Kohlenwasserstoffe als Raketentreibstoffe im Vergleich

Loading

Ab und an schaue ich mal im WordPress Dashboard nach, welche Artikel denn so gelesen werden. Das ist ja nicht unwichtig, wie man sich denken kann. Als diesmal ein Artikel aus 2011 in der Liste auftauchte, habe mir mal die Liste der im letzten Jahr am häufigsten angeschauten Artikel runtergeladen. Das meiste stammt aus 2022 und 2023, wie zu erwarten. Es waren aber auch einige Überraschungen dabei.

Wie viel Zeit vergangen ist seit ich den Blog mache, sieht man am Artikel Bernd sucht den Superblogger! von Silvester 2011. Liest man sich den Artikel durch so klingt heraus, das ich damals noch eine andere Vorstellung von den Bloglesern hatte. Das sind Leute, die sich nicht nur für etwas interessieren, sondern wie ich auch gerne über die Themen schreiben, die ihnen am Herzen liegen und ist eine Plattform wie die meine doch eine Möglichkeit an die Öffentlichkeit zu gehen. Man erreicht mit einem Schlag alle, die regelmäßig den Blog besuchen, anstatt wenn man dies auf einer eigenen Seite selbst tut erst Besucher gewinnen muss. Und es gab auch etliche Gastblogs und -Autoren in den ersten Jahren die über Ballastwassermanagement bei Schiffen, Audioverarbeitung oder den idealen Panzer geschrieben haben. Aber der letzte Gastbeitrag ist nun schon etliche Jahre her.

Seitdem bin ich ernüchterter was das Publikum angeht. Die meisten wollen nur passiv konsumieren. Nicht schreiben. In den letzten Jahren bekam ich nur Anfragen von Personen oder Agenturen welche die Möglichkeit einen Gastbeitrag zu veröffentlichen nur nutzen wollten um Werbung zu veröffentlichen. Das habe ich genau einmal gemacht und seitdem nie mehr wieder. Ich sehe auch das Blogs, die ich selbst besuche wie bei Scilogs die Autoren deutlich weniger aktiv sind als früher. Wäre ich auch, wenn ich nicht selbst viel vergessen würde und so problemlos Themen mehrmals behandeln kann, weil ich nach einigen Jahren mich nicht mehr erinnern kann wann und was ich was drüber schrieb.

Ein Artikel der nun wieder viel besucht wird ist der über Methan als Raketentreibstoff, noch älter, vom Januar 2009. Den würde ich heute teilweise anders schreiben, schließlich wird man ja schlauer, aber im Resümee, das Methan doch in der Herausforderung an die Technik eher dem Wasserstoff als Kerosin ähnelt, stimmt immer noch und scheint auch zu gelten wie man an der Zeitverzögerung der Einführung des BE-4 und den Problemen der Raptor sieht.

Ich dachte ich nehme das mal als Aufhänger, auch weil ich bei Isar Aerospace vorbeischaute, die Propan als Treibstoff nutzen, und ich mir darauf keinen Reim machen konnte, also was Propan nun an Vorteilen gegenüber anderen Kohlenwasserstoffen bringen könnte.

Die Physik und Chemie der Verbrennung

Wir reden von Kohlenwasserstoffen, die bestehen aus den Elementen Kohlenstoff und Wasserstoff (welch ein Wunder bei dem Namen). Es sind Kohlenstoffatome die bei zwei oder mehr Atomen eine Kette und bei drei und mehr Atomen (spannungsfrei ab fünf Atomen) einen Ring bilden. Der Wasserstoffanteil hängt von der Verbindung ab, den höchsten hat Methan mit vier Wasserstoffatomen bei einem C-Atom. Schon beim nächsten Homologen dem Ethan geht dies auf drei atome zurück. Die Untergrenze liegt bei unter eins bei in der Natur vorkommenden Molekülen wie kondensierten Aromaten, das Benzpyren ein Aromat aus fünf Benzolringen (zumindest Lebensmittelchemikern gut bekannt weil er beim Grillen entsteht und krebserregend ist) hat die Summenformel C20H12, also 0,6 Wasserstoffatome auf ein Kohlenstoffatom.

