Bernd Leitenbergers Blog

Die August-Nachlese von SpaceX

Eigentlich wollte ich den August auslassen, doch in den letzten Tagen gab es dann doch noch einige Neuigkeiten, die es wert sind erwähnt zu werden.

Fangen wir mit der Startstatistik an. Es gab einen Start am 6.8. Etwas wenig. So sind es bisher 10 Starts dieses Jahr und das wo das schon zu 2/3 rum ist. Ich hätte ja gedacht, wenn SpaceX nun freie Kapazitäten hat, das sie ihre Starlink-Constellation vervollständigen. Da gibt es ja auch eine Frist die läuft. Sie müssen die Hälfte der Satelliten innerhalb von sechs Jahren starten.

Sie planen ja nun die Mitnahme von Kleinstelliten und weisen jede Menge Starts dafür aus. Für 2020 zwölf und im Jahr darauf 17. Das dürften vor allem Starts der eigenen Starlink Satelliten sein, den so viele Starts in Nicht-GTO hat die Firma nicht. Es reicht aber bei mindestens 200 Starts für die ganze Konstellation (ermittelt aus 12.200 Satelliten / 60 Satelliten beim ersten Start) nicht aus um in 6 Jahren alle Satelliten zu starten.

Das Launch Manifest steht nach wie vor bei 37 Starts. Es nimmt immerhin nicht ab. SpaceX hat einen Kunden an Arianespace verloren, einen anderen gewonnen, bei dem handelt es sich aber nur um einen Kleinsatelliten. 22 der 37 Starts sind Regierungsaufträge.

Dann gab es den Hops eines Modells der zukünftigen Raumfähre genannt „Starhopper“. Ich weiß ehrlich nicht, was ich damit anfangen soll. Zwar gab es schon mal so was bei der Falcon 9 und so ist es naheliegend das man so etwas auch bei der nächsten Generation erfolgt. Nur hat das Ding wenig Ähnlichkeit mit der ersten Stufe. Und das wäre, was ich erwarten würde. Es ist ja wichtig das die Masse und Schwerpunkt stimmen, sonst ist das Ergebnis dieses Tests schwer auf die spätere Rakete übertragbar. Dafür ist das Ding aber viel zu kurz und passt nicht zu den Abbildungen der ersten Stufe inzwischen genannt „Super Heavy“, von der zweiten Stufe, dem „Starship“ ganz zu schweigen.

Die Starlink Satelliten machen inzwischen weiter von sich reden. Zum einen gibt es immer mehr Meldungen über Störungen durch die Satelliten – sie sind 4 bis 7 Mag hell, damit schon mit bloßen Auge sichtbar, erst recht aber in einem Teleskop.

Doch den absoluten Schlager lieferte SpaceX vor wenigen Tagen: Am 2.9.2018 musste der erst vor einem Jahr gestartete ESA Satellit ADM Aeolus, der mit bisher unerreichter Genauigkeit Windströmungen misst und der rund 400 Millionen Euro teuer war dem Starlink Satelliten Nr. 44, einem der Satelliten, die angeblich gezielt deorbitiert werden ausweichen. Auf eine E-Mail die von der USAF kam, hat das Unternehmen nicht reagiert. Als das Kollisionsrisiko unter 1:10.000 sank (es war am Schluss bei 1:133) verschob die ESA den Satelliten in einen höheren Orbit, was seine Betriebszeit kürzen wird.

Als das bekannt wurde, fragte sich natürlich jeder, warum SpaceX einen Satelliten, den sie angeblich desorbieren will, also sowieso aufgegeben hat. nicht verschiebt und stattdessen der andere ausweichen muss. Gut es gibt keine Regeln im Weltraum, wer Vorfahrt hat, aber nach der Logik werde ich einen Satelliten, den ich sowieso abgeschrieben habe eher verschieben als einen aktiven und teuren Forschungssatelliten. Dann wurde bekannt, dass SpaceX auf die E-Mail der US-Air Force welche den Weltraum über NORAD überwacht, gar nicht reagiert hatte, weil sie angeblich die Verantwortlichen nicht erreichen je nach Darstellung ein Problem im Geschäftsprozess (Wikipedia) oder der Software (Stern).

