Small Nukes oder Riesenträger?

Nach zwei Jahrzehnten der nuklearen Abrüstung wird wieder aufgerüstet. Die USA haben angekündigt, neue Atomsprengköpfe, sogenannte „Small nukes“ zu entwickeln. Laut Trump wären die bisherigen Atomsprengköpfe nutzlos, weil sie so stark wären, das keiner sie einsetzen will. Bisher gab es nach Nagasaki keinen Einsatz von Nuklearwaffen, nicht mal im Koreakrieg als General McArthur die „Bombe“ forderte und die USA noch die einzigen waren, die einsatzbereite Atomwaffen hatten. Damals mussten sie also keinen Gegenschlag befürchten. Truman scheute davor zurück, auch wenn ich denke, dass er nicht als Massenmörder in die Geschichte eingehen wollte (was ihn trotzdem nicht hinderte Atomwaffen in Japan und Flächenbombardements in Nordkorea durchzuführen, die ja auch jede Menge Zivilisten töteten). Später gab es das Gleichgewicht des Schreckens, im Amerikanischen so treffend MAD genannt nach der Abkürzung von Mutual Assured Destruction.

Man hat ja schon „kleine“ Atomwaffen entwickelt, im Fachjargon taktische Atomwaffen. Taktisch meint sie sollen regional wie Artillerie eingesetzt werden und in den 50-er Jahren gab es tatsächlich Artilleriegeschütze die Atomwaffen verschießen konnten. Das kleinste was zur Einsatzreife gebracht wurde, war die Davy Crockett mit nur 10 bis 20 t Sprengkraft und einer Reichweite von nur 2 bis 4 km. Die Sprengkraft klingt nach wenig, eine B-52 kann mehr Sprengkraft tragen. Doch trotzdem sind diese Small-Nukes nicht ungefährlich. Die Sprengkraft bezieht sich ja nur auf die Wirkung durch Druckwelle und Temperatur, ich vermute, die Strahlenbelastung wird überproportional größer, vergleichen mit einem 1.000 oder 10.000 mal größeren Sprengkopf sein. Vor allem wird es eine Eskalation kommen. Ich glaube, dass wenn mal eine Atombombe eingesetzt wird, dann ist es egal, wie hoch ihre Sprengkraft ist, dann ist ein Damm gebrochen. Dann fällt der Einsatz des Gegners ebenfalls nuklear nicht schwer, zumal wenn die USA eine Atombombe einsetzen würden, dies wohl gegen Regimes wie Iran oder Nordkorea tun würden, wo man nicht lange über eine Reaktion nachdenkt.

Zuletzt sind die Small-Nukes, gar nicht so Small. Als taktische Atomwaffen, das ist die offizielle Bezeichnung, laufen alle Sprengkörper von 0,1 bis 100 kt Sprengkraft. 100 kt sind aber schon 7 bis 8-mal größer als die Hiroshimabombe und die tötete 100.000 Menschen.

In Russland wird auch aufgerüstet. Der Schritt verwundert mich aber. Russland hat ja bei seinen Raketen eine andere technische Richtung als die USA. Die USA sind ab Mitte der Sechziger Jahre von Raketen mit flüssigen Treibstoffen auf feste Treibstoffe umgestiegen. Das fing an mit den ersten U-Boot gestützten Raketen wie Polaris, bei denen die Vorteile offensichtlich sind – kein schwappender Treibstoff, keine Gesundheitsgefahr bei Lecks, kleineres Volumen der Rakete durch höhere Treibstoffdichte. Es folgten die landgestützten Raketen wie Minuteman I-III und Peacekeeper. Russland hat lange, bis Mitte der Achtziger Jahre Raketen mit flüssigen Treibstoffen neu entwickelt. Doch dann schien Russland auch zu wechseln. Die SS-20 war die erste Mittelstreckenwaffe, die nur mit festen Treibstoffen arbeitete, es folgten ICBM wie die RS-12 Topol und RS-24. Die letzte mit flüssigen Treibstoffen angetriebene Rakete, die Mitte der Achtziger stationierte RS-36M wird nach und nach ausgemustert. Die ausgemusterten RS-36M werden als Dnepr Trägerrakete genutzt. Ganz trennen will man sich aber nicht von ihnen, denn sie sind viel größer als die kleinen Feststoffraketen. Nach offiziellen Angaben tragen die 46 verbliebenen Raketen 460 Sprengköpfe, die anderen 240 einsatzbereiten Feststoff-ICBM aber nur 516 Sprengköpfe, also durchschnittlich 10 zu 2 Sprengköpfe pro Rakete.