Bei der Verbrennung wird – egal ob es sich um die Elemente oder eine Verbindung handelt, die Bindung zwischen den Ursprungsatomen aufgespalten, wofür Energie benötigt wird und es wird eine (oder mehrere) Bindungen zu einem neuen Atom – in diesem Fall Sauerstoff – geknüpft, wodurch Energie frei wird. Bei allen Raketentreibstoffen ist die letztere Energie höher als die erstere, es erwärmt sich das Reaktionsprodukt was man an Verbrennungstemperaturen in Raketenbrennkammern von über 3.000 Grad Celsius sehen kann.

Dadurch hat das entstehende Gas eine hohe Temperatur und nach den allgemeinen Gasgesetzen korrespondiert eine hohe Temperatur mit einer hohen Geschwindigkeit der Moleküle des Gases. Die Moleküle / Atome können nur durch den Düsenhals entweichen, das heißt ihre Bewegungsrichtung wird annähernd parallelisiert. Dies ist der Schub der die Rakete vorantreibt. Eine Düse lenkt die auch nicht ganz in der Längsachse austretenden Molekülen um und gewinnt so noch etwas mehr Energie aus dem Gas.

Relevant für alle chemischen Reaktionen ist also, wie viel Energie pro Reaktion frei wird und als zweites wie schwer ein Molekül ist, denn nach den allgemeinen Gasgesetzen ist die Geschwindigkeit eines Moleküls auch von dessen Masse abhängig. Das kennt man auch aus dem täglichen Leben – einen Fußball kann man mit einem Schuss viel stärker beschleunigen als einen Basketball.

Für die Elemente gilt nun folgendes:

C + O2 → CO2 + 394 kJ

2 H2 + O2 → 2 H2O + 2 x 286 kJ

Also pro Atom Kohlenstoff/Wasserstoff werden 394 bzw. 143 kJ frei. Diese zuerst etwas befremdliche Erkenntnis, weiß man doch das das Verbrennen von Wasserstoff viel mehr Energie liefert als das Verbrennen von Kohlenstoff, liegt daran dass der Kohlenstoff vier bindungsfähige Elektronen hat mit denen er vier Bindungen zu Nachbaratomen oder eben dem Sauerstoff aufbauen kann, der Wasserstoff aber nur eines. Pro Bindung ist die Energie geringer nämlich 98,5 kJ. Das kann man auch ohne Nachschlagen herausfinden, denn die Energie die pro neuer Verbindung entsteht ist qualitativ von den Elektronegativitätsdifferenzen abhängig und dieser Unterschied ist bei der Reaktion mit Wasserstoff größer. Das ist nicht nur eine theoretische Erkenntnis, sondern spielt auch bei der Verbrennung eine Rolle, wenn der Treibstoff im Überschuss vorhanden ist, also der Sauerstoff nicht reicht, um die Kohlenwasserstoffe komplett zu Wasser und Kohlendioxid zu oxidieren. Was wird dann teilweise nicht umgesetzt? Der Wasserstoff oder der Kohlenstoff, aufgrund dessen das eine Bindung mit Wasserstoff mehr Energie freisetzt, ist es der Kohlenstoff der nicht vollständig umgesetzt wird.

