Bernd Leitenbergers Blog

Die Juli Nachlese von SpaceX

… fällt wie schon bei den letzten Monaten kurz aus, weshalb ich die Gelegenheit nutze, mal ein Licht auf die kommerzielle Ausrichtung von SpaceX zu werfen und wie sich das Starship in diese Strategie einfügt.

Es gab zwei Starts im Juli, einen für Starlink, ein Zweiter beförderte einen GPS-Satelliten. Dazu kam die Landung der Crew Dragon und ein Hopser der Super Heavy. Die Landung der Dragon habe ich live in NASA TV mitbekommen und man sieht schon, wie groß da die Sehnsucht ist wieder selbst Astronauten ins All zu schicken. So die stockende und begeisterte Stimme der Sprecherin bei „Splashdown“. Nun ja, sofern im Golf von Mexiko keine andere Physik als wie bei uns gilt, fand ich das jetzt nicht so besonders – wie man in der Luftfahrt so sagt „runter kommen sie immer“. Und wenn die Kapsel druckdicht ist, was man annehmen kann, wenn die Astronauten noch leben, dann ist sie auch wasserdicht, dürfte also nicht untergehen. Der letzte kritische Zeitpunkt war für mich kurz vorher, wo die Fallschirme entfaltet wurden, denn da gab es ja im Testprogramm Rückschläge.

Dann hat die erste Stufe des Starships einen Hopser gemacht. Wie von Musk gewohnt war das ein kleiner Schritt für das Starship aber ein großer für Musk „Mars is looking real“. Finde ich etwas übertrieben, zumal ja nicht mal die 150 m Höhe erreicht wurden die angekündigt wurden. Vor allem ist die Landung der ersten Stufe nun nicht etwas völlig Neues. Stufen landet SpaceX seit Jahren und nach Rückschlägen haben sie das inzwischen auch im Griff, warum sollte es also beim Starship anders sein? Trotzdem kann man davon ausgehen, dass der Test nicht so ablief wie geplant. Der verlinkte Artikel erwähnt, dass Teile wegflogen und das Triebwerk bei der Landung in Feuer gehüllt war. Auch die nicht erreichte Höhe spricht dafür. Was mir auffiel, ist das das Vehikel vom Start weg sich zur Seite schwenkt und so nicht viel Höhe gewinnt, aber zur Seite fliegt. Die ersten Falcon 9 Landeversuche verliefen dagegen rein vertikal, so wie sie später auch landete und ich denke auch die Superheavy wird senkrecht landen, zumindest wenn sie sich zur Seite bewegt, nicht sofort nach dem Abheben. Meiner Ansicht nach die Seitwärtsbewegung man das realisiert und die Rakete wieder landen lassen und so auch die 150 m Höhe nicht erreicht. Aber wie schon gesagt, das ist nicht das Wesentliche. Die Herausforderung wird es sein, das Starship zu landen und das unter der Nebenbedingung, das es noch wirtschaftlich sein muss. Dazu komme ich noch.

Ich will mich heute damit beschäftigen, wie gut SpaceX sich auf den Markt ausrichtet. Es kann sein, das dies völlig egal ist, und alle bisherigen Aufträge nur dazu dienten Geld einzubringen, um letztendlich nur mit eigenen Produkten Geld zu verdienen – sprich man baut die Starlink Satelliten selber, startet sie selber und hat die gesamten Einnahmen aus dem Netz. Nur denke ich das nicht, denn die Satelliten wurden ja erst konzipiert als OneWeb schon sein Netz vorgestellt hatte und Investoren gewann. Erst da sprang SpaceX auf den fahrenden Zug auf.

Als SpaceX mit der Falcon 9 begann – die Falcon 1 als Erprobungsexemplar lasse ich mal außen vor – gab es für ein US-Unternehmen zwei Märkte:

Der kommerzielle Markt (auf dem sich viele Firmen um Aufträge bewerben) bestand damals vor allem aus den Starts in den GTO mit Nutzlasten zwilchen 3,6 und 6,5 t Gewicht, das Groß der Massen lag bei etwa 4,5 bis 5,5 t. Das hat sich seitdem auch kaum geändert.

