Bernd Leitenbergers Blog

Wen kann man noch wählen?

Diese Frage stellt sich mir, weniger als drei Monate vor der Bundestagswahl. Früher hatten die Parteien noch Profil, gab es heiße Debatten um Grundsatzentscheidungen wie die Ostpolitik. Aber heute? Wenn ich mir die letzten vier Jahre anschaue, fällt mir relativ wenig ein, was die Koalition zustande gebracht hat. Gut die Flüchtlingspolitik die findet meine Zustimmung – aber schon nicht mehr eines Koalitionspartners. Aber was ist mit den dringenden Problemen, die wir haben? Das Rentenproblem. Schlussendlich gibt es immer weniger Junge und immer mehr Alte? Hat man mal dran gearbeitet, das derzeitige System auf diese Anforderung umzustellen? Nein, man kürzt einfach die Rentenquote oder freut sich über momentan durch gute Beschäftigung gefüllte Kassen. Wie sieht es bei der Umweltproblematik aus? Gescheitert ist ja schon die Quote für Elektroautos, geschweige denn das die Energiewende weiter vorwärtskommt. Veraltete Kohlekraftwerke dürfen weiter laufen, von weiter gehenden Zielen ja ganz zu schweigen. Ganz zu schweigen von weltweiten Problemen wie Terrorismus, Armutsflucht, globale Umweltzerstörung. Was hat da unsere Regierung in den letzten Jahren gemacht, um deren Ursachen zu bekämpfen.

Wenn ich mir die letzten vier Jahre in Erinnerung rufe, fällt mir nur ein wirklicher positiver Punkt auf: die Flüchtlingswelle. Das war auch das allererste Mal, das ich überhaupt eine Stellungnahme der Kanzlerin zu einem gravierenden Thema gehört habe. Ansonsten sitzt sie ja alles aus. Erstaunlicherweise kam das gut an, sogar bei der Opposition. Der Einzige der gegensteuerte war die eigene Schwesterpartei. Draus gelernt hat sie wenig, denn das blieb bis kurz vor der Sommerpause das einzige Machtwort: dann hat sie, wahrscheinlich um die Umfragewerte anzuheben doch noch den Mitgliedern der Koalition „freigestellt“ nach ihrem Gewissen abzustimmen. Den Gesetzentwurf für die völlige Gleichstellung der Homosexuellen hatten die Grünen elfmal eingebracht, immer abgeschmettert, nun plötzlich wird drüber abgestimmt. Das die Abgeordneten nach ihrem Gewissen abstimmen dürfen schon eine Besonderheit ist, das ist ja schon erwähnenswert. Das zeigt, wie weit es gekommen ist. Eigentlich sollte die große Koalition bei über 70% der Stimmen nicht auf Zwangsmaßnahmen angewiesen sein, sondern, selbst wen der eine oder andere nicht überzeugt ist, mehr als 50% der Stimmen haben. Aber so was geht ja bei einer Machtfrau wie Merkel nicht.

Wenn die Koalition auffiel, dann eher durch Schnellschüsse und Versäumnisse. Schnellschüsse, wenn nach irgendeinem Terroranschlag – und davon gab, es einige irgendeine Verschärfung von Gesetzen gefordert und beschlossen wurde. Dabei reichte in allen Fällen es aus, wenn man die vorhandenen Gesetze auch angewandt hätte. Das Hauptvorhaben der Regierung das neue Sicherheitsgesetz zum Abgreifen von Kommunikationsdaten ist ja zweimal, sowohl vor dem Bundesgerichtshof wie auch dem europäischen Gerichtshof gescheitert. Das gilt dann auch für die Maut, die ja zum Schluss nach etlichen Änderungen kam. Wie sagte doch Merkel in einer Wahlsendung „Mit mir wird es keine Maut geben“. Nun heißt es eben „Infrastrukturabgabe“. Ja das klingt anders als Maut, aber es ist dasselbe. Die CSU kann sich freuen. Alle ihre völlig hirnrissigen Vorhaben hat sie durchgesetzt. Mir ist ein Rätsel wie in Bayern 50 % der Wahlberechtigten diese Partei wählen können. Es mag dort sicher in einigen Dörfern noch Erzkonservative geben, für die die Frau an den Herd, in Bayern nur Deutsche und das Wahlrecht nur dem Mann gehört, doch der größere Teil der Bevölkerung arbeitet heute auch in Industrien und sollten sich im Wahlverhalten nicht von anderen aufgeklärten Wählern in anderen Bundesländern unterscheiden.