Der oben erwähnte Nachteil des schweren Produktes (molekulare Masse von Kohlendioxid versus Wasser) betrifft auch die Edukte, also Verbrennungsträger und Oxidator. Da an der Reaktion nur die Außenelektronen teilnehmen, ist der Kohlenstoff von vorneherein im Nachteil, denn er hat zwar vier Bindungselektronen, aber Atommasse 12, der Wasserstoff nur ein Außenelektron, aber Atommasse 1. So sinkt der Energiegehalt nicht pro Reaktion sondern pro Kilogramm Verbrennungsträger und Oxidator mit sinkendem Wasserstoffgehalt ab. Ich habe hier mal die jeweils kleinsten Moleküle mit 1,2,3 und 4 Wasserstoffatomen pro Kohlenstoff aufgeführt. Der angegebene Energiegehalt ist der für einen Raketentreibstoff – beim Brennwert den man bei Wikipedia oder woanders nachlesen kann, lässt man dagegen den Sauerstoff weg, da man diesen ja in unbegrenzter Menge bei irdischen Anlagen aus der Luft beziehen kann:

Verbindung Formel H:C Verbrennungsenergie
Methan CH4 4 11,13 MJ/kg
Ethan C2H6 3 10,96 MJ/kg
Ethen C2H4 2 11,19 MJ/kg
Ethin C2H2 1 12,04 MJ/kg
Kohlenstoff C 0 8,95 MJ/kg

Hinsichtlich der Verbindungen ohne Doppelbindung sinkt mit steigender Kettenlänge = sinkendem Wasserstoffanteil die Energie ab. Sobald eine Doppelbindung im Spiel ist, sieht es anders aus. Das liegt daran, das ist auch noch bei der Nutzung als Raketentreibstoff wichtig, das die Doppelbindung viel weniger Energie zum Spalten benötigt, also man weniger Energie benötigt die C-C Bindung zu trennen. Es wird dann mehr Energie bei der Verbrennung frei.

Raketentechnische Bedenken

Neben der Verbrennungsenergie und daraus abgeleitet den spezifischen Impuls bzw. Ausfahrgeschwindigkeit der Gase aus der Düse, den ich im nächsten Abschnitt berechne, gibt es auch noch andere Gesichtspunkte und die beziehen sich auf den praktischen Einsatz. In einem Raketentriebwerk wird zuerst ein Teil des Treibstoffs in einem Gasgenerator oder Vorbrenner verbrannt. Dieses Arbeitsgas treibt dann eine Turbine an, an deren Schaft eine oder zwei Pumpen hängen. Die Pumpen fördern den Verbrennungsträger (Kohlenwasserstoff) und den Oxidator Sauerstoff. Ideal wäre wenn beide Pumpen dieselbe Förderleistung haben, also bei gleichem Einspritzdruck, das ist meist gegeben, dasselbe Volumen fördern. Das ist aber selten gegeben. Der Autor kennt nur einen Fall, das ist die Verbrennung von MMH und NTO bei dem die Volumina bei geeignetem Verhältnis gleich groß sind. Letztendlich läuft es darauf hinaus, das die Tanks bei gleichem Fördervolumen gleich groß sind. Wie groß die Volumina sind, hängt vom Mischungsverhältnis und der Dichte des Kohlenwasserstoffs ab. Die folgende Tabelle gibt dies für die obigen Substanzen und noch den von Isar Aerospace favorisierte Propan und Kerosin an, dem in der Raketentechnik gängigen Kohlenwasserstoff. Das Verbrennungsverhältnis entspricht nie 100 % des stöchiometrischen Verhältnisses, da man immer Gas für die Kühlung der Brennkammer braucht und auch das Arbeitsgas nicht oxidatorreich sein darf, sonst würde das Metall bei den Temperaturen oxidieren. Man setzt daher den Verbrennungsträger im Überschuss ein. Ich würde gerne hier auch eine Tabelle vorlegen, doch für die meisten Verbindungen fand ich nur die Dichte in Gasform. Immerhin, Propan kann relativ einfach verflüssigt werden und ist dann unter Druck auch jenseits des Siedepunktes (-42 Grad Celsius) flüssig. Seine Dichte beträgt dann 0,493 g/cm³, nur wenig höher als die von Methan (0,42 g/cm³). Kerosin kommt auf eine Dichte von 0,82 bis 0,85 g/cm³, in etwa die gleiche wie Heizöl oder Diesel. Das stöchiometrische Verhältnis Propan/LOX beträgt dann 3,63 zu 1. Bei einem Verhältnis von 2,31 wären beide Tanks gleich groß, das ist so viel geringer als das stöchiometrische Verhältnis, das gleich große Tanks und damit eine Turbopumpe für beide Treibstoffe als Grund für die Wahl von Propan auszuschließen ist.

