gewöhnungsbedürftige Sprache und die fehlende Korrektur „Basisstundensatz der Titan“ habe ich z.B. mal gefunden.

Ich kann nur von seinen Büchern abraten. Einsteiger bekommen falsche Fakten vermittelt. Raumfahrtkundige kennen das was dort publiziert wird zum größten Teil.

Inzwischen gibt es von mir eine Alternative zum obigen Buch, ohne Diagramme und technische Daten, da für Einsteiger gedacht, aber mit einer umfassenden Erläuterung. Es ist die Fotosafari durch den Raketenwald. Das Buch ist 2019 in einer Neuauflage erschienen. Hier kann man es bei Amazon erwerben. Es ist wie alle meine Bücher aber auch über den normalen Buchhandel erwerbbar.

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