Meine Alternative zur SLS

Der eine oder andere hat sich über das Satire-Tag bei dem vorletzten Blogeintrag gewundert. Aber da viele Satire nur erkennen wenn man richtig dick übertreibt, dachte ich wars nötig. Es ist auch nicht so, dass ich an der Konzeption der SLS alles schlecht finde. Sie ist in der Tat für eine Rakete der Größe preiswert in der Entwicklung schnell – wenn man andere Projekte die von Regierungen angestoßen werden als Vergleich nimmt. Sicher ginge es bei einer kompletten Auftragsentwicklung billiger. Aber trotz CRS und CCDev ist wohl die NASA noch nicht bereit alles an die Industrie abzugeben.

Der grundlegende Punkt ist aber der, dass jede Trägerrakete nur ein Vehikel ist. Auch wenn ich und viele andere schon vom Start und den technischen Daten beeindruckt und fasziniert sind – man startet sie nicht zu Jux und Tollerei. Es gibt aber keine Missionen für die SLS. Selbst wenn man an unbemannte Missionen denkt, so ist man heute weiter als noch zu Zeiten der Saturn V. Wenn man heute für Sonden hohe Geschwindigkeiten braucht die eine entsprechend große Trägerrakete nötig machen könnten, dann hat man als Alternativen Swing-Bys im inneren Sonnensystem (Galileo, Cassini, Juno, Messenger, Rosetta) oder Ionentriebwerke (Dawn, Bepi-Colombo). Ohne Nutzlast sollte man aber keine Rakete entwickeln – schon alleine deswegen weil man Erfahrung für die Produktion braucht und wenn man dann die Leute nicht für eine laufende Produktion braucht, dann werden sie entlassen und ihr Wissen geht flöten. In dem Zusammenhang empfehle ich diesen Artikel über die Folgen dessen bei Titan Starts. Daher ist das ganze Projekt als ganzes Sinnlos, egal wie gut es konzeptiert ist. So empfehle ich als Name für die Rakete (die NASA will sie benennen und sucht derzeit nach Vorschlägen) „Dodo„. Das war ein flugunfähiger Vogel der ausgestorben ist. Passt meiner Ansicht nach sehr gut.

Doch ich wäre nicht Bernd-Leitenberger, wenn ich nicht meinen eigenen Senf und meine eigene Alternative vorschlagen würde. Für jedes Konzept gibt es Randbedingungen. Ich will mal meine nennen.

Das erste ist, das die Rakete sowohl günstig in den Produktionskosten wie auch Entwicklungskosten sein soll. Das geht am besten mit der Verwendung existierender und in der Produktion befindlichen Hardware. Bei den Boostern geht das nicht. Die in den USA hergestellten (es dürfte auszuschließen sein, dass man Booster aus Europa einsetzt) sind dazu zu klein. Die Booster der Atlas und Delta wiegen nicht mal 100 t. Die einzigen Alternativen sind die schon in der Produktion ausgelaufenen Titan 4 SRM und Shuttle SRM. Da die Shuttle-SRM die größeren der Beiden sind und das Produktionsende noch nicht so lange her ist, sind sie die erste Wahl. Die SLS setzt auch solche SRM ein, verlängert sie aber und macht diverse andere Änderungen die eine kostenintensive Neuqualifikation notwendig machen. Da nur 4 Segmente die Performance begrenzen, sehe ich als Alternative mehr Booster vor, nämlich 2-6 wobei die Konfigurationen mit 2,3,4 und 6 Boostern geometrisch möglich sind und so als Nebeneffekt eine Anpassung an die Nutzlast erlauben.

