Es ist ermüdend…

Heute habe ich das erste Durchlesen des Manuskripts über das Buch „Roboter erkunden das Sonnensystem“ beendet. Ich denke es ist ganz gut geworden. Es kann nicht die Fülle der Infos der Website bieten, ist aber viel besser zu lesen, mit weniger Informationen sogar oft besser weil man auch mit Details überfrachtet werden kann und es gibt ein einheitliches Datenblatt, eine kommentierte Startliste und Erfolgsstatistiken nach Ländern und Zielen.

Ganz zufrieden bin ich nicht. Der Anfang ist etwas schwer zu lesen. Das ist ein -kapitel über die Funktionsweise von Instrumenten. Doch da ich die bei den Raumsonden kaum bespreche denke ich ist es nötig. Es ist eben da ein Fachbuch, während der Rest mehr Geschichtsbuch ist. Der zweite schwerer lesbare Teil ist über Russlands Sonden. Obwohl der Teil über Russland länger ist als über die USA (153 zu 147 Seiten) ist er doch kompakter. Denn Russland hat 103 Sonden gestartet und die USA nur 59. Besonders machen mir zwei Dinge zu schaffen. Das eine ist das man bis heute recht wenig über die russischen Programme weiß. Auch Russian-Spaceweb, das für aktuelle Projekte eine gute Informationsquelle ist, bringt wenig über diese Missionen. Besonders schlimm sieht es bei dem Programm 3MV aus, da ist bei einigen nicht mal sicher welche Sonde welche Mission hatte. Besonders in der Diskussion ist Zond 2. Das zweite ist, das es viele Fehlschläge gab. In der Gesamtbilanz hat Russland bei mir 30 % erfolgreiche Missionen, vergleichen mit 61 % bei den USA (bei denen schlagen vor allem die frühen Programme Pioneer 0-5, Pioneer P und Ranger mit nur 4 Erfolgen bei 18 Starts auf die Statistik durch). Dauernd über Fehlstarts oder noch häufiger im Erdorbit gestrandete Sonden zu schreiben zieht einen nach unten. Beim Schreiben wie beim Lesen. Damit habe ich aber auch den Aufhänger für den heutigen Blog.

Die Frage die ich mir stelle ist: Hatte Russland jemals so etwas wie ein Forschungsprogramm bezogen auf die planetare Raumfahrt?

Meiner persönlichen Ansicht nach meinte Russland in einem Westlauf zu sein – zumindest bis 1973. Nun ist unbestreitbar, das es einen solchen gab. Zumindest am Anfang. Die USA versuchten ja auch am Anfang vor Russland den Mond zu bereiten und waren zumindest die ersten die eine Raumsonde starteten. Die Phase ist geprägt von schnell vorbereiteten Projekten die dann hohe Fehlerquoten hatten. Ich würde dazu auf amerikanischer Seite Pioneer 0-5, Pioneer P, Ranger 1-5 und Mariner 1+2 zählen. Bei einigen ist es offensichtlich, so strich man die ersten Mariners zugunsten von Mariner R – R für Ranger weil sie davon abstammte. Doch später wich dies einem Programm bei dem man Projekte richtig vorbereitete – mit dem entsprechenden Erfolg. Russland behielt das Bestreben bei, Erster zu sein. Deutlichstes Indiz ist das man eine Sondenserie sofort einstellte, sobald die Erstleistung erbracht wurde oder die USA sie erbrachten. So umfasste das Programm E-6 12 Sonden, darunter die Luna 4-9 und 13. Nachdem Luna 9 als elfte Sonde erstmals erfolgreich landete war Schluss. Luna 13 wurde noch gestartet weil sie wohl in der Fertigung war. Bei Venus und Mars ging Russland, nachdem die USA die ersten bei den Vorbeiflügen waren, sofort zu Orbitern / Landern über, obwohl man noch nicht mal eine Vorbeiflugsonde zu den Planeten erfolgreich gebracht hatte. Entsprechend scheiterten die Unternehmen denn auch. Im Mars Programm kann man keine einzige Sonde als voll erfolgreich ansehen. Lediglich bei der Venus, wo die USA keinerlei Ambitionen hatten gab es so was wie ein auf Erfahrungen aufbauendes Programm. Zuerst mit Venera 4-7 Kapseln die immer tiefer sanken, dann mit Venera 9-14 das Anfertigen von Aufnahmen der Oberfläche und Untersuchungen. Das Gegenteil davon war M73: Man wusste vor dem Start das die Sonden nur eine 50 % Chance hatten den Mars funktionsfähig zu erreichen, weil ein Transistor der oft verwendet wurde vom Hersteller einen Alupin anstatt Goldpin bekam und dadurch etwa 2 Jahre nach Herstellung die Ausfallwahrscheinlichkeit rapide anstieg. Trotzdem startete man alle Sonden, weil wenn man erst 1975 gestartet wäre man mit dem amerikanischen Viking Programm hätte konkurrieren müssen. So vielen drei von vier Sonden auch schon vor Erreichen des Mars aus und eine kurz danach,

