Die Agena C

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Wie ihr sicher bemerkt habt, war es etwas ruhig hier im Blog. Der Grund ist ganz einfach, ich habe mich endlich entschlossen, einen Schlussstrich zu ziehen. Nein, nicht unter dem Blog. Seit fünf Jahren will ich Band 2 des Apolloprogramms fertigstellen und habe in den letzten Jahren eigentlich immer nur kurzzeitig dran gearbeitet.
Das hat mich aber auch abgehalten andere Bücher anzufangen, so nach dem Motto“ Erst mal das eine Buch fertigstellen, dann was neues anfangen“. Ich tue mich mit fortschreitendem Alter sowieso schwer monatelang an einem Buch zu arbeiten, der Enthusiasmus ist einfach nicht mehr da und bei bemannter Raumfahrt schon gar nicht, auch wenn es in dem Buch vor allem um Technik geht (wie eigentlich in allen meinen Büchern). Dazu kommt bei Apollo, dass es so wahnsinnig viele Dokumente gibt und mein eigener Anspruch ist es ja möglichst genau zu beschreiben. Das treibt die benötigte Zeit nach oben, denn die meiste Zeit brauche ich für die Recherche.
Ich habe nun begonnen, den dritten Teil der US-Trägerraketen auszukoppeln, der behandelt die Thor und Delta-Familie. Obwohl dies die dritte wesentliche Überarbeitung ist, kommt immer noch was hinzu, meist kleinere Textpassagen, die Modelle wurden ja schon in der letzten Auflage vollständig beschrieben, aber ich nutze die Gelegenheit auch für einige Gedanken in der Form „Was wäre wenn“, also ich schaue mal welche Möglichkeiten es noch gegeben hätte, das betrifft hier vor allem die Agena-Linie die recht früh bei der Thor schon 1972 endete. Danach werde ich dann was Neues anfangen: ein Buch über Galileo, also die Raumsonde, nicht dass Satellitennetzwerk-
Ein Kapitel (in Rohform, noch nicht endgültig korrigiert) will ich euch nicht vorenthalten es ist das über die mal erwogene C-Version der Agena.

Der fehlende Buchstabe C soll für eine weitere Version der Agena-Oberstufe mit gegenüber der B-Version nochmals vergrößerten Tanks vorgesehen worden sein, doch gebaut wurde sie nie. Die Einstellung muss recht früh erfolgt sein, denn anders als bei Upgrades des Bell-Triebwerks gibt es bis heute keine technischen Details.über die Stufe.

Die Einstellung ist aber nicht verwunderlich. Denn es gibt zwei Gründe, die gegen eine nochmals verdoppelte Treibstoffbeladung sprechen. Den ersten, offensichtlichen ersieht man schon aus der Raketengrundgleichung: die Stufe ist für die Thor und Titan zu groß. Ideal ist bei den Treibstoffen dieser Träger, die alle einen ähnlichen spezifischen Impuls haben, dass das Verhältnis von Start- zu Endmasse bei Brennschluss bei allen Stufen das Gleiche ist. Eine Stufe mit etwa 12-13 t Masse wäre für die Thor (48 t) und Titan-Zweitstufe (33 t) einfach zu groß. Bei der Atlas gilt das eingeschränkt, weil die Atlas einen Teil ihres Gewichts nach Erreichen einer Spitzenbeschleunigung abwirft.

