Bernd Leitenbergers Blog

Wann ist die bemannte Raumfahrt am Ende?

Nun wird ja das Ende der Shuttle Ära bei zahlreichen Medien zelebriert. Ich habe das mal zum Nachdenken genutzt. Wie wird es weitergehen in der bemannten Raumfahrt? Es gibt ja (wir hatten die Diskussion hier schon mal) die unterschiedlichsten Ansichten, warum es überhaupt bemannte Raumfahrt gibt. Die Motivlage ist anders als bei der unbemannten Raumfahrt. Dort gibt es eine wissenschaftliche Gemeinschaft, die neue Missionen wünscht. Diese bekommt zwar auch nicht jede Mission, aber in den letzten Jahrzehnten ist doch ein deutlicher Fortschritt festzustellen, wie viel Wissenschaft man pro Dollar bekommt. Bei der bemannten Raumfahrt ist das wegen der immer gleichen Anforderungen des Menschen an die Umgebung und Sicherheit wesentlich schwieriger mehr Wissenschaft für das gleiche Geld zu erhalten. Vielmehr explodieren die Kosten wenn man sich vom Erdorbit zu entfernten Zielen aufmacht. Ich glaube ich sag euch nichts neues, wenn ich darauf hinweise, dass fast niemand von bemannten Missionen wirklich bahnbrechende Erkenntnisse erwartet.

Die meisten die sich hier zu Wort gemeldet haben, argumentieren entweder, dass es ein tiefer Menschheitswunsch ist ins All aufzubrechen oder soziokulturell, also bemannte Raumfahrt gehört zu unserer Kultur wie Theater, das ja auch subventioniert wird und für das sich nur eine Minderheit interessiert. Es gibt für beide Aspekte Gegenargumente. Fürs erste Argument würde ich sagen, dass es wohl ein Schluss von der eigenen Einstellung auf die Aller ist. Und die meisten Leute haben eben keine Entdeckernatur. Sie wollen weder auf einen Himalaja Gipfel klettern, noch zur Titanic herab tauchen (alles heute bezahlbar). Es gab immer Entdecker, nur gibt es den kleinen Unterschied, dass bei der Raumfahrt die Summen so hoch sind, dass ein Einzelner diese nicht aufbringen kann, selbst wenn er Sponsoren oder eine Organisation für seine Idee gewinnt. Zum zweiten ist zu sagen, dass es als Gegenargument viele Kulturen gibt, die keine bemannte Raumfahrt betreiben. Vor allem gibt es einen Unterschied: Von der Förderung der Theater profitiert zwar nur eine Minderheit, aber doch immerhin Hunderttausende in der BRD. Von der bemannten Raumfahrt profitieren dagegen gerade mal ein Astronaut alle paar Jahre. Daher werden sich weitaus weniger finden die gegen eine Kürzung der Mittel in diesem Bereich sind.

Meiner Meinung nach gibt es vor allem politische Gründe für die bemannte Raumfahrt. Es fing an als ein Wettlauf, wer den ersten Mann in den Orbit brachte – das Mercury Programm in den USA und Wostok in der UdSSR. Dann folgte als Reaktion auf Gagarin Flug die Ankündigung des Apolloprogramms. Das führte in den USA zum Gemini Programm als Lückenbüßer und Vorbereitung indem viele Dinge im Erdorbit erprobt werden konnten. In Russland wurde das sehr riskante Woschod Programm aufgelegt mit dem alleinigen Ziel Gemini bei den Erstleistungen zuvorzukommen. Als es bei den ersten zwei Flügen massive Probleme gab wurden alle folgenden Flüge abgesagt.

Russland scheiterte mit seinem Mondprogramm und leugnete es bis 1991. Die USA zogen es durch und wir sehen hier auch als erstes, dass auch wenn bemannte Raumfahrt politisch motiviert ist das nicht für immer und ewig gilt – als die erste Mondlandung erfolgte und das öffentliche Interesse schwand, wurde es vorzeitig eingestellt, obwohl es noch genügend Hardware für drei weitere Landungen gab. Skylab konnte noch aus den Resten durchgeführt werden.

Russland konzentrierte sich auf den Erdorbit. Zum einen um die für die Mondmission entwickelten Sojus Raumschiffe noch zu verwerten, zum anderen weil dieses Segment noch von den USA belegt war – Skylab war nur insgesamt ein halbes Jahr bemannt. Denn noch immer herrschte der kalte Krieg und es galt die eigene Überlegenheit in Form von Langzeitaufenthalten zu beweisen.

