Die Marskolonisation Teil 3

So, die Arbeit für den Kunden ist fast abgeschlossen, das heißt, ab nächster Woche gibt es wieder öfters einen Blog. Die beiden ersten Beiträge zur Marskolonisation haben ja eine rege Diskussion ausgelöst. Ich habe mich weitestgehend rausgehalten, weil ich diesen Teil der sich mit den Kosten der Marskolonisation beschäftigt, ja schon in Planung hatte und vieles fällt da rein.

Fangen wir mal mit der landwirtschaftlich genutzten Fläche und der Art der Versorgung an. Als Erstes gehe ich davon aus, das eine Marskolonie autark ist. Elon Musk nennt als Grund ja auch einen dritten Weltkrieg und bei nötigen Zulieferungen wäre da die Kolonie genauso betroffen wie die Erde. Das Zweite ist das die Leute dort wenn sie schon 100.000 Dollar für ein Ticket bezahlen (wahrscheinlich mehr) genauso leben wollen wie auf der Erde, also mit einem ähnlichen Lebensstandard und ähnlicher Auswahl bei der Nahrung. Auf 12,6 m² kann man vielleicht Algen anbauen, die haben einen kurzen Vegetationszyklus, aber mit dem was wir konsumieren wie Getreide, Kartoffeln, Obst und Gemüse geht das nicht. Untersuchungen ergeben das 2000 m² das Minimum an Fläche beim Mars ist, das man braucht.

Andere Untersuchungen veranschlagen bis zu 8000 m² pro Person. Wir haben bei uns schon kaum noch steigerbare Erträge pro Hektar, etwas besser sieht es noch in Ländern aus, wo es keinen Winter gibt, es aber auch nicht zu heiß ist, denn dann sinken die Erträge schon wieder. Wenn man mit mehr Licht und Hitze die Erträge steigern könnte, würde man bei uns am Äquator Getreide anbauen und nicht Palmöl. Noch mehr Fläche braucht Gemüse und Obst. Fleisch oder auch nur Milch und Hühner brauchen Futtermittel und dann steigt der Flächenbedarf enorm, weil von dem Energiegehalt der Futtermittel typisch nur ein Fünftel, bis ein Achtel im Fleisch landet. In der EU reicht die Fläche nicht aus, um die Bevölkerung autonom zu versorgen. Man ist auf den Import von Futtermitteln angewiesen.

Intensivwirtschaft mit künstlicher Beleuchtung und Heizung betreibt man bei uns nur bei teuren Produkten wie Gemüse und Obst oder wenn man die Wärme durch Geothermie umsonst hat. Vor allem künstliche Beleuchtung ist ein dummer Gedanke. Zum einen muss ich den Strom für die Lampen mit Verlust erzeugen, dann haben selbst LED nur einen Wirkungsgrad von 20%, wenn man dann Solarzellen zur Stromversorgung nimmt, die auch nur 20 bis 25% Wirkungsgrad haben, dann bekomme ich nur 4-5 der Energie des Sonnenlichts als Nutzlicht, anstatt das ich es direkt nutze, notfalls durch Spiegel verstärkt. Billiger als Solarzellen ist das allemal.

Vor allem sind Pflanzen nicht besonders effizient. Bei Landpflanzen ist Chinaschilf derzeit eine der Pflanzen mit dem höchsten Ertrag an Biomasse: Nach Wikipedia 2,5 g pro Megajoule absorbierter Energie. Da der Heizwert 18,5 KJ/g beträgt entspricht das 0,046 MJ, also ein Wirkungsgrad von 4,6%. So macht die Beleuchtung als noch weniger Sinn.

Da bin ich schon beim heutigen Thema: den Kosten. Um es vorwegzunehmen: Ich nehme Elon Musk beim Wort. Fans von ihm haben da ja den Ansatz, dass sie nur das glauben, was ihnen in den Kram passt und wenn er so was raushaut, dann heißt es „Das darf man nicht so ernst nehmen“. Vielleicht sollte ich es auch mal so machen: Pläne für die Marskolonisation muss man ernst nehmen. Wiederverwendungsvorhaben sind dagegen lustige Geschichten. Dazu würden die großartigen Ankündigungen von Einsparungen (80 % des Herstellungspreises) und nun 10% als Ergebnis gut passen.

