Religion und Fortschritt

Ich habe im August einen neuen Raumfahrtartikel, diesmal über die Marsmission der arabischen Emirate „Hope“ um mal eine der Bezeichnungen zu verwenden, die kursieren verfasst. Liest man sich die eigenen Veröffentlichungen der UAE Space Agency durch, so ist diese sehr ambitioniert und es gibt nicht nur wissenschaftliche, sondern auch politische Ziele:

  • Die Qualität des Lebens auf der Erde durch neue Entdeckungen verbessern.
  • Eine Wissensbasis aufbauen, die wichtig für die zukünftige (grüne) Ökonomie ist.
  • Zur globalen Marserforschung ermutigen.
  • Nationale Fähigkeiten in der Planetenerforschung aufbauen.
  • Die junge arabische Generation ermutigen, sich für Weltraumforschung zu begeistern.
  • Die eigene Führerschaft in der Weltraumforschung beweisen.
  • Als wissenschaftlicher Leuchtturm der Forschung in der arabischen Region dastehen

Klingt doch toll? Und das alles wird erreicht mit einer Raumsonde, die in den USA gebaut wird, dem Deep Space Network der NASA, einer Missionskontrolle durch eine US-Firma und einem Start mit einer japanischen Rakete. Immerhin die drei Experimente einfacher Bauart stammen von den UAE und es sind ganze 150 Araber am Projekt beteiligt.

Für mich ist das wie alles in den arabischen Staaten: zugekauft mit dem Reichtum durch Öl. So entstehen dort auch Wolkenkratzer, Fußballstadien gebaut von Fremdarbeitern, designt von ausländischen Architekten. Wenn in der Region eine Nation eine etwas herausragende Stellung in der Weltraumfahrt hat, dann ist es Iran, die entwickeln wenigstens ihre Satelliten und Raketen selbst und kaufen sie nicht ein, dafür alles eben etwas kleiner. Nur sind die zwar islamisch, aber nicht arabisch.

Wenn ich heute an den Islam im „Orient“ denke – es gibt ja durchaus noch den Islam in anderen afrikanischen und auch asiatischen Ländern, dann kommen mir andere Assoziationen in den Sinn. Selbst wenn ich mich auf Forschung und Technologie beschränke, dann sind arabischen Staaten nicht führend, nicht mal im Mittelfeld. Dabei haben sie beste Voraussetzungen – nämlich den Ölreichtum der viel Geld in die Kassen spült. Doch dieses Einkommen wurde eben nicht genutzt um eine Forschung und eigene Industrie aufzubauen, die wenn das Öl zu Ende ist, dann das Einkommen der Nation sichert. Andere Nationen haben den Sprung vom Entwicklungsland zum Schwellenland oder Industrienation unter schlechteren Voraussetzungen – ohne Bodenschätze – geschafft, vor allem die asiatischen Staaten wie Südkorea, Taiwan oder Singapur.

Mehr noch: die arabischen Staaten sind undemokratisch, es gibt keine freien Medien, an der Gewaltenteilung habe ich auch meine Zweifel und bestimmte Gruppen werden systematisch benachteiligt, das fängt mir Frauen an. Dazu kommen Vorschriften und Gesetze, die direkt aus dem Mittelalter kommen können wie Bekleidungsvorschriften (vor allem natürlich wieder für Frauen) oder Strafen wie Prügelstrafe, Steinigung oder Amputation.

Ich meine, das in allen Staaten, in denen die Religion eine zu herausragende Stellung hat, sich dies negativ auf die Gesellschaft auswirkt – Dies geht weiter als nur gesetzliche Vorschriften, sondern wie oben erwähnt auch die Wirtschaft und vor allem Wissenschaft und Forschung, die meistens als erste leiden. Ich dachte mal früher es ginge auch anders. Galt im Mittelalter der Islam doch in einigen Regionen als tolerant, wurden dort Schriften aus der Antike, die in Europa verbrannt wurden, noch kopiert und kam man zu neuen Entdeckungen. In der Medizin waren sie führend, schufen großartige Architektur und führten das heute genutzte Zahlensystem ein, mit dem man auch rechnen konnte (auch wenn die Idee von Indien stammt). Aber das ist ein Irrtum. Nur hatte der Islam damals bei den Herschern keine dominante Stellung. Es wurden auch andere Religionen respektiert, anders als in den heutigen arabischen Staaten. In Europa begann, das was wir als moderne Wissenschaft verstehen – das Entwickeln von Theorien basierend auf Beobachten. Experiment kurz Forschung, erst als es die Reformation gab und mit ihr die Vormachtstellung der katholischen Kirche bröckelte. Nicht verwunderlich gab es die Inquisition und damit auch so Exzesse wie Hexenverbrennungen erst in dieser Zeit, denn vorher musste man ja keine Ketzer bekämpfen. Gefeit ist keine Religion. Bei uns gilt der Buddhismus als friedlich und zahlreiche Prominente haben zum Buddhismus gewechselt, doch in Myanmar, wo Buddhismus Hauptreligion ist wurden die Rohingya /Muslime) verfolgt. Aktuell sehen wir die Entwicklung in der Türkei, die durch ihre Trennung von Staat und Religion bisher sich weitaus besser als andere islamische Staaten entwickelten – sowohl wirtschaftlich als auch in der Forschung, dass es wieder rückwärtsgeht.

