Mit Apollo zur Venus

Einer der Pläne, Apollo nach dem Mondprogramm weiter zu verwenden, ist das Thema dieses Beitrags. Es geht um den Plan, der von den Bell Labs vorgelegt wurde, und beschrieb, wie man in den Jahren 1973/74 drei Männer zur Venus und zurück hätte schicken können.

Der Plan geht darauf ein, wie man mit einem Apollo CSM zur Venus und zurück kommen könnte, und welche wissenschaftlichen Messungen angestellt werden könnten. Dabei wird vor allem abgehandelt, welche Energieversorgung nötig wäre und wie das Lebenserhaltungssystem aussehen müsste.

Die Mission zur Venus sollte in drei Phasen ablaufen, wobei die ersten beiden Phasen ein Test des Systems sein sollten. Die Mission selbst sollte auf dem „Wet Workshop“-Prinzip aufbauen, das für Skylab vorgesehen war, aber dann doch nicht verwirklicht wurde (d.h. Skylab hätte wie die normale SIV-B betankt sein sollen, nach dem Verbrennen des Treibstoffs wäre es dann normal bewohnbar gewesen). Der Unterschied wäre gewesen, dass über der fertig eingerichteten Stufe gleich auch ein CSM mit der Besatzung gestartet wäre (und nicht wie bei Skylab, wo die Crew ja per Saturn IB gestartet wurde). Die Missionen sollten nun so aussehen:

  • Phase A: Ein Apollo Block II-CSM wird mit der Besatzung und der ausgerüsteten und betankten SIV-B in einen Erdorbit gestartet. Dort würde sich das CSM abtrennen, drehen und an einen Kopplungsadapter am oberen Ende der Stufe andocken. Als nächstes sollte der Treibstoff abgelassen werden und die Stufe für mehrere Wochen von den Astronauten als Labor verwendet werden. Danach sollten sie das CSM normal abkoppeln und zur Erde zurückkehren.
  • Phase B: Für diese Phase sollte ein Block III-CSM entwickelt werden, das speziell für Langzeitmissionen ausgerüstet sein sollte. (Der Bericht schweigt sich leider darüber aus, wie diese Modifikationen aussehen, aber ich denke, dass die CSM, die für die drei Skylab-Missionen benutzt wurden ein Beispiel dafür sind, z.B. der Ausbau der Brennstoffzellen) Wie in der ersten Phase sollte das Habitat mit dem CSM in einen Erdorbit eintreten, und die Astronauten mit ihm koppeln. Dann sollte das Triebwerk gezündet werden, woraufhin die Station in einen kreisförmigen Orbit in 40000 km Höhe einschwenken sollte. Diese Höhe wurde gewählt, weil man dort außerhalb der Strahlungsgürtel ist, aber das Raumschiff trotzdem ähnlichen Bedingungen wie auf der Transvenus-Bahn ausgesetzt ist. Außerdem wäre es von dort immer noch möglich gewesen im Notfall innerhalb weniger Stunden zur Erde zurückzukehren. In dem Orbit angekommen, sollten die Astronauten das Habitat für ein Jahr benutzen, um das System für einen Langzeitflug zu testen. Dafür hätte auch die SIV-B zusätzliche Solarpaneele erhalten, da andere Energiesysteme für den langen Zeitraum unpraktisch gewesen wären.
  • Phase C: In dieser Phase sollte die finale Version des Venushabitats im Oktober/November 1973 gestartet werden. Wiederum sollte das CSM aufgerüstet werden, in eine Block IV-Version. Deren Unterschied zu den vorherigen CSM wäre gewesen, dass das CSM eine große Parabolantenne erhalten hätte, sowie anstatt des SPS-Triebwerks zwei DPS-Triebwerke aus der Abstiegsstufe der Mondfähre (um die Sicherheit im Falle eines Triebwerksausfalls zu erhöhen). Außerdem wäre der Hitzeschild verstärkt worden, da ja die Eintrittsgeschwindigkeit bei der Rückkehr höher als bei den Mondflügen gewesen wäre. Die SIV-B hätte zu den vorherigen Modifikationen noch eine weitere Parabolantenne erhalten, sowie einige Eintrittssonden, die in die Venusatmosphäre eintreten sollten.

Man sieht, dass man eine ungewöhnliche Vorgehensweise geplant hatte: Das CSM sollte mit dem Habitat docken und dann sollte erst die Zündung des Triebwerks erfolgen. Wenn man bedenkt, dass das Habitat für ca. ein Jahr ein Zuhause für die Astronauten sein sollte, versteht man auch, warum das so gemacht wurde: Hätte man den Einschuss zur Venus so wie den Einschuss in die Transferbahn zum Mond durchgeführt, hätte ein Fehler im Andocksystem schlimme Folgen haben können: Es gab nur ein kurzes Zeitfenster, in dem das CSM mit seinen Triebwerken hätte genug abbremsen können, um in einen elliptischen Erdorbit einzutreten, von dem die Besatzung in mehreren Tagen wieder zur Erde hätte zurückkehren können. Nach diesem Zeitfenster gab es keine Abbruchmöglichkeit mehr, und ohne die SIV-B hätten die Batterien nur wenige Tage gehalten.

