Das V4 wirds schon richten (2)
So, heute der zweite Teil des Artikels von gestern.
Nachdenken hilft
Bei den Vers-Sprechen von Elon Musk hilft Nachdenken. Ich habe in der Tabelle auch die Gesamttreibstoffmenge angegeben:
Parameter | Starship V1 (2023/24) | Starship V2 (2025) | Starship V3 (2026-) | Starship V4 |
---|---|---|---|---|
Nutzlast (wiederverwendbar) | 15 t | 35 t | 100+ t | 200+ |
Gesamtmasse Treibstoff | 4.450 t | 4.750 t | 5.250 t | 6.350 t |
Treibstoff pro 1 t mehr Nutzlast | – | 15 t | 7,6 t | 11 t |
Treibstoff/Nutzlast | 296,7 | 135,7 | 52,5 | 31,7 |
Also die Erhöhung der Treibstoffmasse um 300 t von v1 zu V2 führt zu 20 t mehr Nutzlast oder 15 t Treibstoff pro Tonne. Das ist schon gut, die Falcon 9 liegt z.B. bei 32 t Treibstoff pro Tonne Nutzlast. Das wird aber nun noch besser. Weitere 65 t Nutzlast bekomme ich mit 500 t mehr Treibstoff beim V3, das sind nur noch 7,6 t Treibstoff pro Tonne Nutzlast. Interessanterweise wird dann die V4 wieder schlechter und braucht 1.100 t Treibstoff, um 100 t mehr Nutzlast zu befördern. Also 11 t Treibstoff pro Tonne Nutzlast. Sollte dieser Trend nicht gerade andersherum laufen?
Wenn ich die Zahlen von V1 und V2 als korrekt einstufe, dann müsste V3 beim gleichen Trend bei 68-69 t liegen und V4 bei 162 t. Real komme ich bei einer Simulation aber auf noch schlechtere Werte für V3/V4 und habe deswegen auch eine Wette laufen. Diese Angaben sind nur erreichbar, wenn das Starship (und in geringerem Maße die Superheavy) bei immer mehr Treibstoff leichter und nicht schwerer werden. Das Starship muss um auf die 100 t, die Elon Musk als Trockenmasse angibt, deutlich leichter werden. Bei den ersten Testflügen wog es mit Landetreibstoff zwischen 170 und 180 t. Wie soll das gehen? Bisher hört man bei den Testflügen nur davon, dass man Dinge installiert hat, um Probleme anzugehen, so ein Feuerlöschsystem im Triebwerksbereich oder die Verkleidungen der Triebwerke. Das macht das Starship nicht leichter, sondern schwerer.
Noch seltsamer: Elon Musk sagte vor Mitarbeitern, dass das Starship bei IFT-3 rund 40 bis 50 t in den Orbit gebracht hätte, was zu meinen errechneten 42 t passte. Dann nahm die Nutzlast durch Nachbesserungen auf 20 t bei IFT-6 ab. Passt auch noch zu den 15 t, das Auslesen der Tankanzeige aus dem Video ist relativ fehleranfällig.
Für die aktuellen Starship V2 errechne ich bei den letzten drei Tests rund 60 t Resttreibstoff wozu noch die 12 bis 16 t der Starlinksimulatoren kommen (wenn diese nicht nur die Abmessungen, sondern auch die Masse der V2-Generation von Starlink haben). Nach Musk sind es aber nur 35 t Nutzlast. Auf diese niedrige Angabe komme ich nur, wenn ich die Treibstoffmenge von 1.500 auf 1.200 t absenke und die Masse der Simulatoren weglasse. Das Absenken der Treibstoffmasse ist sogar schlüssig, denn die Brenndauer nahm nur wenig zu, nicht um ein Viertel, wie bei größeren Tanks zu erwarten. Um so merkwürdiger dann der Sprung von 35 auf 100 t, nachdem vorher es nur gelang von 15 auf 35 t zu kommen.
Die letzte Tabellenzeile zeigt dann die wunderbare Performancesteigerung bei SpaceX: Das Starship V1 brauchte fast 300 t Treibstoff um 1 t Nutzlast zu befördern. Das V4 nur noch etwas über 50 t. Eine Steigerung der Effizienz um den Faktor 6! Das entspricht einer exponentiellen Kurve:
Y = a * exp (b*x) mit A: 0,070157 und B: 0,001288, Korrelationskoeffizient R: 0,9970 und Bestimmtheitsmaß R²: 0,9940
Da freue ich mich auf V5: Bei vollem Schub der Raptoren und Beschränkung der Beschleunigung auf 1,25 g anstatt 1,5 g wären 7.500 t Treibstoff möglich, das wären bei dieser Gleichung dann 1.100 t Nutzlast, wenn das so weitergeht. Also erst Nachdenken, dann Musk-Fantasien weitergehen.
