Eine Alternative zur ESC-B

Ariane 5Wie sicherlich bekannt ist, wird die ESC-B nicht so schnell kommen. Bei der letzten Ministerratskonferenz der ESA wurde zwar als Ziel die Erhöhung der Nutzlast um 1.5 t beschlossen, jedoch keinen Zeitrahmen angegeben und vor allem nicht die ESC-B Entwicklung wieder aufgenommen.

Auch Arianespace rechnet nicht so schnell, damit, dass die ESC-B bald kommt. Vor einem Monat gab es den bislang größten Auftrag an EADS über 35 Ariane 5 – alle in der ECA Version. Da noch 13 vom aktuellen Los auf den Start warten, dürfte bei 7 Starts pro Jahr dieses Los bis Mitte 2017 reichen.

Okay, die ESC-B kommt also bestimmt nicht vor 2016 – wie sonst könnte man die Nutzlast erhöhen? Mein Ansatzpunkt wäre eine "ESC-A Mark II".Es gibt hier zwei Punkte die ich für denkbar halte:

  • Reduktion des Trockengewichts
  • Erhöhung der Treibstoffzuladung durch mehr Triebwerke

Kommen wir mal zum ersten. Hier sehe ich einen sehr wichtigen Ansatzpunkt. Nach meiner Ansicht hat die ESC-A eine deutlich zu hohe Trockenmasse. Sie wird bei Arianespace und ESA mit 4.4-4.5 t angegeben, bei der DLR mit 3.3-3.4 t. Ich denke die Differenz kommt dadurch, dass bei den ESA und Arianespace Angaben die VEB (0,95 t) noch mit hinzuaddiert wurde. Wenn 4.5 t für die Stufe gelten würden, dann wäre das eine sehr schlecht designte Stufe. Doch auch so schneidet sie im Vergleich zur H-10 (mit demselben Treibwerk) schlecht ab:

  H-10-III ESC-A
Startgewicht: 13100 kg 17900 kg
Trockengewicht: 1360 kg 3400 kg
Treibstoffzuladung: 11700 kg 14600 kg

Für 25 % mehr Treibstoffzuladung stieg das Trockengewicht um 250 %.Würde man nur die Tanks verlängern, so müsste eigentlich die Trockenmasse gering ansteigen. So nahm die letzte Version der H-10 etwa 4.5 t mehr Treibstoff als die H-8 auf, wog aber nur 210 kg mehr. So gesehen hätte man bei einer "modifizierten" H-10 also eher eine Trockenmasse von rund 1.6 t erwartet – und nicht eine von 3.4 t.

Würde die ESC-A trocken nur 1.6 t wiegen, so wäre die GTO Nutzlast um 1.8 t höher, weil die Stufe mit in den Orbit gelangt.

Nun gibt es natürlich gute Gründe, warum sie schwerer ist. Das erste ist die strukturelle Belastung. Die Struktur wiegt um so mehr je schwerer die Nutzlast ist, weil sie deren Last (die ja bei der Ariane bis zu 4.6 mal dem Eigengewicht betragen kann) aufnehmen muss. Stufen werden daher auf eine maximale Nutzlast ausgelegt. Die H-10 war auf 5 t ausgelegt und die ESC-A muss auf 21 t ausgelegt sein, wenn sie das ATV transportieren soll. 1 t mehr Nutzlast bedeuten eine um 30-40 kg schwerere Struktur. So dürfte die Leermasse der ESC-A alleine durch die um 16 t schwere Nutzlast um rund 500-600 kg höher sein als bei der H-10.

