Alternativen zur Rundtour im Sonnensystem

Als im Januar 1986 die Challenger über dem Kennedy Space Center explodierte stand auch die US-Raumfahrt still. Es gab nur noch wenige Trägerraketen, und es dauerte Jahre bis wieder neue gebaut waren. für die meisten Nutzlasten gab es eine Lösung. Ihr Start verschob sich oder sie mussten auf eine andere Trägerrakete umziehen. Doch eine hatte es schwer erwischt: Galileo.

Galileo wurde entworfen, als man das Space Shuttle plante und er war an der Nutzlastgrenze des Shuttles. Nur die beiden modernsten Shuttles hätten überhaupt die Galileo-Centaur Kombination transportieren können. Wegen Finanzierungsproblemen der Shuttle-Version der Centaur hat man sogar mehrmals andere Startoptionen erwogen auf die man später zurückgriff.

Galileo startete bekanntlich mit einer VEEGA-Trajektorie: Einem Venus und zwei Erdorbeiflügen. Eine IUS brachte den 2,2 t schweren Orbiter zuerst auf einen Venus Kurs, dann holte er durch drei Swing-Bys Schwung. Das ganze bedeutete eine Reise zum Jupiter über 5 Jahre anstatt rund 2 Jahren und es verteuerte die Mission. Schon vorher hatte man eine Reihe von Möglichkeiten erwogen die Mission anders durchführen zu können. Ich will heute mal diese diskutieren.

Die Fakten

  • Galileo besteht aus dem Orbiter und der Atmosphärenprobe
  • Der gebaute Orbiter wiegt 1884 kg, davon brauchte er 321 kg Treibstoff für den Umweg durch die interplanetare Reise für diverse Kurskorrekturen. Weitere 40 kg für ein Ausweichmanöver nach Abtrennung der Atmosphärensonde. Zum Orbiter käme noch der Adapter zur Oberstufe der bei der IUS 165 kg wog.
  • Die Atmosphärensonde wiegt weitere 339 kg.
  • Als einzige US-Trägerrakete hätte die Titan in etwa die Nutzlast um Galileo starten zu können. Eingeführt war 1986 die Titan 34D, sie sollte bald von der Titan 4 abgelöst werden.
  • Für einen Orbit zum Jupiter braucht man mindestens 14150 m/s. Damit man unabhängiger ist sollte man die Fähigkeit haben leichte Abweichungen der Bahnebene auszugleichen, Ziel wäre dafür eine Geschwindigkeit von 14,3 km/s relativ zur Erdoberfläche.

Die erste denkbare Möglichkeit wäre ein Start mit einer Titan 34. Weder mit den beiden Standardoberstufen Transtage noch IUS wäre Galileo startbar gewesen. Die Nutzlast liegt bei nur wenigen Hundert Kilo für diesen Jupitertransferorbit.

  • Fall 1: Ersatz der Transtage durch eine Centaur D. Diese würde mit 1859 kg Nutzlast den Orbiter transportieren können. Er wäre ja dann um die 40 kg und 321 kg Treibstoff leichter. Die Atmosphärensonde hätte man separat starten müssen. Dazu müsste man einen Bus oder etwas ähnliches konstruieren um kleine Kurskorrekturen unterwegs durchzuführen und auch die Batterien mit Strom zu versorgen. Diese Lösung gab es schon vorher und wurde von der NASA verworfen.
  • Fall 2: die Centaur D kommt zur Transtage hinzu. Dies bringt wenig und erhöht die Nutzlast auf 1904 kg und wahrscheinlich ist die Transtage für solch schweren Nutzlasten nicht ausgelegt.

Es reicht also knapp, aber nicht ganz. Daher ist die sinnvollste Möglichkeit der Erweiterung eine weitere Oberstufe. Eine feste Oberstufe wurde schon bei Voyager 1+2 ebenfalls auf der Titan-Centaur eingesetzt. Eine solche Oberstufe bringt nicht automatisch etwas. Zum einen reduziert sie die Leermasse die transportiert werden muss und die bei der Centaur 1860 kg beträgt. Zum anderen ist der spezifische Impuls viel geringer als die der Centaur. Vom Gefühl her würde ich sagen: eine kleine Oberstufe bringt etwas, zu schwer darf sie nicht sein. Daher habe ich zwei verbreitete Oberstufen damaligen der Zeit mal getestet, das eine ist die Burner 2 mit dem Star 37 Antrieb, die zweite ist das PAM-D mit dem Star 48 Antrieb.  Es zeigt sich, das die kleinere Star 37 etwas effektiver ist. Sie erhöht die Nutzlast auf 1984 kg, die PAM-D nur auf 1937 kg. Nun kann man mit dem spitzen Stuft rechnen:

Galileo Orbiter – Kurskorrektur VEEGA-Tour + Atmosphärensonde: wiegen zusammen 1902 kg. Das lässt wenig Spielraum für den Adapter zur Stufe. Nimmt man den von Voyager so sind es 1853 kg Nutzlast der Titan 34-Centaur-Star 37 Kombination. Es fehlen also genau 50 kg. Etwas könnte der Übergang von einer dreiachsenstabilsierten Plattform beim Star 37 zu der normalen Burner 2 bringen die durch schnelle Rotation stabilisiert ist. Doch nicht die vollen 50 kg.