Elon Musk verspricht 100.000 bis 200.000 Dollar als Ticketpreis am Ende der Marskolonisation. Das ist doch eine angenehme Summe. So viel kostet auch eine Eigentumswohnung und die können sich bei uns Millionen leisten. Statt einer Eigentumswohnung zum Mars auswandern, das wäre es doch. Doch selbst wenn das so klappen würde, dann wäre das wohl der Preis für das Ticket. Denn ich denke Musk hat einfach für seinen Marstransporter den Ticketpreis hochgerechnet von der Luftfahrt: Extrapoliert man vom Treibstoffanteil am Ticketpreis bei Flugzeugen auf die Startmasse der Rakete und ihrer Besatzung, so kommt man auf die 100,000 Dollar pro Ticket.

Umzug zum Mars

Nur bleibt es ja nicht dabei. Man wird nicht nur Personen mit einigen Kilogramm Gepäck zum Mars transportieren müssen, sondern eine ganze Wohnung und die ganze Arbeitsstätte. Würde man, wenn man nach Australien auswandert, sein Haus in Teilen verpackt per Luftfracht nach Sydney transportieren, eine Ausreise wäre genauso unbezahlbar wie eine Marslandung. Nun gilt das wohl für die Endphase, wenn die Kolonie schon ausgebaut ist und man vieles vor Ort herstellen kann. Immerhin: Selbst Shotwell meint, das man die Iphones und Kommunikationssatelliten, von der Erde transportiert. So wird das Leben aber teuer. Rechnet man für den Transport von 200 kg (Person mit Gepäck) zum Mars mit 100.000 Dollar, dann kostet ein verpacktes iPhone alleine 5.000 Dollar für den Transport. Das Leben wird dort teuer, auch weil man 100% regenerative Energien oder Atomenergie nutzen muss. Deutschland hat einen Gesamtenergieverbrauch von 13.500 PJ, das sind rund 160.000 MJ pro Person. Mit den niedrigen Temperaturen und der Forderung für die Landwirtschaft große Flächen zu heizen wird es eher mehr sein. Auf dem Mars gibt es keine fossilen Energieträger, am sinnvollsten wird man also Strom nutzen, der entweder aus Kernkraftwerken stammt oder solarelektrisch gewonnen wird. Mangels Wasser und wind scheiden Wasserkraftwerke und Windkraftwerke aus. Die 160.000 MJ entsprechen rund 45.000 kWh, die, selbst wenn man die Steuern und Abgaben abzieht, die heute auf dem Strom liegen dann rund 6750 Euro pro Jahr kosten. Energie ist also teuer und ohne Kernkraftwerke wird es nicht gehen. Für diesen Energieverbrauch bräuchte die Kolonie 5 Kernkraftwerke der 1 GWatt-Klasse. Hinkley Point, das letzte in der EU gebaute Kernkraftwerk kostet bei 3260 MW Leistung 27,6 Milliarden Euro, d.h. alleine die Kraftwerke für die Kolonie kosten 43 Milliarden Euro oder 43.000 Euro pro Person, auch wenn dann der Strom vergleichsweise billig ist. Dafür braucht man dann mehr was die Einsparung wieder zunichte macht.

Produktkosten

Das ist aber noch nicht alles. Nicht alles kann man mit Strom machen. Man wird Kunststoffe brauchen, auch wenn die Gesellschaft wohl Abwärme zum Heizen nutzen kann und Autos elektrisch arbeiten (die Kolonie ist klein). Bestimmte Metalle kann man nur gewinnen, wenn man den Sauerstoff durch reduzierende Substanzen bindet, z.B. Kohle bei der Eisenverhütung.