Das erklärt aber nicht die um 1800 kg höhere Leermasse. Thilo Kranz von der DLR erklärte mir dies mit der "kompakten" Stufenbauweise, die keine Änderung an den Startanlagen erforderte. Das Schnittbilde ESC-A zeigt, dass diese keine integralen Tanks hat. Das macht eine zusätzliche Struktur rund um die Tanks nötig um die Kräfte an die EPC zu übertragen. Das kompakte Design zeigt sich darin, dass das Triebwerk und der Hälfte des Sauerstofftanks sich unterhalb der Trennebene des Stufenadapters befinden. Da wir gelernt haben, das Strukturen schwerer werden, wenn sie mehr Lasten tragen müssen, dann ist das natürlich eine suboptimale Lösung, denn diese Konstruktion macht mehr verstärkte Elemente an der Wand nötig. Natürlich müssen auch Tanks dicker werden, wenn sie größere Lasten tragen, doch hier nimmt der Innendruck der Tanks uns viel Arbeit ab.

Doch musste das sein? Kugeltanks verschwenden auch Platz. Die Höhe der ESC-A wird mit 4.57 m angegeben. Das ist kompakt. Andererseits: Die Mischung von Wasserstoff und Sauerstoff von knapp unter 5:1 nimmt ein Volumen von rund 48 m³ ein. Ein zylindrischer Tank hat bei 5.4 m Durchmesser auch nur 2.1 m Höhe. So gesehen wäre eine Lösung mit Integraltanks auch nicht viel länger. Selbst wenn die Startrampe dann für einige Monate blockiert wäre: Von 2003 bis 2004, als die Evolution Variante am Boden bleiben musste, hätte man genügend Zeit dafür gehabt. Auch heute müsste man die Verschiebung von Starts durch Baumaßnahmen mit der dauerhaften Möglichkeit mehr Nutzlast zu transportieren vergleichen – meiner Meinung nach zählt das zweite.

Bei einer Konstruktion in Integralbauweise sollte die ESC-A also etwa 2.0 t leer wiegen. Noch mehr Nutzlast wäre möglich wenn man darauf verzichtet mit der Oberstufe erdnahe Transporte durchzuführen und stattdessen wie EPS dafür einsetzt, die für den ISS Orbit die nahezu gleiche Nutzlast hat. Dann könnte die maximale Nutzlast auf 13 t begrenzt werden – und das Strukturgewicht würde auf 1.7 t sinken.

Die nächste Einsparung betrifft die VEB. Traditionell ist die VEB bei der Ariane über der Oberstufe. Dieser Ring von 1.1 m Höhe nimmt die Elektronik auf und hat Hydrazin zur genauen Ausrichtung der Nutzlast nach dem Brennschluss und Deorbitieren der Stufe. Doch der Großteil des Gewichts entfällt auf Struktur. Die Elektronik ist bei vielen anderen Typen direkt an der Stufe angebracht und auf der Stufe ist dann auch der Nutzlastadapter angebracht. Das reduziert die Strukturmasse beträchtlich. Das Hydrazin kann durch Wasserstoffkaltgas ersetzt werden und die H-10 auch eigene Düsen zur Lageregelung. Es sollte so möglich sein durch Einsparung der VEB und direkten Montage der Systeme auf die ESC-A von den 950 kg, welche die VEB wiegt weitere 400 kg einzusparen. Das würde dann die Trockenmasse von 4400 kg (VEB+ESC-A) auf rund 2200 kg (modifizierte ESC-A) senken – und Voila – schon haben wir 2200 kg mehr Nutzlast (12.8 t anstatt 9.6 t im Einzelstart).

Wie kommt man zu noch mehr Nutzlast?

Nun indem man mehr Treibstoff mitführt. Die ESC-B soll 28.2 t Treibstoff mitführen. Damit dies möglich ist, hat sie aber auch ein Treibwerk mit 180 anstatt 65 kN Schub. Doch wer bitte sagt, dass dies auch bei der ESC-A so sein muss? Die Centaur setzt auch 2 Triebwerke ein. Was sollte uns hindern 2 Triebwerke einzusetzen? Dann steigt der Schub auf 130 kN – nicht genug für 28.2 t Treibstoff, aber eine Stufe mit 22.3 t Treibstoff (Trockenmasse dann 3.0 t). Bei einer Simulation ergibt sich aber nur eine unbedeutende Nutzlaststeigerung von 12.8 auf 12.9 t. Der Gewinn durch die ESC-B kommt also nicht so sehr, durch mehr Treibstoff, als vielmehr durch den höheren spezifischen Impuls von 4560 anstatt 4365 m/s.

