Was kostet ein Sitzplatz?

Es gibt wieder eine neue Neuigkeit von SpaceX. Sie haben eine weitere Tranche der NASA Mittel für ihr „Fluchtsystem“ erhalten weil sie weitre Milestones absolviert haben. Und dann haben sie auch gleich betont, dass ihre Dragon sieben Astronauten für 20 Millionen Dollar pro Person in den Orbit bringen kann, während es bei den Russen 62 Millionen kostet.

Nun unstrittig ist, dass die Startpreise bei den Russen drastisch gestiegen sind. Wenn wundert auch das? Ebenso unstrittig dürfte sein, dass nur SpaceX glaubt, man könnte  sieben Astronauten in eine Kapsel rein quetschen, die 20% weniger Innenvolumen wie eine Apollokapsel aufweist. Es geht spätestens dann nicht mehr wenn man von der realistischen Annahme ausgeht, dass dort auch noch einiges an Platz für Lebenserhaltung, Notsysteme, Elektronik benötigt wird. Man muss nur bei bestehenden und früheren Systemen schauen, was vom Innenraum übrig bleibt.

Aber versuchen wir mal jenseits von SpaceX mal abzuschätzen was ein Sitz auf einem US-System realistisch kosten würde, also zu Preisen, die bei anderen Firmen möglich sind. Denn noch hat SpaceX keinen einzigen kommerziellen Start durchgeführt und damit bewiesen, dass sie auch mit den Startpreisen Gewinn machen können.

Fangen wir mal mit der Trägerrakete an. Es gibt derzeit die Taurus mit rund 7 t Nutzlast und Startkosten von 85 Millionen Dollar und die meisten Firmen entschieden sich für die Atlas mit Startkosten von rund 190 Millionen Dollar für 20 t Nutzlast.

Dann brauchen wir noch ein Raumschiff. Hier fängt das Problem an. das letzte US-Raumschiff in einer Kapselform war Apollo. Das ist fast fünfzig Jahre her und weil es zum Mond fliegen sollte ist es unnötig teuer für Erdorbitmissionen. Ich würde eher einen der unbemannten Frachttransporter als Vergleich nehmen. Das mag zuerst weit hergeholt erscheinen. Doch es gibt durchaus einige Gemeinsamkeiten. Zum einen müssen deren Druckbehälter ja auch es erlauben das die Besatzung sie betreten kann. Das heißt die Hülle ist schon mal stabil genug für den ersten Teil der Reise zur ISS.

Was in den Transportern fehlt ist eine regulierte Umgebung. Das bedeutet weder die Atmosphäre, noch die Temperatur ist konstant, zumindest nicht in den Grenzen, die für Menschen tolerierbar sind. Bei der Fracht-Dragon gibt SpaceX z.B. Extremwerte für die Temperatur von 10 bis 46°C an und 25 bis 75% für die Luftfeuchtigkeit und macht keine Angaben zum Sauerstoffgehalt. Die Firma hat beim letzten Testflug gerade mal einen Käse die Reise zugetraut, aber nicht einem Lebewesen. Für einen ISS-Transporter der in ein paar Stunden ankoppeln und nach dem Abkoppeln wieder landen soll, ist aber auch hier kein so großer Aufwand nötig. Lithiumhydroxidkanister für das Kohlendioxid reichen aus um dieses zu absorbieren. Sauerstoff und Stickstoff können aus Druckgasflaschen stammen und der Sauerstoffgehalt kann gemessen werden. Die Thermalkontrolle geht am einfachsten, indem man das Raumschiff mit einer weisen oder stark reflektierenden Oberfläche überzieht und aktiv heizt (durch elektrisch betriebene Heizelemente). Für die Stromversorgung reichen bei so kurzen Missionen auch Batterien aus. Das spart sogar gegenüber den derzeit eingesetzten Solarzellen Kosten. Im Extremfall kann man bei nur kurzen Missionszeiten sogar die Leute im Raumanzug zur ISS schicken und landen lassen und dann auf eine regulierte Atmosphäre ganz verzichten.

Dazu eine Antwort auf eine sehr oft gestellte Frage: Warum konnte man bei Gemini in einem bis vier Umläufen an die Agena ankoppeln, braucht heute aber mehrere Tage für die ISS? Nun eine Antwort ist, dass sie möglichst schnelle Ankopplung an die Agena eines der Missionsziele war. Damit sollte das Ankoppeln der Mondlander-Aufstiegsstufe an das Mutterschiff simuliert werden und diese hatte nur eine Betriebsdauer von rund sieben Stunden nach dem Start. Je weniger Zeit man hat, desto kleiner ist auch das Startfenster. Es betrug bei den Missionen mit der Ankopplung nach drei  bis vier Umläufen noch rund zwei Minuten und schrumpfte auf wenige Sekunden bei der Ankopplung beim ersten Umlauf. Ein weiterer Grund ist natürlich dass heute erst mal nach dem Start das ganze Raumschiff durchgecheckt wird und es deutlich komplexer als Gemini ist und die gesamte Annäherung viel langsamer vor sich geht auch wegen Sicherheitsaspekten. Trotzdem: Bei Skylab war man auch nach 8 h 30 min angekoppelt. Es muss also nicht so langsam gehen. Die heutigen Vehikel (Sojus bzw. bis vor wenigen Monaten das Shuttle) waren aber für längere Missionen ausgelegt, also gibt es keine Eile. Man könnte aber auch wenige Stunden nach dem Abheben ankoppeln. Wer über beide Programme mehr wissen will, sollte mal einen Blick auf die Links rechts unten werfen.

