Die Nutzlasten der nicht gebauten Saturn

Wie bei vielen anderen Raketen waren einmal leistungsstärkere Versionen der Saturn V geplant. Schaut man in die Archive, so findet man viele Pläne, die meisten setzen jedoch umfangreiche Änderungen voraus so der Einsatz von FLOX als Oxidator in der ersten Stufe oder eine nukleare Oberstufe.

Ich habe das Thema „Saturn Varianten“ schon mal im Blog erörtert, nun kann ich mit der Aufstiegssimulation die wahren Nutzlasten angeben. Von den vielen Varianten erscheinen mir drei umsetzbar:

  • Triebwerksupgrade: J-2S
  • Triebwerksupgrade: F-1A
  • Titan 3C Booster als Starthilfe

Das J-2 Triebwerk wurde als „autonomes Antriebssystem“ konzipiert. Es hatte einige Features, die noch heute bemerkenswert sind, so die Anpassung an unterschiedliche Mischungsverhältnisse beim Treibstoff. Es war zuverlässig, aber auch komplex. So entstand schon, während die Qualifikation lief als Nachfolgesystem das J-2S. Das S steht für „Simplified“. Es war in vielem einfacher konstruiert, war z.B. nur für zwei Zündungen ausgelegt, mehr gab es bei einer Mondmission nicht. Trotzdem wurden Schub und spezifischer Impuls leicht gesteigert.

Das J-2S war von allen hier besprochenen Maßnahmen am weitesten fortgeschritten: es hat die Qualifikation vollständig durchlaufen, es hätte noch zertifiziert werden müssen und hätte dann eingesetzt werden können. Als die NASA nach einem Triebwerk für die Ares V suchte, wurde das J-2S erneut Ausgangspunkt für ein Triebwerk. Man tauschte die Turbopumpe aus und verlängerte die Düse. Wie das J-2S wurde auch beim J-2X die Entwicklung nach der Qualifikation eingestellt.

Anders sieht es beim F-1A aus. Das F-1A war nur ein vergrößertes F-1 mit einem Maximalschub von 1.8 anstatt 1,5 Millionen lbf. Am Triebwerk änderte man nichts, schlussendlich hatte man dies jahrelang getestet. Bis heute ist es das F-1 das am besten getestete Triebwerk. Beim F-1A gab es nur den Entwurf und man hatte mit der Fertigung und dem Test von einigen Teilkomponenten begonnen, war aber noch weit von einem funktionierenden Triebwerk entfernt. Das F-1A hätte keinen höheren spezifischen Impuls gehabt, aber durch den höheren Schub wären die Gravitationsverluste beim Aufstieg größer gewesen.

Die Titan wurde seit 1965 durch zwei große Feststoffbooster unterstützt. Natürlich kam man auch auf die Idee, diese an die Saturn zu montieren. Es gab sogar einmal den Versuch einen eigenen Booster für die Saturn V zu konstruieren. Der Aj260, so genannt nach seinem Durchmesser von 260 Zoll, also 660 cm ist bis heute der größte je getestete Feststoffbooster. Er war verglichen mit den anderen Boostern dieser und der heutigen Zeit reaktiv kurz, das lag an der Grundproblematik, wenn man eine Rakete, um Feststoffbooster erweitert: sie werden nicht über die ganze Länge an der Zentralstufe befestigt, sondern nur oben und unten. Das muss, weil der ganze Schub über diese Zonen geleitet wird, an Teilen erfolgen, die diese Lasten aufnehmen können. Bei der Ariane 5 und Titan war dies oberhalb der Zentralstufe im Stufenadapter und unten am Triebwerksgerüst. Bei H-II, Ariane 6, Atlas V und Delta an der Zwischentanksektion. Die Zwischentanksektion wäre auch der natürliche Ansatzpunkt bei der Saturn gewesen. Damit liegt die Maximallänge fest: das Triebwerksgerüst ist 5,94 m lang, der unten liegende Kerosintank 13,10 m und die Zwischentanksektion 6,60 m. Damit kann ein maximal 25,64 m langer Booster angebracht werden. Die Minimallänge beträgt etwa 15 m. Die Booster der Titan haben ohne aerodynamische Nasenverkleidung eine Länge von 21,88 m, passen also. Ein Segment hat eine Länge von 3,36 m. Damit wären also 6 anstatt 5 Segmente möglich. Versionen der Titan mit mehr Segmenten wurden damals schon untersucht, auch wenn sie erst in den Achtzigern zum Einsatz kamen. So dachte man an einen Einsatz der verlängerten Titan 3B mit 5,5 Segmenten (die spätere Titan 34D) und an sieben Segmente – dann wären die Feststoffbooster so lange, dass man sie am Adapter zweite-dritte Stufe anbringen konnte. Ich habe mich auf die Standard-Titan URM mit 5 Segmenten beschränkt.

