Was wäre, wenn Kennedy kein Mondprogramm aufgelegt hätte?

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Wie Vineyard festgestellt hat war John F. Kennedy kein Space-Enthusiast. Er dachte nach einigen Jahren darüber nach, dass Apolloprogramm zumindest zusammen mit den Sowjets durchzuführen, und unterbreitete Chruschtschow einen Vorschlag. Der lehnte ab, weil er er ihn zum einen nicht richtig ernst nahm, und zum anderen dachte, dass es den USA am Ende doch zu teuer werden würde. Eine Einschätzung die nicht aus der Luft gegriffen ist. Es gibt durchaus Stimmen die meinen, wenn Kennedy nicht gestorben wäre hätte früher oder später der Kongress das immer teurere Projekt gestoppt wenn er es nicht selbst getan hat.

Nun hat Kennedy das Projekt aber aufgelegt und öffentlich verteidigt und war auch mehrmals am Cape um sich von Fortschritten zu überzeugen, was ihn von allen anderen Präsidenten seitdem unterscheidet. Von den beiden Präsidentschaftskandidaten, die 1960 antraten, war er der der schon im Wahlkampf für mehr Ausgaben für die NASA plädierte. Sein Konkurrent Richard Nixon war da weitaus vorsichtiger und seine Präsidentschaft von 1969 bis 1974 ist nun nicht gerade bekannt für große Pläne in der Raumfahrt. Das Space Shuttle wurde unter Nixon genehmigt aber nur weil es von der NASA soweit zusammengestrichen wurde, das es nur 5,5 Milliarden Dollar kosten sollte – nur zum Vergleich Apollo kostete rund 25 Milliarden Dollar, fast das fünffache.

Die Situation als Kennedy ins Amt im Januar 1961 kam, war die: Russland hatte den ersten Erdsatelliten gestartet, die erste Mondsonde und kurz nach seinem Amtsantritt Venera 1. Die USA hatten seitdem immer mehr Starts als die U.d.S.S.R durchgeführt – im Jahre 1961 waren es 31 von den USA aber nur neun der Sowjetunion. Auch dieses Argument wurde von Nixon benutzt, um zu zeigen das man vielleicht nicht jeweils der erste wäre, aber doch „Russland“ an Starts überholt habe.

Die Wende kam mit dem Flug von Wostok 1 und Juri Gagarin. Bei den bisherigen Erstleistungen der USA war es so, dass man Entschuldigungen vorbringen konnte. Die USA hätten den ersten Satelliten starten können, hätte man nicht das Ideal verfolgt, dass der Träger zivile Wurzeln hat. Da man dann bei der Größe der Trägerrakete hinterherhinkte, war es auch kein Wunder das Russland bei den ersten Sonden führte, die das Erde-Mond-System verließen, denn eine leistungsstarke Rakete hat eine höhere Nutzlast und die nimmt für das Erreichen der Fluchtgeschwindigkeit drastisch ab.

Aber das Projekt Mercury wurde praktisch mit Gründung der NASA begonnen, es lief zu dem Zeitpunkt schon über zwei Jahre. Nun erneut geschlagen worden zu sein, war eine echte Blamage. Als wenige Wochen nach Juri Gagarin Alan Shepard den ersten bemannten Hopser des Mercuryprogramms machte wurde beschlossen was auf dieses Einmannprojekt folgen könnte und zwar mit dem Ziel, diesmal erster zu sein. Schon vorher hatten Berater des Präsidenten die Verantwortlichen in der Raumfahrt nach Vorschlägen und Schätzungen über die Kosten gebeten.