Der US-Regierungsmarkt ist nur US-Unternehmen zugänglich, aber der profitablere, denn die Konkurrenz ist kleiner, die Preise pro Start höher und vor allem muss man nicht sich um jeden Auftrag einzeln bewerben. Er gliedert sich wiederum in zwei Teile: Starts seitens der NASA und NOAA (öffentlich) und seitens des DoD und der NRO (geheim). Die Anforderungen der NASA sind einfacher zu erfüllen. Ihre Nutzlasten sind kleiner und gelangen entweder in den LEO (SSO), GTO oder auf Fluchtbahnen. Wenn man einige Starts besonders schwerer Nutzlasten ausklammert, dann kommt die NASA mit der kleinsten Version der Atlas V, der 401 aus.

Der Markt für geheime Nutzlasten ist schwerer zu erobern. Zum einen sind die Nutzlasten meist schwerer. Zum anderen gibt es Extreme. Sehr schwere Nutzlasten in den LEO wie Aufklärungssatelliten zum andern haben militärische Nutzlasten meist keinen Apogäumsantrieb, müssen also direkt in den GEO gebracht werden.

Hat man aber zu dem Markt Zutritt, so ist er extrem lukrativ. Musk bemerkte ja schon vor Jahren, dass die Starts von ULA „insane expensive“ seien. Daneben bucht das Militär, weil eine der Aufgaben natürlich die nationale Sicherheit ist, nicht einen Start, sondern viele über mehrere Jahre, man will schließlich die Garantie haben, dass die Nutzlast dann auch gestartet wird. Dieses Block-Buy wurde von SpaceX kritisiert, als sie selbst noch keine Aufträge aus dem System bekamen , inzwischen profitieren sie davon. Gerade wurde bekannt, das ULA und SpaceX für die nächsten 5 Jahre alle Starts durchführen, die der Geheimhaltung unterliegen. Das ist nicht unumstritten, weil die USAF erst letzten Jahr Förderaufträge an Blue Origin/Grumman ATK gab und nun nicht abwartet bis deren Raketen auch einsatzbereit sind, sondern wieder die beiden Firmen fördert die jetzt schon Starts durchführen. Und profitabel ist. Das der erste Auftrag aus dem Los hat für SpaceX einen Umfang von 317 Millionen Dollar, mehr als dreimal so teuer wie eine Falcon heavy nach Website ist. ULA bekam zeitgleich für zwei Starts dagegen 333 Millionen Dollar, damit ist inzwischen SpaceX teurer als ULA.

Damit SpaceX hier mitmischen kann, benötigten sie eine Rakete, die auch den Anforderungen genügt, das heißt in den GEO mindestens die Nutzlast eines mittleren Atlas V Modells hat und für einen SSO etwa 20 t Nutzlast. Wie passt das zu SpaceX Entwicklungsstrategie?

Die erste Version der Falcon 9 hatte eine Nutzlast von etwa 7 bis 8 t in den LEO und etwa 3 t in den GTO. Auf den Wert kam nicht nur ich, sondern auch das Institut SA/RT der DLR. (im damaligen Users Guide wurden 10,45 / 4,5 t genannt, aber das mit einer nie gebauten „Block II“ Konfiguration mit 556 kN Merlins). Für GTO Starts war sie zu klein und selbst für das hauseigene Dragon war sie zu klein. Im Schnitt beförderte es nur 800 kg Nutzlast zur ISS – mittlerweile sind es um die 2,6 t im Schnitt.

So folgte die nächste Falcon – SpaceX unterschiedet noch mehr Konfigurationen, doch anhand der Startmasse gab es seitdem zwei Major Änderungen. Sie erreicht die Nutzlast für den GTO, die kommerzielle Satelliten erfordern, auch die meisten NASA-Nutzlasten kommen mit ihr aus und natürlich kann nun auch das Dragon die volle Nutzlast ausnutzen.

