Gravity

Kürzlich schaute ich mir den Spielfilm Gravity an. Ich bin kein Kinogänger und so sehe ich Filme erst, wenn sie im Fernsehen kommen. Bei Gravity war es sogar eine Aufzeichnung. Der Spielfilm ist ein Science-Fiction Film und da erwarte ich keinen Realismus auch wenn er in der heutigen Zeit spielt. Genauso wenig wie ich bei Space Cowboys, Deep Impact oder Armageddon erwarte, das die Darstellung technisch und physikalisch real ist. Nicht mal wenn die Filmindustrie reale Ereignisse verfilmt, wie bei Apollo 13, ist alles korrekt. Kurzum ich hätte den Film abgetan und ignoriert, wenn nicht gerade zeitnah ESA-Chef Wörner meinte, Gravity wäre kein Science-Fiction-Film sondern real. Also vielleicht doch ein Thema für einen Blog, denn zumindest ist die Handlung realer als bei Deep Impact oder Armageddon. Also gehen wir‘s an.

Schon Wikipedia öffnet ja die Diskussion: Ist Gravity Science-Fiction oder nicht. Aufhänger dort die Aussage des Regisseurs, es wäre kein Science Fiction. Klar, damit ist der Film in der Diskussion und die Kassen klingeln. Aber als Regisseur ist er weder qualifiziert dazu, eine solche Aussage zu treffen, noch unabhängig. Wikipedia bringt einige Argumente, beschränkt sich als Laienplattform aber auf das was leicht durch Google recherchierbar ist und kein Hintergrundwissen erfordert. Ich greife nur Aspekte auf die nicht in der Wikipedia erscheinen.

Umlaufbahnen in Gravity

Der Film Gravity beginnt mit einer Reparaturmission zu Hubble. Hubble umkreist die Erde in im Mittel 600 km Höhe. Während der Zeit wo es gewartet wurde unterschritt der Orbit nie 550 km. Die ISS umrundet die Erde in 400 bis 425 km Höhe. Sie ist das Ziel der beiden Überlebenden, nachdem das Shuttle zerstört wird. Als auch die ISS zerstört wird ist das neue Ziel Tiangong. Dieses chinesische Raumfahrtmodul wurde 2011 in einen 332 x 348 km Orbit gestartet. Also die Astronautin dort ankommt ist die Station aber Minuten vor dem Weitereintritt also in unter 100 km Höhe. Im Film erreicht die Astronautin die beiden Stationen jeweils nach einem Erdumlauf, also 90 Minuten. Sie sind noch dazu in Sichtweite, bei Tiangong werden 100 km Distanz genannt. Das alles passt nicht zusammen. Bahnen in unterschiedlicher Höhe haben unterschiedliche Geschwindigkeiten. Nehmen wir die beiden Extreme 550 (Hubble) und 340 km (Tiangong) Höhe an. Der Unterschied der Kreisbahngeschwindigkeit beträgt 118 m/s, rund 424 km/h. Gravierender ist der Unterschied der Umlaufzeiten von 1 h 31 min 9 s und 1 h 35 min 28 s. Das bedeutet wenn Tiangong einen Umlauf hinter sich, so ist Hubble noch 268 s von der Ausgangsposition entfernt was einer Distanz von 203 km entspricht. Um diese Distanz entfernt sich Hubble jeden Umlauf von Tiangong. Die Stationen bleiben also nicht in der relativen Lage zueinander, wie im Film suggeriert.

Noch bedeutender ist die Bahnneigung. Hubble hat eine Bahnneigung von 28,47 Grad, Tiangong eine von 42,85 Grad und die ISS eine von 51,63 Grad. Sie bewegen sich auf unterschiedlichen Ebenen, vergleichbar einer Autobahn wo auf der Gegenfahrbahn die Autos vielleicht die gleiche Geschwindigkeit haben, aber eine andere Richtung. Und ebenso wenig wie man auf der Autobahn so einfach auf die Gegenfahrbahn ohne extremes Abbremsen und Beschleunigen kommt, ist das bei Bahnen möglich. Der Unterschied von maximal 23,16 Grad entspricht einer Geschwindigkeitsunterschied von 40 % der Bahnenergie. Bei 7700 m/s mittlerer Geschwindigkeit ist das mit den Treibstoffvorräten die hier zur Diskussion stehen (in einem Backpack / Sojus Bremstriebwerk) unmöglich.