Das stöchiometrische Verhältnis der meisten Kohlenwasserstoffen zu Sauerstoff liegt zwischen 3 und 4, bei Kerosin z.B. bei 3,46 zu 1. Die Dichte steigt dagegen von 0,42 g/cm³ an. Unter günstigen Umständen kann eine Turbine beide Pumpen bedienen wenn ein Übersetzungsgetriebe vermittelt. Oft wird aber jeweils eine Turbine für die Pumpen von für und Kohlenwasserstoff benötigt.

Ein Grund, warum man so lange nur Kerosin nutzte, obwohl der höhere spezifische Impuls von Methan bekannt war, ist das Kerosin einen sehr hohen Siedepunkt hat. Verwendet werden sehr hoch siedende Fraktionen des Erdöls, die erst bei über 200 Grad Celsius in die Gasphase übergehen. Da man mit dem Verbrennungsträger die Brennkammer und oft auch einen Teil, der Düse kühlt, ist das von Vorteil, denn solange es flüssig ist, kann es viel mehr Wärme aufnehmen als wenn der Kohlenwasserstoff in der Gasphase ist. Methan siedet dagegen bei schon bei -162 Grad Celsius. Es geht praktisch sofort wie Wasserstoff in die Gasphase über wenn es die Brennkammer erreicht.

Die Ausstromgeschwindigkeit

Doch nun an den rechenintensiven Teil des Blogs. Am wesentlichsten, will ich die Treibstoffmenge und damit auch die Größe einer Rakete und ihre benötigte Schubkraft minimieren, ist um das Wort eines Altkanzlers zu zitieren „Was am Ende rauskommt“, diesmal sogar wörtlich zu nehmen, nämlich die Gase die die Düse verlassen. Gegenüber Wasserstoff schneiden Kohlenwasserstoffe durch die Chemie nicht ganz so schlecht ab, wie zu erwarten. Das liegt daran das der Kohlenstoff bei Sauerstoffarmut zu Kohlenmonoxid oxidieren kann und damit etwas Energie auch bei teilweiser Verbrennung aus dem Molekül gewonnen werden kann.

Ich habe im folgenden mit FCEA2 ein hypothetisches Oberstufen-Triebwerk modelliert, mit folgenden Eckdaten:

  • Brennkammerdruck 200 bar
  • Expansionsverhältnis der Düse 1000

Beide Parameter bedingen sich. Eine große Düse die nicht zu schwer ist, erfordert einen hohen Brennkammerdruck. Es ist trotzdem real umsetzbar. Ein Triebwerk mit einer 4 m großen Düsenmündung, also einer Größe die noch gut in Stufenadapter einer Rakete mit 5 m Durchmesser wie Ariane 5+6, Vulcan oder Delta 4 passt hätte rund 250 kN Schub. Das hohe Expansionsverhältnis liefert dann eine Ausströmgeschwindigkeit, die nahe am praktisch erreichbaren Maximum liegen. 200 bar sind für ein Hauptstromtriebwerk im Staged Combustion Verfahren ein Brennkammerdruck der normal ist und von mehreren Triebwerken übertroffen wird.