Der zweite Grund ist die Aufstiegsbahn einer Rakete. Die erste Stufe beschleunigt zuerst vertikal um eine vertikale Geschwindigkeitskomponente aufzubauen, die ausreicht, dass die Rakete später einen für einen niedrigen Erdorbit ausreichende Geschwindigkeit erreicht. Die Rakete würde eine Parabelbahn durchlaufen, wenn sie nicht danach horizontal weiter beschleunigen würde, bis die Orbitgeschwindigkeit erreicht ist. Die Oberstufen haben einen geringen Schub im Verhältnis zur Startmasse. Sie „leben“ von der ersten Stufe aufgebauten Vertikalbeschleunigung. Typisch bei den Ausstiegsbahnen ist eine Kurve, die Restrakete durchläuft eine Parabel, doch bevor sie zu stark absinkt, sollte sie die Orbitgeschwindigkeit erreicht haben. Ist nun die Brennzeit doppelt so lang wie bei der Vergrößerung der Tanks beim Übergang von der Agena B zur C, so dauert dies 240 Sekunden länger. Als Ausgleich muss die erste Stufe einen höheren Gipfelpunkt anstreben, diese vertikale Geschwindigkeitskomponente trägt aber nicht zur Bahngeschwindigkeit bei und gehört zu den Aufstiegsverlusten einer Rakete. Eine schwerere Oberstufe erhöht auch die Gravitationsverluste, die dadurch entstehen, dass nur die Beschleunigung, die über der Erdbeschleunigung g (9,81 m/s²) liegt die Rakete vertikal effektiv beschleunigt. Die Spitzenbeschleunigung liegt bei einer Thor-Agena bei knapp 8 g. Sie würde auf 5 g bei einer doppelt so schweren Agena C absinken. Nur der Teil der über 1 g liegt, beschleunigt die Thor-Agena effektiv, das heißt, dieser Anteil ist bei der Agena C kleiner, die Gravitationsverluste höher.

Aus diesen Gründen macht eine Agena-C zuerst nur bei der Atlas Sinn. Die ursprüngliche Thor hätte die schwere Stufe gar nicht transportieren können und bei der Titan kann man sogar vergleichen: Dort wurde in der Titan 3B eine Agena D eingesetzt und bei dem Modell Titan 3A die neue Transtage: Diese Oberstufe hat den gleichen Schub wie eine Agena D, wiegt mit über 12 t Masse aber doppelt so viel. Die Nutzlast der Titan 3A lag unter der Titan 3B, weshalb sie auch nur wenige Male zur Qualifizierung der Oberstufe eingesetzt wurde. Routinemäßig wurde die Transtage nur auf der Titan 3C eingesetzt, der Version mit zwei Feststoffboostern und dreimal höherer Startmasse.

Die Thor wurde mehrfach verlängert, Feststoffbooster sorgten für eine sehr hohe Startbeschleunigung, sodass wenn die Agena nicht schon 1972 den letzten Einsatz gehabt hätte, ein Einsatz der Agena C auf weiteren Versionen der Thor möglich gewesen wäre.

Vergleich Agena C und D für LEO-Umlaufbahnen

Thor

Booster

Agena D Nutzlast

Agena C Nutzlast

Agena D Verluste

Agena D Verluste

LTT (70 t)

3 x Castor II (4,4 t)

1.550 kg

1.300 kg

1.749 m/s

1.971 m/s

LTT

9 x Castor II

2.400 kg

2.000 kg

1.353 m/s

1.727 m/s

ELT (84 t)

9 x Castor II

2.200 kg

2.100 kg

1.759 m/s

1.875 m/s

ELT

9 x Castor IV (10,5 t)

3.350 kg

3.700 kg

1.781 m/s

1.759 m/s

XLT (102 t)

9 x Castor IVB (13 t)

5.000 kg

5.400 kg

1.522 m/s

1.422 m/s

XLT (102 t)

9 x GEM-46 IVB (19 t)

6000 kg

6800 kg

1.353 m/s

1.368 m/s

Man sieht sehr deutlich: je größer die Thor ist bzw. je mehr und um so größere Booster sie als Startunterstützung hat, desto eher lohnt sich eine Agena C. Erst mit der ELT und Castor IV Boostern (entspricht der Delta 39xx Serie) hat die Agena C Variante eine höhere Nutzlast als die Agena-D Version. Erkennbar ist dies auch bei den Aufstiegsverlusten, die nun zusammenrücken. Doch als die Thor XLT mit der Delta 3914 eingeführt wurde, war die Agena längst ausgemustert.