Die Falcon 9 reicht aus für einige Starts geheimer Nutzlasten, so die GPS-Satelliten, die als Ausnahme einen eigenen Antrieb haben. Aber nicht für die anspruchsvolleren Aufträge. Knackpunkt ist der GEO-Orbit. Will eine Falcon 9 diesen direkt erreichen, so muss sie nach rund 5 Stunden Freiflugzeit erneut zünden und natürlich gelangt auch die Oberstufe in den Orbit. Als zweistufige Rakete mit nur mittelenergetischen Treibstoffen dürfte die Oberstufe nach meiner Einschätzung leer 5 t wiegen – Zubrin geht sogar von 10 t aus, doch dann wäre die Nutzlast negativ – im Gegensatz dazu wiegt eine Centaur nur 2 t. Für den GEO-Orbit dürfte die Nutzlast einer Falcon 9 daher auf rund 3 t sinken und das ist zu wenig. Selbst die kleinste Atlas V, 401 kommt auf 3,4 t.

Nur für diese Missionen benötigt SpaceX die Falcon Heavy und dieser Markt dürfte auch der Hauptgrund sein, warum man deren Entwicklung nicht einstellte. Mit Ausnahme von zwei kommerziellen Starts sind daher auch alle Aufträge für die Falcon heavy daher von der US-Regierung. Nicht das es keine andere Lösung gegeben hätte – eine weitere Oberstufe von etwa 20 t Gewicht und die Falcon 9 hätte auch für das Militär ausgereicht und die Nutzlast für schwerere NASA-Raumsonden gehabt.

Das Starship

Nun kommt das Starship und ich frage mich, wie fügt sich dies in dieses Bild ein. Meine Antwort – gar nicht. Ich blende mal aus, das offen ist, ob das Starship die geplante Nutzlast (100+ t in den LEO, 20 t in den GTO) erreicht. Dafür müsste SpaceX die Trockenmasse des ersten Starships das einen Orbit erreicht, um rund 40 % erniedrigen, ein Ziel, das im Raketenbau bisher niemand erreicht hat. Aber es gibt nirgendwo den Bedarf für einen solchen Träger. Am ehesten sind noch GTO-Starts mit drei Satelliten denkbar. Doch schon Doppelstarts sind problematisch. Bei Ariane 6 hat man ernsthaft darüber nachgedacht, den Träger kleiner zu bauen und dafür nur noch Einzelstarts durchzuführen. Denn man muss zeitgleich beide Satelliten angeliefert bekommen, die noch dazu die richtige Größe und Masse haben müssen. Bei nur fünf bis sieben Starts pro Jahr durchaus ein Problem.

Noch bedeutender: NASA und USAF sind konservativ. Es hat Jahre gedauert bis SpaceX den heutigen Status erreicht hat: ULA und SpaceX bekommen für mehrere Jahre alle USAF-Starts. Blue Orion und Grumman/ATK gehen leer aus. Jahre, in denen ihre Raketen erst zertifiziert werden mussten. Musk hat darüber geklagt und sogar angefangen gegen die seiner Ansicht nach schleppende Zertifizierung zu klagen (bekam dann einen Auftrag, damit SpaceX die Klage zurückzieht). Beim Starship fängt die gesamte Zulassung alles von neuem an. Ebenfalls bedeutend:; alle Startaufträge seitens US-Organisationen bis zum Jahr 2025 setzen auf die beiden Falcons. Einfach ausmustern und durch das Starship ersetzen geht also nicht. Und diesen Kunden will man nicht vergraulen. Da die Aufträge seitens der NASA öffentlich sind, kann man leicht ausrechnen das bisher rund 70 bis 80 % aller Mittel die SpaceX verdient hat, von der US-Regierung kommen.

Was als Aufgabe für das Starship bleibt, ist dann im Prinzip der Aufbau des Starlink Netzes. Über dessen Erfolgschancen habe ich ja schon vor einem Monat geschrieben. Ich denke das auch SpaceX eben, weil es kein existierendes Vorbild gibt, nicht weiß, ob es die Cash-Cow wird oder nicht. Für die enorme Zahl an Satelliten, die uin der zweiten Aufbauphase geplant sind – 32.000 wird man aber das Starship brauchen. Die Nutzlast in den LEO ist etwa fünfmal so hoch wie bei einer Falcon 9, die transportiert 60 Satelliten pro Start. Ein Starship dann 300, trotzdem bräuchte man immer noch 110 Starts, bei monatlichen Starts, wie bisher demonstriert, also fast 10 Jahre um das Netz aufzubauen, bzw. zu erhalten denn nach 10 Jahren dürften die ersten Satelliten dann am Ende ihrer Lebensdauer sein. Klappt das mit Starlink nicht – und das wird sich bald zeigen, derzeit sind 592 Satelliten im Orbit, ab 1.000 will SpaceX erste Dienste anbieten – dann prognostiziere ich, ist auch das Starship tot.

