Bernd Leitenbergers Blog

Lesen oder Berieseln lassen und das „Verseichten“

Eigentlich wollte ich einen Kommentar zu den Kommentaren im Artikel „Das neue Fernsehen“ verfassen, aber beim Nachdenken merkte ich das es eigentlich für einen ganzen Artikel reicht und der verlinkte Artikel ist mittlerweile auch sieben Jahre alt.

Ich will nicht die Dauerdiskussion „Pro oder Contra GEZ-Gebühren“ erneut aufmachen. Ich bin wie viele die kommentieren auch unzufrieden mit dem Programm der öffentlich-rechtlichen Sender, das mehr und mehr „verseicht“. Sprich, man füllt die Sendezeit mit billigen Produktionen, die sich ähneln. Da reiht sich eine Quizsendung an die nächste, ein Krimi löst den anderen ab. Nachmittags wird es mit den Daily Soaps noch schlimmer.

Aber ich weiß auch die Nachrichten als verlässliche Informationsquelle zu schätzen, ebenso wie Politmagazine und gute Dokumentationen wie es sie mit Lesch und Terra-X auch als Eigenproduktionen gibt. Streaming Sender, die sich auf Serien und Filme spezialisieren sind im Prinzip die Fortsetzung des kommerziellen Fernsehens. Schon das hat als es in den Achtzigern aufkam das Niveau drastisch gesenkt. Das ging los mit Shows wie „Der Preis ist heiß“. Dann entdeckte man das es genügend Leute gibt, die alles tun, um mal im Fernsehen zu sein und stellte diese Exoten erst in Talkshows vor, die noch billiger zu produzieren waren, dann in „Reality TV“ Formaten. Wenn Filme liefen, dann so mit Werbung versetzt. Sodass ich nach Einzug des Internets bald bemerkte, dass ich inzwischen fast keinen Film auf den Privaten mehr ganz angesehen habe – anstatt wie bisher nur aufs Klo oder zum Kaffee-holen zu gehen, habe ich nun nach Mails gesucht oder gesurft – und bin hängen geblieben.

Als meine Mutter vor sieben Jahren starb habe ich den Kabel-TV Anschluss gekündigt und seitdem empfange ich nur noch öffentlich-rechtliche, weil die privaten die über DVB-T ausgestrahlt werden nur per Smartcard empfangbar sind. Da ich schon vorher die kaum noch geschaut habe, war der Verzicht leicht.

Streaming ist jetzt eine weitere Reduktion, und zwar auf das was den Leuten Geld wert ist. Das sind vor allem Filme aber auch Serien. Nachrichten die alleine wegen des Korrespondentennetzes und der vielen Redakteure, die dauernd aktiv sind, viel kosten, sind den Leuten nichts wert. Wem das reicht – okay. Erklärt auch die vielen Irren, die sich mittlerweile herumtreiben und von Lügenpresse reden oder Chemtrail.

Es geht mir in dem Blog eigentlich nicht um eine Diskussion über das Angebot, als vielmehr über das Medium mit dem man es konsumiert. Ich weiß, der klassische Fernseher ist am Aussterben. Aber ich bevorzuge ihn noch, obwohl ich andere Möglichkeiten habe. An meinem Computer hängen zwei Monitore. Auf dem zweiten habe ich meist nur den PDF-Viewer oder eben einen Videoplayer. Meine Eigenwahrnehmung ist aber, dass ich so nicht „Fernsehgucken“ kann. Entweder ich arbeite daneben, schreibe z.B. an diesem Blog, dann bekomme ich von dem Programm auf dem Zweitmonitor fast nichts mit. Logisch, ich arbeite ja daneben konzentriert. Will ich was bewusst angucken, dann ist mir das Bild bald zu nahe, die Position im Schreibtischstuhl zu unbequem und vor allem die Ablenkung durch die Tastatur vor mir zu groß.

Für das entspannte sehen, egal ob Dokus oder Filme ist mein Fernsehen und das Liegen auf der Couch noch immer das beste. Da kann man auch nebenher was essen und ich bekomme bald Gesellschaft von einer meiner Katzen.