Antriebsmanöver

Die Antriebsmanöver sind in Gravity völlig irreal dargestellt. Am Beginn des Films umkreist der Commander (Clooney) auf einer MMU das Shuttle und Hubble. Er braucht 20 s für eine halbe Umrundung, die wenn man die Länge des Shuttles nimmt, sicher einen Halbkreis von 150 m (wenn nicht mehr) entspricht. Dabei zündet er dauernd die Düsen um den Kurs anzupassen. Wäre er durch eine Leine angebunden so entspräche dies einer Rotationsgeschwindigkeit von 23 m/s. Im freien Weltraum würde er aber keine Kreisbewegung halten können sondenr sich tangential fortbewegen wenn er nicht dauernd nachkorrigiert. Er würde in etwa diese Geschwindigkeitsänderung brauchen und das pro Umlauf. Bei den Shuttle MMU betrug die Gesamtkorrekturkapazität 25 m/s. Das heißt es wäre schon nach einem Umlauf leer. Geschweige denn das es für eine Rettungsmission reicht.

Allgemein wird das Thema Himmelsmechanik völlig ignoriert. Die Astronauten sehen eine Station als Punkt und steuern direkt darauf zu. Das funktioniert nicht so. Die Erfahrung machten schon die Astronauten bei Gemini. Bei Gemini 3 versuchte Gus Grissiom direkt nach dem Abkoppeln von der zweiten Stufe der Titan sich dieser zu nähern um eine Kopplung zu simulieren. Die Stufe war also in direkter räumlicher Nähe er machte es wie bei einem Flugzeug – auf die Stufe zuhalten und beschleunigen, ähnlich wie es die Astronauten im Film machen. Anstatt, dass er sich näherte, entfernte er sich von der Stufe. Wenn er beschleunigt wird sein Orbit elliptischer, das heißt er steigt die Höhe, die Stufe taucht unter ihm weg und da die Umlaufdauer im höheren Orbit länger ist, entfernt sich auch die Stufe. Grissom gab auf als er einen beträchtlichen Teil des Treibstoffs für Bahnmanöver verbraucht hatte. Am Schluss war die Stufe weiter von Gemini 3 entfernt. Raumschiffe wie das ATV oder Progress die von hinten an die ISS ankoppeln machen dies daher anders. Sie nähern sich auf einer niedrigeren Umlaufbahn auf der sie die ISS überholen. Erst kurz vor der Annäherung heben sie die Bahn an und nähern sich dann mit einer kleinen verbliebenen Relativgeschwindigkeit die erst vor dem Ankoppeln reduziert wird.

Wenn man von der Art der Manöver absieht, gibt es noch mehr Kritikpunkte. Die Astronauten erreichen im Film Gravity die Stationen jeweils im Abstand eines Umlaufs, also 90 Minuten. Die Stationen sind dabei etwa 100 km entfernt. Dazu müssen sie also (wenn es keine Himmelsmechanik gäbe) eine Geschwindigkeit von 67 km/h haben. Sie kollidieren dann mit der Raumstation mit dieser Geschwindigkeit. Selbst wenn dann der Raumzug nicht beschädigt wird, ist ein Aufprall mit 67 km/h genauso tödlich wie auf der Erde. Auf der Erde entspricht das einem Fall aus dem 7-ten Stock und das überlebt man nicht. Ebenso irreal ist es, wie sie die Raumstation erreichen. Zuerst ist es ja mit einem MMU, also einem Raketenrücksack. Da kann man den Kurs nachkorrigieren. Als das Rettungsboot bei der ISS nicht nutzbar ist bricht die Astronautin zu Tiangong auf. Als antrieb hat sie nur noch das Bremstriebwerk der Sojuskapsel. Das wird bei der Landung wenige Meter über dem Boden gezündet und kann die Kapsel um 4,5 m/s abbremsen. Das reicht zum einen nicht, um die 100 km in 90 Minuten zurückzulegen. Vor allem ist es aber ein Feststoffantrieb der nur einmal zündbar ist. Man muss also sehr genau zielen. Das ist aber unmöglich selbst ohne Himmelsmechanik (die Lagenregelungsdüsen scheinen ja auch ausgefallen zu sein). Eine maximal 20 bis 30 m große Station ist dann 1 Bogenminute groß, das entspricht der Auflösung des Auges oder 1/30 des Vollmonddurchmessers. So genau kann man nicht zielen.