Bleibt noch die Zentralstufe und die Oberstufe. Für diese setze ich die gleichen Triebwerke ein, das ergibt größere Stückzahlen und senkt die Kosten deutlich. Die Wahl fällt relativ leicht: es gibt nur wenige Triebwerke in den USA die schubstark genug sind und noch nicht zu alt. Aerojet will eines entwickeln (AR-1) mit 2,2 MN Schub, ebenso so schubstark ist das BE-4 mit 2,4 MN. Beides LOX/Kerosin-Triebwerke. Dann gibt es noch das Shuttle RS-25 mit 1,7 MN und das RS-68 mit 3,0 MN SL-Schub, beides LOX/LH2 Triebwerke.

Die Wahl ist einfach: Das RS-68 ist das schubstärkste und wegen der Verwendung von LOX/LH2 wird die Stufe auch leichter weil der Energiegehalt des Treibstoffs höher ist. Vor allem für eine Oberstufe wichtig ist, das so die Nutzlast ansteigt. Das RS-68 war schon für die Ares V vorgesehen, aber in einer sichereren Form dem RS-68B. Ein RS-68A ist trotz des höheren Schubs billiger in der Produktion als ein RS-25, allerdings sind die Performancedaten schlechter, so ist der spezifische Impuls um 11% geringer, aber immer noch besser als jedes LOX/Kerosintriebwerk.

Die Oberstufe setzt dann ein Triebwerk ein, die Unterstufe habe ich mal mit 3, 4 und 5 Triebwerken durchgerechnet. Mehr Triebwerke in der Unterstufe machen durchaus Sinn. Nicht nur weil diese so größer wird und mehr Nutzlast transportieren kann, sondern bei mehreren anmontierten Feststoffboostern sinkt so auch die Spitzenbeschleunigung ab.

Eine wichtige Nebenbedingung ist, dass die Rakete keine besondere Qualifikation für bemannte Einsätze hat. Meiner Erfahrung nach verteuert das die ganze Sache nur. Heute ist eine Rakete auch so relativ zuverlässig zu entwickeln. 99% Wahrscheinlichkeit den Orbit zu erreichen gelten heute als Designziel, davon war man bei der Saturn V weit entfernt und trotzdem wurde sie eingesetzt. Die restliche Sicherheit gibt dann der Fluchtturm und eine gute Instrumentierung, um Probleme schnell zu entdecken. Selbst bei einer Explosion wie im Juni bei der Falcon 9 konnte man Anzeichen wie eine Gaswolke schon Sekunden vorher sehen. Zeit genug die Kapsel abzutrennen. Bei vielen anderen Versagern von Trägern der letzten Jahre, die ich in Gedanken durchgegangen habe gab es sogar noch mehr Zeit eine Kapsel abzutrennen. Auch Atlas V und Falcon 9, mit denen die nächsten US-Besatzungen starten sind nie als man-rated qualifiziert worden. Will man noch mehr Sicherheit, so kann man wie es bei Constellation gedacht war, die Besatzung mit einer teuren aber noch sicheren Rakete separat starten. Das wird man bei vielen Missionen sowieso tun, weil diese erst im Erdorbit zusammengesetzt werden oder man Dinge vor der Besatzung landen muss.

Bleiben noch einige technische Nebenbedingungen:

  • Zielgeschwindigkeit: 9600 m/s (1800 m/s Aufstiegsverluste)
  • Mindestbeschleunigung Oberstufe: 7 m/s
  • Mindestbeschleunigung Zentralstufe 10 m/s
  • Mindestbeschleunigung beim Start: 13 m/s

Zur Erklärung: 1800 m/s Verluste sind ein typischer Wert für eine Rakete mit flüssigen Treibstoffen. Die Mindestbeschleunigung der Oberstufe habe ich von der Saturn V übernommen, die auch mit 4 Triebwerken noch einen Orbit erreicht hätte (6,5 m/s). Heute sind eher noch geringere Beschleunigungen üblich. Die 10 m/s sind etwas höher als beim Space Space Shuttle (minimal 9,1 m/s) bei der Abtrennung von den Boostern und 12-13 m/s sind ein typischer Wert für die Startgeschwindigkeit auch wenn mit Feststoffboostern deutlich höhere Werte möglich sind.

