Bernd Leitenbergers Blog

Die schlechteste Armee der Welt

Wie gut ist eine Armee? Die Frage ist schnell gestellt und schwer beantwortet. Meine Meinung war immer, dass dies heute vor allem von dem technologischen Fortschritt und der Ausrüstung einer Armee abhängt. Diese Erkenntnis stammt nicht von mir, sie wurde erstmals von Wissenschaftlern aus dem amerikanischen Bürgerkrieg gezogen, in dem entscheidend war, das der Norden das industrielle Zentrum der USA war. Dass die Südstaaten tapfere Soldaten und fähige Generäle hatten ist unbestritten, aber sie konnten das materielle Ungleichgewicht nicht aufwiegen.

Deutsche Wissenschaftler haben denn auch gewarnt, dass Deutschland den Ersten Weltkrieg nicht gewinnen konnte und trotz des Separatfriedens mit Russland und damit Freisetzung von Ressourcen brachte den auch der Kriegseintritt der USA die Wende im Ersten Weltkrieg

Aber natürlich ist die wirtschaftliche Überlegenheit nicht alles. Wirtschaftliche Überlegenheit ist nicht gleich technische Überlegenheit wie man am besten am Beispiel Deutschlands im Zweiten Weltkrieg sieht, doch letztendlich konnten auch überlegene Waffen nur den Krieg verlängern, nicht eine Wende bringen.

Und natürlich spielt auch noch der humane Faktor eine Rolle. Wie gut sind die Soldaten ausgebildet, wie gut kennen sie ihre Waffen und wie fähig sind ihre Befehlshaber. Die Verluste eines Landes steigen rapide an, wenn im Laufe eines Krieges immer mehr Personen eingezogen werden und nach nur kurzer Ausbildung aufs Schlachtfeld müssen.

Bisher hielt ich die italienische Armee in diesem Jahrhundert für die schlechteste. Italien war vor Beginn des Ersten Weltkriegs Teil des Dreibundes mit Deutschland und Österreich/Ungarn. Doch es trat nicht 1914 in den Krieg ein. Stattdessen wartete das Land erst mal ab. Als die deutsche Front sich im Westen festgefahren hatte und es auch in Russland nach ersten Erfolgen ins Stocken geriet, erklärte Italien seinen ehemaligen Bündnispartner am 23. Mai 1915 den Krieg. Die Entente hatte Italien Versprechungen für Gebietsgewinne gemacht, wie Südtirol. Obwohl Österreich schon eine breite Front zu Russland hatte und Italien nur an einem Zipfel zu Österreich grenzte, brachten es die Italiener mit ihrer gesamten Armee nicht fertig Gebiete zu gewinnen. Die Front saß im Gebirge fest. Südtirol bekamen sie 1919 trotzdem, weil sie auf der Seite der Kriegsgewinner waren.

Zwischen den beiden Weltkriegen griff Italien 1936 Abessinien an. Obwohl hier nun ein Industrieland gegen ein Entwicklungsland kämpfte, kam es auch hier bald zum Stellungskrieg. Italien gewann den Krieg, aber nur unter dem Einsatz chemischer Waffen und gezielter Gewalt gegen die Zivilbevölkerung.

Im Zweiten Weltkrieg wiederholte sich das Spiel aus dem Ersten Weltkrieg. Obwohl mit dem Dritten Reich verbündet, erklärte Italien keiner Nation im September 1939 den Krieg. Das tat es erst am 10. Juni 1940, da war Frankreich schon geschlagen. Das britische Expeditionscorps war über Dünkirchen geflüchtet, deutsche Truppen rückten auf Paris vor, das eine Woche später fiel. Obwohl Italien also gegen eine Armee kämpfte, die sich in der Auflösung befindet, konnten sie keine Gebietsgewinne verzeichnen. Der Krieg endete nach 14 Tagen, weil Frankreich vor Deutschland kapitulierte.

Man sollte meinen das reicht. Doch Benito Mussolini reicht das nicht. Am 28. Oktober 1940 griffen sie Griechenland an und wurden nach anfänglichen Erfolgen wieder zurückgedrängt. Nun musste die deutsche 12 Armee die Italiener retten und besiegten Griechenland 1941.

Als ob das nicht reicht, sie griffen auch Ägypten an das britische Kolonie war. 150.000 Italiener gegen 30.000 Briten. Nach anfänglichen erfolgen kippte der Krieg und diesmal blieb es nicht bei einem Stellungskrieg, sondern die 30.000 Briten nahmen fast die gesamten italischen Besitzungen in Nordafrika ein, bis im Frühjahr Deutschland das Afrikacorps zur Verstärkung entsandte. Ebenso konnte die gesamte italienische Marine keinen Sieg gegen die britische Navy verbuchen, obwohl für die das Mittelmeer nur ein Kriegsschauplatz warne. Die Schiffe blieben nach einer verlorenen Seeschlacht in den Häfen.

