Die Aprilnachlese von SpaceX

Die Nachlese zu April ist recht kurz, nicht nur wegen Corona. Fangen wir mit den Starts an. Es gab nur einen, und der für Starlink, logischerweise, denn zum einen gibt es nicht mehr viele Kunden und zum anderen sind dann nicht Dritte durch die Coronaeinschränkungen betroffen. Ausländer dürfen ja gar nicht erst einreisen.

Spektakulärer war da die Explosion eines Prototypen bei einem Test. Es ist schon die dritte innerhalb eines halben Jahres. Ich erwarte ja nicht viel von SpaceX, aber ich dachte nach fast 20 Jahren haben sie etwas Erfahrung im Bau von Raketen. Die ersten Falcon 1 Starts scheiterten daran, dass man bei SpaceX dachte, man könne auf Dinge verzichten die nicht umsonst sich in 60 Jahren Raumfahrt etabliert haben wie Prallblechen um das Treibstoffschwappen zu reduzieren oder Retroraketen um die Kollision, der Ersten mit der zweiten Stufe zu verhindern. Bei dem Jungfernflug der Falcon 9 gelangte immerhin die Nutzlast in einen Orbit, auch wenn es noch Vorfälle gab, wie ausbleibende Wiederzündungen, die Fastkollision mit dem Startturm beim Jungfernflug und die taumelnde Nutzlast im Orbit oder Triebwerksausfälle. Das SpaceX noch immer anders tickte merkte man, als bei einem Start sich ein Riss in der Düse der Oberstufe zeigte und man diese Düse nicht austauschte, sondern einfach kürzte.

Aber das ist auch schon fast 10 Jahre her und inzwischen ist die Firma etabliert und sollte Erfahrungen im Raketenbau haben – dachte ich. Aber es scheint so zu sein, als würde man bei SpaceX immer auf der grünen Wiese neu anfangen. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass ein Prototyp schon beim Betanken explodiert oder schrumpft. Zumindest zum Schrumpfen gibt es Parallelen. Die Atlas hatte so dünne Tankwände, dass sie nur unter Innendruck stabil war. Es gab mindestens zwei Vorfälle, wo diese Druckbeaufschlagung versagte und die Hülle kollabierte. Es gab auch mal eine Parallele zu SpaceX: am 11.5.1963 kollabierte eine Atlas-Agena, als man den Sauerstofftank entleerte und kein Druckgas das Volumen ausfüllte.

Die Geschichte zeigte dann: die dünnen Tanks waren zu dünn. Alle Atlas, die als Trägerraketen eingesetzt wurden, bekamen nachdem die Atlas bei Mercury Atlas 1 bei Erreichen von Max-Q durch die aerodynamischen Belastungen durch die Nutzlast kollabierte, dickere Wände, die das Trockengewicht der Tanks um 50 % erhöhten. Nur mussten diese Atlas nicht landen. Die Belastungen sind da noch viel höher. Die Belastungen bei der Falcon 9 sind natürlich geheim, aber die ersten Stufen kamen nur in Bruchstücken am Boden an. Bekannt sind die Belastungen bei den EPS Boostern der Ariane 5. Die maximale Verzögerung liegt bei 22 g, beim Aufstieg sind es maximal 4,8 g und maximale thermische Belastung bei 30 kW/m², beim Abstieg sind es 40 kW/m². Wenn die Prototypen aber schon bei der Beaufschlagung auf Flugdruck versagen, wie wird das dann erst später werden? Später im Monat hat ein Prototyp dann endlich eine Druckbeaufschlagung überlebt, was die US-Medienportale dann auch feierten. Aber ein gelungener Test nach drei Fehlschlägen sagt nun wirklich nicht so viel aus. Vor allem wird interessant sein, ob sich mit den Nachbesserungen auch was an der Massebilanz ändert – siehe unten.

Ich vermute das neue Raumschiff ist mit der heißen Nadel gestrickt, wie bei der Falcon 9 mit irrealen Vorgaben. Bei der Falcon 9 musste man nachbessern. Doch zugeben kann man das nicht. So stehen auf der Website irreale 8,3 t GTO-Nutzlast während der Manager für Launch Services Koenigsmann vor Fachpublikum sie mit 6,5 t (ohne Bergung) angibt. Das wird für die Super Heavy wie das Starship gelten, doch bei dem Starship schlagen Erhöhungen der Masse deutlich zu: bei 100 t Nutzlast soll es 120 t wiegen. Das Masseverhältnis ist dann schon fast so ungünstig wie beim Space Shuttle. Das erste Starship soll ja auch 200 t wiegen, dann ist die Nutzlast fast gleich Null und ob man so einfach 40 % der Masse einsparen kann? Ich denke eher nicht.