Die Feststoffbooster liefern während der Startphase mehr Schub, die Startbeschleunigung steigt von 1,8 auf 2,7 m/s, wenn vier Booster angebracht werden. Das senkt die Gravitationsverluste. Trotzdem brennen sie mit 117 bis 120 nicht so lange wie die Zentralstufe, die maximale Beschleunigung wird also nicht tangiert. Sie tritt nach 150 s auf, wenn die Tanks fast leer sind, dann wird ein Triebwerk abgeschaltet. Daneben erhöhen sie natürlich die Masse, was die Nutzlast automatisch erhöht.

Die Booster wären wichtig für eine Weiterentwicklung der Saturn – jeder Booster liefert beim Start 4450 kN, benötigt selbst, aber wenn die Startbeschleunigung gleich bleiben soll wie bei der Original-Saturn nur 2780 kN um sein Eigengewicht anzuheben. Das bedeutet: jeder Booster lässt das Erhöhen der restlichen Raketenmasse um knapp 140 t zu, bei vier Boostern also rund 560 t. Davon entfallen rund 20 t auf die Nutzlast. Man könnte so die zweite Stufe oder dritte Stufe verlängern oder im Durchmesser vergrößern. Doch da es dafür keine Pläne gab, habe ich es dabei belassen.

Die Ergebnisse der Aufstiegssimulation

Nach dieser Vorrede nun die Ergebnisse. Sie sind wie immer von den Randbedingungen abhängig. Zuerst eine Vorbemerkung zur Saturn V selbst. Diese hat einige Eigenheiten, die ich nicht simulieren kann:

  • lange Triebwerkshochlaufzeit: Erst 8,9 s nach dem Zündsignal hebt die Rakete ab, bei mir hebt sie bei T=0 ab. Man kann dies simulieren, indem man nicht die Startmasse, sondern die Masse beim Abheben nimmt, das habe ich aber nicht getan.
  • Vorgaben bei der Bahn. In der Endphase des Betriebs der S-1C bleib der Winkel konstant, um ein zu schnelles Drehen bei einem Triebwerksaufall zu vermeiden. Das könnte man simulieren, doch dann müsste ich auf meine Optimierungsfunktionen verzichten und langwierig durch Trial and Error die beste Bahn finden.
  • Unterschiedliche Brenndauer in der ersten Stufe: Die erste Stufe schaltet nach 140 s ein Triebwerk ab. Die anderen laufen 160 s lang. Auch das kann ich nicht simulieren.
  • Parkbahn: Apollo hatte eine Parkbahn, die vor allem die Aufgabe hatte, nach dem Start das Raumschiff und S-IVB zu checken. Erst danach startete man zum Mond. Das ist das kleinste Problem, die Bahn ist energetisch gleich mit einem direkten Aufstieg, wenn das Perigäum in der späteren Parkbahnhöhe liegt.

