Bernd Leitenbergers Blog

Schulstoff in der Gegenwart und Zukunft

Die Anregung zum heutigen Blog habe ich von einer Nachricht, da gibt es gerade einen Mathematik und Naturwissenschaftenkongress und da wurde beklagt das Mathematik ein so unbeliebtes Schulfach ist. Ein Teilnehmer war aber ehrlich: im Alltag braucht man nur wenig von der Schulmathematik. Nun hat sich durch das Internet eine Menge verändert. Sicher sind die Zeiten vorbei wo man mit dem Schulwissen das ganze Leben auskam. Bei mir war noch das Credo, dass man einen Teil wissen musste und den Rest dann nachschlagen konnte wobei das Nachschlagen sich auf Fachbücher bezog, die man ohne das gelernte nicht lesen konnte, aber heute kann man fast alles im Internet nachlesen. Wenns dort nicht direkt steht kann man in Foren oder Newsgroups nachfragen.

Braucht man überhaupt noch etwas zu lernen, und was ist heute wichtig? Ich tue mich schwer mit dem klassischen Modell. Es besteht darin Fakten zu lernen oder bestimmte Methoden. In der Mathematik Gleichungen zu lösen, dann zu differenzieren und zu integrieren. Das war schon früher selten etwas was man im Studium gebraucht hat, denn fast alles was wichtig war wurde schon in der Vergangenheit von irgend jemand gelöst und ist eine mathematische Lösung einmal gefunden, dann ist das Problem erledigt. Zumal die einzige Disziplin, die Mathematik im Oberstufenniveau brauchte, nur Physik war. Technische oder andere naturwissenschaftliche Fächer kamen mit weitaus weniger Mathematik aus. Das Lösen von Gleichungen reichte da aus.

Gehen wir zur Physik. Physik ist sehr oft nur angewandte Mathematik. Es gibt physikalische Gesetze die mathematische Formeln und es wird manchmal (mehr schlecht als recht) versucht zu manchen auch diese mit Versuchen zu beweisen. Normal ist, dass fast alle physikalischen Phänomene in Reinform nicht als Versuch darstellbar sind. Man sollte sich klar machen, dass die Menschheit erst im sechzehnten Jahrhundert erkannte, das alle Gegenstände gleich schnell fallen und nicht wie vorher geglaubt proportional zu dem Gewicht. In der Praxis hatte der Luftwiederstand zu dieser Überlegung geführt. Obwwohl also in der Praxis die physikalischen Gesetze in Reinform nie anwendbar sind, werden genau diese bis zum Erbrechen geübt.

Zur Chemie geht es weiter zu neuen Formeln – chemischen Formeln, Nomenklaturen, Reaktionen. Auch hier viel auswendig zu lernen und viele sehen nicht den Sinn für den Alltag. Der ist so wie es bisher geht auch nicht direkt gegeben.

Ist es bei anderen Fächern besser? Nicht unbedingt. Auch Geschichte erschöpft sich oft im Lernen von Fakten, hier oft Jahreszahlen. Vor allem ist es in einer globalen Welt sehr deutschzentriert und fängt dafür schon bei den Karolingern an. Bedeutung für die Gegenwart? Gleich Null.

Was ist die Alternative?

Nun es sind die Grundlagen. Das Wort ist ein Zauberwort, das gerne auch genutzt wird die Inhalte nie zu überprüfen und Grundlagen ändern sich kaum. Zumindest denken dass die, die dann völlig unsinnige Inhalte vermitteln, wie Elektrotechnik in einem Softwarestudium. Jau, das waren sicher vor vierzig Jahren mal die richtigen Grundlagen….

Grundlagen heißt. ein Basiswissen um wichtige Grundzusammenhänge zu verstehen, einfache Dinge erklären zu können, das einerseits praxisgerecht an den Anforderungen des Alltags orientiert ist, andererseits aber doch so tief geht, dass man das Basiswissen hat, sich tiefergehende Fakten sich selbst anzueignen oder sich in neue Gebiete einzuarbeiten. Vor allem sollte es helfen Alltagsphänomene zu begreifen ohne gleich nachzuschlagen.