Wahrscheinlich ist das der Grund warum man nun erneut eine ICBM mit flüssigen Treibstoffen entwickelt, offensichtlich sind die Sprengköpfe schwerer und will man viele MIRV unterbringen so braucht man eine große Rakete.

Ich habe als in den Nachrichten ein Video des Teststarts kam, versucht herauszubringen was das für eine Rakete ist. Aber hier scheint die Propaganda zugeschlagen zu haben. Schon deutsche und englische Wikipedia differieren. Wiegt die RS-28 Sarmat nach der deutschen Wikipedia 100 t, so sind es bei der englischen 220 t. Damit ist sie etwas schwerer als die RS-36M, die 211 t wog. Die in der englischen Wikipedia angegebene Nutzlast von 10 t und die Sprengkraft von 50 MT sind aber irreal. Die RS-36M hat schon Triebwerke mit hohem spezifischen Impuls. Da noch mehr rauszuholen klappt kaum. Man kann noch etwas die Leermasse senken, die relativ hoch ist. Doch die RS-36M transportierte maximal einen 20 MT Sprengkopf, was etwa 4 t Nutzlast entspricht, also etwas mehr als in einen Orbit befördert wird – das Verhältnis gibt es auch bei anderen ICBM und das ergibt sich daraus, dass um interkontinentale Reichweiten zu erreichen man fast Orbitalgeschwindigkeit erreichen muss. Bei 220 t Startmasse läge dann die Nutzlast für einen Orbit bei 8 t und das erreicht man garantiert nicht. Erst recht nicht mit 100 t Startmasse. Auch die anderen Spekulationen wie Flug über den Südpol halte ich für unfundiert. Die Russen haben das in den Sechzigern erprobt, als die Frühwarnung noch aus Radarstationen in Grönland, Alaska und Kanada bestand – der kürzeste Weg für eine ICBM von Russland in die USA ist über den Nordpol. Seit es Frühwarnsatelliten gibt, die eine Rakete schon beim Start wahrnehmen, ist diese Strategie obsolet, kostet nur 20 % Nutzlast und verlängert die Warnzeit von 20 Minuten auf 80 Minuten.

Trotzdem übernehmen es auch auf das Thema spezialisierte Websites wie Globalsecurity.org. Auch hier die Angabe man könne 10 t über die Antarktis schicken – 10 t über die Antarktis sind gleichbedeutend mit 10 t in einen Orbit, eher 11-12 t, denn man erreicht einen Orbit und muss diesen vor einem Umlauf zu verlassen. Die Rakete hätte dann trotz polarer Umlaufbahn ein besseres Nutzlastverhältnis als SpaceX Falcon 9 die 22,8 t bei 550 t Startmasse befördert und das mit höherenergetischen Treibstoffen und hervorragenden Strukturfaktoren (die man bei einer Rakete die korrosive Treibstoffe hat und die dauernd betankt bleibt nie erreichen kann). Mein Tipp: 5 t wären wahrscheinlich.

Mein Gedanke: Russland hat nach wie vor nicht die Fähigkeit, so kleine und leichte Sprengköpfe zu bauen wie die USA. Die Angabe von 15 Sprengköpfen à 350 kT ist daher viel sinnvoller. Damit kann eine dieser Raketen rund 7 der Feststoffraketen mit nur 1 – 4 Sprengköpfen ersetzen. Völlig blödsinnig ist es einen 50 MT Sprengkopf zu transportieren – selbst wenn es in der Realität vielleicht 25 MT sind, die Zeit dieser Riesen ist vorbei. Sie bringen keinen Vorteil. Militärbasen kann man mit den kleineren Sprengköpfen ohne Problem zerstören – 450 kt sind ja schon 20-mal mehr als eine Hiroshimabombe die Quadratkilometer verwüstet. So riesige Sprengköpfe würden nur Sinn machen, wenn man die Zivilbevölkerung auslöschen möchte. Klar mit einem Sprengkopf kann man dann ein Ballungsgebiet wie Los Angeles, San Francisco oder New York bis in die Außenbezirke auslöschen.

Ich sehe in der neuen Rakete aber eher ein Symbol der Schwäche als der Stärke, genauso wie in den Small Nukes. Wer meint, dass er politische Probleme militärisch lösen kann zeigt nur seine eigene Inkompetenz. Zuletzt sollten beide Nationen mal nachdenken: Trotz Atomwaffen haben USA und Russland alle Kriege seit dem Zweiten Weltkrieg verloren, zumindest wenn man es am Ziel misst. Würde mir zu denken geben. Ich glaube aber nicht das Putin und Trump als Testosterongesteuerte viel denken.