Vor allem fallen die CSU-Minister in der Regierung durch Unfähigkeit auf. Am stärksten Dobrindt. Die Verkehrsprobleme ignoriert er. Im Dieselskandal deckte er mehr als zwei Jahre lang die Konzerne, bis nun interne Dokumente auftauchten, wonach sein Ministerium von allen Überschreitungen wusste und mit der Automobilindustrie zusammenarbeitete, was dann einen „Dieselgipfel“ initiierte. Zu dem noch etwas später etwas.

Demgegenüber ist die SPD relativ blass. Das ist das Grundproblem bei Merkel: Der Koalitionspartner hat keine Freiheiten (außer der CSU) und geht so unter. Eigene Positionen durchsetzen? Geht nicht. Kein Wunder, das die Partei dann bei 25% herumwerkelt. So hat sie schon die FDP herunterregiert, wobei diese sich mit ihren Wahlkampfversprechen, von denen schlussendlich aber nur Geschenke für die Reichen üblich blieben.

Die FDP wird wohl wieder dabei sein. Doch liest man ihr Wahlprogramm durch, so ist zwar die alte Garde weitestgehend abgetreten, aber es ist noch dasselbe Programm. Liberalismus heißt: Jeder sorgt für sich selbst. Die Leistungen des Sozialstaats werden reduziert. Das senkt die Belastungen von Unternehmen und ihre Klientel, Selbstständige und Reiche, können sich es auch leisten selbst vorzusorgen bzw. müssen das, weil sie sowieso keine Rente oder Arbeitslosengeld beziehen.

Bei der SPD fiel mir nur Gabriel auf. Normalerweise ist ja der Job des Außenministers ein toller Job. Man muss sich nicht zu bundespolitischen Themen äußern und normalerweise ist der Außenminister deswegen sehr beliebt und er äußert sich selbst zu Konflikten kaum, die Diplomatie verbietet ja harsche Worte. Gabriel ist erst wenige Monate im Amt und macht so weiter, wie man ihn als SPD-Vorsitzenden kennt. Er bezieht deutlich Stellung, wenn Israel ihm vorschrieben will, wen er zu treffen hat und wenn nicht und auch zu den Unverschämtheiten durch die Türkei. Finde ich wesentlich sympathischer als die Außenminister, von denen man gar nichts mitbekommt.

Kommen wir zur Linken. Sie machen im Wesentlichen Fundamentalopposition, sind für mich aber unwählbar. Zum einen sind sie die einzige Partei, die nicht Russlands Politik gegenüber der Ukraine und die Einmischung in den US-Wahlkampf kritisieren, wahrscheinlich hoffen sie auf entsprechende Schützenhilfe im Bundeswahlkampf. Zum anderen haben sie ja noch ihr Vorhaben des bedingungslosen Grundeinkommens. Das dies nicht finanzierbar ist dürfte sich inzwischen herumgesprochen haben.

Die AFD wird es wohl auch schaffen und angesichts ihres Programms das nur aus Hass und „Wir sind dagegen“ besteht ist das bedenkenswert. Vor allem wenn Experten sagen, dass sie anders als NPD oder DVU, die in den vergangenen Jahren die rechten Wirrköpfe aufsammelten, das grundsätzliche System ändern wollen.