Ich will das mal in den obigen Fächern erläutern wie ich es meine. In der Mathematik benötige ich sehr oft ein Niveau wie ich Gleichungen löse, vor allem aber wie ich ein Problem überhaupt erst in eine Gleichung bekomme. Dieses allgemeine Vorgehen wird gar nicht vermittelt. Wenn ich eine Spezialisierung darüber hinaus für wichtig halte, dann ist es Statistik, also wie verarbeite ich Zahlenmaterial. Wie ermittle ich die Standardabweichung einer Zahlenreihe, oder ein Beispiel von heute Abend aus Quarks & Co: Da wurden Eier untersucht ob Anpieksen hilft dass sie nicht platzen. Bei 1500 Eiern mit Anpieksen waren es 9% die geplatzt sind, bei derselben Zahl ohne Anpieksen 12%. Ein Statistiker berechnete, das sei nicht signifikant – können Sies nachberechnen? Solche Fragestellungen gibt es im Leben immer wieder. In der Raumfahrt gibt es Fehlstarts. Wie berechnet man aufgrund der zufälligen Verteilung, die Wahrscheinlichkeit ob der nächste Start glückt oder nicht um die Versicherungsprämie zu berechnen? Statistik findet in der Schule fast nicht statt. Auch in der Uniausbildung nicht. Ich brauchte etwas (wirklich nur wenig) für die Auswertung von Messreihen und habe mir das im Selbststudium beigebracht, ich halte es aber für viele Fächer für wichtig, weil wir fast überall von solchen Fragestellungen „umzingelt“ sind.

Bei Physik ist es meiner Meinung nach wichtig die Gesetzmäßigkeiten zu kennen, aber nicht die genauen Formeln. Der Unterschied? Eine Gesetzmäßigkeit ist dass der Bremsweg eines Autos quadratisch mit der Geschwindigkeit ansteigt. Die Formel hat wohl irgendwo einen Therm  wie 1/2 M*v² enthalten. Dafür wäre es wichtig mehr von der Physik zu erfahren die ja meist bei der Mechanik und Optik endet. Mir ist das wieder klar geworden als Fukoshima explodierte und man nicht wusste, wie gefährlich ist das? Wie lange ist das Gebiet versucht und wo sind da die Gefahren für die Leute. Atomphysik kommt weder in der Schule vor, noch habe ich in der Uni was davon mitbekommen (zumindest als Nebenfach nicht). Das gilt sicher auch für andere Fächer.

Das gleiche kann man für die Chemie sagen. Chemie ist inzwischen fast alles um uns herum. Kunststoffe, Treibstoffe, Lebensmittel das alles ist Chemie. Anstatt nun die genaue Nomenklatur von Alkanen und die Reaktionen von Ketonen zu lernen wäre es wichtiger breiter sich über Chemie zu informieren. Was ist der Unterschied zwischen einem harten und weichen Kunststoff aus demselben Polymer? Warum wird Braten schneller braun, wenn man ihn mit Mehl einstäubt? Das alles ist Chemie im Alltag für den ich nun nciht Polymerchemie lernen muss oder wissen muss was eine Maillard-Reaktion oder Amadoriumlagerung ist, sondern etwas was ich auch umgangssprachlich beschreiben kann ohne Formeln zu bemühen.

In der Geschichte wünsche ich mir in einer vernetzten Welt auch mehr über die Welt zu erfahren, anstatt so viel von der eigenen Geschichte. Ich denke man sollte wenigstens über die Geschichte einiger europäischen Nationen, Russlands, China und den USA Bescheid wissen, anstatt so genau über die deutsche Geschichte, dann versteht man auch andere Kulturen eher. Das muss und kann nicht alles umfassen, aber vielleicht die letzten 100-200 Jahre und die wichtigsten Stationen da.

Zum Schluss noch eine kleine Anekdote, die zeigt, dass Schulwissen und Studium nicht immer zum Erfolg führen. Da gab es in der erwähnten Quarks & Co sEndung auch einen Wettbewerb um das „perfekte Frühstücksei“. (außen hart, Eigelb weich). In den Ring zogen:

Also wenn ich davon ausgehe, dass Sachverstand siegt, dann wäre doch wohl klar, dass der Physiker mit seinem Modell siegen muss, vielleicht gewinnt auch die Firma, die ja ein fertiges Produkt entwickelt hat das als einziges ja die Möglichkeit hat die in einem Ei vorkommenden Temperaturen zu messen.

Doch weit gefehlt. Das Kunstei hinterließ nur weichen Glibber. Genauso schlecht war das Ergebnis der Eierformel. Ach viel zu weich. Das gesamte Eiweiss war halbflüssig. Am besten schlug sich die Ei-App, sie produzierte ein perfektes Ei. Die einfache Neigungswaage des Schülers mit einer einfachen Skala ergab ein nur wenig schlechteres Ergebnis, das Eigelb war eine spur zu hart.

Wie heißt es so schön: Physik ist, wenn’s nicht funktioniert ….

 

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