Nun gibt es zwar Prozesse um aus Kohlendioxid und Wasser Kohlenstoff oder Methan herzustellen (Bosch- oder Sabatierprozess) doch die haben einen Wirkungsgrad von maximal 38%. Das erzeugte Synthesegas kann man dann für die Fischer-Tropsch Synthese nehmen, dabei kommen niedere Alkane heraus, die dann wieder die Grundlage für die Petroindustrie sind. Doch auch die hat einen maximalen Wirkungsgrad von 41%. Kurzum so landen nur 16% der Primärenergie in Form von Kohlenwasserstoffen. Bei 15 ct/Kwh kostet so ein Kilogramm Alkane in der Herstellung rund 37 Euro, ein Kilogramm Kohle immerhin noch 3,17 Euro. Das Grundproblem: Dieser Preis schlägt dann durch die Kette der Produkte durch. Überall braucht man Energie zur Herstellung, und wenn man diese nicht elektrisch bereitstellen kann, dann wird es teurer. Eine ungefähre Vorstellung erhält man, wenn man in Grönland Gemüse und Obst kauft, das dort nicht wächst und importiert werden muss. Nebenbei stimmt so übrigens auch nicht die Rechnung für den Ticketpreis, denn auch Methan und Sauerstoff für den Rückflug des Transporters kosten so in der Herstellung rund 5 Euro/kg. Bei der Falcon 9 kostet ein Kilogramm Treibstoff dagegen rund 0,33 Euro.

Marskolonisation für Reiche

Unabhängig wird die Kolonie nicht sein. Selbst wenn man Güter ausblendet, die die Kolonie mangels Bevölkerungszahl nicht selbst herstellen kann, weil man zu viele Personen für die ganze Produktkette braucht, so bleiben immer noch Stoffe, die es zwar auf dem Mars gibt, aber nicht in unmittelbarer Nähe. Das sind z.B. Metalle wie seltene Erden, aber auch das Uran für die Kernreaktoren. Sie werden auf dem Mars genauso ungleichmäßig verteilt sein wie auf der Erde, nur lohnt es sich dort kaum, eine Produktion einige Tausend Kilometer von der Kolonie entfernt aufzubauen. Über diese Distanz muss man alles transportieren, was man dort zum Leben aber auch gewinnen braucht und dann braucht man noch ein Transportnetz über diese Distanz in einem Planeten ohne Straßen und ohne Tankstellen. Der laufende Transport vieler Güter und Rohstoffe von der Erde macht diese extrem teuer und so auch das Leben auf dem Mars. Kurzum: Selbst wenn ein Ticket nur 100.000 Dollar kostet, so kann man leicht davon ausgehen das im Jahr noch ein weiterer fünfstelliger Betrag dazukommt für die Lebenshaltungskosten auf dem Mars. Dabei sehe ich keine Verdienstmöglichkeiten dort. Die Kolonie kann viel importieren, doch was kann sie exportieren? So wird das wohl darauf hinauslaufen, dass dort Superreiche leben, denen diese Kosten nichts ausmachen und die dann es sich leisten, können auch einige Angestellte zu bezahlen, die für sie arbeiten.

Das leitet mich zum letzten Punkt bei der Marskolonisation über: Wie wahrscheinlich ist das? Zuerst einmal sind historisch betrachtet immer die Transportkosten gesunken. 1982 kostete ein Ariane 5 Start 47 Millionen Dollar bei 1800 kg Nutzlast. 2020 wird die Ariane 6 90 Millionen Euro (mit in etwa gleichem Wechselkurs wie damals zum Dollar) bei 10.500 kg Nutzlast kosten: doppelter Preis aber sechsfache Nutzlast. Nimmt man konservative 3% Inflation an (in den Achtzigern und frühen Neunzigern lag sie bei 5-6%, seitdem ist sie gefallen auf unter 1%) dann ist der Start sogar um den Faktor 10 billiger geworden – pro Kilogramm Nutzlast gerechnet.

Wann immer jemand aber enorme Sprünge prognostiziert hat sich das als falsch erwiesen. Das war beim Space Shuttle so und auch bei Musks Wiederverwendung: Die bringt mal gerade 10% Startpreiseinsparungen – sogar noch weniger als die 20-30%, die ich geschätzt habe. Andere rechnen sogar mit 40%. Dazu kommt die Kapsel. Beim CRS Programm ist SpaceX 17% billiger als Boeing. Für die Marskolonisation müsste er eine 20-mal größere Rakete mit Raumschiff für ein Sechstel des Preises den heute eine Falcon 9 kostet bauen, wenn man die Dragon mitrechnet sogar für ein Zwanzigstel.