Bleibt noch die Landung. Auch hier kann man es sich einfach machen: Wenn das Raumschiff die Form eines sich selbststabilisierenden Körpers hat, so dreht sie sich so, dass der Hitzeschutzschild in Flugrichtung zeigt. Ablativ abbrennendende Hitzeschutzschilde sind zwar „unsexy“, aber seit Jahrzehnten erprobt und beide Techniken zusammen kombiniert funktionieren auch ohne aktive Steuerung wie Russlands Fotos Kapseln seit Jahrzehnten beweisen. Punktlandungen sind so schwer möglich, weil es wenige Steuermöglichkeiten gibt – aber so what, es gibt auf See genügend Platz zum Landen.

Zusammengenommen sehe ich keinen Grund warum ein Raumschiff für Personen und Kurzzeitmissionen teurerer sein muss als einer der Transporter zur ISS wie die Cygnus oder das HTV (das ATV sollte man wegen seiner Rolle als eierlegende Wollmilchsau nicht als Referenz nehmen). Natürlich kann man die Missionen beliebig teuer machen, wenn man, wie dies bei der Orion geschehen die Sicherheitsanforderungen ins unendliche anhebt.

OSC erhält für acht Flüge der Cygnus rund 1,9 Milliarden Dollar. Ein Flug kostet also rund 233 Millionen Dollar. Bei 7 t Nutzlast wird so maximal ein Raumschiff für drei  bis vier Personen möglich sein. Selbst bei der größeren Zahl (vier Astronauten) wird es also nicht viel billiger als bei der Sojus (58 Millionen Dollar pro Astronaut). Bei drei Personen sogar teuer. Für den Start auf der Atlas V ist Boeings CST-100 vorgesehen, die sieben Astronauten transportieren soll. Als Transport-Pendant kann hier das HTV dienen, dass 153 Millionen Dollar pro Exemplar kostet. Dazu kommen aber noch die Missionskosten. So wäre eine Summe von 370 bis 400 Millionen Dollar für CST-100, Atlas V und Missionsdurchführung wohl die richtige Höhe. Die Kosten für einen Sitz betragen dann 53 bis 57 Millionen Dollar. Sie liegen aber dann nicht viel niedriger als bei den Russen.

Was wäre das ideale Gefährt? Die ISS ist ausgelegt für eine Dauerbesatzung von sechs Personen. Die Russen werden ihre drei Kosmonauten immer mit der Sojus transportieren, also wäre das ideale Gefährt eines für drei Personen und daher eher ein kleines als ein großes. Die CST-100 ist überdimensioniert. Es gibt derzeit nicht einmal die Schlafmöglichkeiten für so viele Astronauten, geschweige denn das die Versorgung, die in diesem und dem nächsten Jahr schon kritisch ist, dafür ausgelegt ist. Ein größeres Gefährt wäre dann wohl eher ein kombinierter Fracht/Personentransporter, obwohl das dann meiste eine ineffiziente eierlegende Wollmilchsau ist, denn eine Kapsel ist eben nicht ideal für den Frachttransport. So nutzt ja auch SpaceX nicht die theoretische Frachtkapazität von 6 t, wenn die NASA in das Volumen nur 1,6 t rein bekommt.

In der Summe wird es also nicht billiger werden, zumal ja noch die Entwicklungskosten hinzukommen. Auf der anderen Seite weis man nicht ob die Russen nochmals an der Preisschraube drehen. Die größte Unsicherheit ist der ISS Betrieb selbst. Vor 2012 gibt es keinen Entwicklungsauftrag für ein bemanntes Raumschiff. Bisher gab es nur kleine Vorentwicklungen. SpaceX und OSC arbeiten seit fünfeinhalb bzw. Vier Jahren an ihren Raumschiffen und sind beide noch mehrere Monate bis ein Jahr vor einem operationellen Betrieb entfernt. Dabei handelt es sich um unbemannte Transporter. Die Entwicklung eines bemannten dauert schon aufgrund der zusätzlichen Anforderungen länger. Meine Schätzung: Unterhalb von 5-6 Jahren ist kein Transporter einsatzbereit. Das bedeutet vor 2017-2018 gibt es kein operationelles System. Das bedeutet dass es bis zum derzeitigen Betriebsende der ISS maximal 2-3  Jahre lang in Betrieb sein wird. Und danach ist es auch wieder nutzlos. Mag sein, dass der ISS Betrieb erneut verlängert wird, doch eine Prognose jetzt ist schwierig, schließlich sind dann selbst die jüngsten Module 10 Jahre im All, die ältesten sogar 22 Jahre. Darauf verlassen würde ich mich also nicht.