Man erhält so bei meiner Simulation bessere Ergebnisse, wenn ich abbreche, wenn es weniger als 1.000 kg Resttreibstoff sind, dann komme ich bei der Saturn V auf eine Nutzlast von 53 t in eine 220 x 384.400 km Bahn. Die realen Bahnen von Apollo hatten ein höheres Apogäum um die Reisezeit zu verkürzen, rein theoretisch würde aber schon ein Apogäum von 346.000 km reichen, da ab dieser Entfernung die Mondgravitation das Raumschiff wieder anzieht. In der Literatur wird eine maximale Nutzlast von 49,5 t genannt. Die 220 x 3844.00 km Bahn ist auch die Vorgabe für die anderen Simulationen.

Nebenbedingungen:

  • Das F-1A sollte nicht schwerer als das F-1 sein. Ich habe daher nur den Schub / Vakuumschub durch den des F-1A ersetzt.
  • Das J-2 hat einen spezifischen Impuls von 4275 m/s. Es wiegt 200 kg mehr als ein J-2. Daher habe ich die Masse der S-IVB um 200 kg und die der S-II um 1.000 kg erhöht.
  • Beim Absacken der Bahn sollen 185 km nicht unterschritten werden.
  • Die Feststoffbooster sollen keine Auswirkung auf die S-IC haben.

Ich habe dann folgende Nutzlasten / Bahnen erhalten. Bei den Feststoffboostern sind etwas höhere Perigäumswerte unvermeidlich, weil diese durch den Schubüberschuss am Anfang entstehen, aber die Bahn dann absackt. Will man ein niedrigeres Perigäum haben, so müsste man den Startwinkel schnell abbauen, was dann aber den Luftwiderstand stärker vergrößert als der Gewinn durch das niedrigere Perigäum.

Rakete Bahn Nutzlast unkorrigiert Nutzlast korrigiert
Saturn V 229 x 385.700 km 53.200 kg 49.500 kg
Saturn V mit F-1A 234 x 384.700 km 55.300 kg 51.400 kg
Saturn V mit J-2S 220 x 384.620 km 57.800 kg 53.800 kg
Saturn V mit 4 x UA 1205 242 x 384.950 km 65.700 kg 61.100 kg
Saturn V mit F-1A und J-2S 220 x 386.900 km 58.500 kg 54.400 kg
Saturn V mit 4 x UA 1205 und J-2S 240 x 385.400 km 69.600 kg 64.700 kg
Saturn V mit F-1A und 4 x UA 1205 251 x 384.300 km 68.500 kg 63.700 kg
Saturn V mit F-1A und 4 x UA 1205 + J-2S 228 x 384.700 km 72.100 kg 67.000 kg

Alle werte wurden auf 100 kg gerundet. Die korrigierte Nutzlast setzt den Faktor der Saturn V (0,935) als Multiplikator ein.

Wie zu sehen hat der Ersatz der F-1 durch F-1A kaum Einfluss. Das verwundert etwas, startet die Saturn V doch relativ langsam. Sie bringen als alleinige Maßnahme nur 1,9 t mehr Nutzlast. Deutlich mehr, 4,3 t, bringen die J-2S. Verständlich das man sie schon qualifizierte, während man mit der Arbeit an den F-1 erst begann.

Wie bei jeder Rakete bringt der Einsatz von Boostern eine deutliche Nutzlaststeigerung, auch wenn die vier Booster zusammen die Startmasse nur um ein Drittel erhöhen. Alleine steigern sie die Nutzlast um 11,6 t.

Der Trend bleibt auch bei der Kombination, wobei die Kombination F-1A / J-2S kaum mehr Nutzlast als die J-2S alleine bringt. Alle Maßnahmen zusammen erhöhen die Nutzlast auf 67 t, 5,9 t mehr als die Booster alleine und in etwa genauso viel, wie das Ersetzen von J-2 und F-1 alleine bringt.

