In Memorian Jim Lovell

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Wei ihr sicher über die Medien mitbekommen ist James ‘Jim’ Lovell (25. März 1928 – 7. August 2025) gestorben. Wer mich kennt oder auch nur den Blog verfolgt, weiß das ich nicht viel von bemannter Raumfahrt halte. Wenn, dann interessieren mich mehr die Missionen als die Astronauten oder Kosmonauten. Allerdings ist das bei mir generell so, bei mir hingen nie im Jugendzimmer irgendwelche Poster von Stars und bei den meisten Gruppen kenne ich die Mitglieder nicht mal namentlich und bei Einzelinterpreten nach 1990 (also nach der Ära „Formel Eins“) auch nicht ihr Aussehen.

Aber es gibt zwei Astronauten, für die ich Respekt habe. Das ist der 2018 verstorbene Astronaut John Watts Young und es ist eben James Lovell. Bei Young ist es die Tatsache, das er nicht nur sechs Missionen auf drei verschiedenen Gefährten absolviert hat – ein Rekord, der erst jetzt wieder überboten werden kann, nachdem es drei verschiedene ISS-Crewtransporter gibt und ältere Astronauten vielleicht noch eine Space Shuttle Mission absolviert haben. Young beeindruckt auch damit, dass er nach Apollo nicht viele andere seinen Ruhm als Apolloastronaut versilbert hat. Die Astronauten – es gab damals ja nur etwa ein Dutzend – waren Helden und bekamen leicht einen Posten in der Wirtschaft, und sei es nur ein Vorstandsposten ohne viel Arbeit, aber gutem Honorar. Young blieb 42 Jahre bei der NASA bis er im Dezember 2004 nach 42 Jahren im Alter von 74 in den Ruhestand ging.

Lovell beeindruckt durch die vielen Missionen, die er flog, darunter eben die Mission Apollo 13. Klar spielt auch eine Rolle der Film Apollo 13 bzw. das Buch dazu. Ich habe ja etliche Astronautenbiografien gelesen, aber es ist doch so, man interessiert sich meist über die Karriere als Astronaut, weniger darüber was die Person vorher und nachher gemacht hat. Das Buch „Ap0llo 13“ dreht sich wirklich nur um diese Mission und Lovell war schlau genug das nicht aus der Ich-Perspektive zu schreiben, sondern einen Coautor hinzuzunehmen der auch die Missionskontrolle und andere Orte einzubezog und er konzentriert sich auf die Mission, man erfährt noch ein bisschen was über Apollo 8, aber über seine beiden Gemini Missionen fast gar nichts. Kein Wunder, das Tom Hanks die Rechte an der Verfilmung kaufte, bevor bevor das Buch überhaupt erschienen war.

Lovell interessierte sich schon als Junge für Raketentechnik und baute als Jugendlicher eigene Raketen. Er war als Testpilot unter den Bewerbern für die „Mercury Seven“. Für die galten aber sehr strenge Auswahlkriterien. Da sein Billirubin-Spiegel etwas hoch war, das ist das Indiz für eine überstandene Krankheit, wurde er aussortiert. Bei dem Mercuryprogramm war die physische Kondition der wichtigste Aspekt, jeder der nur eine kleine Abweichung von den Normwerten hatte, egal ob diese von Bedeutung war oder nicht wurde abgelehnt. Das traf nicht nur Lovell, sondern auch Pete Conrad. Beide bekamen ihre Chance bei der zweiten Astronautengruppe, „the net nine“, die für Gemini rekrutiert wurde. Lovell war bis zum Donnerstag, als er starb, der letzte überlebende dieser Gruppe.

Bei der Missionseinteilung von Deke Slayton konnte man erkennen wie viel er jedem Astronauten zutraute. Früh im Programm kamen die Astronauten zuerst dran, die schon mal geflogen waren, gepaart mit den Neulingen die er für die Besten hielt. Lovell war bei Gemini und Apollo bei je zwei Missionen beteiligt. Zuerst als Ersatzmannschaft für Gemini 4, dann zusammen mit Frank Bormann als Mannschaft von Gemini 7. Bormann galt als charakterlich schwierig, so dauerte es eine Weile bis man mit Lovell einen Partner gefunden hatte, denn Lovell kam mit jedem aus. Das war wichtig, denn Gemini 7 hatten zuerst nur einen Auftrag: sie sollte einen neuen Langzeitrekord im All aufstellen. Nicht als Selbstzweck, sondern um zu gewährleisten, dass die Astronauten nach einer Apollomission auch fit genug bei der Landung, die sie aktiv steuern mussten, waren. Gemini 7 dauerte so länger als eine Apollomission, fast 14 Tage. Der Rekord wurde erst mit der ersten Besatzung von Saljut 1 (Sojus 11) im Jahre 1971 überboten. 14 Tage in einer kleinen Kapsel mit dem Volumen einer Duschkabine zusammenzubleiben, da muss man sich schon gut verstehen.