Selbst in den USA, wo es ja angeblich eine strikte Trennung von Staat und Kirche gibt, sieht man die Auswirkung. Dort haben die Evangelikalen immer stärkeren Zulauf und Einfluss. So richtig gab es die Trennung ja auch nicht. Ich kenne keinen Präsidenten oder prominenten Politiker die nicht bei jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit so was wie „God bless America“ sagen. Das Schlimme: Kirchen dürfen dort Schulen und Universitäten betreiben, in denen dann zwar jeden Tag eine Seite der Bibel auswendig gelernt wird, aber dafür die Evolutionstheorie gegen den Kreationismus ausgetauscht wird. Diese Gemeinden sind dann auch Ausländerfeindloch, denn die meisten Flüchtlinge sind ja keine Christen. Ich empfehle mal die ZDF-Doku dazu anzusehen, sie liefert einen guten Einblick.

Marx hat mal gesagt „Religion ist Opium für das Volk“. Wohl deswegen beließ man in Russland der orthodoxen Kirche eine Rolle, die deutlich größer war als die der Kirche in der DDR. Im Sinne eines totalitären Regimes ist die Sicht richtig, denn wenn die Religion keinen direkten Einfluss auf den Staat hat, dann dient sie als Ventil und Trost gegen die Übergriffe und Eingriffe des Staates. Anders sieht es aus, wenn die Religion selbst eine Bedeutung für das Handeln des Staates hat, dann würde ich sagen ist wohl richtiger „Religion ist Extasy für das Volk“. Und das ist unabhängig von der Religion. Denn es geht nicht um die religiösen Vorschriften und Texte. Die werden so interpretiert, wie man es braucht und zumindest in der Bibel findet man als historisch gewachsenem Buch genügend Widersprüche und Aussagen für jeden Zweck. Ich meine, aber selbst wenn jemand die Grundlagen einer Religion auf wenigen Seiten zusammenfassen würden und die dann die gesamte Grundlage wären, es würde nichts ändern. Denn die Leute erfinden dann einfach Sachen. So ziemlich alles, was wir heute praktifizieren findet, man nicht in der Bibel. Dort steht nichts von der Organisationsstruktur der Kirche wie Papst, Bischöfe etc. Nichts von Kirchen, und wie sie gebaut werden müssen, nichts von Gottesdienstritualen. Gerade die sind aber heute noch künstlich aufgebaute Trennungen wichtig, wie das Abendmahl zeigt. Katholische und evangelische Kirche zeigen gerade, wie man bei einem Grundkonsens des Verhaltens basierend auf der Bibel sich durch eingeführte Strukturen sich massiv unterscheiden kann und auch zur Abgrenzung dienen, interessanterweise tun sich ja gerade Kirchen sehr schwer die eine gemeinsame Glaubensbasis haben zusammenzuarbeiten, als wenn das mit einer anderen Weltreligion sich austauscht. Paradebeispiel ist die katholische Kirche und ihr Verhältnis zu evangelischen oder orthodoxen Kirchen gegenüber dem Verhältnis zum Judentum oder Islam.

Allen Kirchen ist gemein, das sie meinen den einzig richtigen Glauben zu haben und missionieren zu müssen. Früher führte das zu enormen Auswüchsen, wie man bei der Zwangsbekehrung in Mittel- und Südamerika durch Spanien nach der Eroberung Amerikas sieht. Doch auch heute wird noch missioniert und da es eigentlich keinen Fleck auf der Erde gibt in der es keine Religion gibt meist in anderen Ländern mit einer anderen Hauptreligion.

Bei uns haben wir das Problem der zu großen Einflussnahme nicht. Im Gegenteil: Kirchen haben immer weniger Einfluss und sie verlieren immer mehr Mitglieder. Langfristig denke ich ist das aber für die Gesellschaft und ihre Entwicklung besser, als wenn die Religion die Politik beeinflusst.