Bernd Leitenbergers Blog

Jahresnachlese bei der Spassfirma

So zum Jahresausklang noch ein Ausblick auf meine Lieblingsfirma SpaceX. Fangen wir mit meiner Wette an.

Die alte Wette

Ich hatte ja am 1.4. gewettet, dass sie dieses Jahr keine 20 weiteren Starts mehr schaffen würden. Bezogen auf dieses Zitat: „Musk said SpaceX has around 20 more missions on its manifest this year, and only two will likely be with the Falcon Heavy, assuming it debuts by late summer.“. Bis zu dem Zeitpunkt waren bereits 4 geflogen. Inzwischen sind es 18. Das sind also nur 14 weitere. Selbst bei kritischer Auslegung von „around 20“ ist 14 doch näher bei „around 10“ als bei 20. Und zwei Falcon Heavy Starts gab es auch nicht (als der obige Artikel erschien, Anfang April stand dort auch das Sie in zwei bis drei Monaten fertig sein würde – in der Realität waren es 8 Monate). Mal sehen ob ich auch den seit Jahre erwarteten Pro-SpaceX Artikel als Wettschuld bekomme. Wahrscheinlich eher nicht. Denn wenn man nicht wie Nachrichtenporale nur Artikel aus Zitaten zusammenstellen will, dann ist das bei der Firma sehr arbeitsaufwendig.

Aber da man mir ja vorwirft ich würde nichts Positives über die Firma schreiben. Will ich das mal tun. Ich freue mich, dass sie diesmal keine Rakete hochgejagt haben und die Startrate steigern konnten. Das ist auch gut für die Kunden, die nun nicht mehr so lange warten muss. Die DLR die z.B. zwei GRACE Satelliten starten lässt muss nur 6 Monate oder 50 % länger als zugesichert. Oder um meine neue Einheit Musk zu bemühen: Angekündigt am 6.2.2017, für „früh 2018“, nun vorgesehen für 21.4.2018 sind nur noch 1,1 bis 1,2 Musks Verzögerung.

Früher mussten Kunden viel länger warten. Es hat auch positive Auswirkungen auf das Launch Manifest. Das ist kleiner geworden. Es sind nun weniger Starts als Ende 2017. Zwar nur wenige, aber immerhin. Wächst es dauernd, so ist die Firma im Verzug, weil im Normalfall ein Start relativ konstant 2 bis maximal 3 Jahre im voraus gebucht wird. Es ist für SpaceX sogar „günstiger“ denn es sind nur so wenige Starts weniger, weil sie dieses Jahr einen Riesenauftrag für viele CRS Flüge bekommen haben. Vor einem Jahr wurden 8 CRS/CCDev Flüge gelistet, nun sind es 16. Bei den kommerziellen Starts ist folgerichtig die Auftragslage deutlich stärker rückgängig. Doch bei 70 bis 80 % Staatsfinanzierung kann einem das egal sein.

Die neue Wette

Ich habe mir überlegt was ich wohl als wette für nächstes Jahr anbiete. Shotwell, die ja etwas näher am Geschäft ist als Musk sprach ja von 50 % mehr Starts nächstes Jahr als dieses Jahr. Das wären dann 27. Doch das wäre ja nur eine Wiederholung der jetzigen Wette. Doch man muss bei SpaceX nicht auf weitere Steilvorlagen warten. Zitat aus einer Senatsanhörung am 25.10.2017. „SpaceX vice president of satellite government affairs Patricia Cooper said the company’s first two prototype satellites will launch “within the next few months” to validate in-house technology ahead of an operational launch campaign in 2019.“. Das ist immerhin vor dem Senat. Soweit ich weiß, kann man belangt werden, wenn man dort nicht die Wahrheit sagt. Natürlich ist „few“ dehnbar. Doch da das Jahr nur maximal 12 Monate hat und es ja noch Quartale gibt und Zeitfristen anzugeben, würde ich „few“ mit maximal 6 Monate ansetzen. Also meine nächste Wette:

Ich wette das SpaceX bis zum 25.4.2018 seine beiden Prototypsatelliten nicht gestartet hat.

