Die Umweltbilanz der New Shepard

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Kürzlich ist die deutsche Michaela Benthaus mit Blue Origin auf der Mission New Shepard NS37 geflogen. Da die Dame querschnittsgelähmt ist, war dies den Nachrichten eine Schlagzeile wert, ähnlich wie vor einigen Monaten der Flug von Kate Perry, ebenfalls mit Blue Origin auf der New Shepard. Was dabei untergegangen ist, war, dass auch ein zweiter, zumindest in Raumfahrtkreisen wesentlich bekannterer Deutsche, mitflog, nämlich Hans Königsmann, früherer Launch-Service-Director und Vizepräsident bei SpaceX. Er hat auch zusammen mit Michaela Benthaus trainiert und hatte nach den Nachrichten wohl auch die Aufgabe, sie im Falle eines Notfalls aus der Kapsel zu bringen. Michaela Benthaus hat diesen Trip bestimmt nicht alleine finanziert, denn sie ist angestellt als „Young Graduate Trainee“ bei der ESA und sie trug auch bei der Mission einen ESA-Anzug mit entsprechendem Emblem. Nach Wikipedia ist der Flug von Hans Königsmann finanziert worden, etwas was den Nachrichten egal war. Also mich würde es ja wurmen wenn ich jemanden ein Flugticket finanziere und das nicht mal erwähnt wird. Aber Königsmann scheint, nach dem was ich bisher so von ihm kenne, sehr bescheiden zu sein und er scheint sich auch nicht dran zu stören das sein Name seit Jahrzehnten in den USA falsch geschrieben wird als „Koenigsmann“. Ist im Zeitalter wo jedes Betriebssystem die Sonderzeichen jeder Schrift wiedergeben kann doch ziemlich provinziell.

Aber zurück zu Hans Königsmann. Er hat damit es geschafft, vor seinem Chef und wesentlich reicheren Milliardär Elon Musk ins All zu fliegen. Das verwundert etwas. Redet doch Elon Musk anders als Königsmann permanent davon, zu Mars zu fliegen und schafft es offensichtlich nicht, in einigen Jahrzehnten auch nur in den Erdorbit zu kommen. Dabei hat er eine Raumfahrtfirma, die kommerzielle Transporte in den Weltraum organisiert und durchführt. Ein Flug mit der Crew Dragon kostete Isaac Jaretman 220 Millionen Dollar. Das ist gemessen am Vermögen, das Elon Musk hat, aktuell rund 360 Milliarden Dollar, ist das ungefähr ein 1.500stel oder genauso viel, wie wenn jemand mit einem Vermögen von 10.000 Euro sich eine Pizza für 6 Euro kauft. Also kein besonders großer Betrag und einen, den Elon Musk wahrscheinlich leicht verschmerzen kann. Allein die Schwankungen im Börsenkurs von Tesla dürfen weitaus mehr täglich ausmachen, als ihn ein Raumflug mit seiner eigenen Firma kosten würde. Das nur als kleine Nebenbemerkung, weil ich diesen Menschen für einen Blender halte und die Menschen primär nach ihren Taten und nicht nach ihren Worten beurteile.

Ich komme jetzt zum Hauptthema meines heutigen Blogs, nämlich dem, dass in den Nachrichten auch erwähnt wurde, dass die Flüge von Blue Origin mit den New Shepard ökologisch sehr umstritten seien. Soweit ich weiß, geht dies auf eine Bemerkung von Ricarda Lang zurück, da ich einmal von der Deutschen Welle mit Hinweis auf diese Aussage angefragt wurde, die Kohlendioxidbilanz einer New Shepards zu berechnen. Das möchte ich jetzt hier im Blog mal öffentlich tun und mal zeigen, wie dies geht. Also, zuerst einmal braucht man die wesentlichen Daten der Rakete. Nach der Wikipedia, je nachdem, ob man in die englische oder deutsche Version schaut, beträgt die Brennzeit einer New Shepard 141 oder 146 Sekunden. Der Schub des BE3-Triebwerks der New Shepard (es gibt auch schubstärkere Versionen für die New Glenn) beträgt 490 Kilo Newton.Das nächste, was man dann noch wissen muss, ist der spezifische Impuls. Der ist zwar für das Vakuum bekannt, aber bei einem Wasserstofftriebwerk ist der am Boden sdeutlich niedriger als im Vakuum. Das RS-68 und das Space Shuttle SSME liegen im spezifischen Impuls bei jeweils 3600 Meter pro Sekunde, während das Vulkan-Triebwerk bei ungefähr 3200 Meter pro Sekunde liegt. Da der spezifische Impuls bei sinkendem Umgebungsdruck zunimmt und der Brennstoß in relativ großer Höhe stattfindet, habe ich mit einem Mittelwert von 4000 Meter pro Sekunde errechnet. Das ist ungefähr das geometrische Mittel zwischen 3600 Meter pro Sekunde und der angegebenen Vakuumgeschwindigkeit von über 4400 Meter pro Sekunde. Das Mischungsverhältnis Sauerstoff zu Wasserstoff des BE3 ist nicht bekannt. Es dürfte wie bei anderen Wasserstofftriebwerken der modernen Generation bei 5,5 zu 6 liegen. Für die Berechnung habe ich, damit ich den höheren Wasserstoffanteil bekomme, und damit auf jeden Fall nicht eine zu geringe Treibstoffmenge erhalte, 5,5 zu 1 genommen. Ebenso habe ich die höhere Brennzeit von 146 Sekunden und keine Schubreduktion angenommen.