Obwohl es inzwischen einen „Users Guide“ gibt – in Anführungszeichen, weil man eigentlich nichts über das System erfährt, scheint man im Rest der Firma nichts von dem neuen Gefährt zu halten. Alle Kontrakte, die abgeschlossen wurden – und zwar auch langfristige wie der Start von Raumsonden erst ab 2026, oder noch später der Versorgungskontrakt für das Lunar Gateway basieren auf den Falcons. Mehr noch: um die von der NASA geforderten 4,4 t Fracht zum Gateway zu befördern reicht auch eine Falcon Heavy in der heutigen Form nicht aus. Anstatt nun also das viel leistungsfähigere Starship einzusetzen soll es eine neue Falcon Heavy Version geben. Immerhin: nicht nur ich, sondern auch die NASA erfährt nichts darüber, wie diese Version aussieht:

„Another weakness involved the performance of the Falcon Heavy, and suggested a new version of that rocket would be used for Dragon XL. “SpaceX could have been clearer in stating its launch vehicle’s performance capability, especially since this configuration has not yet flown and thus, performance margins for lifting its Dragon XL are uncertain,” Bowersox wrote. SpaceX did not respond to questions April 10 about any changes to the Falcon Heavy planned for Dragon XL missions.“

Ich vermute SpaceX weiß selbst noch nicht wie die Falcon Heavy aussieht. Bei den derzeit bekannten Massen für Dragon V2 und Nutzlast der Falcon Heavy fehlt einiges: Die Dragon 2 soll 9,5 t ohne Treibstoff wiegen, dazu kommen 4,4 t Nutzlast. Die 14 t könnte eine Falcon Heavy gerade zum Mond transportieren, doch dort muss sie auch noch in eine Umlaufbahn eintreten, was Treibstoff erfordert und die Startmasse auf etwa 19 bis 20 t anhebt. Das ist deutlich mehr als die Falcon Heavy heute transportieren kann.

Während der Auftrag für die Versorgung des Lunar Gateways an SpaceX relativ logisch war, hat die Firma doch einen Versorger im Einsatz und ist derzeit die Einzige mit einer Trägerrakete, die auch den Mond erreichen kann, war überraschend, dass die Firma einen von den Erstkontrakten für einen Mondlander bekam. Die Einschätzung war dann auch nicht besonders toll:

Blue Origin:

  • Acceptable technical rating
  • Very good management rating

Dynetics:

  • Very good technical rating
  • Very good management rating

SpaceX:

  • Acceptable technical rating
  • Acceptable management rating

Allerdings war SpaceX Kontrakt auch der kleinste (135 Mill. Dollar, Blue Origin: 579 und Dynetics, trotz der besten Bewertung nur 323 Mill. $). Im Prinzip läuft die technische Kritik darauf hinaus, das SpaceX ohne Not das Starship als Mondlander einsetzt. Dafür ist die Mission ziemlich komplex mit Auftanken im Erdorbit und ehrlich gesagt, so stabil sieht es in den Abbildungen auch nicht aus – auf dem Mond ist es meist auch nicht so eben. Die Apollo Mondlander waren mehr breit als hoch, hatten dazu nach außen ragende Landebeine und hier landet ein Spargel ohne Beine und das soll gehen, ohne das es umkippt? Das schafft SpaceX ja nicht mal bei jeder Landung auf ihren Droneschiffen. Die schlechte Management Bewertung basiert vor allem darauf, das SpaceX seit dem COTS-Erstkontrakt von der NASA 2008 alle Zeitfristen gebissen hat und zwar deutlich. Eventuell startet Ende dieses Monats die erste bemannte Mission mit einer Crewed Dragon – Elon Musk hat das im Jahr 2014 schon für September 2016 angekündigt. Dabei hatte SpaceX, als sie den Auftrag bekamen, einen Riesenvorteil: anders als Boeing hatten sie schon einen unbemannten ISS-Versorger im Einsatz. SpaceX musste weniger entwickeln und konnten auf bewährte Systeme zurückgreifen. Die drei Jahre Vorsprung sind inzwischen auf wenige Monate zusammengeschmolzen.