Der Fernseher an sich ist aber für Abrufinhalte relativ ungeeignet. Am besten geht es noch mit den Mediatheken die seit dem obigen Blog deutliche Fortschritte gemacht haben. Damals war es relativ schwierig eine Sendung zu finden und in eine Suche über die Fernbedienung etwas einzutippen ist ein Albtraum. Inzwischen sind sie besser strukturiert und merken sich anscheinend auch meine IP-Adresse, den ich bekomme oft Vorschläge, die auch passen. Früher habe ich die Medientheken nur über das Programm Mediathekview genutzt, bei dem ich die Sendungen downloaded habe dann auf das NAS geschoben und vom NAS mit dem Fernseher angeschaut. Das nimmt immer mehr ab. Was nach wie vor ärgerlich ist, das viele Sendungen in den Mediatheken fehlen. Das verstehe ich noch bei ausländischen Produktionen, vor allem Serien und Filme, für die es eben nur Ausstrahlungsrechte in dem Land gibt, obwohl man natürlich über Geo-Lokalitation die Herkunft einer IP-Adresse feststellen kann. Aber es fehlen auch viele deutsche Produktionen. Vor einigen Tagen entdeckte ich beim Zappen die deutsche Produktion „Maria Mafioso“, leider nur den Schluss. Als ich den Film dann mit Mediathekview herunterladen wollt,e gab es ihn nicht.

Was nicht geht, ist die Benutzung von Angeboten, die so etwas wie präzises Anklicken mit der Maus und Tastatureingaben erfordern, also im einfachsten Fall schon YouTube. Klar es geht recht umständlich mit der Fernbedienung, doch wer das mal probiert hat und dann auch noch mit Werbung in Brüllautstärke konfrontiert ist, die er nicht überspringen kann, macht das nicht oft. Da YouTube ihren Webauftritt laufend veränder,n mein Fernseher aus dem Jahre 2015 aber schon längst kein Softwareupdate mehr bekommt, hat sich das erledigt. Mit Tastatur und Maus am Fernseher geht es. Nur muss man dann dauernd wechseln zwischen bequemen Liegen und Bedienung des Fernsehens, dann kann ich gleich einen alten PC oder Raspberry Pi mit Kodi an den Fernseher hängen und habe da mehr Möglichkeiten bzw. es geht einfacher. Aber das ist eben kein entspanntes Fernsehen.

Inzwischen gibt es viele neue Geräte, mit denen man mediale Inhalte konsumieren kann. Das geht los mit dem Notebook, nächst kleinere Kategorie sind Tabletts und zuletzt noch Smartphones. Aber abgesehen davon, das ich nichts davon besitze und auch keinen Anschaffungsgrund dafür sehe, ist für mich das kein Ersatz. Es ist im Prinzip das gleiche wie beim Zweitmonitor: Als Ablenkung, Hintergrundgeräusch brauchbar, aber für entspanntes Anschauen zu umständlich. Zu kleine Diagonale, man muss es dauernd so halten, dass man drauf sehen kann (außer Notebooks). Das ist eine Möglichkeit um Zeit zu nutzen, die man sonst nicht nutzen kann. Also wenn man bisher beim Fahren zur Arbeit in Bus oder Bahn ein Buch oder eine Zeitung las, kann man jetzt eben was auf dem Smartphone anschauen. Ich sehe auch Leute beim Spazierengehen oder Gassigehen, ja selbst beim Fahrrfadfahren mit dem Smartphone jonglieren. Aber es ist für mich kein Ersatz für den großen Bildschirm und das bequeme Liegen auf der Couch.

Was sich geändert hat, ist der Fernsehkonsum an sich. Ich schaue eigentlich fast nur abends, nach 20 Uhr Fernsehen, vorher selten, wenn mal Montags oder Mittwochs im Ersten eine neue Serie läuft, derzeit gerade bei One, weil dort die Straßen von San Francisco wiederholt wird. Und da eben oft die Mediatheken oder etwas was ich vorher heruntergeladen und aufs NAS geschoben habe. Selbst die Nachrichten hole ich manchmal nach, habe da allerdings festgestellt das da gerne die Mediatheken hinterherhinken. Im Browser ist es möglich, eine oder zwei Stunden zurückspringen doch die Nachrichten, die eine Stunde alt sind, tauchen in den Mediatheken nicht auf.

Ansonsten ist mein bevorzugter Sender inzwischen ZDF Info. Man kann an ihm viel kritisieren, die Wiederholungen, die meiner Meinung nach zu starke Konglomeration eines Themas, wenn es einen ganzen Nachmittag z.B. über das wahnsinnig spannende Thema „Verbrechen in der DDR“ geht. Aber man findet hier auch Perlen. Neben den vielen US-Dokus auch welche von der BBC die echt sehenswert sind.