Es gibt also noch Möglichkeiten zur Optimierung. Das gilt übrigens auch für die ESC-B. Wie der Rest der Welt kenne ich deren Daten nicht (ich habe zwar welche gefunden, aber die sind sehr optimistisch mit nur 3910 kg Leermasse und stammen von 2004). Nimmt man an, dass die ESC-B dieselbe Endgeschwindigkeit wie die ESC-A erreichen muss, so kann man deren Leermasse berechnen. Bei 28.2 t Treibstoffzuladung und einem spezifischen Impuls von 4560 m/s, bei 11.5 t Nutzlast resultiert eine Vollmasse von 34.6 t und eine Leermasse von 6.3 t (mit VEB).  Das sieht auch nach Einsparpotential bei dieser Stufe aus. Die Abbildungen der Stufe zeigen übrigens auch kugelförmige, nicht integrale Tanks. So bleibt die Hoffnung, dass man bei der ESC-A es wenigstens richtig macht – bei 28.2 t Treibstoff sollte Sie eine Leermasse von 3.3 t aufweisen, mit einer 1 t schweren VEB wären es dann 4.3 t – das wären dann auch 13.5 anstatt 11.5 t Nutzlast in GTO.

7 thoughts on “Eine Alternative zur ESC-B

  1. Solange das einzige Ziel der europäischen Raumfahrt darin besteht, einen eigenständigen Zugang zum Weltraum zu erhalten, werden Verbesserungen der Trägerraketen auch nur halbherzig verfolgt. Dabei ist es unerheblich ob es sich um eine Modifikation einer bestehenden Oberstufe, um die Entwicklung eines leistungsfähigeren Haupttriebwerks oder ums eine andere Modifikation handelt. Selbst die Reduzierung der Kosten ist zurzeit uninteressant, da die Kunden ja bezahlen, und die Ariane im Wettbewerb noch gut da steht.

  2. Der Ansatz, dass die ESC-B erst 2016 kommt, begründet sich meines Erachtens hauptsächlich in der Finanzierung des Programms. Da das VINCI-Triebwerk schon Anfang 2006 einen Test mit 40 s Brenndauer bestanden hat, sollte die endgültige Qualifizierung nicht mehr so lange dauern. Auch die Entwicklung einer dazu passenden Oberstufe sollte bei ausreichender Finanzierung in weniger als sechs Jahren beendet sein. Die neue Oberstufe könnte durch die wiederzündbarkeit des Triebwerks einige neue Transportaufgaben erledigen, die auch mit einer modifizierten ESC-A Oberstufe nicht erfüllt werden könnten. Warum sollte man also Zeit und Geld verwenden, für eine Lösung, die durch die neue ESC-B Oberstufe viel besser erfüllt werden könnte.

    Auch eine ESC-A MarkII müsste sämtliche Tests und Abnahmeprüfungen erneut über sich ergehen lassen, und es wäre auch ein neuer Testflug notwendig. Gerade diese vielen Prüfungen lassen ja eine neue Entwicklung teuer werden.

    Gerade auch unter dem Gesichtspunkt, dass das neue VINCI-Triebwerk zu einer Kostenreduktion führen soll, ist eine Verwendung von zwei alten Triebwerken sicherlich kostenmäßig uninteressant.

  3. Die Vinci/ESC-B Entwicklung ist mit 7 Jahren angesetzt mit Kosten von rund 700 Mill Euro im Wert von 2001. Die ESC-A entstand in 3 Jahren mit 170 Mill Euro.

    Wie Wiederzündbarkeit ist nur wichtif für Planetensonden und Galileo. Beim letzteren gibt es auch die Ausweichmöglichkeit einen Apogäumanstrieb in die Satelliten zu integrieren. Vinic hat bislang 2200 Sekunden Brennzeit zusammen, doch dies alleine sagt nichts aus. Es geht vielmehr darum alle möglichen Dinge durchzutesten. Immerhin gibt es derzeit nur 2 von 8 geplanten Testtriebwerken und Vulcain hatte bis zum Erstflug etwa 85000 Sekunden akkumuliert. (auf 16 Triebwerken).

