Bernd Leitenbergers Blog

Der Wahlkampfendspurt

Da ich gerade mit der schlimmsten Erkältung seit Jahren herumlaboriere heute nur ein kurzer Blog, einfach, weil ich nicht den Kopf freihabe den eigentlich seit einer Woche vorgesehenen Blog über Afghanistan und die US-Politik nicht fertigzubekommen.

Es geht um den Wahlendspurt. Da ist nach den rapide absinkenden Umfragewerten bei der CDU die Kacke am Dampfen. Letzte Woche fing zuerst Söder mit dem uralten Konzept an, linke Parteien in die Nähe des Kommunismus anzusiedeln und Schreckensszenarien auszumalen. Er sprach von massiven Steuererhöhungen“, Instabilität und einem Austritt Deutschlands aus der Nato. Das hat Laschet aufgenommen und in der vergangenen Woche ins gleiche Horn geblasen. Das Konzept ist nicht neu. „Freiheit statt Sozialismus“ titelte die CDU/CSU (Spitzenkandidat war damals Franz Josef Strauß) im Bundestagswahlkampf 1976. Die sozialistische Regierung, die abgelöst werden sollte, war übrigens die von Helmut Schmidt. 18 Jahre später kam dann die Rote-Socken Kampagne beim Bundestagswahlkampf 1994 auf und ich denke, wenn man genau nachschaut, findet man noch mehr Beispiele für das Konzept. Das sind nur die beiden prominentesten Beispiele.

Kurz wenn die Linken in einer Koalition an die Macht kommen, dann geht die Welt unter, oder zumindest verarmt ganz Deutschland. Das hat dann sogar Scholz dazu gebracht, Grenzlinien zu ziehen deren Überschreiten nicht diskutabel ist, als wüssten wir diese nicht vorher. Glaubt jemand ernstlich das die SPD, aber auch Grüne oder FDP die ja auch potentielle Koalitionspartner für den Drei-Parteien Fall wären, einem NATO-Austritt, einem Ende aller Auslandseinsätze und einer Anbiederung an die russische Regierung unter Putin zustimmen würden? Vor allem sollte man sehen, dass die Linken derzeit bei den Umfragen bei 6 bis 7 Prozent herumkrebseln. 50 Prozent Wählerstimmen braucht eine Regierung. Entsprechend klein wird der Einfluss der Linken sein, ihr Programm durchzubringen. Ich würde, wenn es dazu kommt, darauf tippen, dass man eher auf die wirtschaftlichen, sozialpolitischen Forderungen und Reformansätze der Linken zugeht, schlussendlich sind da Postionen drin, die auch Grüne und der linke Flügel der SPD vertreten und dafür müssen sie eben ihre Außenpolitischen Forderungen fallen lassen. Es kann natürlich sein, dass sie dann Fundamentalopposition machen wie die FDP nach der letzten Wahl. Denn wenn sie mal am Zuge wären, und sich für ihr Klientel nichts verbessert, könnte das den Absturz bedeuten. Ich sehe die Linke auf Bundesebene noch primär als Protestpartei.

Ich glaube auch das diese Links-Kampagne primär nicht gegen die SPD, sondern die Linken gerichtet ist. Bei 6 bis 7 Prozent, also nur wenig über der 5 Prozent-grenze fehlt nicht mehr viel, dass die Partei bei Stimmenverlusten diese reißt. Dann reichen für die Parteien, die in den Bundestag kommen, wenn man noch die anderen Parteien berücksichtigt, die es durch die 5 Potenzgrenze nicht ins Parlament schaffen, 45 % für eine Regierung und das schaffen derzeit CDU und SPD zusammen. Wieder eine „große Koalition“, obwohl sie nun eigentlich nicht mehr „groß“ ist und die einzige Chance der CDU an die Regierung zu kommen.

Ansonsten glänzt die CDU nicht. Laschet macht den Eindruck eines Orakels – alles was er sagt relativiert er sogleich. Wenn er über Klimaschutz redet, kommt nach dem Bekenntnis gleich das „Aber“: aber er muss finanzierbar sein, aber man kann die Kohle nicht abschreiben, und dann gleitet er in unverständliche Floskeln ab wie „man benötige einen Kompass“. So jemand soll unser Land regieren?