FCEA2 liefert immer zwei Werte. Sie entsprechen zwei Annahmen über die Chemie der Reaktion und sind Extreme. Der reale Wert liegt dazwischen. Bei Kerosin liegt der wahre Wert bei einigen Hochdrucktriebwerken, die ich durchrechnete bei tea 80:20 der Werte. Von dieser Regel ging ich auch hier bei den anderen Kohlenwasserstoffen aus. Ich suchte weiterhin das optimale Mischungsverhältnis für die Reaktion. Wie oben erläutert, kann durch den Einsatz des Treibstoffs zur Kühlung und als Arbeitsgas in der Praxis das Verhältnis anders gewählt werden.

Neben den Kohlenwasserstoffen in der obigen Tabelle habe ich auch noch Cyclopropan hinzugenommen. Cyclopropan ist ein Molekül das unter innerer Spannung steht. Die Ekeltonen in der äußeren Schale stoßen sich gegenseitig ab und so resultieren bestimmte Bindungswinkel bei denen die Abstoßung minimal ist, beim Kohlenstoff mit vier Einzelbindungen ist das bei 105,6 Grad – dem Winkel eines Tetraeders, der Fall, im Cyclopropan müssen die Bindungen einen Winkel von 60 Grad einhalten. Das Molekül ist so instabiler als das lineare Propan, was die Energie reduziert die benötigt wird die Bindungen zu spalten. Cyclopropan wurde als Ersatz für Kerosin als „Sintin“ bei der Sojus U-2 eingesetzt wenn diese besondere Performance benötigte, nach Zerfall der Sowjetunion hat man dies wieder eingestellt. Wie man sieht ist es etwas besser als Kerosin, das es ersetzt.

Verbindung Mischungsverhältnis Spez. Impuls „Frozen“ [m/s] Spez. Impuls „Equilibrium“ [m/s] 80:20 Mischung [m/s]
Methan 4 3.611 4.070 3.978
Ethan 3,6 3.578 4.052 3.957
Ethen 3 3.600 4.102 4.001
Ethin 2,8 3.551 4.190 4.062
Cyclopropan 3,2 3.538 4.053 3.950
Kerosin 3 3.521 3.979 3.887
Propan 3,4 3.568 4.032 3.939

Man sieht, dass zum einen mit der Anzahl der Kohlenstoffatome der spezifische Impuls abnimmt. Sofern Doppelbindungen vorhanden sind, sieht es aber anders aus. Der Grund liegt daran das Doppelbindungen erheblich schwächer als Einzelbindungen sind. Ethylen und Ethin (Acetylen) ergeben daher einen höheren spezifischen Impuls nach FCEA als Methan, zumindest bei dieser großen Düse wo sich die Gleichgewichte gut einstellen können. Die Wahl von Propan bei Isar Aerospace bringt einen etwas höheren spezifischen Impuls als Kerosin, mit etwa 50 m/s mehr.

Allerdings ist dieses modellierte Triebwerk untypisch. Nur Staged Combustion Triebwerke erreichen einen so hohen Druck, die werden aber meist in Erststufen eingesetzt. Geht man auf die typischen Werte eines Triebwerks von Oberstufen mit Expanded Cycle (Brennkammerdruck: 40 bar, Expansionsverhältnis 150) über, verändert aber das Mischungsverhältnis nicht (es verschiebt sich in der Realität je nach Brennkammer/Düsenmundungsdruck leicht) so bekommt man folgende Werte:

Verbindung Mischungsverhältnis Spez. Impuls „Frozen“ [m/s] Spez. Impuls „Equilibrium“ [m/s] 80:20 Mischung [m/s]
Methan 3,6 3.445 3.822 3.746
Ethan 3,2 3.411 3.711 3.651
Ethen 2,8 3.400 3.837 3.749
Ethin 2,6 3.355 3.888 3.781
Cyclopropan 3,0 3.340 3.779 3.691
Kerosin 3 3.294 3.711 3.627
Propan 3,2 3.369 3.771 3.691