Das naheliegendste war ein weiteres bemanntes Programm, Gemini das um diese Zeit auch beschlossen und begonnen wurde. Als nächstes könnte eine Raumstation folgen. In ihr könnten Astronauten viel länger im All bleiben. Sie könnten die Erde erforschen und sie wäre eine Art Stützpunkt im All. Wernher von Braun hatte damals einen folgerichtigen Plan der Erforschung des Weltalls in der die Raumstation vor einer Mondmission vorgesehen war. Ja sie offerierte für diese Mondmission knallharte Vorteile. Man hätte Erfahrung mit dem Aufenthalt über die Dauer einer Mondmission, mit echter Schwerelosigkeit (in den Mercurykapseln konnten sich die Astronauten kaum bewegen, sie scherzten, das man die Kapseln nicht besteigt sondern „anzieht“. Es könnte das Arbeiten im freien Weltall geübt werden und nicht zuletzt kann eine Besatzung auf der Station warten. Das ermöglicht es zu der Station die Elemente einer Mondmission – Mondlander, Kommando- und Servicemodul, Stufe(n) getrennt zu starten und dort zu verbinden oder im Falle des Mondlander alleine zu starten. Als Folge hätte man keine so große Rakete wie die Saturn V gebraucht sondern drei bis vier Starts einer viel billigeren und kleineren Rakete. Bedenkt man das die Entwicklung der Saturn V 40 Prozent der Kosten des Apolloprogramms ausmachte ist das ein nicht zu vernachlässigendes Argument.

Was den Ausschlag gab, war das Kennedy eine Art Garantie haben wollte, dass man bei dem nächsten Programm nicht wieder „Zweiter“ wäre. Der Vorschlag der Mondmission wird gerne Wernher von Braun zugeschrieben. Der argumentierte vor allem als Raketenforscher. Die Argumentation ging so: Um auf dem Mond zu landen braucht man eine Rakete, die viel größer ist als alles was wir und wahrscheinlich die Russen haben. Hier können wir also sicher sein, das sie keinen Vorteil haben,. Beide Nationen beginnen hier bei Null. Damit haben die USA die viel reicher als die Sowjetunion waren, alleine dadurch dass sie viel mehr Geld in das Projekt pumpen können, eine gute Chance zu siegen. Wernher von Braun soll auch eine präzise Kostenschätzung (20 Mrd. Dollar) abgegeben haben und Kennedy von dem Projekt überzeugt haben. So berichtet Ernst Stuhlinger in einem Interview für das ZDF.

Es verwundert nicht das Chruschtschow auf den Vorschlag Kennedys 1963 nicht reagierte. Die Summe war so irrwitzig, das er nicht glaubte das die USA das durchhalten würden. Um mal einen Vergleich zu machen. Das Apolloprogramm kostete nach Angaben der Planetary Society 257 Mrd. Dollar im Werte von 2020. In der Summe hat die Planetary Society einige Posten hinzuaddiert, die eigentlich nicht zu Apollo gehören, wie Gemini und die unbemannten Mondpogramme, aber das ändert nicht so viel an der Summe. Die Mittel flossen über zehn Jahre. In zwölf Jahren wird das Artemisprogramm rund 93 Milliarden Dollar kosten, also pro Jahr gerechnet rund ein Drittel der Summe von Apollo.

Es ist spekulativ, aber was wäre gewesen, wenn Kennedy kein Mondprogramm genehmigt hätte, sondern eine der Alternativen? Nun eines ist relativ sicher: es hätte auch kein russisches Mondprogramm gegeben, denn das war nur eine unterfinanzierte Kopie, die verspätet startete. Ich glaube es wäre nach Wernher von Brauns Stufenplan gegangen. Es wäre nach Gemini eine Raumstation gekommen. Folgerichtig dann auch das Space Shuttle, denn auch das hat Wernher von Braun schon vorhergesehen – der Name „Space Shuttle“ stammt von ihm. Es war zusammen mit einer Raumstation geplant und als Zubringer für die Station vorgesehen. Bis diese steht und das Shuttle gebaut ist würden Jahre vergehen. Sicher würde man nicht vor Mitte der Siebziger Jahre ein neues bemanntes Programm starten. Doch das nächste Ziel wäre dann der Mond, so wie auch heute ja Artemis zum Mond geht, anstatt dass man als nächstes Ziel das noch nicht erforscht ist, ein Marsprogramm auflegt.

Die Chancen ständen gut, dass dieses Programm billiger ist also Apollo. Denn es kann auf das Shuttle Programm aufbauen. Was gerne vergessen hat: das Space Shuttle wog als es in den Orbit gelangte mit Nutzlast 110 t, nur wenig kleiner als eine Saturn mit 130 t. Man hätte den Orbiter weglassen können, die Triebwerke unter den Tank montieren können und als Nutzlast eine Raketenstufe mit Mondlander oder CSM anbringen können. Mit zwei Starts wäre dann eine Mondmission möglich, die sogar schwerer als als die von Apollo gewesen wäre. Es entfällt die teure Entwicklung der Saturn V und auch die Kosten wären geringer gewesen, denn Booster hätte man bergen können und als Hauptriebwerke (die ja verloren gehen) welche einsetzen können, die schon mehrmals flogen und sowieso durch neue ersetzt werden.