Raumfahrttechnisches in Gravity

Zuerst wird in Gravity das Space Shuttle zerstört. Dann brechen zwei überlebende Astronauten zur ISS aus um sich dort zu retten. Wenn sie ankommen, ist noch eine Sojus angebracht, diese aber durch Entfalten des Fallschirms unbrauchbar. Menschen sind nicht an Bord. Das geht nicht. Die Astronauten kommen mit den Sojus zur ISS und wenn nur die halbe Besatzung (normal 6 Personen = 2 Kapseln) zurückkehren kann, so müssen drei Personen an Bord sein. Wen man im Film mal das Gedränge in der Kapsel sieht dann weiß man da quetscht man nicht die doppelte Personenzahl rein. Zum einen kommt man da nicht mehr an die Kontrollen zum anderen sind die Belastungen beim Wiedereintritt so groß das die Astronauten sogar individuell angefertigte Konturensitze haben.

Noch lustiger wird es bei Tiangong. Die Station ist ebenfalls menschenleer, aber dort ist eine Shenzou angekoppelt, das chinesische Gegenstück zur Sojus. China startet aber auch seine Besatzung mit Shenzhou (bei der ISS gäbe es ja noch die Möglichkeit das die Besatzung mit dem Space Shuttle zur Station gelangt). Da ist es irreal eine weitere, nicht nutzbare, Kapsel zu haben.

Verhalten der Astronauten

Es gibt einige Passagen in Gravity wo sich die Akteure falsch verhalten. Als Sandra Bullock vom Shuttle getrennt wird rotiert sie durch den Impuls. Den könnte sie abbauen, indem sie Arme und Beine anzieht oder streckt. Damit verändert sie die Rotationsgeschwindigkeit. Den Impuls reduzieren kann sie, indem sie dann in einer Extremposition Arme oder Beine leicht dreht und erneut streckt oder anzieht so eine Bewegung in einem anderen Winkel induziert. Wiederholt man sie dies mehrmals mit mehreren Winkeln, so heben sich die Geschwindigkeiten in den verschiedenen Achsen auf und man kommt zur Ruhe.Als ich nochmal nachrecherchierte, stellte ich fest, das die Aussage oben nicht stimmt. Den Drehimpuls kann sie so nicht abbauen, nur die Rotationsrate verändern.

Dann fliegen beide nachdem sie durch den Commander (Clooney) mit der MMU gerettet wurde zum Shuttle zurück. Man sieht schon bei der Trennung das es beschädigt ist. Selbst wenn sie Astronauten das nicht sehen, so sollte es ihnen klar sein, das Weltraumschrott das so was kleines wie den Manipulatorarm treffen kann das viel größere Space Shuttle treffen kann. Selbst wenn nicht die Kabine beschädigt ist, so besteht das Risiko das die Leitungen für die Triebwerke unter der Oberfläche beschädigt sind und ein versuch das Shuttle zu nutzen um zur ISS zu gelangen, könnte in der Explosion durch den hypergolen Treibstoff enden.