Aber auch hier sind Ethen und Ethin etwas besser als Methan, wenn auch nur um 50 m/s. Dabei ist Ethin dichter, 0,54 g/cm³ am Siedepunkt, verglichen mit Methan (0,42 g/cm³). 1000 t Treibstoff benötigen bei den Verhältnissen der obigen Tabelle 1203,5 m³ bei Methan, 1.147,4 m³ bei Ethin. Das spart Gewicht. Warum es nicht eingesetzt wird weiß ich nicht, vielleicht befürchtet man die Bildung von Ruß, bei den angegebenen Verbrennungen tritt Ruß nach FCEA2 nicht auf, aber der Kohlenmonoxidanteil ist mit 26 zu 16 Prozent deutlich höher. Man sieht aber auch: der Vorteil beim spezifischen Impuls gegenüber Kerosin ist gegeben, aber nicht enorm hoch. Er liegt bei 175 m/s beim hohen Brennkammerdruck und 154 m/s bei den typischen Werten eines Oberstufenwertes. Warum neuere Triebwerke so viel besser aus alte US-Triebwerke aussehen liegt daran dass diese mit hohem Brennkammerdruck arbeiten und im Hauptstromtriebwerke. Die bisher eingesetzten US-Triebwerke aber Nebenstromtriebwerke mit moderatem Brennkammerdruck. Russland hat diese Technologie aber schon bei Kerosin eingesetzt und so kann man vergleichen. Leider benötigt man Daten der beiden neuen Triebwerke zum Vergleichen. Blue Origin veröffentlicht praktisch nichts über die Technik ihrer Triebwerke. Bei SpaceX gibt es viele Angaben, leider entsprechen sie unterschiedlichen Entwicklungsfortschritten oder es wird nicht gesagt ob es erreichte oder Zielwerte sind. Ich habe daher die von der DLR gemachte Modellierung des Raptor 1 genutzt. Als Vergleich nutze ich russische Triebwrke mit derselben Technologie aber Kerosin als Treibstoff.

Triebwerk Raptor 1 Raptor 1 Vakuum RD-191 RD-58SA / RD-58S
Brennkammerdruck: 250 bar 250 bar 257,6 Bar 79 Bar
Expansionsverhältnis: 35 115 37 189 / 500
Spez. Impuls Meereshöhe 3.202 m/s 2.796 m/s 3052 m/s
Spez. Impuls Vakuum 3.472 m/s 3.668 m/s 3302 m/s 3.492 m/s / 3.560 m/s

Man sieht auch hier: die Raptors sind um etwa 150 m/s besser als das im Brennkammerdruck vergleichbare Raptor der Super Heavy. Dies entspricht dem oben berechneten Unterschied. Bei den Oberstufentriebwerken ist der Vergleich schwieriger, weil das RD-58 mit einem geringeren Brennkammerdruck aber höheren Expansionsverhältnis arbeitet. Das Expansionsverhältnis für einen korrekten Vergleich läge bei 363, also zwischen den Werten des RD-58S und RD-58F. Auch hier finden wir einen um 150 m/s höheren spezifischen Impuls.

Wasserstoff als Verbrennungsträger spielt aber immer noch in einer anderen Liga. Die Shuttle SSME haben einen etwas geringeren Brennkammerdruck als das Raptor 1, sie kommen aber auf einen Vakuumimpuls von 4.480 m/s. Das Vinci Triebwerk wird mit 60 Bar und einem Expansionsverhältnis von 84, also weit unterhalb den Werten des Raptor 1, kommt aber auf einen spezifischen Impuls von 4.493 m/s. Das sind Wette die um 1.000 m/s (SSME) bzw. 800 m/s (Vinci) höher liegen als die mit Methan erzielbaren.