Kommen wirr zur letzten Partei, den Grünen. Ich habe sie mir zum Schluss aufgehoben, denn ich bin Grünen-Wähler seit 1990. So langsam frage ich mich aber warum. Wie man dort selbst erkannt hat, das Wahlprogramm ist nicht mehr „der heiße Scheiß“. Die CDU hat sich auch Klimaschutz auf die Segel geschrieben und tut zwar nichts – aber das funktioniert, weil man sich, wenn Trump aus dem Klimaabkommen aussteigt, sich als vorbildlich präsentieren kann, auch wenn man selbst nichts tut – siehe Kohlekraftwerke. Es fehlt an den Themen. Und wenn man eines hat, dann verwässert man es auch noch. Im letzten Wahlprogramm war ein Cannabis-Gesetz drin. Ich lese keine Wahlprogramme und kam erst drauf als die Heute-Show das mal karikierte. Damals stand drinnen, dass jeder drei weibliche Pflanzen selbst aufziehen soll. Ich habe dann mal auf das Wahlprogramm diesmal gewartet und das kam übrigens mehrere Wochen nach Ankündigungstermin. Nun ist von einem Gesetz die Rede und das haben sie tatsächlich auch im Frühjahr eingebracht, natürlich abgeschmettert. Doch in dem wird der gesamte Anbau und Vertrieb staatlich kontrolliert. Immerhin, die SPD war mit der CSU dagegen, aber signalisierte aber, dass die Grundvoraussetzung des Betäubungsmittelgesetzes nicht mehr gegeben ist – der Drogenkonsum wird dadurch nicht verhindert, sondern nur größere Gruppen der Bevölkerung kriminalisiert werden.

Das Letzte war nun die Dieseldebatte. Wir haben ja einen grünen Ministerpräsidenten, doch dessen Nähe zur Automobilindustrie ist schon peinlich. Sicher wir haben in BW die schlechte Kombination, dass zwei große Automobilhersteller wenige Kilometer von der Stadt entfernt ihre Betriebsstätten haben, bei der regelmäßig aufgrund der Tallage die NOx-Grenzen überschritten werden. Aber das bedeutet trotzdem nicht, dass man vor der Automobilindustrie kriechen muss. Das Einknicken hat ja inzwischen das Verwaltungsgericht geschluckt. Die Initiative des ebenfalls grünen Bürgermeisters, auf freiwilliges Verzichten zu setzen, ist ja auch wirkungslos geblieben. Es geht wahrscheinlich nur mit Zuckerbrot und Peitsche – sprich Fahrverboten für die schlimmsten Dreckschleudern, aber auch anderen Emissionen wie Holzheizungen und Angeboten wie z. B. einem kostenlosen Ticket für z.B. 10 Tage für die Besitzer von Dieselautos.

Der Dieselgipfel zeigt aber auch, dass es völlig egal ist, was man wählt, denn vor der Wirtschaft einknicken dann alle Parteien unisono ein. Nur mal zur Erinnerung:

Herauskommt beim „Dieselgipfel“ das, was schon vor dem Gipfel als Ergebnis bekannt wurde (wozu auch noch ein Gipfel?) ein Softwareupdate. Das ist nach Dobrindt keine Kumpanei. Nein das ist es nicht, das ist Kriechen vor der Automobilindustrie. Liebe Politiker, ihr seid von der Bevölkerung für die Bevölkerung gewählt worden und nicht von Konzernen. Und es erwartet keiner, dass man diese so schädigt, dass es Arbeitsplätze kostet (wie ja immer als Totschlagsargument für alles angeführt wird). Ich habe Daimler Aktien. Da gab es dieses Jahr eine üppige Dividende von 5,44 % bei einer Marktkapitalisierung von 64 Milliarden. Diese Dividende kommt nur en Aktionären zugute und damit werden keine Arbeitsplätze geschaffen oder vernichtet. Wenn es nur die Hälfte (2,7 %) sind – und damit liegt Daimler immer noch gut bei den Dividenden, dann hat alleine dieser Konzern 1,76 Milliarden Euro für Umrüstmaßnahmen übrig. Das würde sicher für eine Umrüstung der Motoren jedes verkauften Diesels reichen.

Kurzum: es ist egal wenn ihr wählt. Es wird sowieso wieder Mutti regieren, bzw. die Konzerne.

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