An der ISS angekommen verheddert sich Bullock in den Leinen des entfalteten Fallschirms der Sojus und sie hält den Commander an einer Leine. Der macht sich nun los, weil er befürchtet, die Leinen halten nicht das Gewicht. Das ist Blödsinn. Es gibt einen Impuls wenn sie sich verhaken, danach keine Kraft mehr, es zieht ja nicht wie auf der Erde die Gravitation. Vielmehr müssten die leicht elastischen Leinen dann langsam die beiden rückwärts zur Sojus ziehen. Das die Leinen stark genug sind liegt auch auf der Hand, sie müssen halten, wenn eine Sojus die rund 20-mal mehr als die beiden wiegt, bei 300 m/s den Fallschirm entfaltet. Das ist bei einer angenommenen Geschwindigkeit von 67 km/h der Astronauten die 300-fache Belastung. Es sind aber nicht 300 Leinen, sondern vielleicht 20 bis 30 Leinen am Fallschirm.

Besonders lustig wird es am Schluss. Sicher auf der Erde gelandet, in einer hermetisch dichten, schwimmfähigen, korrektorientierten Kapsel, öffnet Bullock die Lucke, Wasser dringt ein, die Kapsel sinkt und sie ertrinkt fast. Das ist völlig blödsinnig. Sie müsste keine Angst haben zu ersticken. Zum einen gibt es einige Kubikmeter Luft, die für Stunden reicht ohne das Kohlendioxid zu einem Problem wird. Zum anderen gibt es in der Decke ein Ventil, das sich automatisch öffnet wenn man in der Atmosphäre öffnet (der Ausfall des Ventils war die Ursache für den Tod der Besatzung von Sojus 11). Die Kapsel ist so konstruiert, das bei einer Wasserung die Decke immer oben ist und die Sitze unten. Nur durch hohen Wellengang könnte da Wasser eindringen. Sie wäre also sicher. Noch dämlicher. Sie ist in einem Raumanzug, der viele Kilo wiegt. Sie muss ihn vor dem Aussteigen ausziehen und hat auch dafür den Platz (ist ja alleine in der Kapsel). Stattdessen verlässt sie die Kapsel nachdem sie fast vollgelaufen ist, mit dem Anzug, sinkt nach unten und muss ihn nun ausziehen um gerade noch an die Wasseroberfläche zu kommen. Bei so viel Dämlichkeit wundert es einen, das sie den Fallschirm, der auf dem Wasser schwimmt nicht auch noch trifft.

Auch das Ausziehen des US-Anzugs nach Erreichen der ISS macht keinen Sinn. Wenn sie mit der Sojus zur Tiangong gelangen will und dort landen will, würde sie ihren Anzug anbehalten. Er ist in ihrer Größe. Man kann sich nicht drauf verlassen, das einem ein Anzug passt, den man findet, schließlich ist jeder unterschiedlich groß. Zudem würde ich annehmen wenn keine Besatzung mehr an Bord ist, das auch keine Anzüge mehr an Bord sind – alle Kosmonauten landen seit dem Unglück mit Sojus 11 in Druckanzügen.

Sonstiges

Im Film Gravity dauert das Wiederherstellen der Atmosphäre in der Luftschleuse nur etwa eine Minute. Ich halte das für unwahrscheinlich. Die Luftschleusen sind jeweils einige Kubikmeter groß. Sie unter Normaldruck zu setzen dauert sicher länger. Das wird erfolgen indem man die ISS-Atmosphäre hineinlässt nicht indem man Druckluft einpresst. Der Druckverlust liegt bei über 900 m³ Innenvolumen unter 1 %. Die Astronautin hat in ihrem Raumanzug reinen Sauerstoff, das heißt es gibt kein Problem wenn sie von 0,3 Atmosphären auf 1,0 Atmosphären Normaldruck wechselt, aber selbst, wenn man das Gas aus Hochdrucktanks einströmen lässt, reicht eine Minute nicht aus die Atmosphäre wiederherzustellen.