Scholz macht in der Situation das einzig richtige. Er sagt gar nichts. Soll Laschet sich doch selbst demontieren. Wenig hört man auch von den Grünen. Der Grundfehler war es Baerbock aufzustellen. Nicht das ich Baerbock für inkompetent oder nicht fähig halte, Bundeskanzlerin zu werden – als die Vorstellung erfolgte, waren die Grünen ja in den Umfragen noch zweitstärkste Partei. Aber wir wählen nur vordergründig ein neues Parlament. Wir bestimmen mit, welche Partei an die Regierung kommen kann (welche es dann ist, das wird man wohl erst nach den Sondierungsgesprächen wissen) aber deren Spitzenkandidat/in wird eben dann Bundeskanzler und dann geht es um den Kandidaten. Und Habeck kommt einfach besser an. Er sieht gut aus, ist sympathisch, jung. Er liegt beim Politbarometer immer bei der Liste der einflussreichsten Politiker, anders als Baerbock. Selbst meine 94 Jahre alte Tante würde mit ihm die Grünen wählen, bei Baerbock ist sie nicht sicher. Da man das schon vorher wusste, verstehe ich nicht, warum Baerbock ihre persönlichen Interessen hintenan gestellt hat oder man wie früher mit einer Doppelspitze in den Wahlkampf geht. Dann stellt sich die Frage, angesichts der Umfragewerte als die Vorstellung erfolgte, was passiert wenn man tatsächlich den Bundeskanzler stell?. Eine Möglichkeit wäre dann einen Wechsel nach zwei Jahren vorzusehen – ob der dann kommt, ist ja nach der Wahl wurst. Oder man lässt das offen. Ich glaube niemand würde es den Grünen krumm nehmen, wenn sie ohne Spitzenkandidat antreten, aber wenn es der falsche Spitzenkandidat ist, dann sieht es schon anders aus.

Laschet hat dann ein „Kompetenzteam“ vorgestellt. Erstens zu spät, das wirkt dann schon verzweifelt, vor allem sieht bei mir Kompetenz anders aus. Merz hat dann auch nur von seinen liberal-wirtschaftlichen Positionen gesprochen die stellenweise noch weiter gehen als die der FDP und die nur einen kleinen Teil der Bevölkerung entlasten würden, nämlich die Reichsten. Und Dorothea Bär als Digitalisierungsbeauftrage einzusetzen war auch keine gute Idee. Denn die Dame ist seit 2017 für die Digitalisiserung verantwortlich in der Regierung und damit dafür, dass sich in den letzten 4 Jahren eben gar nichts getan hat. Warum sollte sich daran dann was ändern.

Selbst die FDP fängt nun an Fehler zu machen. Hat sie ihre radikal wirtschaftspolitischen Punkte und die Absage an den Klimaschutz („der Markt soll das richten“) bisher ziemlich verklausuliert im Parteiprogramm versteckt und – man möchte ja nicht nur vom Stammklientel gewählt werden – auf die wenigen Punkte im Wahlprogramm, welche die gesamte Bevölkerung betreffen, hingewiesen, so sieht sie nun die Zeit gekommen sich stark von den Grünen und Linken abzugrenzen, und heben diese hervor. Nur damit verschreckt man eher Wähler die nichts von der Senkung des Spitzensteuersatzes und Abbau des Sozialstaates haben. Vor allem wird sie nicht müde zu betonen, dass es Grenzen gäbe, mit wem man zusammenarbeiten könne und mit den Grünen wäre das schwer und den Linken unmöglich. Nun sind, aber bei den Drei-Parteien-Koalitionen die denkbar sind, immer die Grünen dabei. Wer wird da nicht daran erinnert das Lindner 2018 lieber nicht regieren wollte, als schlecht regieren wollte. Und er ist immer noch Parteivorsitzender. Da mag der eine Wähler überlegen, ob er eine Partei wählen, soll die schon in der Vergangenheit nicht regieren wollte. Ich halte die FDP 2021 für die gleiche wie 2017. Sowohl programmatisch wie bei den Personen. Die FDP wollte 2017 nicht regieren und damit at sie sich der grundlegenden Verpflichtung jeder Partei, nämlich eine stabile Regierung zu etablieren verweigert und ist zur Protestpartei geworden. Für jemand, der eine handlungsfähige Regierung will ist sie meiner Ansicht nach daher nicht wählbar.