Ja ich sehe sogar eine Chance, die das es ein dauerhaftes und kontinuierlicher Programm wird, weil es nicht ein politisches Ziel und einen engen Zeitplan gibt. Einer Kurzzeitmission wie bei Apollo könnte eine dauerhafte Mondstation folgen. Auch das Lunar Gateway wäre prinzipiell möglich, wenngleich es natürlich die Konkurrenz zu unbemannten Sonden gibt, die zumindest bei der Erforschung aus dem Orbit heraus die gleichen Aufgaben wie ein Mensch viel billiger erledigen können.

Der springende Punkt: Man hätte ein funktionierendes System für den Transport schwerer Lasten in den LEO, eine Raumstation als Vorposten und für die Montage größerer Elemente aus mehreren Einzelteilen. Das benötigt man für eine Marsmission bei der man nochmals fünf bis zehnmal mehr Nutzlast in den LEO bringen muss. Mit der Mondstation hätte es Erfahrungen und eingesetzte Technologien gegeben die für eine Marsstation benötigt werden, wie das Arbeiten unter reduzierter Gravitation, im Vakuum unter extremen Temperaturbedingungen. Gerade das macht eine Marsmission so teuer: es muss alles über drei Jahre funktionieren, es gibt anders als beim Mond keine Möglichkeit bei einem gravierenden Fehler schnell zur Erde zurückzukehren.

Ich denke das so vielleicht eine bemannte Marsmission die in der realen Welt ja immer noch in der Zukunft angesiedelt ist, längst erfolgt wäre. Denn was bisher dagegen spricht ist das Preisschild. Das wäre niedriger wenn ein Großteil der Technologien schon entwickelt wäre und es vorhandene Erfahrungen geben würde. Apollo führte dazu, dass man den Mond sehr früh nach Beginn der Raumfahrt erreicht hat, aber auch dazu, dass er als Ziel abgehakt ist. „Wozu sollen wir noch mal dorthin, wir waren ja schon da!“. Es stellte sich eine gewisse Selbstzufriedenheit bei den USA ein, und andere Nationen würden nie so viel Geld in ein bemanntes Raumfahrtprojekt stecken.

Ob Artemis weitergeht ist auch noch offen. Das Programm ist chronisch unterfinanziert. Bisher hat die NASA eine Trägerrakete aus Resten des Space Shuttle Programms zusammengebaut, eine neue bemannte Raumkapsel entwickelt, wobei die europäer das Servicemodul stellen, was auch noch Kosten spart. Die SLS ist nicht fähig Orion und Mondlander zusammen zu starten, auch nicht mit EUS Stufe. Daher kam man ja auf die Idee im Haloorbit ein Lunar Gateway zu stationieren, dann kann man den Mondlander separat starten und dort andocken und dann erst die Besatzung dorthin schicken. Im Prinzip das gleiche was Wernher von Braun im Erdorbit vorhatte. Aber derzeit reicht die Finanzierung gerade mal für einen SLS Start alle zwei Jahre. Der nächste Start, Artemis 2 wird vergleichbar Apollo 8 nur den Mond umrunden.

Artemis 3 sollte ursprünglich das erste Modul des Lunar Gateways starten, nun aber 2024 die erste Mondlandung durchführen. Doch auch das kann bezweifelt werden, weil SpaceX vor der Landung noch einen Prototyp des Lunar Starships starten will und das scheint nach dem Fehlstart vom 20.4.2023 noch sehr weit von einer Mondlandung die auch etwa ein Dutzend Tankflüge nötig macht, entfernt zu sein. So kann es durchaus sein das Artemis 3 dann doch wieder Module für das Lunar Gateway startet, das ansonsten aus Kostengründen aber von kommerziellen Trägern aufgebaut wird. Die Wiederholung, Artemis 4 kommt nicht vor September 2028. Mit ihm kommt ein weiteres Modul zum Lunar Gateway. Artemis 5 im September 2029 wird dann den Blue Moon Lander einsetzen und ein weiteres Modul für das Lunar Gateway befördern.