Dann bricht aus einem Funken ein Feuer aus. Das wird vom System erst gemeldet als es so groß ist, das man es nicht löschen kann. Unrealistisch. Ein Feuermelder meldet Rauch lange vorher. Der in meinem Wohnzimmer springt schon an, wenn ich in der Küche einige Meter weiter zu viel Dampf produziere. Vor allem wird man die Station so einrichten, dass es nichts leicht entflammbares gibt. Man muss sich nur mal Videos aus dem Inneren der ISS ansehen, da sieht man vor allem viel Metall. Textile Gewebe kann man mit flammen-hemmenden oder Flammenresistenten Überzügen versehen wie Teflon. Das Feuer wird rasch zu einem nicht bekämpfbaren Brand mit einer Feuerwalze. Auch das ist unwahrscheinlich. Ohne Gravitation gibt es keinen Kamineffekt, der frische Luft ansaugt. Statt einer Feuerwand wie im Film, würde man mangels Fischluftzufuhr vor allem Rauch erhalten. Als es 1997 auf der MIR brannte, war die ganze Station voller Rauch und die Kosmonauten mussten Atemschutzmasken anziehen.

Auch der Feuerlöscher ist hypothetisch. Er arbeitet mit hohem Druck durch die Rückstoßkraft wird die Astronautin weggeschleudert. Gerade das will man nicht haben. Der reale Feuerlöscher (es gibt nur einen im russischen Segment) arbeitet mit Wasserschaum und ohne Druck. Im US-Segment, wo der Brand ausbrach würde man Kohlendioxid einleiten.

Schon Wikipedia hat moniert, das Sandra Bullock im Astronautenanzug nur in Unterwäsche ist. Bei Außenbordeinsätzen tragen die Astronauten wegen der langen Dauer Windeln. Zu Apollo und Gemini-Zeiten, als die Astronauten nur männlich wären, und ein Ausflug nicht so lange dauerte, war es ein Überzug für den Penis wie ein Kondom das den Urin in einen Sammelbehälter leitete. Doch das klappt bei einem großen Geschäft nicht und ist auch für Frauen nicht praktikabel. Mir fiel mehr auf. Unter den starren Oberteilen tragen die Astronauten eine mehrlagige Unterwäsche die mit Kühlleitungen durchsetzt ist, schließlich entsteht jede Menge Abwärme die abgeführt werden muss. Bullock trug dagegen nur einen Slip und ein Unterhemd.

Im Space Shuttle sehen die Astronauten ihre Kollegen tot herum schweben, die Fensterscheiben sind geborsten. Sie wirken wie Schaufensterpuppen und das sind es wohl. Wenn jemand stirbt, dann arbeitet der Metabolismus in den Muskeln noch eine Zeit lang weiter. Sie schalten dann auf anaerobe Atmung um. Dabei entsteht Säure und die Muskeln verkrampfen, das nennt man Totenstarre und ist der Grund warum man bei Toten die Augenlider schließt, das geht wenn die Totenstarre erst eingesetzt hat, nicht mehr. Unter Schwerelosigkeit gibt es aber nichts was die bei der Kontraktion entstehenden Kraft entgegenwirkt. Die toten Astronauten müssten durch die kontaktierten Muskeln sich zusammenkauern die Arme und Füße halb angewinkelt angezogen, ähnlich wie in der Embryonalstellung. Stattdessen wirken sie, wie wenn sie senkrecht stehen würden. Den Prozess kennt man auch auf der Erde wenn jemand durch sehr große Hitze getötet wird, dann forciert diese noch die Prozesse, sodass dies so schnell geht, das die Personen aussehen als würden sie sich vor der Hitze zusammenkauern und mit Armen das Gesicht schützen. In Pompeji hat man in der festen Ascheschicht unzählige Hohlräume gefunden, in denen mal Menschen waren und die mit Gips ausgegossenen Körperformen zeigen genau diese Haltung.

