Bernd Leitenbergers Blog

Die Bequemlichkeit und das Klima

Ich greife hier auf die Diskussion über die E-Mobilität zurück. Die meiner Ansicht nach absolut größte Herausforderung für das Erreichen einer Klimawende ist es an dem eigenen Verhalten zu arbeiten und dazu gehört auch, nicht ganz so bequem zu sein.

Das scheint zuerst leicht zu sein, entpuppt sich in der Praxis aber als schwierig. Bei der Klimawende hat man ja zuerst Befürchtungen, die schlimmere Szenarien beinhalten. Das man Stromausfälle hat, den Strom oder die Heizung nicht mehr bezahlen kann und frieren muss. Der Großteil der Kohlendioxidemission geht aber auf Bequemlichkeit zurück. Hier die offiziellen Daten des Bundesumweltamtes entnommen vom Kohlendioxidrechner des UBA:

Posten Tonnen CO2
Gesamt Bundesdurchschnitt: 11,61 t
Davon Heizung und Strom: 2,40 t
Davon Mobilität: 2,18 t
Davon Ernährung: 1,71 t
Davon sonstiger Konsum: 4,56 t
Davon öffentliche Emissionen 0,73 t

Also das, woran man bei Emissionen zuerst denkt und auch von der Politik verfolgt wird: Der Energieverbrauch fürs Heizen und der Strom macht zusammen nur etwas mehr als ein Drittel aus. Dagegen ist der Posten „sonstiger Konsum“, der nur von 450 Euro/Monat Konsumausgaben ausgeht (gemessen am durchschnittlichen Einkommen eher wenig) der größte Posten. Ebenfalls erstaunlich ist das die Ernährung so viel Energie benötigt.

Während die meisten, wenn sie nicht ein neues Haus bauen. an Heizung und Strom nicht wesentlich etwas ändern können geht das bei den beiden Posten Mobilität und sonstiger Konsum durchaus. Ich fange mal mit dem Auto an. Natürlich gibt es Leute, die viel fahren und es gibt Gegenden, wo die Bevölkerungsdichte so klein ist, das kaum Busse fahren und wenn dann mit großen Abständen. In Nesselwang, wo ich zweimal im Jahr hinfahre, gibt es Bus und Zug z.B. nur im 1 Stundenrhythmus. Es ist unbestritten, das es Autofahrer gibt, die ein Auto benötigen, das pro Tag deutlich mehr als die durchschnittliche Strecke zurücklegt, die man erhält, wenn man den Durchschnitt an gefahrenen Kilometern durch die Tage im Jahr teilt. Es gibt da verschiedene Zahlen über die jährliche Fahrstrecke, aber alle liegen auf die Arbeitstage umgelegt weit unter 100 km, der kleinsten Reichweite von Batterien in E-Autos die primär für Pendler gedacht sind. Für diese Personen muss man eine Lösung finden, wie man Batterien schnell auflädt. Teilweise geht das auch recht flott, wenngleich nicht so schnell wie beim Benziner, doch wenn man sowieso regelmäßig eine Pause machen muss, um die Konzentrationsfähigkeit aufrechtzuerhalten, kann man die nutzen. Und natürlich wird es immer Personen geben, die auch durch dieses Raster fallen. Ein Vertreter der einen Kunden nach dem nächsten anfährt legt große Strecken zurück, aber die Pausen dazwischen sind eben bei Kunden und nicht an einer Raststädte mit Ladestation. Doch es gibt jy noch die Wasserstofftechnologie, wenn man einen Treibstoff unbedingt einsetzen muss.

Ich wage trotzdem die kecke Aussage, dass bei einem Großteil der Automobilbesitzer das Hauptargument für ein Auto nicht der ist, dass Sie es brauchen, sondern die Bequemlichkeit. Dazu muss man kein Hellseher sein. Dazu muss man sich nur die Zahlen ansehen: Es gibt knapp 48 Millionen PKW und damit mehr PKW als Führerscheininhaber. Schon diese Tatsache zeigt den Bequemlichkeitsfaktor, denn mehr als ein Auto kann man ja schlecht fahren. Der absolute Verkaufsschlager waren in den letzten Jahren SUV und diese Art von Autos benötigen nur die wenigsten. Das Ein- und Aussteigen und die erhöhte Sichtposition mögen auch bequem sein, ich rechne aber mehr mit dem Angeberfaktor bei dem Kauf dieser Art von Fahrzeugen. Ich denke auch es geht nicht um das Geld, auch wenn Autofahrer nicht müde werden, zu betonen, dass Elektrofahrzeuge teurer sind. Denn würde es um das Geld gehen, dann hätten sie kein Auto. Ich habe mal inspiriert durch einen Beitrag in Quarks nachgerechnet, wie viel man im Leben für ein Auto ausgibt. Das Ergebnis: für das Geld könnte man, wenn man alle Kosten zusammenrechnet und das über die Lebenszeit leicht eine Eigentumswohnung leisten, würde also nie mehr Miete zahlen. Auch die Tatsache das viele ein Zweitauto haben spricht gegen die Argumentation Elektrofahrzeuge wären zu teuer.