Aufgrund dieser Daten kann man dann relativ einfach den Treibstoffanteil berechnen. Er liegt bei 17.885 Kilogramm bei der höheren Brennzeit von 146 Sekunden. (490.000 N * 146 s / 4000 m/s = 17.885 kg)

Davon entfallen auf den Wasserstoff 2.752 Kilogramm. (17.885 kg / (5.5 + 1) * 1) Der ungünstigste ökologische Fall, aber wahrscheinlich der günstigste in der Herstellung, ist das sogenannter graue Wasserstoff verwendet wird. Das ist Wasserstoff, der durch die Dampfumformung aus Erdgas oder Erdöl gewonnen wird, indem dieses mit Wasser auf sehr hohen Temperaturen erhitzt wird. Dabei wird der Kohlenstoff zu Kohlendioxid oxidiert und der Wasserstoff wird freigesetzt. Nach einer Studie wird für Wasserstoff, der so aus Erdgas so erzeugt wird, 13,3 Kilogramm Kohlendioxid pro Kilogramm erzeugten Wasserstoff freigesetzt. Multipliziert man die 2.752 Kilogramm Wasserstoff mit den 13,3 Kilogramm Kohlendioxid pro Kilogramm erzeugten Wasserstoff, so kommt man auf eine Gesamtmenge von 36.602 Kilogramm Kohlendioxid, die dieser Flug ausstößt. Da immer 6 Personen fliegen, muss man diesen Wert um die Kohlendioxidmenge pro Person zu erhalten, um den Faktor 6 teilen und kommt so auf einen Wert von 6.100 Kilogramm pro Person.

Das klingt erst einmal nach viel, aber nach dem Bundesumweltamt erzeugt ein Bundesbürger im Jahr rund 10.400 Kilogramm Kohlendioxid. Das heißt, diese Menge entspricht nicht einmal der Kohlendioxidmenge, die von einem Durchschnittsbürger emittiert wird pro Jahr. Damit man diese Fakten einordnen kann, habe ich noch einen zweiten Vergleich herausgesucht, nämlich Michaela Benthaus muss ja von ihrem Arbeitsplatz, der höchstwahrscheinlich in Deutschland liegt, erst einmal zum Startort in Texas fliegen. Fliegt man von Frankfurt nach Houston, so ist es eine Strecke von über 8.500 Kilometer, für die man bei den üblichen Linienflügen von einer ökologischen Belastung von 300 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer und Passagier, bei über 8.500 km Flugdistanz also rund 2.550 Kilogramm Kohlendioxid für die einfache Strecke emittiert. Bei Hin- und Rückflug also die doppelte Menge, rund 5.100 Kilogramm und damit nur unwesentlich weniger als der Trip ins Weltall an Kohlendioxid im ungünstigsten Fall freisetzt. Und ich bin überzeugt, dass dies nicht die einzige Flugreise ist, die die Dame und die anderen Passagiere dieses Jahr durchgeführt haben.