Gemini 7 wunde dann aber noch etwas aufregender, weil die Agena mit Koppeladapter, die das Ziel für Gemini 6 war nicht in einen Orbit gelangte, so plante man um und startete Gemini 7 zuerst und dann erst Gemini 6A (das A für die neue Mission). Eine Kopplung zweier Geminiraumschiffe war nicht möglich aber ein Formationsflug. Nach der Landung von Gemini 6A wollte der Kommandant Frank Borland auch bald landen, schließlich waren sie seit fast 11 Tagen im All. Das Kontrollzentrum stachelte den Ehrgeiz an und meinte umgangssprachlich „Ja, wenn ihr es nicht mehr aushaltet, dann könnte ihr gerne Landen“ und natürlich hielten die beiden es noch drei Tage länger aus. Lovell hatte in den 14 Tagen 3 kg Gewicht verloren, Bormann sogar 4,5 kg.

Bei Gemini 9 war er der Kommandant der Ersatzmannschaft, sodass er bei Slaytons Rotations-Regime das Kommando über die letzte Geminimission, Gemini 12 bekam. Das Lovell zusammen mit Buzz Aldrin, der auch noch lebt, noch zum Einsatz kam, verdankt er einem tragischen Unglück. Die Primärbesatzung von Gemini 9 (Elliot / See) kam bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Insgesamt. kleines Detail am Rande – starben während des Gemini- und Apolloprogramms mehr Astronauten bei Flügen mit ihren T-33/T-38 Jets als im Einsatz.

Gemini 12 war die letzte Geminimission und sie war voll erfolgreich, anders als viele vorherige Missionen die mit Problemen konfrontiert waren und bei Gemini 8 gab es sogar eine Notlandung. Bei der Mission hatte Aldrin den spannenderen Part, da er dreimal für EVA Arbeiten ausstieg. Lovell führte alle Koppelvorgänge und die Landung durch. Anders als bei den beiden vorherigen Missionen wurde nicht eine neue Rekordhöhe durch Zünden der Agena angestrebt, da es einen Druckabfall bei der nagen gab, aber Aldrin befestigte ein Seil an der Agena und beide Körper begannen um den gemeinsamen Schwerpunkt zu rotieren als Experiment, ob man so künstliche Schwerkraft durch Fliehkraft erzeugen konnte.

Beim Apolloprogramm war Lovell dann wieder bei den ersten Missionen dabei. Nach der Apollo 7 Mission im niedrigen Erdorbit mit einer Saturn IB sollte Apollo 8 eigentlich in einen hochelliptischen Erdorbit führen. Starts der Sowjetunion mit unbemannten Sowjusraumschiffen unter der Bezeichnung „Sond“ führten dazu, dass man bei der NASA meinte, das eine bemannte Mondumfliegung (aber nicht das Einschwenken in einen Orbit) kurz bevorstehe und man das Ziel für Apollo 8 änderte, auch weil der Mondlander, der im Erdrobit bei Apollo 9 erprobt wurde nicht vor dem Frühjahr 1969 einsatzfähig war. Bormann, Lovell und als Neuling Anders waren über Weihnachten beim Mond. Der größte Aufwand bei der Mission war es übrigens, dass man das gesamte Bodenpersonal überzeugen musste Dienst an Weihnachten zu schieben. Dazu gehörten nicht nur einige Hundert Missionsspezialisten und die Unterstützung durch die Hersteller in den hinteren Räumen, sondern auch die US-Navy: für die Landung war ein Flugzeugträger mit mehreren Begleitschiffen in Bereitschaft zu halten.

Sehr bald wurde Bormann und Anders schlecht, im US-Raumfahrtprogramm war dies das erste Auftreten der „Weltraumkrankheit“, die ihre Ursache hat das in der Schwerelosigkeit unser Gleichgewichtssinn und die Augen unterschiedliche Informationen über die Lage im Raum liefern. Sie war bei den kleinen Raumfahrzeugen von Mercury und Gemini bisher bei den USA nie vorgekommen, weil man sich in ihnen kaum bewegen konnte. Aber in der Sowjetunion wusste man schon seit dem zweiten Wostokflug von ihr, nachdem German Titow ebenfalls schlecht wurde. Das galt damals nicht als Krankheit, sondern persönliche Schwäche, so versuchte Lovell dies zu vertuschen, indem er wo es ging für seine Kollegen einsprang. Apollo 8 wurde ein voller Erfolg und es lieferte auch die erste Aufnahme der Erde über dem Mondhorizont – zumindest die erste Farbaufnahme, denn in Schwarz-Weiß hatte dies ein Lunar Orbiter schon vorher abgelichtet.