Es geht um die Bequemlichkeit. Es ist die Illusion, man könnte einfach mal losfahren, wenn man dies wolle. Aber sehen wir es mal realistisch: die meisten fahren immer dieselben Strecken zu Arbeit oder zum Einkauf oder zum Abholen der Kinder – zu meiner Zeit konnten die Kinder ja noch selbst nach Hause laufen, das ist – und hier wird es paradox – durch den zunehmenden Autoverkehr für viele Eltern heute zu gefährlich. Die Strecken innerhalb der Stadt oder fürs Pendeln sind kurz und sie kämen damit mit einem kleinen Elektroauto mit kleiner Batterie aus. Der E-Go Life ist so was wie der Smart bei den Elektrofahrzeugen und mit (ohne Prämien) 23.000 bis 25.000 Euro auch nicht so teuer, mit Umweltprämien sinkt der Preis auf 16 bis 18.000 DM. Seine Batterie hält eben nur für 100 bis 130 km, dafür wiegt er aber auch 600 kg weniger als ein Tesla Modell 3 der dafür mehr als doppelt so teuer ist. Für die größeren Strecken könnte man ein Carsharing System einführen. Dann fährt man mit seinem Elektroauto bis zur nächsten Autobahnraststätte, steigt dort in eines um das eine längere Reichweite hat und wenn dessen Batterie sich dem Ende neigt, an der nächsten Raststätte wieder in ein anderes, und an den Raststätten werden die Autos dann wieder aufgeladen. Das Prinzip ist so neu nicht: vor 2.500 Jahren wurden so Nachrichten im persischen Großreich transportiert, indem Boten jeweils nach einer Strecke im Galopp die Pferde wechselten. Muss das Auto an den Zielort, gäbe es immer noch die Möglichkeit per Bahn und Auto dorthin zu reisen. Dieser Service der Bahn war mal sehr populär, wird heute aber fast nur noch genutzt, um die Alpen schneller zu passieren.

Das lenkt auf den nächsten Punkt: Im Prinzip geht ein Großteil der täglichen Fahrten auch ohne Auto, zumindest viele Fahrten zur Arbeit. Bei Einkäufen wird’s schwieriger. Das Grundproblem ist die Bequemlichkeit. Ein Auto steht eben vor der Tür, zu einem Bus oder Bahn muss man erst laufen und dann noch warten. Beim öffentlichen Nahverkehr dreht sich oft die Diskussion um die Kosten. Eine von der Bahn in Auftrag gegebene Studie kam aber zum Ergebnis, das mehr Kunden es vor allem durch schnellere Taktung als durch billigere Tickets geben würde. Man wird die Menschen nicht ändern können, wer im Laufe seines Lebens so viel Geld für ein Auto ausgibt, das sich davon problemlos mehr als eine Eigentumswohnung leisten könnte, für den ist die Bequemlichkeit schon enorm wichtig.

Ich habe meine Vision ja schon mal skizziert, in der wird der öffentliche Verkehr deutlich attraktiver durch engere Taktung und mehr Strecken. Dafür muss auch nicht immer ein Riesenbus unterwegs sein, wenn dies die Strecke oder der momentane Zeitpunkt nicht hergibt. Speziell in Städten sollte es heute, da (fast) jeder ein Smartphone hat möglich sein das jeder Autobesitzer einen Anhalter mitnimmt, das könnte man leicht über eine App koordinieren, wenn jeder Autofahrer vor der Fahrt angibt, wohin er will und von wo er startet und die Interessenten genauso. Man würde dann wie bei Bushaltestellen definierte Treffpunkte ausmachen. Dafür müssten nur die größeren Städte ein Gebot erlassen, dass man mindestens zu zweit in einem Auto sein muss, wenn man die Stadtgrenze passiert. Dank Videoüberwachung ist das auch leicht zu überwachen und man kann auch über drei oder vier Personen als stufenweise Erhöhung des Drucks nachdenken. Das wäre dann ein Zugeständnis an die Bequemlichkeit – schneller als mit dem Bus ginge es allemal, da man nicht zig Haltestellen anfahren muss – man würde die Effizienz des Autos erhöhen, denn der Spritverbrauch bleibt nahezu gleich und nebenher könnten die Autofahrer sogar es refinanzieren denn umsonst müssten sie natürlich niemanden mitnehmen. Es gäbe bei dem Modell sogar noch weitere positive Folgen – für die Autofahrer: sie würden eher einen Parkplatz finden bzw. vorhandene Parkhäuser würden ausreichen. Durch weniger Autos auf den Straßen und weniger Parkern könnte man auch dem Fahrrad eine Spur einräumen, was heute ja auf massiven Widerstand der Autofahrer stößt.