Ergebnis

Etwa 18,5 t mehr Nutzlast sind möglich. Das klingt nach nicht viel, in der Praxis aber wäre die Auswirkung deutlich größer gewesen. Die Kapselmasse bleibt immer gleich, sie wird aber zum Mond und zurück gebracht. Der Treibstoffanteil dafür ist konstant. Man bräuchte mehr Treibstoff bei höherer Startmasse um eine Mondumlaufbahn zu erreichen, doch das erhöht selbst bei dem druckgeförderten Triebwerk kaum das Trockengewicht des Servicemodus. Für die Rückreise bleibt sogar alles gleich. So würde bei 18,5 t mehr Nutzlast die Masse des LM um 12 t steigen. Das ist eine Steigerung um 80 %. Bei gleicher Rückstartmasse des LM könnte man so 3,8 t mehr auf dem Mond landen. Das könnte Ausrüstung sein, aber auch Energie, Wasser, Gase Essen für eine längere Mission. Bedenkt man das die LM-Aufstiegsstufe ohne Treibstoffe nur noch 2,7 t wiegt, so sind 3,8 t mehr ein enormer Zuwachs.

Zum Mars beträgt die Nutzlast 54,4 anstatt 39 t (c3=12 km²/s²). Hier ist der Gewinn noch viel höher. Das ist aber kein Wunder, bei immer gleicher Leermasse der letzten Stufe ist der Gewinn immer prozentual immer höher je höher die Endgeschwindigkeit. Vor allem liegt die Nutzlast genauso hoch als die einer nuklearen Oberstufe. Mit einem NERVA-Reaktor sollten 54,5 t zum Mars befördert werden. Diese Technologie steckte damals wie heute im Anfangsstadium. Tests sind extrem aufwendig. Bis das Triebwerk gefeuert hat, ist es „harmlos“, doch danach muss man es zuerst abkühlen, weil der Kern auf nahezu Schmelztemperatur erhitzt wird. Das Kühlwasser wird radioaktiv versucht. Der Reaktor ist genauso wie Teile der Rakete ebenfalls radioaktiv. Man kann ihn nicht inspizieren, alle Arbeiten müssen hinter dickem Schutzglas mit Manipulatoren erfolgen – da ist es schwer, Haarrisse aufzuspüren. Dagegen ist das Erweitern der Saturn mit den obigen Maßnahmen einfach. Die F-1A Entwicklung kann man sich schenken – zu wenig Leistung für hohe Kosten. Das J-2S existiert, müsste nur in den Stufen zertifiziert werden. Die Feststoffbooster an der Rakete anzubringen ist auch einfach und sie sind preiswert: Eine Saturn V kostete 185 bis 216 Millionen Dollar. Ein Paar der Titan Booster 6,3 Millionen. Mit 12,6 Millionen Dollar mehr hätte man die Nutzlast deutlich steigern können. Bei einer strukturellen Verstärkung der S-IC hätte man auch acht Booster anbringen können, mehr geht wegen den acht Finnen an der Basis nicht. Ich habe auch das mal durchgerechnet und 10 t zur Leermasse der S-IC addiert so kommt man auf 75,8 t korrigierte Nutzlast also nochmals 6,8 t mehr. Damit läge diese Saturn höher als die Ares V und erst recht die SLS, die ja in der ersten Stufe gerade mal 25 t Nutzlast für eine Mondtransferbahn hat.

2 thoughts on “Die Nutzlasten der nicht gebauten Saturn

  1. tja, schade drum. Leider wurde die Saturn „nur“ als Propaganda-Stunt von der Politik gesehen. Nach der Mondlandung war die Raumfahrt wieder zu teuer…

    Wie wäre es eigentlich mal anders herum zu überlegen: hätte man die Saturn auch downsizen können bzw. viele Komponenten so umkonfigurieren können, dass man eine Familie bekommen hätte wie die EELVs oder so? Ich weiß, politisch war nur ein Shuttle drin. Aber ein Raumschiff auf Basis von Apollo für den LEO und eine kleine Rakete dazu auf Basis von Saturn wäre auch eine Möglichkeit gewesen. Dazu die Saturn für große Lasten. Und dann erst das Shuttle.

    Ingolf

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