Also wenn Tesla den ersten PKW rausbringt, der ein Zwanzigstel eines anderen Elektroautos kostet, dann würde ich das Märchen der Marskolonisation glauben, doch solange nicht. Denn das ist einfacher zu bewerkstelligen als die Technologie, die er für die Marsmission skizziert. Dafür gibt es heute schon alles, man muss nur noch den Preis drücken. Als 1997 Zubrin meinte man könnte für 8 Milliarden Dollar auf dem Mars landen, hielten das alle für utopisch. Aber Musks Trip ist noch 800-mal billiger und kostet nur 10 Millionen pro Flug (100 Personen x 100.000 Dollar). Wie heißt es so schön: Es gibt Lügen, verdammte Lügen und es gibt Elon Musk…

10 thoughts on “Die Marskolonisation Teil 3

  1. Noch utopischer werden die genannten Ticketpreise, wenn man berücksichtigt daß pro Person für einen monatelangen Flug auch eine Menge Verpflegung gebraucht wird. Die wiegt dann deutlich mehr als der Passagier.

  2. Bestimmt können bis dahin Menschen bei Bedarf in Tiefschlaf versetzt werden. Dann brauchen die Paxen auch kaum Platz, kaum Verpflegung, kein Entertainment unterwegs … und wachen frisch und fit auf dem Mars wieder auf.

    Man (oder Elon Musk) muss es halt nur erfinden … :-;

  3. Wenn man zur Rohstoffversorgung auf dem Mars dort einen Asteroiden (mit > 50% Wassereis) von z.B. 1000 Tonnen am Äquator hart landen will (im Stück, oder in Teilen), wieviel von dem Asteroiden kommt nutzbar an; und was passiert mit der Umgebung der Aufschlagstelle?

    Gewächshäuser, die für die Nahrungsmittelproduktion auf Spiegel angewiesen sind, dürften zusätzlichen Staub und Erdstöße übel nehmen.
    Andererseits braucht man für den Transport zum Asteroiden ein Transportmittel z.B. eine elektrische Eisenbahn.

  4. Kleine Ergänzung meinerseits:

    Die 8 Mrd. Variante bei Zubrin hätte afaik. existierender Technologie bedarft aka. die Wiederbelebung der Energija Produktionslinie. (Oder eine Variante wo zig. Deltas hätten fliegen müssen.)

    Die Hauptvariante, mit brand neuer extra gebauter Marsrakete, lag bei 30 Mrd.

  5. Ich kenne keinen Asteroiden mit 50% Wasseranteil in erreichbarer Nähe von Mars. Die findet man bei oder jenseits Jupiter.

    Zur Kostenabschätzung: 100.000 $/Ticket x 1 Million Menschen = 100 Milliarden Dollar. Zubrin hat sein Konzept Mitte der Neunziger veröffentlicht. Man kann schon alleine wegen der Inflation den Preis verdoppeln. Damit schafft Musk mit 40 Millarden Dollar mehr nicht nur 6 sondern 1 Million Personen in 10.000 anstatt 4 Flügen zum Mars.

  6. Wobei ja Zubrins auf Shuttle Technologie basierende Rakete im Prinzip ja auch nichts Neues war. (Ähnliche Pläne gab es schon in den 70ern.)

    Einzig allein sein „Direkt Flug“ Plan und die Treibstofferzeugung auf den Mars waren afaik. neu. (Und bis heute nicht via Roboter Mission überhaupt getestet wurde, ob das ganze überhaupt so klappen kann..)

  7. Hallo zusammen,

    Ich kann da Bernd Leitenberger nur zustimmen, ABER in einem Punkt möchte ich ihm widersprechen bzw. bin ich anderer Meinung. Es wird bei einer Erdpopulation von 7 Mrd. Menschen vermutlich genug verrückte Menschen geben die auch ohne hohen Lebensstandard dazu bereit währen. Auch die Jungs und Mädels von der Mayflower hatten in der Niederlande ein besseres Leben als in Neuengland. Aber sie hatten Bock auf was neues auch wenn es gefährlich und unbequem war.

    cya

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