Bernd Leitenbergers Blog

SpaceX braucht die Falcon Heavy – SpaceX will die Falcon Heavy nicht!

Kurz nach der Explosion der 19-ten Falcon 9 über dem Cape hat SpaceX erneut den Jungfernflug der neuen Trägerrakete Falcon Heavy verschoben. Nun wird als Starttermin Mai/Juni 2016 genannt. Erinnern wir uns: am 5.4.2011 kündigte Elon Musk an, die Falcon Heavy zu entwickeln und legte den Jungfernflug auf „Ende 2012, Anfang 2013“ fest. Wenn es nun mindestens drei Jahre Verzögerung gibt, so ist das nicht nur an sich ein ziemlicher Brocken sondern auch unverhältnismäßig viel, verglichen mit den maximal 21-22 Monaten die der Jungfernflug damals noch in der Zukunft lag. Selbst SpaceX-Chefmanagerin Gwen Shotwell machte sich schon auf Pressekonferenzen über die Verzögerungen lustig „Es kann doch nicht so schwierig sein, drei Cores aneinander zunieten“. Vielleicht doch. Vielleicht sind 27 Triebwerke die gleichzeitig arbeiten sollen doch eine ganz andere Größe als Neun Triebwerke. Erinnern wir uns: die Mondrakete N-1 der Russen hatte 30 Triebwerke in der ersten Stufe. Diese Stufe wurde nie getestet, die Konstrukteure nahmen an, man könnte von den Testversuchen der zweiten Stufe mit acht Triebwerken auf das Verhalten der ersten Stufe mit 30 Triebwerken schließen. Dabei gab es bei den Tests der zweiten Stufe keine Probleme. Doch alle Flugeinsätze der N-1 scheiterten am Versagen der ersten Stufe. Dabei waren die Fehler oft nur durch die enorme Triebwerksanzahl bedingt. So begann die Rakete beim dritten Fehlstart immer schneller zu rotieren, weil sich unter den 30 Triebwerken ein Unterdruck bildete, der der Mondrakete ein immer stärker werdendes Rollmoment verlieh, mit dem die Steuerung um die Rollachse überfordert war.

Da man von SpaceX selbst kaum etwas hört, weder zur Falcon Heavy noch sonst will ich mal in diesem Artikel diskutieren, warum es so langsam vor sich geht und zwar in einer klassischen Pro-Kontra Diskussion. Vielleicht kennt die der eine oder andere noch von den Schultagen (falls das als Stilmittel überhaupt noch eingesetzt wird). Ziel ist – etwas überspitzt formuliert – herauszufinden ob SpaceX die Rakete wirklich braucht oder man vielleicht in den letzten Jahren die Meinung geändert hat. Also gehen wir die Diskussion mal an.

Pro

Nur die Falcon Heavy befähigt SpaceX Satelliten in den GTO* zu transportieren, die schwerer als 3,5 t sind. Das sind alle mittelschweren und schweren Satelliten der Kommunikationsbranche. Deise haben heute durchschnittlich eine Masse von 4,5 t. Bisher kann SpaceX also nur die leichten Kommunikationssatelliten transportieren und erreicht damit nur einen Bruchteil des Marktes. Auch das DoD hat den Bedarf für einen träger für schwere Nutzlasten in GEO und LEO. Ohne die Falcon Heavy entgeht so SpaceX ein großer Teil des Marktes. Dabei ist der US-Regierungsmarkt aufgrund gesicherter Aufträge und überdurchschnittlich teuren Starts (auch bei SpaceX) besonders lukrativ.

Zweiter wichtiger Punkt: Die Falcon Heavy wird billiger pro Tonne Nutzlast im Transport als die Falcon 9. Sie hat mehr als die dreifache Nutzlast, kostet aber nur das doppelte.

Nur mit der Falcon Heavy kann sich SpaceX um alle der lukrativen Aufträge der NRO und des DoD bewerben. Diese haben schon signalisiert, dass die Falcon 9 nur für einige leichte Nutzlasten wie die GPS III Satelliten ausreicht.

Mit der hohen Nutzlast und der alleinigen Nutzung des Launchpads 39A durch die Falcon Heavy  kann die Falcon Heavy den Nutzlaststau von SpaceX abbauen, da dadurch eine zweite Startbasis in Cape Canaeral und eine Trägerrakete zur Verfügung steht die auch mehrere Nutzlasten auf einmal transportieren kann.