Nachgerechnet
Ich habe übrigens dann noch mit den Daten die Raketen modelliert, wobei ich die Masse des Starships so anpasste, dass die Nutzlast auf weniger als 1.000 getroffen wurde. Für V1 und V2 habe ich bei der Superheavy ein Voll-/Leermasseverhältnis von 14 angenommen, da anzunehmen ist das auch diese schwerer sind und bei V3 und V4 dann das von Musk angegebene Verhältnis von 18. Als Simulation der Bergung habe ich 12 % des Treibstoffs der Superheavy zur Leermasse hinzugerechnet, ansonsten aber die optimale Aufstiegsbahn verfolgt, das muss wegen der Bergung in der Realität nicht der Fall sein, aber es ist die beste Näherung, die ich machen kann.
Hier die errechneten Orbitmassen des Starship (mit Treibstoff zum Landen und den Orbit verlassen):
Version | Orbitmasse | Voll-/Leermasse Starship |
---|---|---|
V1 | 215 t | 6,58 |
V2 | 195 t | 8,69 |
V3 | 186 t | 9,60 |
V4 | 176 t | 14,09 |
Plan: | 100 t + Treibstoff (25-28 t) | 10,56 |
Also mal diskutiert. Von V1 auf V2 steigt die Treibstoffmenge um 300 t, trotzdem wird das Starship um 20 t leichter. Eigentlich sollten 300 t mehr Treibstoff das Gewicht um etwa 10 t erhöhen. Beim Übergang vom V2 zum V3 werden nur 100 t Treibstoff mehr hinzugeladen, doch anstatt, dass das Starship um 3 t schwerer wird, wird es 9 t leichter. Der Sprung ist aber nicht mehr so groß. Das Starship V4 wiegt wieder noch weniger und das trotz 700 t mehr Treibstoff und drei weiteren Triebwerken, was das Gewicht eigentlich um 29 t erhöhen sollte. Das ist die stärkste Steigerung und auch der Grund, warum die Nutzlast gleich um 100 t ansteigt, bei gleichem Voll-/Leermasseverhältnis wie bei V3 wären es nur 9 t Nutzlast mehr.
V4 halte ich für eine große Herausforderung, das zeigt auch ein Blick auf das Voll-/Leermasseverhältnis. Das V4 wird als einzige Konfiguration den Plan übertreffen. Bisher stieg es langsam an, doch nun gleich ein Sprung von 9,6 auf 14. Ob man das erreicht bezweifele ich doch sehr. Denn real ist man erst beim V2 angekommen, mit einem Voll-/Leermasseverhältnis von 8,7 und 35 t Nutzlast. Schon der Sprung auf 100 t Nutzlast beim V3 bedeutet starke Gewichtseinsparungen. Würde man das Verhältnis von 10,56 das mal für das Starship geplant war (Elon Musk gibt immer nur die Trockenmasse an, aber ein Starship braucht noch Treibstoff um den Orbit zu verlassen und zu landen, das sind nach der Dimension der Tanks bis zu 28 t) erreichen so wären es noch 135 t Nutzlast. 200 t könnte man dann erreichen, wenn es keine Wiederverwendung gibt.
Kann SpaceX beim V3 nicht weiter Gewicht einsparen, also das Voll-/Brennschlussmasseverhältnis des V2 von 8,7 nicht übertreffen, so errechne ich für V3 und V4 eine Nutzlast von 78 t. Sie steigt bei V4 nicht mehr an, weil während der ganzen Entwicklung das Starship viel mehr Masse zulegt als die Superheavy. Die Stufentrennungsgeschwindigkeit sinkt ab und das Starship muss immer mehr Geschwindigkeit aufbringen, was wenn es nicht leichter wird, die Nutzlast absenkt. Das ist eine bewusste Designentscheidung, welche den Treibstoffbedarf für die Rückkehr der SuperHeavy senkt, aber da kann es eine böse Überraschung geben, wenn man die geringe Leermasse nicht erreicht, weil die Belastungen zu hoch sind. So ging es bei der Falcon 9, deren geplante Nutzlast kann man bis heute auf der SpaceX-Website nachlesen, weil man sie zu früh veröffentlicht hat und seitdem nicht mehr zurückrudern kann.
