Raumfahrt, Sicherheit und die Kosten

ColmbiaAuch bei der Raumfahrt gibt es Risikoanalysen. ein Träger wird für eine bestimmte „Zuverlässigkeit“ gebaut, d.h. man nimmt an dass ein Teil der Missionen schief gehen kann. Das klingt verblüffend, aber ihr Auto hat auch mal eine Panne oder ihr Computer einen Hardware Defekt. Nur bedeutet die bei einer Trägerakete einen Verlust der Nutzlast.

Ariane 1 wurde zum Beispiel. für eine Zuverlässigkeit von 90 % entworfen – ein Wert der angesichts der mangelnden Erfahrungen Europas und der damaligen Zeit eine normale Größe war. Ariane 5 dagegen für 98.5 % mit der Oberstufe EPS und 99 % ohne. Wie zuverlässig eine Rakete sein muss ist prinzipiell eine finanzielle Frage. Je höher der Wert ist desto teurer ist die Rakete. Ein Nachrichtensatellit ist etwa 2-3 mal teurer als die Trägerrakete, dazu kommen 20-25 % Versicherung für beides. Man kann leicht ausrechnen, das die Versicherungsprämien erheblich höher sind als das Risiko des Starts alleine, das heute je nach Trägerrakete bei <5 % liegt. Neben der Tatsache, dass die Versicherung Gewinn machen möchte und es in der Vergangenheit erhebliche Fluktuationen bei den Ausfällen gab, die man durch hohe Prämien ausgleichen will gibt es auch Risiken bei der Herstellung (Satelliten wurden dabei schon beschädigt), Tests (Ein Satellit überstand einen Schütteltest) ja sogar Startvorbereitung (Ein Kran fiel auf einen Insat Satelliten). Auch nach dem Start gingen Satelliten verloren, zündeten ihre Triebwerke nicht, so dass sie in einem unbrauchbaren Orbit strandeten oder es gab Probleme bei der Inbetriebnahme, wie der Verlust der halben Sendeleistung bei TV-SAT A dadurch dass man Transportklammern vergaß zu befestigen.

wer eine Trägerrakete heute konzipiert oder auch nur eine vorhandene verändert wägt die Kosten dafür und für die Herstellung mit dem zu erwartenden Risiko ab und sorgt für ein Optimum. Wer eine unzuverlässige Trägerakete hat, wie z.B. die Proton oder Zenit muss entsprechend die Starts billiger anbieten um Aufträge zu erhalten. Hierzu noch ein Nachtrag: Der Fehlstart der Zenit am 30.1. hat nun zum umbuchen eines Starts auf eine Ariane 5 geführt, welcher zusätzlich im August durchgeführt wird. Das letzte mal als dies vorkam war dies nach dem Fehlstart eines Intelsat 7 auf einer chinesischen Langen Marsch 1996, dies führte letzten Endes dazu, dass die chinesische Träger vom Markt verschwanden.

Bei bemannten Raumfahrzeugen ist es etwas anderes. Nun geht es um Menschenleben und der Sicherheitsaspekt war wichtig. In den 60 ern setzte man trotzdem Astronauten auf im Vergleich zu heute recht unzuverlässigen Trägerraketen. Zum einen hatte man eine andere Einstellung zum Risiko als heute, zum zweiten gab es einen Wettlauf um Erstleistungen und zum dritten glich man die mangelnde Zuverlässigkeit der Trägerakete durch andere Maßnahmen aus,

Eine Kapsel ist relativ massiv und hält so einiges aus. Ein Fluchtturm kann sie bei einer Explosion schnell von der Rakete absprengen und so in sichere Entfernung bringen und zuletzt haben die Kapseln eine solche aerodynamische form, dass sie bei einem Wiedereintritt sich meist von alleine so orientieren, dass sie den Hitzeschutzschild korrekt ausgerichtet haben. Das war sowohl bei den Apollo Kapseln wie bei den Sojus Kapseln so.

Da die Sojus Kapseln heute noch im Einsatz sind haben sie auch schon dies unter Beweis stellen können:

  • Am 5.4.1975 zündete die dritte Stufe der Trägerrakete nicht und die Kapsel wurde abgesprengt und ging 1600 km vom Startort entfernt nieder.
  • Am 10.4.1979 explodierte das Haupttriebwerk von Sojus 33. Die Besatzung konnte mit dem beschädigten Reservetriebwerk notlanden.
  • Am 26.9.1982 explodierte die Trägerrakete beim Start. Die Besatzung konnte durch das Rettungssystem aus der Gefahrenzone geschossen werden,

Die Sojus Kapsel bietet ihrer Besatzung eine Menge Sicherheit, auch wenn bei ihrer Entwicklung 4 Tote zu beklagen gab. Der erste Flug scheiterte weil sich der Fallschirm verhedderte und bei Sojus 11 gab es ein Leck welches zur Dekompression führte (und als Folge tragen die Kosmonauten bei Start und Landung seitdem Druckanzüge).

