Bernd Leitenbergers Blog

Was kostet ein europäisches Mondprogramm?

Bei meiner Satire über die Weltraumpartei hat sich ja eine Nebendiskussion entsponnen, ob man ein europäische Mondprogramm durchführen könnte und was konnte es kosten (dort als „deutsches“ angegeben, doch wegen der Beteiligung von Frankreich und Italien in den Kernelementen, wäre es ein europäisches). Nun die Kostenabschätzung wird immer spekulativ sein, doch ich will mal einen „best guess“ abgeben und die Zahlen soweit es geht begründen.

Fangen wir mal an zu untersuchen, was das Apolloprogramm gekostet hat. Da gibt es einige Zahlen die sich leicht unterscheiden. Die Wikipedia referenziert 25,4 Milliarden Dollar, die ich auch von anderen Quellen kenne. Die Differenzen entstehen dadurch dass die NASA Zwischenberichte machte das das ganze bisher kostete und wenn man den von 1969 nimmt, ist man billiger dran (23,5 Milliarden) als beim Abschlussbericht und daran ob man nur die Dollar die ausgegeben wurden addiert (dann ist man bei 20,9 Milliarden) oder man die Inflation berücksichtigt (29,3 Milliarden in 1975).

Aber nehmen wir mal die dortige Aufschlüsselung:

Über die Kosten von LM und CSM habe ich auch folgende Kosten von 4 Milliarden für das CSM und 1,4 bis 2 Milliarden für das LM gefunden. Auch wenn diese Angaben nicht zu den obigen passen, so ist doch das LM deutlich billiger. Nehmen wir mal im folgenden 50% der CSM Kosten für das LM an.

Man muss aber auch einiges über das Apolloprogramm wissen, um die Kosten einzuschätzen. Das erste ist das es „schedule driven“ war. Es gab einen fixen Termin für die erste Mondlandung. Die Kosten waren zweitrangig. Das zweite war die Ausgangsbasis. Als Apollo im Mai 1961 beschlossen wurde, hatte die leistungsfähigste US-Trägerrakete die Atlas Agena eine Nutzlast von 2.500 kg. Es musste eine Rakete mit der 50-fachen Nutzlast konstruiert werden. Es gab bisher einen Raumflug von 15 Minuten Dauer über eine Höhe von weniger als 200 km. Apollomissionen dauerten 12 Tage und führten auf 400.000 km Entfernung. Kurzum: viel Geld wurde investiert um überhaupt erst einmal die Technologie zu gewinnen die man brauchte. Sie steht heute aber zur Verfügung und die Sprünge und Ausgaben sind daher kleiner.

Ein weiterer Punkt ist, das Apollo beim damaligen Stand der Technik äußert personalintensiv war. Zur Spitzenzeit sollen je nach Schätzung 250.000 bis 400.000 Personen an Apollo gearbeitet haben. Beim Countdown arbeiteten 450 Personen im Kontrollzentrum, die Bergungsflotte der US-Navy umfasste mehr als 10.000 Mann und diese Kosten musste die NASA übernehmen. Dafür braucht man heute weitaus weniger Personen. Was bleibt sind Investitionen in Infrastruktur. Die Anlagen am KSC wurden auch beim Space shuttle weiter benutzt und nur abgeändert. Als das DoD eine zweite Startanlage in Vandenberg errichtete kostete dies rund 3 Milliarden Dollar.

So, nach den Vorworten, kommen wir zu dem wie wir ein europäisches Mondprogramm anlegen können. Dreh- und Angelpunkt ist eine Trägerrakete. In einem Scenario hat EADS eine Ariane 5 mit 50 t Nutzlast entworfen. Die genauen Daten sind nicht bekannt. Sie hat aber 6 Booster und eine größere Oberstufe. Bei etwa 50 t für die Oberstufe würde eine Nutzlast von 50 t LEO oder rund 13 t LTO möglich. Die Daten von EADS Astrium sind für die Oberstufe relativ „robust“, 49 t Startmasse und 10 t Trockenmasse, selbst wenn man nur die ESC-B verlängert und ein zweites Triebwerk einbaut, also sich keine Mühe gibt besonders gleichgewichtig zu konstruieren, sollte eine Trockenmasse von 8 t möglich sein. Würde man eine leichtgewichtige Oberstufe konstruieren, dann wären es wohl eher 5-6 t, In der Summe ist eine LTO Nutzlast von 15 bis 16 t möglich. Legt man die Oberstufe gleich auf diese Last aus, so wird sie auch leichtgewichtiger, da sie rund 35 t weniger Last tragen muss.