8 thoughts on “Kohlenwasserstoffe als Raketentreibstoffe im Vergleich

  1. Hallo,
    ein Problem mit Ethin (Acetylen) ist das es bei höherem Druck zur Zersetzung neigt.
    In Gasflaschen ist Acetylen im Regelfall in Aceton gelöst, und daher müssen diese Flaschen bei der Entnahme entweder stehen oder mit dem Kopf höher liegen als mit dem Fuß. Die Flaschen stehen nur unter einem Druck in der Größenordnung von 10 Bar.
    Als Raketentreibstoff müßte das Ethin aus Gewichtsgründen als Druckgas verwendet werden. Oder eben gekühlt und flüssig.
    Wenn es aber schon ab 160°C zum detonieren durch Selbstzersetzung neigt…

    MfG

  2. @Bernd:

    Ist der Brennkammerdruck beim RD-191 ein Vertippser?

    (Ein vierstelliger Werk kommt mir schon sehr Hoch vor und in deinem Webseiten Artikel zur Baikal steht der Wert des RD-191 wäre 253 bar.)

    Ansonsten, danke für die Vergleichstabelle.

  3. Neben den „regulären“ Kohlenwasserstoffen und Olefinen gibt es ja auch noch die Cyclopropan Derivate. Es wurde 2013 ja schon einmal das Syntin der Russen hier diskutiert.

    https://www.bernd-leitenberger.de/blog/2013/11/28/herstellung-von-kraftstoffen-teil-2-die-destillation/

    Inzwischen gibt es da etliche (theoret.) Homologe die bei 6 Cyclopropan-Ringen auch schon Dichten über 1,0 haben sollen und zudem endständig eine Doppelbindung besitzen.

    Es gibt Lithium metallorganische Cyclopropan Derivate, es gibt auch Cyclopropan Derivate mit Ethin Gruppen. Noch sind diese Verbindungen alle recht teuer und aufwendig zu produzieren. Aber womöglich wird es irgendwann auch „metastabile“ Kohlenwasserstoffe geben die regulär solche Komponenten enthalten.

    https://www.chemistryworld.com/news/renewable-rocket-fuel-made-by-genetically-engineered-soil-bacteria/4015918.article

    PS: Ja, ich habe es auch gelesen, von der einen Type haben sie bis jetzt nur extrem niedrige Konzentrationen hinbekommen: „But Keasling’s team only produced 10mg/l of fuelimycins.“

  4. Propan ist mit einem Siededruck von minus 18 Grad bei den gängigen Drücken in Raketentanks flüssig und bleibt es vermutlich auch wenn es zur Kühlung der Brennkammer verwendet wird. Je nachdem welcher Druck dort herrscht. Außerdem ist es von Hause aus schwefelfrei und neigt auch bei höheren Temperaturen nicht zum Cracken und dürfte so die Kühlkanäle auch nicht verstopfen.
    Könnte mir vorstellen dass das weshalb man es als Treibstoff für gewählt hat

    1. Sorry Gairon,

      Drücke werden auch in den neuen Medien, Youtube und Co. nicht in Grad, auch nicht Grad Kelvin angegeben. Die „Drücke“ in Raketentanks sind bei Flüssigkeiten eigentlich irrelevant. Die Flüssigkeiten werden normalerweise bei Temperaturen unterhalb des Siedepunktes gelagert, der darüber stehende Druck ist also davon unabhängig. Das Propan, das Sie angesprochen haben, liegt unter dem Eigendruck bei RT natürlich flüssig vor. Dafür benötigen Sie aber einen entsprechen ausgelegten Drucktank, und nicht die papierdünnen Einwegteile aus den Raketen. Herr Leitenberger möge mich korrigieren wenn ich hier falsch liege, aber echte Drucktanks werden wohl nicht verbaut.

      Sollte jemand auf die Idee kommen, eine Brennkammer mit flüssigem Propan zu kühlen ohne dabei die Verbrennungstemperatur über die Verdampfungsenthalpie des Treibstoffs abzuführen dürfte es auch eine Überraschung geben. Es ist gerade die Verdampfung die die Verbrennungswärme abführt – oder irre ich mich? Zudem muß der Treibstoff ja auch verdampft werden. Soll das separat geschehen?