Die Bergungsversuche bei der Falcon 9 kann man als experimentell betrachten. Nur bei der Falcon Heavy sind sie wirtschaftlich sinnvoll. Bei der Falcon 9 senkt die Bergung die Nutzlast um 30% ab und damit unter ein Niveau, dass noch für GTO-Transporte vertretbar ist. Dagegen hat die Falcon Heavy eine viel größere Nutzlast als alle existierenden Trägerraketen. Das Absinken wirkt sich daher nicht auf die real startbare Nutzlast aus, zumindest solange man keine Drei- oder Vierfachstarts durchführt. Zudem kann man mehr von der Rakete (12/13 zu 8/10) verwenden und es ist wirtschaftlicher.

Dadurch dass die Rakete im Prinzip alle Komponenten einer Falcon 9 verwendet, erreicht SpaceX eine höhere Serienproduktion und damit sinken auch die Kosten für eine Falcon 9. Die Starts werden insgesamt billiger. Die einzigen neuen Komponenten sind aerodynamische Verkleidungen der beiden seitlichen Cores und eien Verbindung der Stufen. (Vom Crossfeeding, das wieder Komplexität in den Träger bringt hört man ja nichts mehr).

Klappt die Wiederverwendung nicht, und dies ist ja noch völlig offen, so eröffnet die Falcon Heavy für SpaceX einen zweiten Weg die Startkosten zu senken, da ihre Nutzlast viel stärker ansteigt als ihr Startpreis.

Nur mit der Falcon 9 ist die kostengünstige Landung der Cores an Land möglich. Sie kostet bei der Falcon 9 so viel Nutzlast dass man sie nur bei CRS-Missionen durchführen kann, für die die Falcon 9 schon überdimensioniert ist.

Natürlich ist die Falcon 9 nun eingeführt und SpaceX wird vordringlich die bisherigen Kunden bedienen. Daher verschiebt man auch den Jungfernflug – und nicht aus technischen Gründen. Zudem wird die Falcon Heavy gleich die neuen Stufen der Falcon 9 V1.2 einsetzen, die man so vorher erproben kann. Wenn die Falcon Heavy aber eingeführt ist, dann kann SpaceX ihren Nutzlaststau viel schneller abbauen und wird langfristig die Falcon 9 ausmustern. der Falcon Heavy gehört also die Zukunft!

Contra

Die meisten gebuchten Starts sind für die Falcon 9. Die Rakete ist eingeführt und verfügbar. Für die Falcon Heavy gibt es zu wenig Kunden um eine zusätzliche Entwicklung zu rechtfertigen. Es ist nicht einmal sicher, ob ein Kunde eine Umbuchung von der Falcon 9  auf die Falcon Heavy hinnehmen würde, zumindest solange diese nicht einige erfolgreiche Starts in Folge absolviert. Das gleiche gilt auch für die institutionellen Kunden (also NASA, NRO, DoD). Daher wird SpaceX vordringlich die Falcon 9 einsetzen und erst nach einigen erfolgreichen Starts der Falcon Heavy diese langsam einführen, wenn überhaupt. Bisher gibt es erst wenige Starts ,die explizit auf die Heavy gebucht sind.

Die hohe Nutzlast ist nur theoretisch von Vorteil. SpaceX weist keine Doppelstartvorrichtung in ihrem Users Guide und auf der Website aus und hat inzwischen auch die Preisangabe auf den Preis für den Transport eines Satelliten abgeändert. Das spricht für einen Einzelstart. So wird SpaceX immer nur einen Bruchteil der Nutzlastkapazität ausnützen und die Rakete ist nicht billiger als eine Falcon 9: bei leichten Nutzlasten sogar noch teurer. Zudem wird die Bergung der mittleren Core bei einer viel höheren Geschwindigkeit erfolgen und daher mehr Nutzlast kosten, weil man viel Treibstoff benötigt um diese zur Startbasis zurückzubringen. Schon die äußeren Cores kosten bei Landbergung jetzt 30% Nutzlast. Bei Seebergung ist es weniger – 15%, doch dann bräuchte SpaceX drei Drone Ships um alle drei Cores bergen zu können. Auch die beiden äußeren Cores werden bei höherer Geschwindigkeit als die Erststufe der Falcon 9 abgetrennt, sind damit höheren Belastungen ausgesetzt und brauchen mehr Treibstoff um den Landeplatz zu erreichen.