Die Rakete konstruiert man am besten von oben her. Bei 7 m/s Beschleunigung dürfen die Startmasse von Nutzlast und Oberstufe 502 t nicht überschreiten. (Schub des RS68A 3512 kN im 106% Schublevel). Da man die Nutzlast nicht kennt muss man sie schätzen. Ich gehe im folgenden von 175 t aus. Die Oberstufe wiegt dann 327 t,  Ist sie kleiner, so könnte die Oberstufe kleiner sein, ist sie größer macht es auch nicht so viel aus. Die Startbeschleunigung der Oberstufe ist hoch angesetzt, bei größerer Nutzlast gibt es nur etwas größere Aufstiegsverluste.

Bei der Zentralstufe ist die Berechnung etwas schwieriger. Die Triebwerke verbrauchen während der 123,6 s Brennzeit der Booster Treibstoff, pro Triebwerk 108  t LOX/LH2.  Die muss man zur Masse der Zentralstufe abziehen. Das Gesamtgewicht von Zentralstufe und Oberstufe darf dann betragen:

  • Bei 3 Triebwerken: 3 x 3512 kN / 10 m/s + 3 x 108 t = 1377,6 t
  • Bei 4 Triebwerken: 4 x 3512 kN / 10 m/s + 4 x 108 t = 1836,8 t
  • Bei 5 Triebwerken: 5 x 3512 kN / 10 m/s + 5 x 93 t = 2296 t

Davon zieht man noch die 502 t für Oberstufe und Nutzlast ab, so kommt man auf 875,6 t, 1334,6 t und 1794 t für die Zentralstufe als Startmasse.

Bei den Boostern mache ich nur eine Abschätzung von Worst Case. Zwei Booster sollten noch zum Start ausreichen. Ein SRB liefert 11790 kN Startschub bei 590 t Gewicht, ein RS-68 3065 kN. Zwei SRB mit der größten Stufe haben einen Schub von 2 x 11790 kN + 5 x 3065 = 38905 kN. Die Masse beträgt dann 2296 t + 2 x 590 t =  3476 t und die Beschleunigung 11,2 m/s. Das reicht nicht aus, bei 5 Triebwerken muss die Zentralstufe also kleiner werden (nur 4 Triebwerke) oder man muss mit 3 Boostern starten. Ich habe den Nutzlastwert daher unten in der Tabelle eingekreist.

Die höchste Beschleunigung gibt es bei der kleinsten Zentralstufe nach 110 s vor Ausbrennen der Booster, wenn ihr Schub noch 10.000 kN. Danach sinkt er ab. Nimmt man noch rund 40 t ungebrannten Treibstoff an so errechnet sich ein Gewicht dann von:

6 x 84 t Trockengewicht + 6 x 40 t Resttreibstoff + 1377,6 t – 3 x 96 t verbrauchter Treibstoff = 1545,6 t.

Der Schub dagegen 10.000 kN x 6 + 3 x 3512 kN = 70536 kN. Das Ergibt eine Beschleunigung von 45,6 m/s, also ein für unbemannte Träger üblicher Wert, der sogar niedriger als bei anderen Trägern ist.

Für Oberstufe und Zentralstufe habe ich als Leermassen einfach den Teiler der Delta 4 genommen: 226,4 t Start / 26,76 t Trockenmasse = 1/8,36. So erhält man folgende Versionen:

Booster 2 3 4 6
Triebwerke Zentralstufe 3 96.000 kg 113.000 kg 128.000kg 153.000 kg
Triebwerke Zentralstufe 4 120.000 kg 138.000 kg 155.000 kg 184.000 kg
Triebwerke Zentralstufe 5 (141.000 kg) 160.000 kg 177.000 kg 208.000 kg