Man braucht dann mehrere Flüge um zum Mond zu gelangen. Es gibt mehrere Möglichkeiten. Die eine die ich auch schon mal vorgeschlagen habe und die auch das Szenario einsetzt ist es in einem Erdorbit alles zusammenzubauen. Danach koppelt eine ESC-B an und transportiert es in eine immer höhere Ellipsenbahn, die am Schluss beim Mond endet.

Eine zweite Möglichkeit ist es in einen Mondorbit eine Auftankstufe zu bringen. LEM und CSM werden getrennt gestartet. Im Mondorbit dann von der Auftankstufe aufgetankt. Denkbar ist auch eine Kombination beides. So kann man eine Mondmission auf drei bis vier Missionen aufteilen. Die Nutzlast wäre bei drei Missionen mit der einer Saturn V vergleichbar.

Die Ariane 5 ESCB wird gerade entwickelt. Von ihr unterscheidet sich die Ariane 5 50 t nur durch verlängerte ESC-B Tanks und und ein zweites Triebwerk im Schubrahmen und vier weitere Booster. So was müsste nicht so teuer sein. Benötigt wird auch eine neue Startanlage und weitere Gebäude für die Nutzlastvorbereitung. Rechnen wir mal mit 4-5 Milliarden für Infrastruktur im CSG und und die Ariane 50 t.

Einfacher ist es beim CSM. Für das ATV wurde ja schon die Weiterentwicklung zu einem Crewvehicle untersucht. Von diesem unterscheidet sich ein Mondgefährt dadurch, dass ein Crew Vehicle wahrscheinlich nicht 12-14 Tage autonom fliegt sondern schnell die ISS anfliegt und wieder ablegt. Das ist jedoch mit mehr Sauerstofftanks und einigen Kohledioxidfiltern, sowie Wasser und Nahrungsmitteln lösbar. Etwas problematischer ist das das ATV recht schubschwache Triebwerke hat. Selbst wenn alle vier zusammen arbeiten brauchen sie rund fünf Stunden um eine 20 t schwere Kombination in einen Mondorbit zu bringen. Auch von der Treibstoffeffizienz (höherer spezifischer Impuls) wäre ein schubstärkeres Triebwerk ideal. EADS hat als Prototyp das Aestus II, ein Aestus mit Turbopumpe und 55,6 kN Schub und einem hohen spezifischen Impuls von 3345 m/s. EADS schätzte die Entwicklungskosten für ein CRV auf 2-3 Milliarden Euro. Nehmen wir noch 1 Milliarde für Modifikationen für Langzeitmissionen und Einbau des Triebwerks hinzu, dann ist man bei 3-4 Milliarden.

Völlig neu zu entwickeln wäre der Mondlander. Hier kann man dann nur die Kosten abschätzen. ATV und CRV Entwicklung zusammen machen rund 4,4 bis 5,4 Milliarden Dollar aus, bei Apollo war der Lander für die Hälfte zu haben. Das wären rund 2-3 Milliarden Euro.

Dazu kämen die Flüge, die anders als bei Apollo, nicht in den Kosten enthalten sind. Was bekannt ist: Ein Ariane 5 Start kostet 160 Millionen Euro, ein ATV 280 Millionen Euro. Eine Rakete mit vergrößerter Oberstufe und mehr Booster würde bei gleichen Kosten pro Tonne 240 Millionen Euro kosten. Ein bemannter ATV das doppelte eines unbemannten Exemplars – 560 Millionen Euro. ein Mondlander dann weitere 300 Millionen. Das wären dann bei drei Starts 1580 Millionen Euro pro Mission. Apollo umfasste sieben geplante Landungen und vier Vorbereitungsmissionen. Heute würde man wohl nur zwei Vorbereitungsmissionen durchführen. Das wären dann 9 Starts mit 27 Raketen mit Kosten von 14220 Millionen Euro.

Dazu kämen natürlich noch Kosten für weitere Infrastruktur und Programmkosten hinzu. Ich schätze das mal auf weitere 2 Milliarden Euro. Dann wären wir zusammen bei 25,22 bis 28,22 Milliarden Euro. Apollo wurde über einen Zeitraum von 10 Jahren durchgeführt, das wären 2,6 Milliarden pro Jahr, in etwa so viel wie die ESA heute insgesamt zur Verfügung hat. Das entspricht auch der Situation bei Apollo als das Programm rund 60% des NASA Budgets ausmacht. Es ist jedoch inflationskorrigiert billiger als Apollo, das 109 Milliarden Dollar im Wert von 2010 umfasste. Es kostet also nur etwa 25-30% dessen. Allerdings bauen wir auch keine drei Trägerraketen und diese ist noch dazu kleiner. Bei Apollo machte die Saturn Entwicklung rund 40% der Kosten aus.