Das die Wiederverwendung der Falcon Heavy sinnvoller als beider Falcon 9 ist, ist unbestritten. Sie ist aber auch komplizierter. Es müssen drei Cores weitestgehend zeitgleich gelandet werden und diese haben höhere Abtrenngeschwindigkeiten, was wiederum andere Flugbahnen und andere Belastungen beim Wiedereintritt als Folge haben. SpaceX wird also dort neu die Bergung evaluieren müssen und zudem hat sie bisher in vielen Starts der Falcon 9 noch nie geklappt.

Auch für die Regierungsnutzlasten ist die Falcon Heavy nicht notwendig. Man kann sich mit der Falcon 9 bei 60 bis 70% der ausgeschriebenen Starts bewerben. Für die restlichen Starts müsste man die Rakete, wie die Falcon 9, aufwendig und kostenintensiv zertifizieren. Dabei hat SpaceX nun schon einen Nutzlaststau und die Regierung legt noch mehr Wert auf pünktliche Starts als auf billige Starts.

Die Falcon Heavy hat eine zu hohe Nutzlast. Alle Konkurrenten haben maximal die halbe Nutzlasten. Weder Regierungsorganisationen noch Kunden aus der Wirtschaft wollen sich aber von einem Träger abhängig machen und so muss man selbst von den schwersten Nutzlasten mindestens zwei auf einmal starten. Gerade diese schweren Nutzlasten sind aber selten. Arianespace hat schon Probleme Satelliten von mehr als 6 t mit anderen Nutzlasten zu kombinieren.

Der Fehlstart im Juni leitet zu einem anderen Problem über: Beherrscht SpaceX überhaupt die Technologie? Wenn eine Strebe bei einem Fünftel der Nennbelastung bricht, wie kann das sein? Ist es der einzige Fehler oder nur einer von vielen? Sicher ist: Eine Falcon Heavy ist nicht nur eine Falcon 9 mit drei Cores. Die Oberstufe wird höheren Belastungen durch eine höhere Spitzenbeschleunigung und schwererer Oberstufe ausgesetzt, auf die zentrale Stufe wirkt nun auch Kräfte von der Seite die es bei der Falcon 9 nicht gibt. Nicht zuletzt gibt es viel mehr Komponenten, alleine die Zahl der Triebwerke steigt um den Faktor 3 an. Bevor SpaceX ein unnötiges Risiko für ihren Ruf eingeht wird die Firma vielleicht eher die Rakete einstellen.

Wenn die Leistung der Falcon 9 in der neuen „v1.2“ Version erneut gesteigert wird, dann schließt ihre Nutzlast soweit auf, dass sie auch schwerere Kommunikationssatelliten und noch mehr der Regierungsnutzlasten starten kann. Dann ist die Falcon heavy nicht nötig und die Falcon 9 ist kommerziell eingeführt und für NASA und USAF zertifiziert.

Die Falcon 9 ist eine Rakete die keiner braucht: Ihre Nutzlast ist zu hoch, sie ist mit 28 Triebwerken unnötig komplex. SpaceX veröffentlicht auch nichts mehr von der nächsten Rakete. Auch hier hat man wohl mit dem Umdenkprozess begonnen. Nur eine Rakete zu entwickeln, weil es technisch möglich ist ist genau unsinnig wie die früheren Schwerlastträger Saturn V, N-1 oder nun die SLS. Wie diese Träger hat die Falcon heavy keine Zukunft.

*: gemeint ist der Arioane 5 kompatible GTO mit einem Geschwindigkeitsbedarf von 1500 m/s in den GEO. Der ist internationaler Standard und andere Träger transportieren ihre Nutzlasten in Orbits mit demselben Geschwindigkeitsbedarf aber anderen Parametern. Die offizielle Angabe von SpaceX auf den Webseiten ist die für einen GTO mit 1900 m/s Geschwindigkeitsdifferenz. Die Nutzlast ist daher dort höher.

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