Als dann 1943 US-Truppen in Sizilien landeten und im Handstreich eroberten, kapitulierte Italien und wechselte die Seiten. Deutsche Truppen konnten den US-Vormarsch trotzdem fast zwei Jahre lang aufhalten was die Alliierten zu einem zweiten Versuch bei der Normandie zwang, der denn auch erfolgreicher war.

Seit einigen Monaten habe ich eine neuen Favorit für die schlechteste Armee der Welt: die russische. Ich bin ja noch während des kalten Krieges aufgewachsen. Da wurde verbreitet, dass die russische Armee so viel mehr Soldaten und Material hat, das die Bundeswehr nur ihren Vormarsch verzögern kann, nicht aber das Land echt verteidigen, solange bis aus den USA Truppen eingeflogen wurden. Das war auch das Konzept. Die US-Armee lagerte bei uns Panzer und alles andere was nicht schnell verlegbar war, ein. In Zeitungen kamen Diagramme die Soldaten, Panzer und Flugzeuge der NATO und des Warschauer Paktes gegenüberstellte und immer waren da auf russischer Seite zwei bis dreimal mehr vorhanden.

Einen kleinen Knick bekam diese Meinung durch den Afghanistan-Krieg. Aber nur einen kleinen, denn auch in Vietnam hatte die US-Armee ja nicht gewonnen. Aber nun kam der Ukraine Krieg.

Hier hatte Russland alle Vorteile auf ihrer Seite. Sie konnte das Land von drei von vier Himmelsrichtungen überfallen, indem sie auch noch Weißrussland als Aufmarschgebiet nutzte. Heute ist der Gegner durch Satelliten vollständig aufklärbar, das bedeutet das man noch besser als bei früheren Angriffen beim Erstschlag Material beim Gegner zerstören kann, vor allem Flugzeuge. Bis heute hat die Ukraine ja keine effektive Luftabwehr. Doch nach anfänglichen Erfolgen blieb die Armee stecken, zog sich einige Monate später im Norden des Landes (vor Kiew) zurück. Zuerst dachte ich, dass die Kräfte dann von Osten her die Offensive verstärken würden, was denn auch zuerst geschah. Doch das kam auch zum Stillstand und mittlerweile ist die russische Armee auch hier auf dem Rückzug.

Vor allem aber hat mein Meinungsumschwung bewirkt, was ich da von den Kriegshandlungen gesehen habe. Wer ist so blöd und entsendet eine Armee auf einer Zig Kilometer langen Kolone ohne genügend Sprit, damit sie stecken bleibt und vom Gegner angegriffen werden kann? Welche Armee lässt sich ihren Panzer von einem Bauern abschleppen? Dazu kamen Berichte das russische Truppen ihre Panzer stehen lassen und die Flucht ergreifen.

Die russische Armee hatte alle Vorteile auf ihrer Seite: sie war erheblich größer als die ukrainische Armee, sie hatte die Luftüberlegenheit, sie war moderner ausgerüstet. Viele der Einnahmen durch Rohstoffe wurden ja in den letzten zwei Jahrzehnten in die Modernisierung gesteckt. Das die Ukraine nach Artillerie fragt hat damit zu tun, das sie zu Kriegsbeginn vor allem gezogene Geschütze hat, die also an einem Ort erst aufgebaut werden müssen und dann von einem Lastwagen zum nächsten gezogen werden. Sobald sie einmal schießen ist ihre Position bekannt und die kommen unter Gegenfeuer. Daher sind die von den USA gelieferten M777 auch nicht so effektiv, denn denen passiert genau das und dann müssen sie zur Reparatur nach Polen. Eine Panzerhaubitze kann dagegen nach dem Schuss wegfahren.

Dann gibt es da Meldungen, die müssen selbst die naivsten Bürger Russlands aufschrecken. Da wird die Moskwa, der Stolz der Schwarzmeerflotte von Ukrane versenkt, weil sie sich der Küste zu sehr genähert hat. Offiziell ist sie in einem Sturm gesunken. Ehrlich? Für wie doof muss man die eigenen Bürger halten? Also selbst wenn, die Bürger nicht nachprüfen können, ob es zu dem Zeitpunkt im schwarzen Meer ein Sturm herrscht oder nicht, sollten Kriegsschiffe hochseetauglich sein und Stürme überstehen, sonst braucht man sie nicht, wenn man sie nur bei schönem Wetter einsetzen kann. Vor allem ein Sturm im schwarzen Meer? Das ist ein Binnengewässer, da gibt es keine großen Stürme, das wäre genauso wie ein Sturm im kaspischen Meer oder der Ostsee. Dann explodiert ein Munitionsdepot auf der Halbinsel Krim. Offiziell wegen Unachtsamkeit. Also wenn die eigene Armee so schlecht ist, dass sie nicht mal aufpassen kann damit ein Fehler nicht Milliardenwerte vernichtet, dann ist das ein Armutszeugnis.