Ich möchte kein Bashing betreiben, lest euch den Artikel selbst durch. Mit fällt nur eines auf: Das Starship soll ja 120 t wiegen, dazu käme noch die Nutzlast (nach Artikel bis zu 100 t). Das landet auf dem Mond und fliegt zurück zur Erde.

Okay, eine Lektion in SpaceX-Kritik für Fanboys. Die Saturn V konnte ~ 130 t in einen Erdorbit und knapp 50 t zum Mond bringen. Von den 50 t machte der Mondlander 16,5 t aus, von denen nur noch 2,2 t in den Orbit gelangten. Zurück zur Erde gelangten noch 5,5 t – die Kapsel. Alles andere wurde während der Mission sukzessive abgetrennt, um die Masse zu reduzieren.

Das Starship wiegt nach Musks Angaben 120 t ohne Nutzlast. Wie kann man auf die Idee kommen, die rund 20-fache Masse einer Apollomission zur Erde zurückzubringen?

Immerhin man kann es berechnen. Das dV aus einem Erdorbit für eine Mondtransferbahn sind 3.100 m/s. Weitere 3.000 m/s braucht man für eine Landung bzw. einen Rückstart, wenn man die Reserven und Ab- / Aufstiegsverluste von Apollo zugrunde legt. Wir sind dann insgesamt bei einem dV von 9100 m/s, also fast so viel wie ein Starship benötigt, um einen Erdorbit zu erreichen. Auf Basis der Raketengleichung und einem reklamierten spezifischen Impuls von 382 s (CEA2 errechnet nur einen von 375, aber bestimmt gibt es bei SpaceX eine andere Physik ..) kann man leicht errechnen, dass man dafür ein Massenverhältnis von 11,34 braucht. Mit anderen Worten: bei 120 t Masse im Erdorbit muss man etwa 1.240 t Treibstoff zuladen, um die Mission durchzuführen. Das ist sogar mehr als das Starship als zweite Stufe beim Start wiegt. Man kann überschlagen, wie viele Tankflüge man braucht. Die Nutzlast bei einer LEO-Mission soll ja 100 t betragen. Ohne Nutzlast verbleibt dann Treibstoff in den Tanks – es sind nicht 100 t, weil die Rakete ohne Nutzlast leichter ist, aber nicht enorm viel mehr. Ich habe es mal simuliert, wobei alle Daten der Kombination ja spekulativ sind und komme auf 117 t. Doch dann reden wir immer noch von 10 bis 11 Tankflügen. LOX und Methan Gase sind zudem nur bei tiefen Temperaturen flüssig. Also ewig Zeit kann man sich damit (selbst bei guter Isolation) auch nicht lassen.

Kurz das Konzept geht nur auf, wenn das Starship Musks Versprechungen einhält, und zwar hinsichtlich Startrate und Kosten pro Flug. Aber Musks Versprechungen wurden noch nie eingehalten, weder bei Kosten, noch Performanceparametern und schon gar nicht bei Zeitplänen. Was da intern bei SpaceX passiert, würde mich schon interessieren. Also entweder redet die Abteilung die Verträge abschließt nicht mit der, welche die Technik entwickelt, oder sie muss Elon Musks Vorgaben gehorchen, auch wenn diese nicht umsetzbar sind.

Ich vermute mal, wenn es jemals zum Starship kommt, wird es anders sein als jetzt propagiert: schwerer, mit weniger Nutzlast. Das ist ja nicht neu. Auch die Space Shuttles sollten mal 68 t wiegen, lagen real aber zwischen 79 und 82 t. Und wie beim Space Shuttle reduziert das die Nutzlast dann deutlich. Bei jeder anderen Firma hätte ich auch gesagt: es kommt nie. Denn es gibt keinen Markt dafür. Niemand braucht eine Rakete für 100 t Nutzlast, die nicht mal ohne Nutzlast einen GTO-Orbit erreicht. Aber bei SpaceX haben wir ja schon Erfahrungen mit der Falcon Heavy – auch für die gab es keinen Markt und gebaut wurde sie trotzdem.