    Die Frage ist eine andere: Nicht ist die ESC-B besser oder nicht. Natürlich ist sie dass. Aber ihr Entwicklung wurde einmal abgebrochen und zwei Gelegenheiten zur Wiederaufnahme wurden versäumt. Auf der anderen Seite zahlt Europa im Rahmen des EGAS Programmes über 5 Jahre etwa 200 Mill Euro pro Jahr an Subventionen. Diese könnten reduziert werden, wenn Ariane 5 wirtschaftlicher wäre und dazu muss die Nutzlast erhöht werden. Eventuell ist eine ESC-A Mark II hier der Weg der finanzierbar ist.

    Da über gravierende Projekte wie die ESC-B nur bei Minsiterratstagungen abgestimmt wird, wird vor Ende 2011 keine Entscheidung fallen und daher sind 7 Jahren sicher nicht zu gering angesetzt (lässt dann ab 2012 noch 4 Jahre für die Entwicklung Zeit).

  4. Von den veranschlagten sieben Jahren sind schon mehrere vergangenen, auch wurden schon mehrere 100 Millionen von den 700 Millionen für die Entwicklung des VINCI Triebwerks verbraucht. Daraus schließe ich, dass der Unterschied der Lösungen was Preis und Entwicklungszeit betrifft nicht mehr so groß ist.

    Eine Lösung mit zwei Triebwerken scheidet meines Erachtens aus wirtschaftlichen Aspekten aus. Das VINCI-Triebwerk soll immerhin durch den einfacheren Aufbau billiger werden als sein Vorgänger, daraus folgt für mich, dass es auf jeden Fall billiger ist als zwei Triebwerke.

    Für mich stellt sich auf jeden Fall die Frage, ob sich die ESC-B mit wieder zündbarem Triebwerk nicht durch die Verwendung bei geplanten Planeten- und Mondmissionen von alleine rechnet.

    Ein leichter Aufbau der neuen Oberstufe, die Verwendung von integralen Tanks usw. sollten auf jeden Fall in der ESC-B Eingang finden.

  5. Ich schliesse mich Martins Aussagen an.

    Da es sich bei der Entwicklung der ESC-B um eine Infrastruktur-Aufgabe handelt (= nicht um eine projektspezifische, einmalige Aktivität) und da wesentliche Teile des Vinci-Entwicklungsprogramms bereits durchgeführt sind, ist es meiner Meinung nach richtig, die Entwicklung der ESC-B nun unverzüglich und ohne Abstriche durchzuführen.

    Das Vorhandensein von Infrastrukturkomponenten ist generell eine förderliche Rahmenbedingung dafür, dass neue Programme überhaupt angegangen werden. Beispiel: Das Vorhandensein des Ariane 5 Trägers war damals Voraussetzung dafür, dass das ATV-Programm angegangen wurde.

    Was nun die ESC-B anbelangt, finde ich es bemerkenswert, dass sie es rein theoretisch ermöglichen würde, Mondumrundungen und -umkreisungen mit 2-Personen-Besatzungen durchzuführen (ähnlich zu den bemannt geplanten Zond-Missionen der Sowjets während der 60-er Jahre).

    Beispielsweise fehlt mit der ESC-B nicht mehr viel, um zwei Personen mit einer Ariane 5 in einen Mondorbit zu befördern, wo bereits ein Apollo-Style Mondlander auf sie wartet ……

    Mit andern Worten: Die Zögerlichkeit der ESA im Zusammenhang mit der ESC-B ist für mich absolut unverständlich, und ich halte es für eine Fehlentscheidung des ESA-Ministerrats, die Entwicklung der ESC-B im letzten Herbst ein weiteres Mal aufzuschieben.

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