Kommen wir zum zweiten Posten: dem Essen. Beim Essen gibt es zwei Dinge, die die Klimabilanz verhageln. Zum einen ist da der hohe Fleischkonsum. Säugetiere und Vögel sind nur sehr ineffizient, wenn es darum geht, Energie in Fleischmasse umzusetzen. Sie benötigen als wechselwarme Tiere viel Energie um alleine die Körpertemperatur aufrecht zuerhalten. Bei der Mast rechnet man mit dem Einsatz von 10 kg Futter um 1 kg Fleisch zu produzieren. Würde man sich also rein vegan ernähren, so entfiele viel davon und der Großteil der Futtermittel wird heute in der Dritten Welt produziert. Dafür wird Dschungel rerodet, was doppelt schlecht für die Ökobilanz ist. Nach dem Rechner des BU kann man seine Bilanz wie folgt reduzieren:

Fleischanteil T Kohlendioxid pro Jahr
Fleischbetonte Kost 2,28 t
Mischkost 1,82 t
Fleischreduzierte Kost 1,72 t
Vegetarisch 1,35 t
Vegan 1,09 t

Leider fehlt, wie viel Fleisch jede Form außer den beiden vegetarischen beinhaltet. Im Bundesdurchschnitt sind es heute 60 kg pro Person und Jahr. Wenn man das als die „Mischkost“ definiert, bedeutet jedes Kilogramm Fleisch eine Kohlendioxidemission von 8 kg.

Kleiner ist der Einfluss, ob man saisonale, regionale und Bioprodukte nimmt. Selbst die Extreme – nur Bio, nur regional, nur saisonal bringen nur 0,49 t Kohlendioxid im Jahr. Insgesamt kann man so etwa 1 t Kohlendioxid einsparen, wenn man seine Ernährung radikal umstellt. Auch hier denke ich ist viel Gewöhnung. Ich gehe mal von mir aus. Bei mir ist der Fleischkonsum stark gesunken, seit meine Mutter gestorben ist. Bei ihr gehörte zum einen Fleisch irgendwie zum Mittagessen dazu, zum anderen war mir bald zu blöd wegen 100 g Wurst, die ich alleine brauchte, mich beim Metzger anzustellen und die im Supermarkt war nicht so gut. Im Laufe der Jahre wurde es immer weniger. Anfangs habe ich noch ab und an Steaks gemacht, einen Braten oder Gulasch (bei Letzteren dann mehrere Portionen eingefroren), aber irgendwie habe ich darauf heute auch keine Lust mehr. Ich esse eben nun viel mehr Milchprodukte. Ab und an habe ich Lust auf Fleisch und für den Fall gibt es einige Konserven im Regal, dann ist für einige Wochen aber auch wieder kein Fleisch angesagt. Was ich damit sagen will: ich bin nicht angetreten mit dem Vorsatz „nun esse ich kein Fleisch mehr“, es hat sich einfach ergeben, weil sich bei mir die Essgewohnheiten geändert haben.

Der absolut größte Posten ist aber der Konsum. Er beinhaltet nun alles, was wir brauchen und kaufen außer Essen. Das geht los von Bekleidung über den großen Posten der Unterhaltungselektronik bis zu den Hobbies. Zuerst verwundert die Kohlendioxidmenge, doch bedenkt man, dass der größte Teil der Industrie eben Konsumgüter produziert und nicht Autos, Energie oder Strom, dann ist klar das all deren Emissionen natürlich auf die Produkte umgelegt werden müssen die dann vom Verbraucher gekauft werden.

An diesem Punkt kann jeder etwas machen, und zwar indem er nur das kauft, was er braucht. Gefragt ist aber auch der Gesetzgeber. Die gesetzliche Gewährleistung von zwei Jahren bei vielen Produkten ist ein Witz, ich denke bei vielen Geräten, bei denen es keinen mechanischen Verschleiß gibt, kann man diese problemlos auf fünf Jahre erhöhen. Daneben gibt es natürlich auch noch den Second-Hand Markt, auch wenn ich das nur von Bekleidung und Computern kenne.

Fazit

Ich denke an den drei Stellschrauben: Verkehr, Ernährung und Konsum, die zusammen über 70 % der Kohlendioxidemissionen ausmachen, kann jeder drehen. Ich glaube allerdings auch das die Bequemlichkeit oder auch nur die Gewohnheit das bei vielen verhindern, denn wie ich schon bei den Kommentaren bei früheren Blogs erkannt habe – es fallen den Leuten enorm viele Argumente ein, warum etwas nicht geht …

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