Kessler-Effekt

Zuletzt noch das Szenario das Gravity prägt, und auf das sich wohl auch Wörner bezieht. Der Kessler-Effekt. Darunter versteht man das ein Satellit der von Weltraumschrott getroffen wird, in so viele Teile zerfällt das diese wieder mehr als einen weiteren Satelliten treffen. Das ganze ist dann eine Kettenreaktion. Auf diese Gefahr bezog sich Wörner und da gebe ich ihm recht, wenn die Pläne für Satellitenkonstellationen umgesetzt werden, dann wird dieses Szenario wahrscheinlicher. Alleine SpaceX will 12.000 Satelliten starten und ist nur eine Firma mit einem solchen System – seit Beginn der Weltraumfahrt gab es bisher 11.000 Objekte (mit Rückkehrkapseln, Subsatelliten etc). Von denen über 4000 schon wieder verglüht sind.

Im Film ist es erst eine Meldung das ein russischer Satellit zerstört wurde, da gäbe es keine Gefahr. Wenige Minuten später sind es mehrere getroffene Satelliten und die Gefahr ist da und wieder einige Minuten später ist der Schauer da. Danach tritt er immer in 90 Minuten also einem Erdumlauf später auf und zerstört die ISS und dann Tiangong die aber da sowieso schon vor dem Weitereintritt steht.

Wenn ein Satellit getroffen wird, fliegen die Bruchstücke nach allen Seiten weg. Sie haben natürlich eine Geschwindigkeit die der ursprünglichen Bahngeschwindigkeit entspricht und eine zweite Komponente zufälliger Richtung zur Seite, in Bewegungsrichtung oder entgegengesetzt. Als Folge erhält man eine Trümmerwolke die sich im Orbit erstreckt. Jedes Partikel hat dann eine ähnliche Bahn sodass die Bahn, selbst wenn die des Satelliten mal kreisförmig war, elliptisch ist. Durch die durch den Seitendrift resultierende unterschiedliche Inklination breitet sich eine solche Wolke immer weiter vom ursprünglichen Orbit aus weg. Das Bild zeigt die Trümmerwolke des aktiv zerstörten Satelliten Fengyung 1C. Er produzierte über 2800 Trümmerteile. Bei immer mehr Kollisionen wird sie rasch größer und dann gibt es auch keine Wolke mehr, die eine stabile Umlaufdauer hat, zumal die Umlaufszeit von 90 Minuten für einen niedrigen Orbit spricht. Dann wäre aber schon die erste Kollision nicht ungefährlich. Vor allem ist unverständlich, warum die Wolke immer gerade die Stationen erreicht, die jeweils rund 100 km auseinander sein müssen. Dazwischen es aber ruhig ist, ich würde bei einer realen Kettenreaktion mit einer laufend ansteigenden Gefahr und Zahl von Trümmerteilen ohne periodischen Bezug erwarten.

Dabei wird im Film Gravity, um die Spannung zu erhöhen (Missionskontrolle kann nicht mehr eingreifen oder Ratschläge erteilen) die Funkverbindung schon bei der ersten Kollision unterbrochen. Die läuft aber sowohl in Russland wie den USA über geostationäre Satelliten wie TDRS. Die sind garantiert nicht von einem Ereignis im Leo betroffen, dazu sind sie zu weit weg. Selbst wenn, dann würde ein Trümmerstück frühestens nach fünfeinhalb Stunden den GEO-Orbit erreichen. So lange gäbe es also Kommunikation. Daneben haben alle Raumfahrtnationen und zahlreiche privaten Satellitenbetreiber ein Netz von Bodenstationen, die man im Katastrophenfall nutzen kann. In der Nähe der Erde mit starken Sendern wie bei einer Raumstation, reichen sogar die Mittel von Funkamateuren um zu senden und zu empfangen und Bullock hat ja auch Funkkontakt mit Menschen, nur eben nicht mit der Missionskontrolle.