Mit Sicherheit wird 2015, wenn der derzeitige Vertrag ausläuft noch kein System einsatzbereit sein, außer vielleicht tatsächlich die Dragon. Doch rechne ich nicht angesichts der Einstufungen die SpaceX von unabhängigen Panels für Sicherheit und ISS Betrieb in den letzten Monaten bekam, dass die NASA SpaceX den Hauptauftrag für die Entwicklung geben wird.

6 thoughts on “Was kostet ein Sitzplatz?

  1. Dazu kommt noch eins: Die Kosten für einen Sitz sind bei den Russen so stark angestiegen, weil man das Monopol hat und man die Preise beliebig anheben kann. Sobald es wieder Konkurrenz gibt, dürften die drastisch sinken. Die ersten Weltraumtouristen haben ja deutlich weniger bezahlt.

  2. Man sollte die Sache auch aus einem anderen Blickwinkel sehen: Die NASA zahlt alleine für die Versorgung (CRS) in vier Jahren 3,5 Milliarden Dollar. Das sind 775 Millionen Dollar pro Jahr.

    Jährlich bucht die NASA maximal 7 Sitzplätze pro Jahr bei den Russen, das sind dann 7 x 63 = 441 Millionen. Die Russen müssen also noch erheblich teurer werden um nur die Versorgungskosten reinzuholen.

  3. Das hier hat eine gewisse Ironie:
    1967 schlug Rockwell vor, das Apollo Raumschiff für Fracht Flüge zur Zukünftige Raumstation zu nutzen.
    das Treibwerk und Tanks werden ersetzt durch das Treibwerk und Tanks der LM Landestufe
    Die Brenstoffzellen durch Batterien ersetzt. das leere Volumen wurde mit 4 Nutzlast Kanister gefüllt
    Total 3254 kg an Nutzlast, In die Kapsel wurden 6 Astronauten rein gequetscht.
    Als Start Rakete wurde eine Titan IIIC bevorzugt
    Nach den andocken und entladen der Nutzlast Kanister mit EVA oder Robotarm
    wird das Service Module abgeworfen und die Kapsel bleibt als „Rettungboot“ an Station
    als Mission Kosten gab Rockwell ca 100 Mio Dollar in 1967 an. (662 Million in 2011 Dollar)
    Doch NASA hatte Interesse an was anders gefunden: Die Space Shuttle…
    Quelle: Modified Apollo Logistics Spacecraft

  4. @ Bernd >Für die Nutzlast wäre es auch zu teuer gewesen…
    Sauteuer, die Apollo Logistics Spacecraft hatte Große Raumstation mit 12 bis 48 Personen versorgen sollen!
    obwohl für ISS hatte 3 Starts/Jahr gereicht, die Crew, bleibt 4 Monate in orbit (mit der Kapsel als Rettungsboot)
    dabei wahren 9,76 Tonne/Jahr Versorgungsguter mit zu ISS gebracht
    bei benötige 22,7 Tonnen/Jahr musste eine ATV und eine HTV den Rest zum ISS bringen
    1986 Millionen Dollar/Jahr kosten bei Apollo Logistics Spacecraft
    1294 Millionen Dollar/Jahr for 4 Progress und 6 Sojus-TMA starts
    (ohne ATV und HTV kosten)
    420 Million wurde SpaceX für 3 Flüge/Jahr zu ISS mit 7 Personen Verlagen
    wenn sie die kosten von Falcon 9 und Dragon bei 140 Million Dollar halten können…

  5. Die NASA wird die bemannte Raumfahrt nicht aufgeben wollen, also braucht sie ein „eigenes“ Transportsystem. Nur von den Russen kaufen geht nicht, die werden immer teurer werden.

    Die wahrscheinlich sinnvollste Lösung für die NASA ist, mal bei EADS/ESA anzufragen, was eine „man rated“-Version der Ariane V samt ATV und Startkomplex in den USA (da kann man in Cape Canaveral sicherlich einiges recyceln) kosten würde. Und sich dann von Boeing oder Lockheed was ähnliches zum ungefähr doppelten Preis, dafür „made in den USA“ kaufen.

    Ohne die Anfrage bei den Europäern bekommt es die NASA natürlich auch, aber zum fünffachen Preis. Es sei denn, nun ja, es sei denn, Space-X oder OSC kommen doch noch in die Pötte.

    Jag

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