Doch wie ist dies beim Space Shuttle. Die NASA ließ natürlich Rettungsmechanismen untersuchen. Schludersitze gab es während der Testflüge, doch nutzbar sind sie nur während der ersten Phase des Starts bis in etwa 12 km Höhe. Zudem konnte man so nicht die Besatzung im hinteren Teil (Missions- und Nutzlastspezialisten) retten, da es über ihnen keine Lucken gab. Eine abtrennbare Mannschaftskabine hätte die Nutzlast um ein Drittel abgesenkt und wurde deswegen verworfen.

ChallengerMan konzentrierte sich darauf die technischen System so zu verbessern, dass eine hohe Zuverlässigkeit vorlag und man Fehler rechtzeitig erkennen und darauf reagieren kann. Die Haupttriebwerke sollten zum Beispiel. vor Columbia neue Triebwerkscontroller bekommen die mit mehr Sensoren einen Fehler so rechtzeitig erkennen sollten, dass sie das Triebwerk sanft herunterfahren können ohne das es zu einem katastrophalen Defekt (Explosion) kommt. Diese Maßnahme wird nun wahrscheinlich ausblieben, weil die restlichen Space Shuttles ausgemustert werden.

Als man den Shuttle konzipierte 1972 hatte man ein anderes Sicherheitsdenken als heute. Nach 80 Flügen ohne Probleme hatte man sich aber daran gewöhnt dass die Flüge fehlerfrei waren, zumindest ohne Risiko für die Besatzung. Columbia zeigte, dass dem nicht so war. Schlussendlich führte dies zum Einstellen des Shuttle Programms. Columbia zeigte, dass es eben immer noch Restrisiken gab die man nicht vorher beachtet hatte und das der Shuttle durch seine Leichtbauweise viel empfindlicher als eine Kapsel war. Als Folge wird das Orion Raumschiff wieder eine Kapsel sein, nur größer.

Was wäre wenn das Space Shuttle niemals bemannt gewesen wäre? Ich bin der Überzeugung, dass man nach Challenger die Feststoffraketen nachgebessert hätte. einen Großteil der Sicherheitsänderungen die etwa 2 Milliarden USD kosteten nicht gemacht hätte, genauso wie die Veränderungen nach Columbia. Im Endeffekt haben sie der NASA sogar geschadet: Alle Änderungen zusammen führten zu einer rapiden Abnahme der Flüge.

  • Vor Challenger wusste man, dass 4 Orbiter etwa 12-15 Flüge pro Jahr durchführen können
  • Nach Challenger waren es durch Sicherheitsaspekte nie mehr als 8
  • Nach Columbia ist die Startzahl auf 4-5 geschrumpft. Rechnet man dies auf 4 Orbiter hoch, so sind es 5.3-6.7.

Die Startkosten sind in der gleichen Weise gestiegen auf etwa das dreifache von 1986. Bei einem kommerziellen Vehikel hätte man dies nicht mitgemacht und eher mit einer höheren Ausfallwahrscheinlichkeit gelebt. Unter diesem Aspekt ist das Space Shuttle auch heute noch gut: Etwa ein Verlust auf 60 Flüge. Eine kommerzielle Rakete mit diesen Daten wäre gut platziert. Leider ist dies eben genau ein Start zuviel für die Öffentlichkeit. Die Astronauten wussten immer das es ein Restrisiko gab und waren auch bereit es zu tragen.

Man sollte dabei natürlich nicht vergessen, dass man heute schlauer ist. Das Space Shuttle wurde vor 35 Jahren konzipiert. Genauso wie man ein Auto dieses Alters, ohne 3 Punkt Gurt, Knautschzone, Airbags, Gurtstraffung, automatischer Vollbremsung durch Radarabstandsmessung nicht mit einem modernen Auto vergleichen kann ist es unfair einen Space Shuttle mit einem neu konzipierten Raumgleiter wie Kliper zu vergleichen. Doch die Allgemeinheit sieht dies anders und so werden die Space Shuttles in 3 Jahren Geschichte sein.

Musiktipp für heute passend zum Thema: Peter Schilling Major Tom