8 thoughts on “Small Nukes oder Riesenträger?

  1. Hallo Bernd:

    Donald Trump meint wohl, ein „kleiner nuklearer Nahkampf mit den Russkis“ wäre möglich.

    Die Welt wurde von Weltkrieg 3 bis 4 verschont, weil jeder vor dem roten Knopf des Gegners hatte.
    Diese Kriege liefen als Korea-, Vietnam und Kalten-Krieg genauso tödlich für Menschen, aber nicht vernichtend für die Menschheit ab.
    Der fünfte Weltkrieg, seit 9/11 läuft ja auch „relativ“ ruhig ab, dank der Nuklearen Bedrohung durch den Gegner, die „paar“ Leichen zählen ja nicht.

    Solche Mini-Nukes werden im wohl bald beginnenden 6. Weltkrieg von Trump und Konsorten wohl dann bei Ländern benutzt werden, die anders miltärisch nicht besiegt und befriedet werden kann. (z.B. Iran oder Afghanistan)

    Gottseidank sind solche Waffen noch nicht da, sie müssen erst entwickelt werden, bis dahin sind hoffentlich solche geistigen „Tiefflieger“ nicht mehr an der Macht einer Nuklear-Macht.

    Und zu der Russischen neuen Rakete: gottsei Dank gelten physikalische Gesetzte immer noch, und weder die Amis noch die Russen können auf Dauer einen besonderen Vorsprung erreichen.

    Hoffen wir, das unsere „Weltführer“ nicht so verrückt oder brutal sind wie die Schicklgrubers und Stalins des zwanzigsten Jahrhunderts!

    Ralf mit Z

  2. Also soweit ich weiß gibt es kleine Atomsprengköpfe für den Abwurf vom Flugzeug aus noch. Auch in Deutschland sollen noch 20 davon sein. Was man abgeschafft hat sind lediglich die ganze kleinen die man anstatt Artelleriemunitioin verschießen kann.

    1. Auch die ganz „Kleinen“ die man per Artillerie verschießen konnte hatten eine durchschnittliche Sprengkraft von etwa 15 Kilotonnen- das entspricht Hiroshima.

  3. Das US Argument für „kleine“ Nuklearwaffen ist einem Gegner [aka Russland oder China] eine „blutige Nase“ versetzen zu können ohne(!!!) das dieser zu einer Antwort mit Nuklearwaffen greift.
    Das offensichtliche Gegenargument [von Armscontrolwonk, FAS] ist das in einem Krieg niemand abzuwarten kann oder wird bis die Sprengkraft bestimmt wurde. Es macht keinen großen Unterschied ob 10, 20, 100 oder mehr kt eingesetzt werden. Erst recht nicht wenn man die blutige Nase per ICBM(!) verteilen will…

    Wirklich neu ist die „kleine“ Waffe wohl auch nicht. Die Trident auf den UK U-Booten hat eine einstellbare Sprengkraft. (0,3 5-10 100kt) Es soll eine Lizenzfertigung des W76 sein. In den USA nur mit 100kt erhältlich.

  4. Die Samart hat von den angaben her nicht viele Abweichungen zur Satan. Als Dneper hat diese etwa 4t Nutzlast.

    Da Die Masse und Abmessungen nicht vom Vormodell abweichen und eine tatsächliche Leistungssteigerung der Motoren der russischen Raumfahrt nicht zuzutrauen. Mehr wie Propaganda war das nicht.

    Für eine Nuklearexplosion zu erreichen wird als Minimum eine Kritische Masse benötigt. Wenn es danach zu keiner sauberen Explosion sondern zu einer Verpuffung kommt, dann wird die Sprengkraft reduziert.

    1. Das sind Marschflugkörper die Wochen oder Monate im Stealth-Modus in der Nähe des Zieles fliegen können. Nix mehr mit Frühwarnsystemen…

  5. Das ist kein Stealth Flugkörper.
    Das ding ist eine Kopie von Pluto (ca 60 Jahre alt) der Flugkörper hat einen heißen Gasstrahl der für jeden Infrarotorter zu treffen ist. Das Triebwerk selbst ist noch heißer. Das ganze ist Machbar, hat aber in fas jedem Aspekt Nachteile gegenüber einer Rakete.

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