Es gibt auch Chancen, Chancen die Apollo nicht hatte, bei dem man zuerst mal nur das Ziel einer Mondlandung hatte und dann erst an die Wissenschaft dachte. Da die einzelnen Bestandteile getrennt gestartet werden ist es auch möglich, anstatt einem Mondlander ein Mondhabitat zu starten. Es würde direkt landen, computergesteuert auf Basis von Radar, Altimeter und Kameras die heute in Echtzeit bodenaufnahmen auf raues Gelände untersuchen können. Ein 16 t schwerer Lander könnet rund 6 t auf der Mondoberfläche absetzen. Nicht viel, aber ausreichend für eine kleine Druckkabine. Eine 5 m durchmessende Kabine mit zwei Stockwerken hätte rund 39 m² Wohnfläche. Nicht viel, aber für einige Astronauten und einige Tage ausreichend. Damit könnte die Besatzung bei Sonnenaufgang landen und bei Sonnenuntergang starten, wegen der Mondnacht und ohne nukleare Energieversorgung ist ein längerer Aufenthalt nicht möglich das sind dann maximal 14 Tage Aufenthalt anstatt 2-3 Tage wie bei Apollo. Analog könnte man in einem zweiten Start schweres Gerät, Instrumente, Fahrzeuge etc. bringen um diese Zeit auch sinnvoll zu nutzen.

Für die Entwicklung eines solchen Habitats kämen weitere Kosten hinzu, aber Columbus ist ja auch ein bemanntes Raumlabor und das kostete nur rund 1 Milliarde Euro. Ein solcher Flug schlägt dann mit einem solchen Exemplar und Startkosten von 240 Millionen Euro zu Buche.

Die Missionskosten sind meiner Ansicht nach sogar eher zu hoch angesetzt. Wir haben eine hohe Startrate. Wenn von den Zehn Jahren die Starts in den letzten drei Jahren erfolgen, hat man eine Produktionsrate von 9 x  50 t Raketen pro Jahr, die zusätzlich zu den Ariane 5 gefertigt werden. Dadurch müssten Stückkosten für Booster und EPC deutlich sinken. Das gilt auch für die Servicemodule. Wir haben derzeit einen ATV Start pro Jahr, es wären dann drei der analogen Crewmodule. Gemäß Lernkurve würde alleine die höhere Stückzahl den Start auf 200 Millionen Euro verbilligen und ein Crewmodul auf 420 Millionen. Das wären dann noch 1320 Millionen anstatt 1580 Millionen. Auch sind die Aufschläge großzügig gerechnet. Ein Mondlander muss z.B. nicht mehr können als ein ATV, eher weniger, Ein Crewmodul unterscheidet sich vom ATV nur durch eine Kabine, einige Luftfilter, Anschlüsse für Wasser und Luft und einen Hitzeschutzschild. das man so was preiswert bauen kann zeigt SpaceX mit der Dragon.

Ich befürchte aber es wird gerade anders kommen. Weil es bemannte Raumfahrt ist, wird man sehr hohe Sicherheitsstandards ansetzen, sehr viel testen und das verteuert alles ungemein. Wenn es aber zu moderaten Kosten zu finanzieren ist – sagen wir mal 3 Milliarden Euro pro Jahr bin ich voll dafür! Bei einem deutschen Anteil von 25% wären das für Deutschland weitere 750 Millionen Euro pro Jahr – sicher nicht eine Summe die wir nicht hätten. Dafür könnten wir 10 Jahren den ersten europäischen Astronauten auf dem Mond landen sehen. Das relativ große CRV würde auch mehr Astronauten zulassen. Bis zu sieben sollen Platz haben, selbst wenn man die Zahl wegen der längeren Missionszeit begrenzt, vier bis fünf könnten es schon sein. Da wären sicher einige deutsche darunter. Ich denke damit müsste man auch die Politiker gewinnen. Nebenher würde, wenn es nicht nur eine Wiederholung von Apollo ist, sondern man ein Mondhabitat angeht, damit mehr Forschung, mehr schweres Gerät für Tiefenbohrungen oder weite Exkursionen, auch die Mondforschung profitieren. Damit würde es sich von anderen Vorhaben wie von China, wo es nur um das nationale Prestige geht abheben. Denn was in Europa bei der ESA immer ging (anders als bei Deutschland und der NASA) ist das man bemannte Raumfahrt neben unbemannter durchführt ohne das letztere zusammengestrichen wird. Daher ist es auch als europäisches Programm gut aufgehoben.

Ich befürchte nur, wenn die ESA eine anfrage bekommt sie es komplett anders als ich machen wird – eine neue Trägerrakete entwickeln, ein neues Crewmodul und dann wird es erheblich teurer und man bekommt eben keinen Auftrag.

Einige Nebeneffekte die man hätte:

doch das wäre mehr etwas für den Artikel – „Was kommt nach dem europäischen Mondprogramm“.

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