Was mich beim Schreiben so bestürzt hat ist vor allem bei Landemissionen die geringe Lebensdauer. Bei den Venusmissionen mag das ja noch angehen, aber auch die Luna-Lander und Marslander waren alle batteriebetrieben. Betriebsdauer maximal einige Tage. Dabei hatten alle Lander Deckel, die sich wie ein Kleeblatt öffneten – zumindest die hätte man mit Solarzellen belegen können, die vielleicht beim Mars nicht voll ausreichen würden aber zumindest die Betriebsdauer erhöhen können. Es ging eigentlich nur darum Erster zu sein. Welchen wissenschaftlichen Wert die Missionen hatten war zweitrangig. Bei Luna 10 verwandte man um vor Lunar Orbiter einen Mondsatelliten im Orbit zu haben z. B. den Landeapparat von Luna 9 ersetzte die Kapsel durch einen kleinen Satelliten (natürlich batteriebetrieben) und den entließ man dann im Mondorbit. Seltsam genug, denn der Bus war mit Solarzellen angetrieben und hatte genügend Treibstoffreserven. Ein batteriebetriebener Minisatellit, der nicht viele Daten lieferte, nur um vor Lunar Orbiter der immerhin 200 selbst für heutige Verhältnisse hochauflösende Bilder lieferte. Es ging also nicht um die Wissenschaft.

Das Hauptproblem das Russland hatte war ein enormes Hetzen. Man nutzte praktisch jedes Startfenster aus. Da die bei der Venus alle 584 Tage und beim Mars alle 776 Tage sind hatte man wenig Zeit. Konkret bedeutete das: man musste an die nächste Sondengeneration gehen bevor die aktuelle überhaupt mit der Mission fertig war. Die ersten Sonden der Programme 1M, 1VA, 2MV und 3MV verwandten denselben Bus der inkrementell verbessert wurde. Immer dann wenn eine Sonde ausfiel, besserte man das nach, was den Fehler verursachte, Von diesen Sonden, unter anderem Venera 1-3, Mars 1 und Zond 1-3, gingen alle verloren. Liest man sich die Begründungen durch so kommt man ins Schütteln. Venera 2+3 gingen fast zeitgleich verloren. Ursache war, dass Farbe über den Radiatoren durch UV-Licht nachdunkelte und diese nicht mehr genug Wärme abgaben und die Sonden überhitzten – das man die erdähnlichen Bedingungen herstellen wollte habe ich ja schon in einem Blog erwähnt. So richtig geklappt hat das nicht. Aber die Ursachen wozu auch verunreinigte Ventile, geblendete Sensoren oder ausgefallene Sender gehören, zeigen recht deutlich das man sich auf dieses Konzept 100% verlassen hat. Mehr noch: man hat nie getestet. Mit einem Test einer Vakuumkammer unter Xenon-Beleuchtung auf der einen Seite und Kühlung mit flüssigem Stickstoff auf der anderen, würde man bald sehen ob die Temperaturregelung funktioniert oder nicht, ob die Farbe nachdunkelt oder ob Blenden für Sensoren ausreichend sind Streulicht abzuschirmen.

Der Bus war erst bei Venera 4 ausgereift, die erste Sonde die heil das Ziel erreichte. Dabei spielt auch eine Rolle das man den Bau vom OKB-1 an NPO Lawotschkin abgab, die wesentlich rigide Kontrollen hatten. Auch die anderen Projekte vom OKB-1 wie das Luna Programm E-6 oder das 7K-L1 Programm (Zond 5-8) glänzten ja nun nicht gerade mit zuverlässigen Sonden.