Kann man glauben, muss man aber nicht

Um es mal mit den Worten der Lidl-Werbefee zu sagen. Gut SpaceX Fans glauben das und die glauben sicher auch das Musk jedes Weihnachten persönlich die Geschenke verteilt und an Ostern Eier versteckt. Eine Firma die den Mars kolonisieren will, ein revolutionäres Vehikel bauen will, mit dem Suborbitalreisen zum Business-Class Ticketpreis möglich sind, die bekommt es nicht hin das E-Mails von der USAF, immerhin einem der Hauptkunden zu den Verantwortlichen kommen? Egal ob das die Software oder Mitarbeiter sind: dann ist die Firma unfähig grundlegende Geschäftsprozesse zu kreieren. Es wird sich ja nicht um ein allgemeines Mailpostfach handeln wie „info@spacex.com“, sondern eines für einen bestimmten Zweck und auch nur den Verantwortlichen Stellen bekannt. Es wird sicher auch ein Procedere geben, mit dem man die Echtheitz der Eimals verfiizieren kann. Man wird die Mail also nicht aus einem Wust von Anfragen, Fanmails etc heraussuchen müssen.

Für mich sieht die Wahrheit anders aus. Es gibt für mich zwei Erklärungsmöglichkeiten. Die erste ist das die Firma sich um die Frage, ob es eine Kollision geben kann und was man dann tun muss gar keine Gedanken gemacht hat. Kurz es gab niemanden der dafür verantwortlich war oder nur wusste was zu tun ist. Das passt zu vielen anderen Vorgängen, die es in der Vergangenheit gab und bei denen man erst „nachbessert“ wenn es unvermeidlich ist oder noch schlimmer. was passiert ist. Das zweite ist, dass die Firma gar keine Kontrolle mehr über den Satelliten hat und das nicht offen zugeben will, denn es ist blamabel wenn man einen Satelliten im Mai startet und er keine drei Monate später nicht mehr funktioniert. Es ist aber eine naheliegende Erklärung.

Dieses Bild Jonathan McDowell, einem passionierten Beobachter von Satelliten und ihren Orbits, zeigt das es in den Höhen der Starlink-Satelliten in den letzten Wochen keine Änderungen gab. Auch nicht bei Starlink 44, das ist der unterste in dem Diagramm. Also wenn ich eine Konstellation aufbauen will und angeblich einige Satelliten testweise deorbitiere, warum ändert sich an der Bahnhöhe der Satelliten die in 550+ km Höhe die Erde umkreisen sollen und dies nicht tun, seit Wochen nichts? Eine Dorbitstrategie sehe ich bei dem Objekt mit gelb-pink gestrichelter Linie und an einem zweiten mit pinker Linie. Die haben in kurzer Zeit massiv an Höhe verloren, was auf Triebwerkszündungen hinweist. Ich glaube, das lief nach dem Start eher so ab:

SpaceX-Mitarbeiter: „Elon, wir haben ein Problem, von unseren 60 Satelliten haben ein Viertel Probleme, einige sind ausgefallen, andere werden das bald tun.“

Musk: „Sagen wir der Öffentlichkeit alles wäre okay, machen wir doch immer so. Denk an die Crew Dragon die wir im März ohne funktionierendes Lebenserhaltungssystem gestartet haben, mit einem Dummy, der suggeriert, das sie schon für bemannte Einsätze bereit wäre. Und bei unseren eigenen Satelliten kann auch die NASA nicht petzen“

SpaceX-Mitarbeiter: „Aber es können Experten leicht die Orbits überprüfen und die stellen bald fest das da was nicht stimmt.“

Musk: „Okay wir machen es so. Die die funktionieren. verschieben wir in den Zielorbit. Bei denen, von denen wir wissen, dass sie bald ausfallen senken wir den Orbit ab und behaupten wir würden sie absichtlich deborbitieren als Test. Und der Rest wird durchgeprüft und dann entweder auch deorbitiert oder wenn wir sie noch zum Laufen bekommen nach oben verschoben“.

Klingt doch wahrscheinlicher oder? Man hat Starlink #44 wohl deorbitieren wollen und irgendwann ist er eben endgültig ausgefallen. Denn sonst hätte man den Prozess ja fortgesetzt und das erfolgte eben nicht.

Egal wie man es dreht und wendet. Man hat entweder eine Firma, die es nicht fertigbringt Satelliten zu bauen die nicht direkt nach dem Start ausfallen oder ihre Konstellation zu managen, das sie klein Risiko darstellt und das nur mit 60 Satelliten. Und ein Management ist nach NASA-Ansicht dringend notwendig.