Fazit

Boah das ist schon ein langer Aufsatz, über 20.000 Zeichen und 5 Seiten und dabei habe ich nur das geschrieben was mir bei einmaligen Sehen von Gravity so nebenher einfiel, ohne das ich gezielt drauf geachtet habe. Also Gravity ist Science Fiction, aber ein Film mit schönen Bildern und ich denke ein mutiger Film – die Hauptdarstellerin Sandra Bullock sieht man zum ersten Mal richtig nach der Hälfte des Films. Vorher erkennt man im Phantasie-Weltraumanzug (mit Innenbeleuchtung, bei den normalen Anzügen ist keine Beleuchtung da und das Visier verspiegelt sodass man das Gesicht nur im Schatten erkennen kann) nur die Augen, auch da habe ich sie erst erkennt. George Clooney ist sogar nur eine Minute lang während eines Traums ohne Helm. Wenn man zwei Weltstars engagiert ein mutiges Vorhaben, sie so lange zu „verstecken“, zudem ist er wohl der Film mit der kleinsten Besetzungsliste, Außer diesen beiden gibt es sonst nur noch drei weitere Astronauten, die nur Sekunden bis wenige Minuten lang und dann auch nur im Anzug zu sehen sind.

Ich finde Gravity ist ein guter Science-Fiction Film, spannend mit einem etwas schlechten Schluss (Überflutung der Shenzou-Kapsel um noch mal die Spannung zu erhöhen) aber mehr auch nicht.

11 thoughts on “Gravity

  1. Hallo Bernd,

    gut beobachtet und erklärt. Mir selbst fallen ja höchstens die haarsträubensten Fehler einfach so beim Gucken auf.

    Eines kann ich aber nicht nachvollziehen, vielleicht denke ich in die falsche Richtung:
    Wenn man sich dreht und die Arme anzieht dreht man sich schneller (und umgekehrt), das ist klar wegen der Impulserhaltung. Aber wie soll man es schaffen, komplett zur Ruhe zu kommen, ohne sich irgendwo festzuhalten? Dazu müsste der Drehimpuls ja auf irgendetwas übergehen. Innerhalb einer Raumstation könnte man evtl. die Luft nutzen, wenn man geschickt paddelt, aber wie funktioniert das im Vakuum?

    Viele Grüße
    Matthias

    1. Das konnte ich mir auch so nicht erklären. Dann bräuchte man ja auch keine reaction wheels und rcs thruster um die Drehung zu stabilisieren.

  2. Ich habe den Film vor längerer Zeit mal im Flieger gesehen – dazu war er gerade recht. Als Science Fiction würde ich ihn nicht unbedingt bezeichnen, vielleicht noch seichte Nachmittagsunterhaltung.
    Die Textbeiträge von Sandra Bullock hätten auch gut in einen Softporno gepaßt – uh, ah, oh, uh, ächz, uh.

  3. Gravity ist ein schöner Optik Film finde ich, vielleicht aber nur so sinnvoll wie eine Achterbahnfahrt auf dem Rummel, Hirn aus und ankucken.
    Du musst Dir mal Armageddon mit Bruce Willis rein ziehen, den Film habe ich nicht in einem Anlauf geschafft (so schrecklich finde ich ihn) dabei ist er sehr populär…

  4. Der Film ist himmelsmechanisch tatsächlich völliger Quatsch. Die Bahninklinationen werden völlig ignoriert. Damit die Trümmer regelmäßig die ISS treffen müssten sie ja auf einem unterschiedlichen Orbit mit genau der gleichen Umlaufzeit sein. Das allein ist schon super unwahrscheinlich. Von dem problemlosen Rüberfliegen von Hubble zur ISS zur Tiangong mal abgesehen.
    Die Grafik fand ich trotzdem beeindruckend in HD im Dunkeln auf einem großen Fernseher.

    Den Film Armageddon finde ich hingegen klasse. 🙂
    Aber der erhebt ja auch keinen Anspruch auf Glaubwürdigkeit. Da geht es nur um Action und coole Sprüche.