Es wundert nicht das nach Ende des kalten Kriegs die Planetenforschung Russlands praktisch zum Erliegen kommt. Sicher in den ersten Jahren klar, aufgrund des wirtschaftlichen Zusammenbruchs. Aber Nach der Jahrtausendwende verbesserte sich das, auch durch die hohen Rohstoffpreise die viel Geld in Russlands Kassen spülten. Doch geändert hat es nichts. Die genaue Ursache von Phobos Grunts versagen weis man nicht. Aber neben der Verwendung von strahlungstoleranter (für Flugzeuge vorgesehener) anstatt strahlungsresistenter Elektronik sollen vor allem Softwarefehler dafür verantwortlich sein. Es wäre nicht der erste Fall. Schon bei Phobos 1 war der Verlust nur möglich weil man ein Testprogramm vergessen hatte zu löschen. Vor allem aber war Phobos Grunt die einzige Mission in 20 Jahren. Doch etwas wenig für eine Weltraumnation. Auch wenn man nach weiteren Forschungsmissionen sucht, sieht es mau aus. Russland startet immer noch viele militärisch genutzte Satelliten, dazu Anwendungssatelliten wie TV-Satelliten, Glonass-Navigationssatelliten. Aber kaum Forschungssatelliten. Das war schon früher so. In einem gewissen sinne kann man davon sprechen, das Russland niemals ein bedeutendes Forschungsprogramm hatte. Was das Militär brauchte, war problemlos anschaffbar. Ebenso alles was nützlich war wie Wettersatelliten oder Kommunikationssatelliten. Aber das Programm zur planetaren Raumfahrt konnte nur unter dem Konkurrenzgedanken verkauft werden. Entsprechend nahmen die Starts ab, wenn man die Erstleistung selbst oder die USA erbracht hatten.

Ich habe aus dem Blog immerhin eines mitgenommen: ich habe das Buch um eine Tabelle der Erstleistungen ergänzt und um lustigste Fun-Fakts. Ich lese es nochmals mit einer anderen Version von LibreOffice durch (ich benutze im Normalfall eine alte 3 er Version, auf der der Duden Korrektor noch funktioniert) um weitere Rechtschreibfehler zu finden. Dann geht es an die Korrekturleser. Elendsoft hat sich ja gemeldet. Er bekommt es als Erstes und dann Gairon. Als erste Korrektur ist die Zweitkorrektur vielleicht die bessere. Ich denke ein bis zwei Monate wird jeder für die 380 Seiten brauchen, sodass man in 3-5 Monaten mit dem Band 1 rechnen kann. Rechtzeitig zum Jubiläum der ersten Raumsonde überhaupt: Am 17.8.1958 startete Pioneer 0. (damals Null getauft weil man dachte Pioneer 1 wäre dann ein Erfolg. Hätte man das konsequent gemacht dann müsste sie eigentlich Pioneer -3 heißen.

Danach geht es an Band 2 – mit weniger Sonden, so um die 60, dafür aber Einzelsonden und keine Programme und bei den meisten auch mit mehr verfügbaren Infos. Ich habe mir vorgenommen pro Tag eine Sonde zu behandeln, sodass der Band bis Mitte Januar fertig sein könnte.

4 thoughts on “Es ist ermüdend…

  1. Hallo Bernd
    vieleicht konnten die Russen nicht testen, weil sie keine Dichtungen für die Vakuum-Kammer auftreiben konnten.
    Vielleicht hat auch Chruschov auch UV-Licht als unkommunistisch definiert.

    Spaß beiseite:
    Der russische Schlendrian, das „wir haben einen Plan, warum funktioniert der nicht“ und schlampige Kontrollen haben auch das bemannte Programm betroffen:

    Sojus 1 ist an fehlerhaften Solarzellen und einem verklebten Fallschirm gescheitert.
    Hat 1 Menschenleben gekostet, beinahe sogar noch 3 weitere von Sojus 2, mit dem ein
    Rendezvous geplant war!

    Später dann die Erstbesatzung von Sajlut 1, die nach drei Wochen wegen einem defekten
    Ventil (auch offensichtlich nicht getestet) an Sauersoffmangel gestorben sind.

    Erst dann haben die Russen wenigstens danach es gelernt, wenigstens bemannte Missionen
    wenigstens „irgendwie“ zu beenden, ohne Menschen zu verlieren!

    Dafür haben die Amis angefangen zu schlampen: Challenger, weil bekannte Undichtigkeiten
    bei den Boostern nie beseitigt wurden und das Shuttle außerhalb bekannter Temperaturgrenzen gestartet wurde. 7 Tote.

    Und danach Columbia, weil man keine Möglichkeit ergriff, zur Sicherheit die Mannschaft
    mit einem anderen Shuttle abzuholen. Außerdem hatten die Amis doch eine Technik, ohne großen Gewichtszunahme die Schaumstoffisolierung zu stabilisieren, wurde doch bei der Saturn schon benutzt, eine Drahtgitterarmierung. Wieder 7 Tote.

    Hoffentlich haben alle Raumfahrtnationen aus diesen Katastrophen gelernt und sie bauen endlich immer ein funktionierendes Rettungssystem für die Mannschaft ein! Auch bei höheren Kosten und geringerer Nutzlast!

    Meint Ralf mit Z

    P.S.: Auf Deine Bücher bin ich bereits gespannt, die werde ich kaufen, sobald sie verfügbar sind!

  2. Hallo Bernd,

    suchst du noch Korrekturleser? Ich sitze grade selbst an meinem ersten Buch und bin besonders was Formulierungen angeht recht fit.

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