Meine Bitte an NASA, USAF und NRO: ihr finanziert den Laden zu ¾. Zieht den Stecker! Heute war es ADM-Aeolus, Morgen kann es USA-244 ein Satellit in derselben Orbithöhe, nur „ein bisschen“ teurer sein. Oder die ISS, die liegt in der Bahnhöhe der grünen Satelliten. Und das ist nur ein Vorspiel. Es sind bisher 60 von 12.200 Satelliten im Orbit. Die ESA gibt an, das sie in diesem Jahr 28 Ausweichmanöver für ihre ganze Flotte geflogen hat, etwa eines pro Satellit und Jahr. Das dürften bald 200-mal mehr werden und nicht nur bei der ESA. Das bedeutet eure Satelliten werden bald so viel Treibstoff verbrauchen das ihr die aktive Lebensdauer in Monaten und nicht mehr Jahrzehnten angeben könnt. Noch schlimmer, es kann tatsächlich zur Kollision kommen, denn nun reden wir von Tausenden Ereignissen jedes Jahr. Und dann dürfte der Kessler-Effekt eintreten.

Gerade ihr habt Alternativen, sowohl bei den Trägerraketen wo gerade drei neue entwickelt werden (OmegA, Vulcan, New Glenn) und SpaceX protestiert, weil sie keinen Entwicklungsauftrag bekommen haben (hat das Gericht als „nicht zuständig inzwischen nach Kalifornien verweisen). Ihr habt auch Alternativen beim Mannschaftstransport und Frachttransport.

Was die Episode jenseits von SpaceX zeigt: wir brauchen eine neue Strategie beim Vermeiden von Kollisionen. Denn Starlink ist nur eine (wenn auch die größte von zahlreichen Konstellationen die gebaut werden. Zudem werden immer mehr Kleinsatelliten gestartet, die genauso ein Risiko sind. Ein Lösungsansatz wäre es das die Konstellationen in Regionen angesiedelt sind, die für andere Satelliten gesperrt sind. Innerhalb einer Orbitplane ist die Geschwindigkeit minimal und die Orbitplanes kann man so auslegen, dass es nur wenige Kreuzungspunkte gibt. Viel wichtiger wäre aber jeden Satelliten mit einem Deorbitantrieb, z. B. ein Feststofftriebwerk auszustatten, das automatisch zündet, wenn man durch die Bodenkontrolle einen Timer nicht laufend zurücksetzt. Sobald man die Kontrolle zur Hauptavionik verliert, aus welchem Gründe auch immer sollte diese unabhängige Einheit den Satelliten nach einigen Wochen automatisch deorbitieren. Ansonsten wird der Film Gravity vielleicht doch bald realistischer, als er es heute ist. Dann könnte auch meine satirische Vorhersage (für den 19.1.2028) aus dem Jahr 2015 bewahrheiten.

[Edit 8.9.2019]

SpaceX gibt endlich zu das fünf Satelliten ausgefallen sind. Bedeutender aber noch: man hat die Strategie geändert. Die Satelliten die im Mai starteten waren für die 550 km Sphäre vorgesehen. Da waren 24 Bahnebenen mit je 66 Satelliten geplant, nun werden es 72 bahnebenen mit je 22 Satelliten sein. Das soll die Verfügbarkeit erster Services mit Minimalabdeckung verbessern.

Was der Beitrag nicht sagt: Durch mehr Bahnebenen sinkt auch die Zahl der Satelliten pro Start von 66 auf 22. Da jeder Start aus himmelsmechanischen Gründen nur eine Bahnebene füllen kann bedeutet das eine Verdreifachung der Startzahl. Meine Vermutung: Nach dem Start von zwei Testsatelliten, jeder rund 500 kg schwer, hat sich Musk beschwert das die Satelliten zu schwer und zu teuer seien und feuert ein Fünftel der Belegschaft von Starlink. Man hat nun viel leichtere Satelliten gestartet, nur noch 220 kg schwer, aber die fallen auf, es gibt massenweise Beschwerden von Astronomen und einen Fastzusammenstoß mit einem der ausgefallenen Satelliten. Nun scheint man wieder auf das Design der ersten beiden zurückzugreifen und da die 2,2-mal mehr wiegen sind es weniger Satelliten pro Start und mehr Bahnebenenen.

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