      Propan ist auch nicht von Haus aus schwefelfrei sondern durch den Claus-Prozeß in der Raffinerie. Denn durch den Prozeß wird der Schwefel vor der atmosphärischen Destillation entfernt. Das ist übrigens auch so ein Ding – wenn wir kein Erdöl und Erdgas mehr aufbereiten, dann fehlen große Mengen an Schwefel die heute noch aus der Raffinerie kommen. Einen Teil kann man ersetzen aus biogenem Schwefel der bei der Aufarbeitung von Biogas anfällt. Tatsächlich kann man Bio-Schwefel darstellen, das war mir auch neu.

      Und zuletzt – wenn Propan cracken würde, wie genau sollte das dann die Kühlkanäle verstopfen? Per Definition ist im petrochemischen Sprachgebrauch cracken eine Segmentierung eines längeren Moleküls zu kurzkettigen Olefinen. In der von Ihnen beschriebenen Situation können sich keine Moleküle bilden die irgend etwas verstopfen.

      War das diese neue KI, die den Text erstellt hat?

      1. Der Druck den Propan in einem geschlossenem Tank erzeugt ist stark von der Temperatur abhängig. Das wird Gairon gemeint habe. Hier ein Schnipsel aus Wikipedia.

        „Der Flascheninnendruck wird ausschließlich durch den Dampfdruck der Verbindung bestimmt und ist nur abhängig von der Umgebungstemperatur. Er ist folglich nicht vom Füllgrad der Druckgasflasche bestimmt und beträgt zum Beispiel 4,7 bar bei 0 °C, 8,4 bar bei 20 °C und 17,1 bar bei 50 °C.“

        Ich weiß nicht wie stark der Druck bei unter 0° noch sinkt, aber vielleicht gibt es da einen Punkt wo es dann mit einem leichten Tank handelbar ist.

        Aber so oder so, ich finde die Entscheidung für Propan auch merkwürdig.

        Man kann auch Kühlen ohne das die Flüssigkeit verdampft, siehe z.B. den Kühlkreislauf bei einem typischen Auto.

        1. Zwei Dinge sollten wir kurz anreißen:

          „Ich weiß nicht wie stark der Druck bei unter 0° noch sinkt, aber vielleicht gibt es da einen Punkt wo es dann mit einem leichten Tank handelbar ist.“

          Das ist bedenklich, selbst google liefert da gute Treffer. Und es gibt nicht vielleicht, sondern ganz genau eine Temperatur bei der der Druck der darüberstehenden Gasphase sich dramatisch ändert – der Taupunkt oder eventuell auch der Siedepunkt.

          „Man kann auch Kühlen ohne das die Flüssigkeit verdampft, siehe z.B. den Kühlkreislauf bei einem typischen Auto.“

          Mein Dieselmotor ist aus Alu, wiegt einige Hundert kg und muß die Verbrennungswärme von gut 6 kg an Kohlenwasserstoffen und Biodiesel abführen – über Konvektion und pro Stunde. Ein Raketentriebwerk wiegt ähnlich viel und muß die Verbrennungswärme von 280 kg Brennstoff abführen, pro Sekunde. Der Wärmetauscher dafür, der das auch noch oberhalb von 30 km Höhe macht, ist noch nicht erfunden.

          1. Ich hatte aber keine lust/zeit zu googlen. Nur kurz Wikipedia.

            Und nein, der Siedepunkt von Propan hängt vom um Druck ab (oder eben genau umgekehrt).

            Wie viel kg Wasser Pro Sekunde pumpt denn deine Auto-Wasserpumpe durch das Kühlsystem? Bei deiner angenommen Rakete sind es 280kg pro Sekunde. Natürlich verdampft das Propan dann spätestens in der Brennkamer. Wobei man definitiv aber keine Dampfblasen haben will (egal welches Kühlmittel) ist in den Röhren des Kühlsystems.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.