Kommen wir zum Buzz-Thema der letzten Wochen. Der Falcon Heavy. Sie wurde der Presse präsentiert. Seit einigen Tagen steht sie auch am Startpad. Woanders würde ich annehmen, dass nun bald der Start ansteht. Aber nicht bei SpaceX. Die haben auch schon mal im Januar 2009 eine Falcon 9 im Cape aufgerichtet, das war zwei Jahre vor dem Jungfernflug. Zuletzt haben wir ja noch das Zeituniversum von Musk, (siehe oben) wo man nicht mal 2-3 Monate in die Zukunft schauen kann. Im Frühjahr 2011 hat er die Falcon Heavy ja für Ende 2013 angekündigt. Nun ist sie Ende 2017 zumindest zusammengebaut. Mithin mindestens eine Verzögerung um 4,0 Musk. Ja es war schwierig. Man habe die ganze Zentralstufe umkonstruieren müssen und konnte nicht einfach drei Cores zusammenbündeln. Komisch, ich bin kein Raketenfachmann, aber einfache physikalische Grundlagen, wonach bei der zentralen Stufe nun ein Teil des Schubs von der Seite kommt, schließlich liegt dort der Schwerpunkt, sagen mir das sie mehr aushalten muss. Kein Problem, wenn sie entsprechend stabil konstruiert ist wie die Delta 4 Stufe. Aber SpaceX war ja so stolz auf ihre niedrigen Strukturfaktoren. Dann gibt es diese Reserven nicht. Die Frage, die ich mir stelle: Ich kenne keine Interna des Aufbaus der Falcon 9. Ich bin auch nicht Ceo der Firma. Trotzdem bin ich auf den Schluss gekommen. Wie kann es sein, das der Ceo das dann nicht weiß? Okay, ein Ceo muss nicht über technische Details bescheid wissen, obwohl Musk dauernd damit angibt. Aber er sollte doch über Termine bescheid wissen. Und da verwundert es mich doch, das er in seinen Zeitschätzungen so oft so arg daneben liegt. Aber dazu noch mehr.

Das fliegende Schrottauto

Mehr Schlagzeilen macht ja die Nutzlast. Ein gebrauchter Tesla Roadster von Musk. Anscheinend läuft es bei Tesla auch nicht so gut, das er den Umsatz ankurbeln muss. Aber im Ernst. Mir fielen eine Reihe von besseren Nutzlasten ein die SpassX realisieren könnte.

Aber Musk startet einen Roadster, der noch dazu außerhalb des Startfensters zum Mars diesen nie erreicht. Ansonsten würde es auch Ärger mit der NASA wegen der Sterilisierung geben. Die Idee hat nur einen Sinn. Aufmerksamkeit erhaschen. Ansonsten ist es unsinnig. Der Roadster ist zu leicht um die Nutzlastkapazität genauer angeben zu können und er gefährdet sogar die Mission: er wird nicht nur mit bis zu 6 g beschleunigt. Eine Rakete vibriert auch und auf das sind normalerweise Autos nicht ausgelegt. Wenn dann da was abbricht, kann das unangenehme Folgen haben, siehe explodierende Oberstufe 2015.