Ein weiter Nachteil war die „Verheiratung“ der Agena mit den Satelliten des Keyhole-Programms: 223 der 416 Starts der Oberstufe transportierten diese Satelliten. Diese Satelliten wurden nur in einen LEO transportiert. Die Nutzlast einer Agena C steigt aber im, Verhältnis zum D-Modell um so stärker an, je höher die Zielgeschwindigkeit ist. Für GTO-Bahnen oder gar einen Fluchtkurs ist dies von Bedeutung. das liegt daran, dass ein erster stabiler Orbit nicht erst zu Brennschluss erreicht wird, sondern früher und sobald er erreicht ist, ist der Schub dann nicht mehr so von Bedeutung. Das zeigt die folgende Tabelle mit den Nutzlasten für einen Fluchtkurs, wobei ich diesmal nur die erste und letzte Version genommen habe:

Nutzlast für einen Fluchtkurs

Thor

Booster

Agena D Nutzlast

Agena C Nutzlast

ELT (84 t)

9 x Castor II

120 kg

360 kg

XLT (102 t)

9 x Castor IVB (13 t)

700 kg

1.000 kg

Die LTT und ELT mit weniger als 9 Boostern erreichen auch ohne Nutzlast keinen Fluchtkurs. Der Unterschied liegt nur bei 240 bis 300 kg, aber bezogen auf die Masse ist dies eine viel deutlichere Steigerung als beim LEO.

Ein weiteres technisches Poblem wäre, dass die Stufe nochmals deutlich länger geworden wäre. Für größere Nutzlasten wäre der Durchmesser der Agena von 1,54 m nicht ausreichend gewesen und würde man wie bei der Delta („Straight Eight“) die Oberstufe mit einer Nutzlastverkleidung umgeben, sodass der Durchmesser bei 2,4 m liegt, so wäre diese deutlich schwerer. Auch wenn dies nicht der Fall ist bedeutet die größere Länge auch mehr Angriffsfläche für aerodynamische Kräfte, die beim Aufstieg entstehen. Die Wandstärke der Tanks müsste größer werden. Bei meinen Simulationen habe ich dies schon berücksichtigt.

In der Summe wäre die Agena C während der realen Einsatzzeit der Agena die 1972 auf der Thor, 1978 auf der Atlas und 1987 auf der Titan endete, nur auf der Atlas sinnvoll gewesen, und dort auch primär bei Nutzlasten in höhere Umlaufbahnen. So verwundert es nicht das sie nie entwickelt wurde. Dagegen wurde die Agena D relativ problemlos mitsamt der Nutzlast von einem Träger zum nächsten verschoben, wie man beim GAMBIT-Programm sieht. Diese Fotoaufklärungssatelliten wurden zuerst auf der Atlas gestartet, als eine neue Generation deutlich schwerer wurde, wurden sie mitsamt der Agena D dann von der Titan II gestartet.

Sinnvoller wäre bei einer verdoppelten Treibstoffzuladung sicher die Hinzunahme eines zweiten Triebwerks gewesen, sowie die Vergrößerung des Durchmessers. Das hätte aber eine Umkonstruktion bedeutet, anders als beim Übergang von der Agena B zur D-Version. Dieser Aufwand wurde selbst vermeiden als die Agena für das Space Shuttle vorgeschlagen wurde, obwohl sie nur einen Bruchteil des 4,80 m durchmessenden Nutzlastraums einnahm. Hier setzte man lieber auf an der Seite angebrachte Zuisatztanks.

Agena C

Parameter

Wert

Schub:

71,2 kN

Startgewicht:

13.071 kg

Leergewicht:

1.204 kg

Länge:

8,65 m

Maximaler Durchmesser:

1,52 m

Spezifischer Impuls (Vakuum):

2.874 m/s

Triebwerk:

Bell 8096

Treibstoff:

IRFNA/UDMH

Brenndauer:

490 s

Restarts:

2, später 3

Zündung:

Pyrotechnisch

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