Versionen ohne Oberstufe lohnen sich wegen dem hohen Voll/Leermasseverhältnis der Zentralstufen weniger. Die Nutzlast sinkt dann stark ab. Allerdings ist der Teiler von 8,37 auch sehr konservativ. Die SLS sollte bei 1:10 in der Zentralstufe und die Ares V bei 1:12 liegen. Die Oberstufe bei der Ares V bei 11,5 zu 1. Durch den hohen Teiler sinkt leider auch die Nutzlast für höhere Geschwindigkeiten deutlich ab, forciert noch durch den nur mittelmäßigen spezifischen Impuls. Zum Mond z.B. auf 15-56 t. In der Realität wird man wahrscheinlich eine leichtgewichtigere Stufe konstruieren könne. Bei einem Teiler von 10 würde bei der größten Version die Nutzlast für LEO auf 231 t ansteigen und zum Mond auf von 56 auf 71 t.

Der wesentliche Vorteil meines Konzeptes wäre:

  • Beschränkung der Entwicklungskosten auf zwei neue Stufenstrukturen. (SLS: J-2X Entwicklung, RS-25 Neuqualifikation mit 109% Schublevel, SRB-Neuqualifikation mit mehr Segmenten).
  • Nutzung von gebauter Hardware (RS-68A) bzw. erprobter Hardware (4-Segment RSRM). Dadurch auch Einsparungen bei der Produktion (indirekt wird auch die Delta 4 billiger).

Welche der Familien /3,4,5 Triebwerke) man baut hängt primär ab, was man damit anfangen will. Will man „nur“ zum Mond so würde die Version mit 3 Triebwerken reichen. Die größte Version ist sicher eher für Marsmissionen ausgelegt. Alle drei Versionen erlauben eine Nutzlastvariation um 60+ t nur durch Veränderung der Boosterzahl.

Zuletzt noch eine ganz einfache Version: 6 Delta 4 CBC als Booster mit einer Delta 4 M als Zentralstufe könnten auch 28,2 t zum Mond befördern und erfordern eigentlich nur eine neue Startanlage mit den passenden Flammenschächten. Aber das wäre wohl zu einfach ….

5 thoughts on “Meine Alternative zur SLS

  1. Die ständige Kritik an SLS ist nicht berechtigt, ist zum Teil auch recht unsachlich für mich, man hat den Eindruck als ob die amerikanischen Raumfahrtingenieure wenig Ahnung hätten. Nun ja, mit der ständigen Kritik und dagegenhalten haben wir es mit einer typischen deutschen Mentalität zu tun.

    Was mich aber wirklich etwas wundert ist der Fakt, das die USA, als das weltweit führende technologische Land noch heute auf russische Triebwerke angewisen sind. Ja, dazu bedarf es Investitionen für ein Triebwerk mit nur einer Brennkammer und etwa 500 Tonnen Schub. Für einen Fortschritt und Kostensenkungen sind aber Investitionen unumgänglich.

    Nur am Rande, das neue Triebwerk für die Angara Oberstufe hat nur eine Brennkammer ist deutlich leichter und einfacher als der mit 4 Brennkammer.

  2. Auch in Russland baut man keine Trägerraketen ohne Missionen oder stellt diese ein, siehe N-1 oder Energija.

    Die USA haben 1987 die Starts privatisiert. Seitdem liegt es in der Verantwortung der firmen welches Triebwerk sie einsetzen. Wenn es eines im Ausland gibt und man so Entwicklungskosten spart so greifen sie eben auf russische zurück.

    So was ist jetzt nicht so ungewöhnlich. So ist das meiste was bei uns auf den Markt kommt aus China. Nicht weil wir es nicht besser machen könnten, sondern weil es dort billiger ist.

  3. Es gibt aber Bestrebungen auf politischer Ebene ein eigenes Triebwerk für die RD-180 zu entwickeln, habe dazu aber keine aktuelle Infos. Zumindest hat der US-Kongress 220 Millionen US-Dollar für die Entwicklung neuer amerikanischer Triebwerke bereitgestellt.

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