Aber das leitet mich zu der Grundproblematik über die das Medium Video – und das ist nun abhängig davon, ob es gestreamt wird, in einer Mediathek oder live angesehen. Es ist die Informationsmenge. Ich habe zum einen das Gefühl der „Verseichtung“, das heißt es gibt immer weniger Informationen pro Sendeeinheit. Gefühlt hat man früher mehr vermittelt bekommen. Am extremsten ist das bei US-Dokus. Deren Inhalt von 45 Minuten wäre in 5 Minuten erzählt, aber es wird viel wiederholt, auch weil es dort wohl Werbepausen gibt, das ist an der Zusammenfassung zu erkennen. Betont wird das visuelle mit Spielfilmszenen (auch mehrfach wiederholt). Was mich an US-Dokus aber extrem stört, ist das die ganze Doku um eine These gebaut ist, es aber nur wenig erläutert wird das diese oft spekulativ ist oder vielleicht sogar andere Erklärungsmöglichkeiten akzeptiert sind. Die Verseichtung findet man oft auch bei der Übersetzung, die ich vor allem im Bereich Astronomie finde. Im englischen werden ja alle Begriffe aus anderen Sprachen, selbst dem Lateinischen und Alt-Griechischen anders ausgesprochen, also auch chemische Elemente (Tungsten, Sodium) und eben astronomische Namen für Himmelskörper. Da gibt es einen „Titen“ (Titan) oder ein „Yuropa“ (ratet mal wofür das steht). Wenn dann die deutsche Übersetzung auch diese Begriffe verwendet ist das schon peinlich, besonders bei Yuropa.

Aber selbst die besten Dokus haben eine Informationsdichte, die, nachdem ich eben nun viel im Internet recherchiere und da viel Text lese, jetzt bei dem Schreiben des Buchs über Voyager sogar noch mehr, bin ich dieses passive Anschauen nicht mehr gewohnt. Ich muss warten bis ich eine Information bekomme, Vorspulen ist bei Videos relativ ineffektiv, man kann nicht wie bei Texten schnell drüber blicken und bei Zahlen hängen blieben, die oft einen interessanten Kontext markieren. Ich denke ich mache dazu noch mal einen Beitrag da mir seit längerem ein humoristischer Beitrag über einige neue „Einheiten“ vorschwebt.

Youtube und Co schaue ich dagegen nur selten an. Zum einen differenziere ich genau nach Quellen, anders als viele die hier Kommentare im Blog verfassen und anonyme Meinungen in Foren als Tatsachen darstellen. Zum anderen eben wegen der Nachteile von Videos wie beschrieben. Derzeit aber schaue ich zwei Quellen bei YouTube regelmäßig an, das ist die Bundeswehr und das österreichische Bundeshee,r die beide Formate haben die sich mit der militärischen Lage in der Ukraine beschäftigen.

Die Verseichtung gibt es meiner Ansicht nach auch woanders. Ich lese seit fast 40 Jahren die ct’. In den frühen Achtzigern nur sporadisch, seit 1996 im Abo. Vergleiche ich eine heutige Ausgabe mit einer der ersten, so fallen die Unterscheide auf. Damals beschäftigte man sich mit den Innereien der Rechner, programmierte in Assembler, bekam Hash-Algorithmen und Spline-Kurven erklärt. Heute geht es um Einstellungen bei Software. In den Achtzigern gab es zahlreiche Projekte, bei denen man selbst löten musste, die kann ich mangels Fachkenntnissen in Digitaltechnik bis heute nicht verstehen, heute geht es bei „Hardcore“ als anspruchsvoller Rubrik um den einfachen Einsatz von kommerziellen Sensoren mit Raspberry Pi oder Arduino.

Folge ich den Kommentaren zum erwähnten Artikel gehöre ich wohl zu einer aussterbenden Gattung, wahrscheinlich auch darin das ich viel lese und nicht Videos anschaue. Selbst jetzt blättere ich viel in alten Büchern. Wenn ich etwas über Jupiter und Saturn wissen will, finde ich es da immer noch schneller als im Internet. Vielleicht sollte ich mich dann mal so langsam zur Ruhe setzen. Meine Gattung würde ja schon in einem Kommentar „Pensionäre“ genannt. Ich denke auch das wenn man nur verseichte Medien konsumiert, man selbst „verseichtet“. Dann erreiche ich ja nur noch wenige, die mir intellektuell überhaupt folgen können. Ich merke das auch an den Bemerkungen es nimmt immer mehr zu das Leute selbst für eigene Recherche zu dumm oder faul sind und Vorschläge machen ich solle über Thema X oder Y schreiben. Und X und Y ist dann kein Spezialgebiet wofür nur ich qualifiziert wäre. Ich sollte den Blog langsam einstellen, die angefangenen Bücher fertigstellen und dann mit einem selbstgebackenen Keks (mit Spezialzutat) und einem Eis gemütlich den Sonnenuntergang beobachten …

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