Das Shuttle hatte sicher auch politische Gründe. Zwar wurde es als billiger Transporter angekündigt. Doch selbst wenn die projektierten Flugkosten erreichbar gewesen wären, so war es doch schon damals sicher, dass er nie die Entwicklungskosten würde einspielen können. Nein, das Shuttle versprach eine neue Gelegenheit die USA als technologisch führende Nation zu präsentieren – andere Nationen möchten sich mit Wegwerfraketen begnügen. Die USA haben ein wiederverwendbares bemanntes Raumgefährt das zwischen Erde und Orbit wie ein Taxi pendelt. (der Blogautor kann sich noch recht gut erinnern wie andere Autoren zu Beginn des Shuttle Programmes genau diese Sichtweise brachten und auch die Entwicklung der Ariane kritisierten, schließlich wäre diese ja in wenigen Jahren total veraltet und würde keine Nutzlasten mehr bekommen….). Auch politisch ist das das Shuttle nach den Wünschen des Militärs entworfen wurde, denn die NASA wollte ein viel weniger leistungsfähiges Gefährt.

1984 folgte durch Reagan als letzten kalten Krieger der Auftrag zum Bau der ISS, damals noch „Freedom“ getauft. Gerade die Raumstation zeigt aber wie die politische Unterstützung schwinden kann. Als kurz danach Glasnost begann und Michael Gorbatschow so gar nicht in das bisherige Feindbild passte, bröckelte die Unterstützung für die Station. Sie war nun viel zu teuer und neun Jahre lang wurde sie eigentlich nur umgeplant und sie sollte billiger werden. Sie stand mehrmals vor dem Aus, als 1993 die NASA zusammen mit Roskosmos ein neues Konzept präsentieren: Mir-2 und Freedom (inzwischen Alpha getauft) sollten zusammengelegt werden und nochmals billiger werden. Das brachte wieder die politische Unterstützung auch weil das Konzept in eine veränderte Landschaft passte. Das Russland schon jetzt die NASA brauchte, um ihre Mir-1 weiter betreiben zu können, wurde geflissentlich übersehen.

Die Ankündigung von Constellation 2004 war wohl mehr eine Ablenkung von der Columbia Katastrophe als ein ernstgemeintes Programm, denn die Unterstützung die das Programm brauchte bekam es nie. Nun veränderte sich nach 14 toten Astronauten auch die Sicht auf das Shuttle Programm. Es stand nun nicht mehr für nationales Prestige als vielmehr dafür das Leute ihr Leben riskieren in einem unsicheren Gefährt und es wurde überlegt ob es dieses Risiko wert ist. Das Shuttle war nötig zum Aufbau der ISS, aber danach nicht mehr. Also wurde es eingestellt.

Und weil Constellation nie so richtig in die Gänge kam und es viel Kritik an dem Sinn des Programms gab (wir waren ja schon auf dem Mond), wurde es auch eingestellt. Was folgte, ist ein Zugeständnis an die zahllosen Firmen und festen Angestellten in der Raumfahrt – eine Art Beschäftigungsprogramm um etwas zu entwickeln, was man vielleicht mal brauchen könnte, wenn man zum Mars aufbricht. Mit der gleichzeitig beschlossenen Verlängerung der ISS Betriebszeit werden wohl auch nicht alle so richtig zufrieden sein. Die ESA hat keine Bauteile mehr für die nötigen ATV und muss was neues entwickeln. Bei der JAXA wird es angesichts des Entwicklungsbeginns vor mehr einem Jahrzehnt auch nicht anders sein, und die USA müssen Gelder für ein privat finanziertes bemanntes Raunfahrzeug ausgeben, da sie nun sich nicht mehr rausreden können, das bis 2015 ein solches nicht zu entwickeln wäre. Die einzigen die froh sind sind wohl die Russen, die weiter mit der ISS Geld verdienen können – ausgeben wollen sie schon lange keines mehr für die Station.

Da derzeit alle Länder mehr oder weniger mit größeren Staatsverschuldungen zu kämpfen haben, denke ich wird es den politischen Willen, Milliarden für ein neues Projekt auszugeben nicht geben. Pläne für Marsmissionen und Mondmissionen gab es ja schon zuhauf und keiner wurde umgesetzt. So könnte die ISS das letzte Prjekt sein. Vielleicht kommt man angesichts der derzeitigen Situation auch zum Schluss, dass ein Weiterbetrieb der ISS mehr kostet als man sich an Nutzen von ihm erhofft. Schließlich müssen alle Nationen mit Ausnahme von Russland in neue Transporter investieren und selbst dann tickt bei jedem Modul die Uhr – die ältesten werden 2015 schon 17 Jahre in Betrieb sein. Ich prophezeie: Wenn das erste nicht ersetzbare Kernmodul ausfällt, wird die ISS aufgegeben…

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