    1. Simon ich kann nicht verstehen wie man einerseits Gravity kritisieren aber Armageddon klasse finden kann, natürlich erheben beide Filme Anspruch auf Glaubwürdigkeit den es sind beides keine Märchen und bei Gravity würde ich sogar soweit gehen das es keine Science Fiction ist. Filme wie Armageddon führen doch nur dazu das man wirkliche Raumfahrt für unfähig und langweilig betrachtet.

  5. Nun ja, „Science Fiction“ ganz frei übersetzt: Fiktive Wissenschaft. Passt doch!

    Btw. finde ich es doch interessant, wie gut sie als Nutzlastspezialist zuerst überhaupt mit der Sojuz durch’s All fliegen konnte, nur mit ein paar Minuten im Handbuch blättern, und anschließend dann auch noch mit dem chinesischen Pendant. OK, sie drückte dort (sprichwörtlich) erst mal auf alle Knöpfe … bloß gut, dass sie dabei nicht den für die Selbstzerstörung fand 😮

  6. Gravity ist eigentlich ein KINO-Film. Ich habe den auf der großen Leinwand in 3D und mit coolem Sound und so gesehen und auf dem Tablet. Hm. Im Kino war er umwerfend. Film-handwerklich schon sehr Klasse.

    Die Entscheidung des Studios war sehr mutig, aber erfolgreich. Ich denke, er hatte so 100 Millionen Euro gekostet und spielte 700+ Millionen ein. Allerdings hat der Regisseur Cuaron es schon drauf: Pans Labyrinth oder Children of Men waren tolle Filme.

    @Simon
    was, Armageddon war keine Doku? :p Ich denke, das waren schon zwei sehr unterschiedliche Filme mit unterschiedlichen Zielen. Eins Krach-Bumm-Bäng, der andere eher eine ruhige „wie komme ich wieder mit dem Leben zurecht“-Geschichte. Könnt euch nun ausdenken, welcher Film was ist… aber bei Gravity war es eher still. 😉

  7. Ich war von Armageddon etwas enttäuscht da es keine Weltraumschlacht gegen Ausserirdische gab. Das Space Shuttle konnte nach der Bruchlandung immerhin wieder starten (ganz ohne External Tank und Solid Rocket Booster) (ist es nicht sogar um den Mond geflogen?) da hätte man ihm auch gleich noch eine Laserkanone und Photonentorpedos spendieren können. Bei Gravity, der glaube ich der letzte Film ist, den ich im Kino sah, fand ich hauptsächlich die Übertreibungen der ähnlichen Orbits schade. Man hätte auf Hubble und die chinesische Station schliesslich auch verzichten können ohne dass es der Handlung geschadet hätte.

      1. Wenn ich schon einen fiktiven Stoff haben will und den Handlungsstrang nicht abändern will dann ginge das so:
        Das Shuttle repartiert einen fiktiven militärischen Satelliten in der Höhe der ISS. 51,6 Grad Neigung und 400 km Bahnhöhe hatten einige US-Satelliten z.B. Radarsatelliten.
        Anstatt der ISS nimmt man eine russische Raumstation. Seit langem kündigen die Russen ja an das sie ihre ISS-Module abkoppeln und ergänzen wollen, die hätten dann zwangsläufig eine ähnliche Umlaufbahn wie die ISS. Von der ISS zur russischen Raumstation müsste man dann mit einem US-Transporter kommen.
        Meiner Ansicht nach driftet die Diskussion aber ab in „realistische Sci-Fiction Filme“ und „nicht realistische“. Für mich ist es entweder realistisch oder fiktiv. Wo soll ich da eine Grenze ziehen? Ist dann Armageddon ein fiktiver film und Space Cowboys nicht? Wie sieht es mit Odyssey 2001 aus?
        Selbst „realistische Filme“ haben oft Fehler. Man muss nur mal „Der Stoff aus dem Helden sind“ auf Fehler abklopfen. Der Mercury Astronaut Deke Slayton sagte über den Film und Roman, es wäre ein schöner Roman, hätte aber nichts mit der Wirklichkeit zu tun.

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