Inzwischen hat Russlands erst die Grenze für das Alter in der Armee aufhoben und als trotzdem niemand kam, nun generalmobil gemacht also alle Reservisten einberufen. Die Bürger sind so begeistert, das sie ins Ausland fliehen und inzwischen bröckelt auch die Front im Osten. Generalmobilmachung gab es in Russlands Geschichte nur zweimal. Einmal nach Beginn des ersten Weltkriegs, einmal zu Beginn des zweiten Weltkriegs. So schlecht ist also die Situation mittlerweile. Den Afghanistankrieg konnten sie noch ohne Mobilmachung durchführen. Eine Million aktive Soldaten reichen also nicht aus um die Ukraine, ein kleines Land, mit weitaus geringerem Nationaleinkommen und zwar nominell großen Streitkräften, aber schlechter Ausrüstung zu besiegen. Gut Russland hat auch den Fehler gemacht, das man die gut ausgerüsteten Einheiten die im Westen stehen, nicht einsetzte. Stattdessen, damit es möglichst wenige Proteste im Westen Russlands gibt, wo „Russen“ leben vor allem Streitkräfte in denen ethnische Minderheiten dienen, eingesetzt hat. Ob noch mehr Soldaten es dann reißen? Eher wird doch ein Schuh draus, wenn man die Einheiten die man bisher schonte und die keine Reservisten, sondern die reguläre Armee sind, nun einsetzt. Aber ich vermute Russland wird weiterhin vor allem Soldaten aus Regionen einsetzen in denen Russen nicht die Mehrheit bilden.

Ich habe dann aber mal nachgesehen. Es scheint wohl die „Taktik“ Russlands generell zu sein, das dort ein Menschenleben nicht viel zählt. Sie haben zwar den zweiten Weltkrieg gewonnen. Aber eben nur aufgrund dessen. Normal ist das die verlierende Partei immer größere Verluste hat und die siegende immer kleinere. Sie hat eine Überlegenheit, heute auch durch schwere Waffen und kann diese ausnützen. Die russische Armee hat immer, selbst in den letzten Kriegsmonaten, höhere Verluste als Deutschland gehabt, selbst bei der Schlacht um Berlin und Belagerung von Wien, trotz zwei bis dreifacher Überlegenheit. Anderes Beispiel: Die Schlacht um Kursk, Unternehmen Zitadelle gilt als Wendepunkt des Kriegs im Osten. Doch Russland hatte 177.000 Tote, Deutschland nur 54.000. Selbst bei der Schlacht um Stalingrad, bei der eine ganze Armee in Gefangenschaft geriet waren die russischen Verluste mit 1,23 zu 1 Million höher.

Noch ein Wort zu unserer Bundesregierung. Inzwischen ist ja klar, dass die Ausrede, die USA wollen nicht, dass wir keine Kampfpanzer liefern, nur eine Behauptung ist. Also zumindest die Leopard 1 die fertig bei der Industrie rumstehen, könnte man liefern. Stattdessen feiert die Regierung jedes Kleckerns wie jede einzelne Panzerhaubitze. Das ist schon peinlich.

Dann war ich erstaunt das in den Pipelines so viel Gas war, das es eine Woche zum Ausströmen braucht. Also nur mal so als Gedankenexperiment: wenn ich schon Sanktionen gegen Russland mache, warum nimmt man nicht einfach alles Gas ab das in den Pipelines steckt und bezahlte es nicht bzw. beschlagnahmt das Geld gleich als Bestandteil der Sanktionen. Dann wären die Pipelines leer unsere Gasspeicher voller und es gäbe auch keinen Grund sie zu sprengen.

Inzwischen hat sich Elon Musk auch mit der Ukraine versaut. Nachdem er zuerst gelobt wurde, weil er Starlink Antennen lieferte und die Ukraine das Internet nutzte um zu Kommunizieren und Angriffe abzusprechen. Musk hatte einen Friedensplan entworfen, in dem die Ukraine auf die Krim verzichten sollte und die von Russland besetzten Gebiete erneut unter UN-Kontrolle abstimmen sollten. Vor einem Tag hat er dann gemeint, es gäbe in der Ukraine Gebiete die mehrheitlich zu Russland gehören wollen. Gute Idee. Wie wäre es, wenn man die Abstimmung mal auf Gebiete Russlands ausdehnt. Ich bin mir Sicher, dass die Enklave Kaliningrad (Königsberg) wo die Russen in der Minderheit sind gerne sich einem der Nachbarländer anschließen würden. Etliche Regionen im Osten und Süden wo Russen in der Minderheit sind und die Bevölkerung große Verluste im Krieg haben, dürften vielleicht auch lieber woanders sein. Oder man dehnt das generell aus. Vielleicht wollen die Grenzgebiete Mexikos lieber zu den USA gehören oder Bayern will selbstständig werden. Die meisten Staaten Afrikas deren Grenzen von Kolonialmächten gezogen wurden und in denen heute ethische Konflikte toben würden zerfallen.

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