Denn für alle anderen Zwecke die Musk so verbreitet – 100 Siedler pro Flug zum Mars bringen, auf dem Mond für die NASA landen oder Milliardäre um eine Mondumrundung zu schicken, ist das Vehikel es zu schwer. Da es gleichzeitig zweite Stufe ist und den Weidereintritt überleben soll wiegt es nach (Musk-Wunschvorstellungen) 120 t. Das erklärt schon den rapiden Nutzlastabbau in den GTO um den Faktor 5 – bei der Falcon 9 ist es nur Faktor 2,7), denn die 120 t vom Starship bleiben konstant. Wer einen Taschenrechner bemüht, wird leicht erkennen, das selbst ohne Nutzlast ein Starship nicht die Erdumlaufbahn verlassen kann. Für eine Mondumrundung benötigt man eine Auftankung, für GEO-Missionen zwei Auftankungen, für eine Marsexpedition mit 100 t Nutzlast mindestens vier Auftankungen und für den Starship-Mondlander für die NASA sogar 10 bis 11.

Und die Startkosten? Man kann sie abschätzen. Ich fange mal mit der Wiederverwendung an. Die wird ja bei der ersten Stufe schon praktiziert. Inzwischen bei der Nutzlasthülle erprobt. Es bleibt noch die Oberstufe übrig, die bei der Falcon 9 für etwa 20 bis 25 % der Kosten steht. Da die Wiederverwendung schon die silberigen Flüge nur von 62 auf 50 Millionen Dollar verbilligte, also ein Fünftel, wird die Oberstufe nicht mehr viel mehr bringen. Man mag argumentieren das SpaceX nun viel mehr an der Rakete verdient, aber die Bergung und Wiederaufarbeitung/Inspektion verursacht auch Kosten und bei anderen LSP gehen ein Viertel bis ein Drittel des Startpreises nur auf die Startdurchführung und damit verbundene Kosten wie Aufwandsentschädigungen für die Nutzung von NASA / USAF Eigentum, Miete, Abschreibung der selbst gebauten Gebäude, deren Betriebskosten ….Die bleiben aber konstant und machen bei Wiederverwendung dann eher mehr am Startpreis aus.

Ich glaube nicht, das eine komplette Wiederverwendung unter dem Aspekt mehr als die Hälfte des Startpreises hereinbringt und verglichen zu ¾ Wiederverwendung wie bisher sind es eben dann noch 10 % günstiger, als die Oberstufe nicht zu bergen. Dafür dürfte dies aber viel Nutzlast kosten. Schon bei einer Falcon ist die Nutzlastabnahme durch Bergung ja deutlich.

Aber das Gespann aus SuperHeavy / Starship wiegt 5000 t, zehnmal mehr als eine Falcon 9 (bei nur fünffacher Nutzlast), dreimal mehr als ein Falcon Heavy (bei nur 50 % mehr Nutzlast). Eine größere Rakete ist auch teurer. Nicht linear – die Gewichtszunahme beim Übergang Falcon 9 → Falcon Heavy betrug 2,7, die Preiszunahme nur 1,8. Aber sie wird definitiv teurer als eine Flacon 9 oder Falcon Heavy sein und da machte die Einsparung durch Wiederverwendung nicht viel wett, zumal wie erwähnt auch die Nutzlast vergleichen mit der Startmasse klein ist. Der Kunde zahlt aber immer einen ganzen Start, auch wenn er keine 100 t transportiert.

Wie schon bisher – nicht auf die Marktanforderungen ausgerichtet. Mal sehen, ob man nachbessert wie bei der Falcon 9 oder es nur für eigene Starts einsetzt oder eben einstellt.

Ich persönlich sehe ich das Starship/Superheavy Projekt, als eines an das SpaceX wieder einstellen wird oder wenn es kommt, es nicht der Erfolg ist. Wäre ja nicht das erste Mal bei SpaceX. Man erinnere sich an Falcon 1e, Falcon 5, Red Dragon, Grey Dragon, Beteiligung bei Stratolaunch ….

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