Doch da gibt es noch eine zweite Möglichkeit: Galileo kann die 321 kg Treibstoff, die man wegegelassen hat ja aufnehmen und direkt nach dem Start verbrennen. Das erhöht die Trockenmasse um kein Kilo, reduziert die Geschwindigkeit die man erreichen muss. Bei dem spezifischen Impuls von 3098 m/s des S400-1 Triebwerks würde dies die Sonde um 473 m/s beschleunigen, entsprechend die Zielgeschwindigkeit auf 13830 m/s reduzieren. Entsprechend die Nutzlast für die Kombination mit Star 37 auf 2267 kg, deutlich mehr als die Sonde wiegen würde (2223 kg). Das würde also reichen

… aber nur wenn das Triebwerk in Erdnähe gezündet wird und so die Gravitationssenke der Erde ausnutzen würde. Das ist doch sehr unwahrscheinlich, es müsste praktisch nach der Abtrennung sofort arbeiten. das wird man ohne vorherigen Check der Sonde und Kontrolle der Ausrichtung nicht machen.

In der Summe: es reicht knapp nicht, außer man kann noch etwas Gewicht einsparen z.B. etwas weniger Treibstoff zutanken. Eine zweite Möglich ist der Einsatz der moderneren Centaur D-1A der Atlas G/H, die 160 kg trocken weniger wiegt., Damit reicht die Kombination Titan 34D + Centaur D-1A + Star 37 aus um 1968 kg zu befördern, Galileo würde ohne den Treibstoff für die VEEGA Tour 1902 kg wiegen.

Damit gibt es eine Lösung. Die erst später verfügbare Titan 401 würde es übrigens nicht richten. Ihre Centaur G hat ein um 1 t höheres Trockengewicht, das kann durch die anderen Leistungssteigerungsmaßnahmen nicht kompensiert werden, nur die letzte Version der Titan die 401B wäre leistungsfähig genug.

Was gäbe es noch an Alternativen? Eigentlich ist die verwendete IUS nur für einen Venustrip schon etwas zu leistungsfähig. Sie hätte 655 kg mehr Nutzlast befördern können. Dies kann genutzt werden um einen kleinen Feststoffantrieb mitzuführen. Ein Star 30C/BP wiegt z. B. 631 kg und hat einen Gesamtimpuls von 1,7 MN, genug um die Raumsonde um 700 m/s zu beschleunigen.

Wozu dies? Nun eigentlich reichen unter optimalen Anfluggeometrien zwei Vorbeiflüge an den erdnahen Planeten aus um zu Jupiter zu gelangen, so z.B. bei Cassini. Galileo bekam von der Venus 2,23 km/s bei den beiden Erdvorbeiflügen 3,1 und 3,7 km/s. Aufgrund des Energieerhaltungssatzes wirkt sich eine Steigerung der Energie in einer Gravitationsmulde (nächster Punkt zur Erde) stärker aus als fern der Erde. Hätte man den Venusvorbeiflug weggelassen und beim ersten Vorbeiflug an der erde dieses Feststofftriebwerk gezündet, so hätte die Sonde nicht 3,1 sondern 5,1 km/s an Geschwindigkeit gewonnen – also fast so viel wie der Venusvorbeiflug lieferte. Somit hätte man das Verbleiben auf der interplanetaren Bahn verkürzen können.

Was folgt: Galileo hätte rund drei Jahre früher bei Jupiter ankommen können, abhängig vom Starttermin. Es wäre auch billiger gewesen. Galileo verschlang in acht Jahren 462 Millionen Dollar an Kosten und war über fünf Jahre in der interplanetaren Reise. Setzt man die Missionskosten nur mit 30 Millionen Dollar pro Jahr an, so hätte man damit den Start mit der Titan schon zu zwei dritteln finanziert. Würde die NASA „ehrlich“ rechnen nämlich die wahren Kosten des Shuttles, die damals bei etwa 280 bis 322 Millionen Dollar ohne Oberstufe lagen, so hätte man sogar deutlich gespart (die NASA gab kurz vor dem Challenger Unglück die Mietkosten für die komplette Nutzlastbucht mit 71,4 Millionen Dollar an, doch dies war ein subventionierter Preis, die wahren Kosten waren deutlich höher).

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