Schon die bis zu sechs Jahre in der Zukunft liegenden Zeiten, für gerade mal fünf Missionen zeigen, wie langsam Artemis voranschreitet. Das liegt an der Finanzierung und die muss noch ansteigen, denn alleine für die beiden Lander braucht die NASA weitere 8 Milliarden. Nach den NASA Plänen wird das Budget für „Deep Space Exploration Systems“ worunter Artemis angesiedelt ist, aber von 2024 bis 2028 nur von 7.971 auf 8.628 Milliarden Dollar wachsen – wo ist da das Budget für die beiden Lander? Ob die NASA das Geld bekommt oder 2025 ein neuer Präsident das ganze Programm wieder einstellt, ist meiner Ansicht nach noch nicht sicher.

5 thoughts on “Was wäre, wenn Kennedy kein Mondprogramm aufgelegt hätte?

  1. Was Kennedys Idee mit den Russen zusammenzuarbeiten betrifft:

    Nachdem ich diese Passage gelesen hatte, began es nach ein paar Minuten in meinem Kopf zu klingeln und ich dachte:

    Sekunde. Ist das nicht im Prinzip fast das Gleiche was Jahrzehnte später mit der ISS passiert ist? Ursprunglich unter Reagan noch die Station „Freedom“, unter Clinton plötzlich „Alpha“, welches politisch in ein „internationales Projekt“ verwandelt wurde, unter anderem auch damit das Projekt überlebt. (Quelle ist „Die Internationale Raumstation“ (eng. Island in the Sky) von Piers Bizony aus dem Jahr 1996.)

    Um aber zu Apollo zurückzukommen:

    Ein Faktor, welcher oft übersehen wird, war Jim Webb, der damalige NASA Administrator und vielleicht auch der politisch geschickterste den die Behörde je hatte. Ohne ihn wäre das ganze Mondprogramm wahrscheinlich nie so weit bekommen. Doch genau diese Politik war auch langfristig ein Verhängnis für die NASA, denn die damals etablierte föderalistische Struktur mit all den Zentren wurde langfrstig eher zum Problem.

    1. Ja James Webb war der wohl beste Administrator den die NASA je hatte. Er hat nicht nur dafür gesorgt, dass das Apollo programm durchgezogen wurde, sondern während seiner Amtszeit bekam auch die unbemannte Raumfahrt das Budget das sie brauchte. Seitdem lief es immer so das neue bemannte Programme oder Kostensteigerungen dieser negative Auswirkungen auf die unbemannte Raumfahrt haben.

      Nicht umsonst wurde nach ihm das JWST benannt.

  2. Warum sollte man ein Shuttle entwickeln, wenn man ein Raumstation und später ne Mondlandung haben will? Alles was man braucht ist eine große Rakete und für den Personentransport nimmt man ne Kapsel.

    1. Damals dachte man das Shuttle würde einmal pro Woche ohne viel Wartung in den Orbit fliegen und damit den Betrieb massiv günstiger machen.

      1. Das ist mir schon klar. Nur wenn klar ist, dass man auf dem Mond landen will und das Shuttle dazu nicht im stande ist, dann hat man doch andere Ausgangsbedingungen. Also warum sollte man in dem alternativen Szenario das Shuttle immer noch genauso konstruieren wollen. Warum nicht die Buranvariante?
        Wenn das Shuttle sehr günstig ist, dann braucht man keine große Wegwerftakete. Alles für Mondlandung usw. wird mittels Shuttle in Modulbauweise hoch gebracht, dann wohl aber Shuttle-C.
        Es gibt dabei aber noch eine politische Komponente und das bedeutet Verteidigung der Hegemonialinteressen. Der Mond ist nur ein wertloser, toter Felsen im All. So lange kein anderer bereit ist Geld in die Hand zu nehmen um dort zu landen und damit diesem Felsen einen Wert gibt, muss man selbst auch nichts machen.
        Ja ich weiß, die SLS soll die Amis zurück auf dem Mond bringen ohne dass die Russen irgendwas in der Richtung unternehmen.
        Nur worin besteht dann der Unterschied zwischen Contellation und Artemis? Der einzige Unterschied, den ich sehe ist COTS. Commercial of the shelf sorgt dafür, dass die Bundesstaaten weniger Einfluss auf das Raumfahrtprogramm haben, denn COTS sorgt für Festpreisverträge anstatt cost+.

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