Bei Apollo 13 gab es wiederum einen Tausch. Ursprünglich wäre die Mission von Alan Shepard nach Apollo 12 gefolgt. Alan Shepard machte den ersten US-Hopser. Shepard litt wie man später feststellte unter dem Menière-Syndrom. Ein erhöhter Druck der Flüssigkeit im Innenohr führt dabei zu Störungen des Gleichgewichtssinnes, Schwindelgefühlen und Übelkeit. Damit verlor auch er seinen Flugstatus, den er erst wiedererlangte, als er sich 1969 einer neu entwickelten Operation unterzog. Danach nominierte er sich selbst als Kommandant denn er war nun stellvertretender Leiter des Astronautencorps. Wie sich zeigte dauerte es aber länger sich einzuarbeiten, schließlich musste er von ganz vorne anfangen, sodass man Lovell – der nun auch zum Kommandanten hochgerückt war – anbot die Missionen zu tauschen. Ohne diesen Tausch hätte Lovell Apollo 14 geflogen.

Über Apollo 13 will ich gar nicht viel schreiben, es gibt ja einen ganzen Film darüber, der für einen Spielfilm relativ akkurat ist, auch wenn er natürlich viel verkürzt und nicht ohne fiktive Elemente auskommt. (Anders als die erste Adaption der Problematik „Verschollen im Weltraum“ die ein Jahr vor Apollo 13 in die Kinos kam) Ich halte die Rettung der Astronauten von Apollo 13 für die wichtigste Mission, denn sie zeigte, wofür die NASA damals unter Zeitdruck fähig war. Anders als im Film war es ja so das die meiste Arbeit in Mission Control gemacht wurde. Das wiederholte sich drei Jahre später als Skylab die Hälfte seiner Stromversorgung und den Hitzeschutzschild verlor. Auch hier hatte die NASA nur wenige Tage für eine Rettungsaktion Zeit, bevor der Lageregelungstreibstoff der Station ausging. Heute müssen Astronauten bei einem Problem wie den unzuverlässigen Düsen des Starliner für Monate auf der ISS bleiben bis man eine Fluggelegenheit arrangiert hat.

Nach der Mission galt Jim Lovell als Held und er hätte, wenn er gewollt hätte, wohl nochmals eine Mission leiten können. Doch zu dem Zeitpunkt standen die Backup-Besatzungen von Apollo 12 bis 15 schon fest und die würden nach dem Rotationsprinzip die Missionen 15 bis 17 fliegen, Apollo 18 bis 20 hatte man vor seinem Flug schon gestrichen um „Geld zu sparen“ – in Anführungszeichen weil bis auf die LM alles schon gefertigt war und auch alles bezahlt war. So sparte man nur 175 der 420 bis 450 Millionen Dollar die eine Mission kostete ein und konnte die Hardware dafür in Museen ausstellen. Lovell wollte seinen Kollegen, die noch auf eine Landemission warteten, wie John Young und Eugene Cernan keine Mission wegnehmen. Er blieb bis zum Ende des Apolloprogramms in der NASA und arbeitete in der Support-Crew und als Capcom. Am 1. März 1973, drei Monate nach der letzten Apollomission schied er aus der NASA aus.

Er war seit 1952 verheiratet und die Ehe überstand die Astronautenkarriere, anders als viele andere Ehen von Astronauten, bis Marylin Lovell mit 93 im Jahr 2023 verstarb, also über 71 Jahre.

Nun gibt es noch sechs überlebende Apollo-Astronauten, die auch flogen:

  • David Scott (Apollo 9 und 15)
  • Russell Schweickart (Apollo 9)
  • Buzz Aldrin (Apollo 11)
  • Fred Haise (Apollo 13)
  • Charles Duke (Apollo 16)
  • Harrison Schmitt (Apollo 17)

Ich befürchte, bevor wieder ein US-Amerikaner wieder auf dem Mond landet werden auch sie gestorben sein, denn während das LM 1970 als Rettungsboot fungierte, explodiert sein Nachfolger Starship schon bei Probecountdowns auf der Startrampe und hat nach 10 Tests noch nicht einmal einen Orbit erreicht. Bis heute hält die Mannschaft von Apollo 13 einen Rekord – den der größten Erdferne von etwas über 401.000 km.

3 thoughts on “In Memorian Jim Lovell

  1. Mit der Mondlandefähre ist Young vier verschiedene Geräte geflogen.

    Er selbst soll von 7 Starts in den Weltraum gesprochen haben, davon einen von der Mondoberfläche.

  2. Ich hatte in den frühen 2000ern die Ehre, Young zu treffen. Er war ein ausgesprochen freundlicher, netter, bescheidener Mann mit einem wunderbaren Sinn für Humor. RIP.

  3. Lovell war einer meiner persoenlichen Helden.
    Ein sehr bescheidener Mann mit faszinierend klarem Verstand und doch sehr mennschlich.

    Danke fuer den tollen Artikel.

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