Nutzlastverkleidung
Frank Wunderlich-Pfeiffer spekuliert bei Golem, dass die Nutzlastverkleidung verkürzt wurde. Der Hintergrund ist das 2023 das damals noch V3 genannte (nun V4) 59,8 m lang war und nun nur noch 61 m. Die Länge von V2/V3 änderte sich dagegen nicht von den 2023 angegeben 52,1 m. Doch wenn die Triebwerksektion nicht länger wurde, kann man dies einfach berechnen. Demnach wären die Tanks um 9,9 m länger geworden. Beim Mischungsverhältnis LOX/LNG von 3,6 nimmt 1 m Tankverlängerung 52,8 t Treibstoff auf. Falls SpaceX auf 3,8 zu 1 umstellt sogar 53,4 t. 9,9 m Verlängerung erlauben also rund 522 t Treibstoff zuzuladen. Es müssen aber 700 t sein. Das bedeutet es fehlen rund 3,4 m. Um diese Länge muss der Rest des Starships kürzer werden und am einfachsten geht dies in der Tat bei der Nutzlastverkleidung. Aber vielleicht hat man auch bei der Triebwerksektion Länge eingespart, es kommt auch davon wie SpaceX die Stufenlänge definiert: Ab der oberen oder unteren Trennebene. Verkürzt man den Stufenadapter so kann man auch dies erklären und da dieser bei V4 ja nicht mehr abgetrennt wird spricht viel für diese Möglichkeit, da dies auch Gewicht einspart.
Die Nutzlastverkleidung ist schon heute sehr kurz. Sie ist genauso lang wie die lange Verkleidung einer Ariane 6. Der Durchmesser ist größer, aber das nutzt bei kommerziellen Transporten nichts, weil Satelliten so konstruiert werden, dass sie kompatibel mit vielen Trägern sind, sonst wäre man auf Geheih-und-Verderb an einen Anbieter gebunden. Selbst wenn man das zusätzliche Volumen berücksichtigt ist es pro Tonne Nutzlast beengter als bei Ariane, Vulcan und New Glenn. Das Volumen im zylindrischen Teil – nur das kann in der Regel voll genutzt werden beträgt bei der langen Verkleidung von Ariane 6 182,8 m³, bei Vulcan 181,1 m³ und der New Glenn sogar 431 m³. Beim Starship sind es 509 m³. (Alle Angaben mit dem maximal nutzbaren Innendurchmesser, nicht dem Außendurchmesser). Pro Tonne in den LEO sieht das dann so aus:
Rakete | Nutzlast LEO | Volumen [m³] | Volumen/Nutzlast |
---|---|---|---|
Ariane 6 | 21,65 t | 182,8 | 8,4 |
Vulcan Centaur | 27,2 t | 181,1 | 6,6 |
New Glenn | 45 t | 431 | 9,5 |
Starship | 100 – 200 t | 509 | 2,5 bis 5,09 |
Ariane 6 kann zwei Satelliten transportieren und bietet daher viel mehr Platz als das Konkurrenzmodell Vulcan Centaur. Durch die hohe Nutzlast ist ein Doppelstart auch bei der New Glenn anzunehmen. Doch selbst bei 100 t Nutzlast liegt das Starship schon heute niedriger beim verfügbaren Volumen. Bei 200 t Nutzlast wird es wirklich eng. Gepant war ja mal eine Verlängerung der Verkleidung von 18 auf 22 m, was den zylindrischen Teil von 8 auf 13 m verlängert hätte und so das Verhältnis auf 4,1 / 8,2 erhöht hätte. Schaut man sich die ausgesetzten Starlinksimulatoren an – im Prinzip flache Platten – so scheint es dass das Starship nun nur noch diese Aufgabe erfüllen muss und die Bedürfnisse von anderen Kunden egal sind (oder man nur damit rechnet, einen Satelliten pro Mission zu transportieren, auch wenn die Rakete so nicht voll ausgenutzt wird). Aber selbst dann sind 3,4 m Verkürzung nicht gut. Denn der zylindrische Teil ist derzeit gerade mal 8 m lang, bei anderen anderen Trägern sind es 11 m. Der Vergleich hinkt aber, weil der Durchmesser ein anderer ist. Der maximale Innendurchmesser von 4,6 m bei Vulcan und Ariane 6 wird beim Starship erst nach 15 m erreicht. Zieht man hier 3,4 m ab, so ist dieser Teil immer noch genauso lang wie bei Ariane 6, Vulcan und New Glenn. Aber für Marsmissionen oder Raumstationen ist das schon eine Einschränkung. Die Abbildungen zeigen leider keine Abgrenzung der Verkleidung, anders als beim V1 und V2. Denkbar wäre eine Verkürzung schon, zumal die Nutzlastsektion der Teil ist der zuerst in die Atmosphäre eintritt. Er wird daher höheren Belastungen ausgesetzt und dürfte massiver sein als der Rest der Rakete. Ist die Wanddicke nur so groß wie bei den Tanks, so wiegt sie mindestens 11 t. Dazu kommt noch der Hitzeschutzschild, das sind bei der Fläche weitere 2,7 t. Wahrscheinlich wegen der höheren Belastungen aber deutlich mehr. Wenn man sie verkürzen kann, so spart man rund 1,3 t pro Meter ein, bei 3,4 m Verkürzung also rund 5 t.