10 thoughts on “Die Aprilnachlese von SpaceX

  1. “Allerdings war SpaceX Kontrakt auch der kleinste“
    So wird das in der Presse presentiert, aber wenn ich richtig lese, dann bekamm ja SX mindestens so viel wie die grosseren Spieler – 135 Mill. Dollar, gegen:
    Blue Origin – Konsortium von 4 Unternehmen : 579 > ~ 144,75 Mil. fur einen
    Dynetics – Konsortium von 25 : 323 Mill. $ > ~ 13 Mil. fur einen

    1. Welche Unternehmen der Konsortien sind überhaupt an dem Mondprojekt beteiligt, und wenn ja alle mit dem gleichen Anteil?
      Mit so unrealistischen Annahmen kann man sich seine Traumwelt auch schön rechnen.

  2. Hallo an Alle

    Bernd vielleicht bezieht sich die Aussage, dass die Falcon 9 6,5t in den GTO bringen kann, auf eine ältere Version und im Handbuch stehen die Zahlen für die neuste Version. Ich weiß leider nicht wann Koenigsmann das gesagt hat. Ich konnte seine Aussage nicht mit Google finden. Hast du vielleicht einen Link?

    1. Seitens SpaceX wirst Du sicher keine Dokumente sehen. Koenigsmann hat das auf einem IAC Treffen gesagt, natürlich gab es kein pdf, aber jemand hat die Leinwand abfotografiert:
      https://pbs.twimg.com/media/DokwEbqWwAEyj25.jpg
      Das war vor eineinhalb Jahren. Ich weiß nicht was du mit neuer Version meinst. Auf der Website hat das Ding immer noch gleiche Masse, gleiche Abmessungen. Wie bitte soll eine neue Version mehr Nutzlast bringen? Zumal nicht mal Musk von neuen Versionen spricht. De Fakto hat sich seit der 1.2 nichts an der Nutzlast geändert nur an den Bergungssystemen und Aufwand für Wiederverwendung gab es Verbesserungen.

      Man beachte übrigens dass das kein optimierter GTO Orbit ist mit reduziertem DV um zu Starts vom CSG aufzuschleißen, sondern ein Minimalorbit mit einem dV von 1800 m/s, also 300 m/s mehr als vom CSG aus.

      1. Hi Bernd

        Ich wollte nur wissen ob er vielleicht von einer früheren Version als der 1.2 sprach. Aber die Version scheint recht neu zu sein in dem Foto. Also gibt es eine diskrepanz und du hast da recht. SpaceX hat aber Satelitten in den GTO gebracht die schwerer als 6,5t waren. Deshalb denke ich das die Zahlen zu gering erscheinen von Koenigsmann. Von wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Falcon-9-_und_Falcon-Heavy-Raketenstarts

        22. Juli 2018 05:50 Falcon 9 Block 5 B1047.1 [51] CC SLC-40 Kanada Telstar 19V Kommunikationssatellit 7080 KG [55] GTO „Bislang schwerste GTO-Nutzlast Erfolgreiche See-Landung der Erststufe auf Of Course I Still Love You“

        Das sind 7t Nutzlast in den GTO mit einer wiederverwendbaren ersten Stufe und nicht „expandable“. Falls das alles Stimmt, denke ich das die Nutzlast in den GTO deutlich grösser ist als 7t. Keine Ahnung ob die F9 8t schafft. Vielleicht gibt es ja mal eine so schwere nutzlast für die F9, dann wissen wir mehr.

        schönen Tag noch

        1. Im englischsprachigen Wikipedia (https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_Falcon_9_and_Falcon_Heavy_launches) gibt es zu diesem Start einer Anmerkung:
          „SSL-manufactured communications satellite intended to be placed at 63° West over the Americas, replacing Telstar 14R. At 7,075 kg, it became the heaviest commercial communications satellite so far launched. This necessitated that the satellite be launched into a lower-energy orbit than a usual GTO, with its initial apogee at roughly 17,900 km.“
          Auf gut Deutsch, das ist kein echter GTO, da fehlen noch ein paar 1000 km für das Apogäum. Btw. manche nennen so etwas einen Taschenspielertrick 😉

  3. Hallo,
    denken Sie nicht auch, dass man in Sachen Starship vom ’stainless steel‘ wieder abrücken wird? Soweit ich verstanden habe, ist der Hauptgrund für den Schwenk zu dieser Bauweise den Kosten geschuldet. Aber warum spielt das so eine große Rolle für ein wiederverwendbares Raumschiff? Hat das Starship überhaupt eine realistische Chance auf Realisierung?
    Ich bin grundsätzlich schon ein SpaceX Fan, aber hier habe ich erstmals erhebliche Bedenken… .

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