Natürlich muss Blue Origin diesen Wasserstoff nicht aus grauem Wasserstoff gewinnen. Wer weiß, vielleicht wollen Sie sich auch ein umweltfreundliches Image geben, auch wenn ich bisher davon nichts gehört habe. Aber es wäre eine Option für die Zukunft, Amazon als zweites Unternehmen von Bezos wirbt ja mit der Reduktion der Umweltbelastung. Dabei müssten sie nur den Lieferanten wechseln. Die Herstellungskosten für sogenannten blauen Wasserstoff, also vollständig durch Elektrolyse aus regenerativ gewonnenem Strom erzeugten Wasserstoff, liegen in Deutschland bei 5 bis 10 Euro pro Kilogramm. In den USA durften sie bei niedrigeren Strompreisen und weniger zusätzlichen Abgaben auf den Strom noch bedeutend niedriger sein. Rechnet man aber nur mit der höchsten Angabe von 10 Euro pro Kilogramm Wasserstoff, so kommt man auf eine Summe von maximal 27.520 Euro für die gesamte Füllung mit Wasserstoff. Der Sauerstoff selber kann aus Luftverflüssigung gewonnen werden und benötigt dafür relativ wenig Energie und die kann vollständig aus Strom gewonnen werden. Anders als bei der Wasserstoffgewinnung, der, wenn er nicht aus Elektrolyse stammt, aus fossilen Brennstoffen gewonnen wird. Er ist deswegen auch verhältnismäßig Billig. Großabnahmer zahlen in den USA typisch 0,2 bis 0,3 Dollar pro Kilo LOX aber 2 bzw. 7 Dollar für grauen/blauen Wasserstoff pro Kilogramm.

Rund 30.000 Euro für den Treibstoff sind natürlich gemessen an dem Startpreis eine Klacks. Wie viel ein Flug mit der Blue Origin New Shepard kostet, weiß man heute nicht. Als die Rakete angekündigt wurde, war von 100.000 Dollar pro Sitz die Rede. Diese Zahlen scheinen aber schon lange nicht mehr zu gelten. Verschiedene Zahlen, die im Netz kursieren, gehen von mehreren Millionen pro Flug aus und wohlgemerkt pro Sitzplatz. Die Obergrenze durften 28 Millionen sein, die eine Auktion ergab für einen Sitzplatz. Was man weiß, ist, dass heute eine Anzahlung von 150.000 US-Dollar nur für eine Reservierung eines Sitzes verlangt wird. Damit ist natürlich nicht der Flug abgedeckt, sondern nur eine Reservierung. Wenn ich meine täglichen Erfahrung nehme: wenn ich etwas Teures kaufe, dann muss ich üblicherweise 10% des Preises anzahlen. Wenn dies auch bei der Blue Origin Reservierung gilt, dann würde ein Sitzplatz 1,5 Millionen Dollar kosten und der ganze Flug 9 Millionen Dollar. Da wären unter 30.000 Dollar für die Treibstoffe ein wirklicher Klacks. Das wäre nicht einmal 1 % des gesamten Startpreises. Selbst bei herkömmlichen Raketen, die in den Orbit starten, macht der Treibstoff üblicherweise 1-3% des Startpreises aus. Blue Origin könnte sich es also problemlos leisten, den gesamten Wasserstoff aus regenerativem Strom zu gewinnen und mit „blauem Wasserstoff“ werben, ohne dass sie ihre Sitzplätze wesentlich verteuern müssten. Maximal 5.000 Dollar würde ein Sitz mehr kosten, was bei 1,5 Millionen pro Sitz natürlich eine Kleinigkeit ist. In jedem Fall kann man die Mär von der umweltbelastenden Orbital-Tourismus nicht mehr aufrechterhalten. Zumal man davon ausgehen kann, dass die Klientel, die sich 1,5 Millionen Dollar für einen Sitzplatz leisten können, auch sehr viel fliegen und dies wahrscheinlich nicht mehr mit Linie machen, sondern mit einem eigenen Flugzeug, das dann noch viel mehr Treibhausgase ausstößt als dieser kleine Trip. Ja, gemessen an den Ausgaben, 9 Millionen Dollar für einen kleinen Trip, ist die Umweltbilanz sehr gut, denn es werden ja nur ungefähr 37 Tonnen Kohlendioxid ausgestoßen und dies bei einem finanziellen Aufwand von 9 Millionen Dollar.

Zuletzt noch zu den Medien. Das ein Politiker Unsinn redet ist ja nichts Neues. Manche wie Poltiker einer Alternativen Partei oder Fleisch-Essen-Blogger stechen hier sogar hervor. Aber wenn ich dies in „Heute“ oder der „Tagesschau“ sehe, dann kann ich doch erwarten das man diese Aussage nicht einfach so wiedergibt, sondern überprüft und wenn man meint sie wiedergeben zu müssen sie auch richtigstellt.

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