Der Wahlkampf hat sogar Menschen in Gefahr gebracht. Die deutsche Botschaft in Afghanistan hat schon im Mai gewarnt, dass der Staat zusammenbrechen könnte und man Afghanen, die für die Bundeswehr oder deutsche Organisationen gearbeitet haben, evakuieren müsste. Weder SPD noch CDU haben das für nötig erachtet. Seitens der CSU und CDU kam sogar immer die Warnung, das sich „2015“ nicht wiederholen dürfe. Als ob das damit was zu tun hat. Es geht um den Schutz von etwa 40.000 Personen, die in Afghanistan für deutsche Einrichtungen gearbeitet haben und gefährdet sind. Es geht nicht um Hunderttausende und es ist keine Massenbewegung. Die meisten Flüchtlinge aus Afghanistan flüchten in die Nachbarländer – wenn sie können, die Taliban haben die Grenzen dicht gemacht, und selbst wenn sich einige auf den langen Weg nach Europa aufmachen, dürften sie spätestens in der Türkei an der Weiterreise gehindert werden. Kurz mit 2015 hat das nichts zu tun. Mehr noch. Es gab einen Vorstoß der Grünen im Juni sich auf eine Regierungsübernahme der Taliban vorzubereiten und die Evakuierung vorzubereiten. Das wurde abgelehnt, weil Maas nicht von dieser Sicherheitslage ausging. Und dann der überhastete Abzug, noch vor den anderen Nationen eingestellt. Auch hier blieben die Afghanen auf der Strecke. Von über 5.300 ausgeflogenen sind nur 128 Afghanische Hilfskräfte und 396 Familienangehörige, 40.000 befinden sich noch in Afghanistan. Doch was kann man von einer Regierung erwarten wo der Innenminister stolz sagt, man habe zu seinem 69 Geburtstag 69 Afghanen abgeschoben wurden? Geht es noch zynischer? Ist eine Partei noch wählbar, die nur um keine Wählerstimmen zu verlieren, Menschen bei den Taliban zurücklässt? Was unterscheidet die CSU/CDU dann noch von der AfD?

Ich habe die Grünen gewählt – durch Briefwahl. Das ist keine Überraschung, ich wähle sie seit 1990. Ich bin durchaus nicht mit vielem einverstanden, insbesondere geht sie mir im Klimaschutz nicht weit genug. Auf der anderen Seite ist klar, dass mit radikalen Konzepten die Grünen unter 10 Prozent bleiben werden. So besteht wenigstens die Möglichkeit, dass sie so stark sind, dass sie von den verbliebenen Positionen etliche durchsetzen können. Denn das ist, was ich Lindner persönlich übel nehme. Wenn man bei Koalitionsverhandlungen irgendwann an harte Linien kommt, die die Partner nicht akzeptieren dann wäre meiner Ansicht nach nicht den Bettel hinzuschmeißen, sondern dann versuchen bei anderen Feldern mehr zu erreichen, denn Opposition heißt eben auch, dass man Null Prozent vom eigenen Wahlprogramm durchsetzen kann. Koalitionsverhandlungen sind keine Pokerrunde wo man blöft und alles gewinnt oder alles verliert, es ist der Versuch das mehrere Parteien sich auf einen gemeinsamen Nenner einigen.

Mir persönlich wäre auch eine Rot-Grüne Koalition die liebste, auch wenn sie nach den derzeitigen Wahlumfragen unwahrscheinlich ist. Wir hatten die Rot-Grüne Regierung schon mal und praktisch alles, was die BRD in Richtung Klimapolitik gemacht hat, wurde damals beschlossen. Seitdem hat Merkel zuerst den Atomausstieg umgekehrt dann wieder eine Wende gemacht (was den Steuerzahler Milliarden kostete, weil die Stromkonzerne dann auf Ausfälle durch den fehlenden Weiterbetrieb ihrer AKW geklagt haben) und zuletzt einen Kohleausstieg, der 20 Jahre dauert und bei denen erneut 40 Md ausgegeben werden, die fehlen beim Ausbau der erneuerbaren Energie. Ebenso stammen praktisch alle sozialpolitischen Vorstöße bei den letzten beiden großen Koalitionen von der SPD. Nicht alle waren mit der CDU machbar.

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