Finanzmanipulationen

Warum geht es dann? Es geht um Publicity. Es geht darum (positiv) in den Schlagzeilen zu sein. Und nein, ich glaube nicht das es nur um Musks Ego geht. Dahinter steckt eine perfide Taktik. Derzeit wird der „Wert“ von SpaceX auf 21,5 Millairden Dollar geschätzt. Nun ist es mit dem Wert so eine Sache. Bei börsennotierten Firmen ist das das Kapital, das als Aktien zirkuliert und damit stark von Spekulationen abhängig. Nehmen wir mal Solarworld, die sind als die Geschäfte schlechter wurden, im Kurs um 95 % eingebrochen, sicher aber nicht im wert das es als Anlagevermögen gab. Wenn man den substanziellen Wert nimmt, dann kann man eine solide Zahl angeben. Also Immobilen, Anlagen, Rücklagen. Ohne Insiderkenntnisse geht das nicht. Es geht aber auch anders. Im Durchschnitt kostet das Erreichten eines Arbeitsplatzes rund 100.000 €. Natürlich auch mit Schwankungen. Ein Programmierer hat kleinere Investitionen als ein Arbeitsplatz in einer Chipfabrik. Aber macht man bei den großen Unternehmen eine Rechnung und teilt die Marktkapitalisierung durch die Zahl der Beschäftigen kommt man in etwa auf diesen Wert. Das gilt auch für Raumfahrtfirmen. Avio ist dieses Jahr an die Börse gegangen. Die Firma baut die Vega. Ihre Marktkapitalisierung beträgt rund 360 Millionen Euro. Die Vega startet 2,5-mal pro Jahr (in den nächsten Jahren eher öfters) macht einen Umsatz bei 25 Millionen € pro Start von 62,5 Millionen €. Die Firma ist also 6-mal mehr als ihr Umsatz wert. Übertragen auf SpaceX wären das bei 20 Starts pro Jahr mit im Mittel 83 Millionen Dollar (4 x CRS zu 150, 2 x DOD/NASA zu 96, 14 x Kommerziell zu 62) dann ein Firmenwert von 6.640 Millionen Dollar, also etwa ein Drittel des angeblichen Werts. Bei 7.000 Angestellten und 100.000 € pro Abreitplatz käme man sogar auf nur 800 Millionen Dollar. Selbst wenn man alle Aufträge des Startmanifests zusammenzählt, (in der Annahme sie wären alle Reingewinn) kommt man nur auf eine Summe von rund 4,5 Milliarden Dollar. Und 100 % Reingewinn gibt es auch bei SpaceX nicht. Schlussendlich wurden nach dem obigen Artikel nur 1,7 Milliarden investiert. Addiert man alle bisher erfolgten Starts dazu und alle Ausgaben der NASA bisher, so kommt man nur auf 9 Milliarden. Und für dieses Geld wurden auch Löhne bezahlt. Das konnte nicht nur investiert werden. Wie also kann eine Firma ein Vielfaches dessen Wert sein, was sie jemals an Auftragen erhielt, jemals an Geldern bekam oder auch ein Vielfaches der zukünftigen Einnahmen? Die Antwort: Schaumschlägerei. Es gilt durch positive Meldungen so viele Schlagzeilen zu verursachen, indem man alles Mögliche ankündigt, wie riesige Raketen, Suborbital-Passagiertransport, Marskolonisierung und eben mal 7.518 Kommunikationssatelliten um den Eindruck zu vermittelt „Wow sind die innovativ“ oder „Mensch die müssen ja Geld wie Heu haben, wenn die das alles umsetzen wollen“. Entsprechend wird dann auch der Firmenwert steigern, wenn man mal an die Börse geht. Das Ganze geht nur so lange gut, bis die Öffentlichkeit genug von den Ankündigungen hat oder lästige fragen stellt wie „Wann kommen denn nun endlich die Passagiertransporte?“. Meiner Meinung nach geht das schon viel zu lange gut. Wenns mal abflaut geht man an die Börse und die Fonds, die 1,7 Milliarden investiert haben – mehr war es bisher nicht – würden dann bei 21 Milliarden Börsenwert rund 900 % Rendite machen. Gut für die Investoren. Es kann natürlich auch anders laufen. Beispiel Tesla. Da funktionierte das ja auch mit dauernd angekündigten neuen Modellen, immer neuen Features, wie autonomen Fahren so. Tesla ist börsenotiert. So kann jeder die Unternehmenszahlen abfragen. Tesla hat noch nie Gewinn gemacht. 2016 betrugen die Gesamtverbindlichkeiten das Dreifache des Umsatzes. Trotzdem stieg immer der Kurs, nun fragen sich die Leute nach einigen Jahren aber doch wann mal Gewinn kommt, zumal die Verbindlichkeiten ja immer weiter steigen. Entsprechend hat die Aktie ihre Spitze hinter sich und fällt nun. Tesla wird übrigens zu 44,3 Mrd. Wert geschätzt. Also doppelt so hoch wie SpaceX. Hat aber 33.000 Angestellte, nicht doppelt so viel sondern fünfmal so viel wie SpaceX. Auch hier sieht man das der Wert von SpaceX ein imaginärer ist. Übrigens auch bei Tesla. Chrysler hat 56.000 Mitarbeiter, also knapp doppelt so viel wie Tesla. Aber die Firma macht den achtfachen Umsatz – und keinen Verlust. Also schon Tesla ist deutlich überbewertet. Wie wird das erst bei der SpaceX-Blase sein, wenn der erste ruft „Aber er hat ja nichts an!“.

Aber bisher klappt es. Wieder mal eine Schlagzeile produziert, sogar noch eine für Tesla mit. Also in PR macht Musk keiner was vor.

Übrigens

Wenn SpaceX mal die Kostenreduktion um den Faktor 100 hinbekommt, kann eine Falcon Heavy 12 Tesla Roadster (je 1,2 t) pro Start zum Mars befördern. Das für 1,35 Millionen Dollar. Neu kostet das Gerät 217.000 €, also sind die Autos dann mehr wert als die Falcon Heavy.

Alternative Erklärungen

Das ist aber nur ein Erklärungsversuch für den Start des Roadsters. Eine andere könnte die sein:

Musk zu einem Berater von Trump: „Ich brauche die Starts von NASA, NRO und DOD. Sonst geht meine Firma pleite. Ich spende schon mehr für Lobbyismus als ULA. Was kann ich tun, damit der Präsident mehr Druck ausübt?“

Berater: „Sorry Musk, aber Du produzierst Elektroautos und bist an Solar City beteiligt. Du weist, was Trump von Klimawandel und alternativen Energiequellen hält“

Musk: Aber meine Raketen verbrennen auch Erdöl und das nicht zu knapp, und bald auch Erdgas, damit unterstütze ich das Fracking!“

Berater: „Das reicht nicht. Du must etwas machen, das zeigt, das Du mit einer Linie mit dem Präsidenten bist. Wie wäre es, wenn Du öffentlich dich von deinem Roadster trennst und dir ein typisches amerikanisches Auto wie einen Hummer zulegst?“

Musk: „Gute Idee, aber ich habe noch eine bessere …“

Nur ausgedacht, aber unmöglich?

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