Der Bericht geht dann weiter darauf ein, welche Geräte und Möglichkeiten es gäbe, die Astronauten auf dem Flug am Leben zu erhalten. Dazu gehören die schon angesprochenen Solarpaneele für die SIV-B, sowie verschiedene Ideen, das Wasser an Bord wieder zu verwenden und die verbrauchte Luft zu erneuern (wobei angemerkt wird, dass man einen geschlossenen Kreislauf für zu gefährlich halte, und man deshalb eher nur einen Teil der verbrauchten Ressourcen recyclen würde).

Die Mission hätte dann so ausgesehen, dass CSM und Habitat wie oben beschrieben in eine Erdumlaufbahn geschossen werden. Dann Abtrennung des CSM, Herumdrehen und Andocken. Nach der Überprüfung aller Systeme Einschuss in die Transferbahn zur Venus, wonach die Crew in das nun bewohnbare Habitat umzieht. (Nach dem Plan von Bellcom am 31. Oktober 1973). Nach 123 Tagen hätte das Raumschiff die Venus erreicht, also am 3. März 1974. Durch die hohe Geschwindigkeit beim Vorbeiflug hätte man nur wenige Stunden gehabt, die Venus zu beobachten, trotzdem war ein umfangreiches Programm geplant, wobei auch die Eintrittsonden die Atmosphäre untersuchen sollten (ein Venusballon war auch geplant gewesen). Nach dem Vorbeiflug wäre das Raumschiff nach weiteren 273 Tagen, am 1. Dezember 1974 wieder zur Erde zurückgekehrt, wo sich das CSM abgetrennt und normal in die Erdatmosphäre eingetreten wäre.

Auf dem Weg zur Venus und wieder zurück waren noch andere Versuche geplant, u.a. auch Beobachtungen des Merkur, da sich das Raumschiff bis auf 0.3 AU (also 45 Millionen Kilometer) angenähert hätte.

Hier geht es zum Bericht von Bellcom.

4 thoughts on “Mit Apollo zur Venus

  1. H.O. Ruppe berichtet in „Die Grenzenlose Dimension Raumfahrt“ in Band 2 S. 217-220 über eine ähnliche Mission, mit einem modifizierten CSM. Die Astronauten sollten sich dabei 370 Tage in der Apollo Kapsel aufhalten (heute wohl undenkbar). Zwei Saturn V sollten das Raumschiff zur Venus bringen (netto 160 t in die Erdumlaufbahn).

    Diese Planungen zeigen, dass man in der Nach-Apollo Ära enorm optimistisch war,. was man in den nächsten 10 Jahren alles erreichen kann. Heute scheint es gerade umgekehrt zu sein. Schon kleine Änderungen führen zu einer kompletten Neuqualifikation und Risiken und Wagnisse geht heute keiner mehr ein.

  2. Dieses Missionsszenario beweist eindrucksvoll die Unsinnigkeit bemannter Planetenerkundung mit dem heute zu Gebote stehenden technischen Equipment. Vorbeifliegen, beobachten, Sonden absetzen – die Astronauten hätten dort nichts, absolut nichts tun können, was die bisher durchgeführten unbemannten Venusmissionen nicht auch geleistet haben.
    Abgesehen natürlich von den bestellten PR -Fotos: Astronaut mit Sternenbanner Venus im Hintergrund – mit besten Liebesgrüßen nach Moskau. Dafür ( und nur dafür) wäre diese Mission durchgeführt worden.

  3. Wenn ich mir dann noch überlege, das die Ami’s kaum oder gar nicht darauf geachtet haben, ob oder wie einzelne Leute auf Dauer miteinander auskommen, was bei so einer langen Mision ja absolut nötig ist, kann ich mike64 nur zustimmen: Die Mission wäre absolut unsinnig gewesen.
    Denn wenn die Leute sich nach… sagen wir mal 150 Tagen nicht mehr riechen können, wäre es mit den guten PR-Fotos auch nichts geworden. Naja am Anfang wohl, aber am Ende wären alle froh, endlich aus der „Büchse“ raus zu sein, und den anderen besser aus dem Weg gehen zu können.

    Hans

  4. Ich sehe das genau so. Man hatte ja gerade mal Erfahrungen mit den Flügen zum Mond, und erst später, bei dem dreimonatigen Flug von Skylab 4 gelernt, wie Leute auf langen Flügen miteinander auskommen (das sich nämlich tatsächlich die Moral stark verschlechtert).

    Weiterhin hätte man echt alle Ziele mit Sonden erreichen können. Es gab später einen Plan, einen bemannten Venusorbiter zu bauen, der aber auch verworfen wurde (vor allem hatte ja Pioneer Venus gezeigt, dass man keine Menschen an Bord braucht).

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