Alles so schön blau hier

Passend zu den Plänen von Pence bis 2024 auf dem Mond zu landen hat nun Blue Origin ihren „Blue Moon“ Lander vorgestellt, an dem sie schon drei Jahre arbeiten. Übrigens ein saublöder Name, denn den Begriff gibt es auch normal im englischen, sodass sich die Faktensuche deutlich erschwert. So könnten dann auch tatsächlich die Pläne von Pence gelingen. Würde mich nicht wundern, wenn nächste Woche noch eine Firma die Aufstiegsstufe vorstellt, denn der Lander besteht nur aus der Abstiegsstufe.

Schon beim Bild des Mockups mit Bezos wird deutlich: das Ding ist riesig. Ich schätze (ohne genaue Messung nur vom Bild her) es etwa dreimal höher als einen Menschen ein, was dann so auf 5+ m Höhe herausläuft. Die Mondlandestufe von Apollo war 3,30 m hoch. Auch ist es breiter, geschätzt über 7 m, das LM war 4,21 m breit.

Dagegen ist das Gewicht eher klein. 15 t werden angegeben, doch das passt zur Nutzlast der New Glenn von 45 t in den Erdorbit. Es soll 3,6 t direkt landen können. Die Apollo-Aufstiegsstufe wog 4,9 t. Eine Version mit gestreckten Tanks soll dann 6,5 t landen können.

Ein Grund für die Größe dürfte die Wahl des Antriebs sein. Verwendet wird LOX/LH2. Ein neues Triebwerk BE-7 mit einem Schub von 45 kN wird dafür entwickelt. Alleine den Kugeltank schätze ich auf 2,6 m Durchmesser – zwei davon können dann 1,28 t Wasserstoff aufnehmen, was mit Sauerstoff (6:1) zu einer Gesamttreibstoffzuladung von 9 t führt, das passt dann recht gut zur Masse.

Dann geht es aber mit den Ungereimtheiten los. Beim Start 33 klbs schwer, soll der Lander bei der Landung nur noch 7 klbs wiegen. Wenn man von einem effizienten LOC/LH2-Antrieb ausgeht und das BE-7 scheint, wegen der langen Düse ein solcher zu sein, und einem spezifischen Impuls von 4400 m/s, so kommt man auf bei 4400 * ln( 33 /7) auf eine Geschwindigkeitsänderung von 6822 m/s. Viel zu viel. Bei einer direkten Landung wären es mit Verlusten für das Abbremsen und Polster für das Schweben maximal 3000 bis 3200 m/s. Da das Triebwerk bei einem auf ein Drittel reduzierten Schub (15 kN) noch zu schubstark für eine Schwebephase ist, kommt aber eine Schwebephase nicht in Frage, denn dann wiegt der Lander schon zu wenig (er dürfte dann minimal 9 t wiegen). Zwei mögliche Erklärungen: Man hat lbs mit kilogramm verwechselt, dann passt es: 15 t Start 7 t Endmasse – 3,35 km/s Geschwindigkeitsänderung oder es kommen noch die 3,6 t Nutzlast dazu, dann beträgt auch die Landemasse 6,8 t. Offen ist auch, ob bei den 15 t Startmasse die Nutzlast mit drin ist oder nicht. Ich tippe darauf, dass sie mit drin ist, denn schon 3,35 km/s Geschwindigkeitsänderung sind recht viel. Surveyor kam bei der direkten Landung mit 2,8 km/s aus.

Das Rätsel, das sich mir allerdings vorwiegend stellt, ist, warum Blue Origin nur die Landestufe entwickelt. Sie alleine nützt ja nichts außer man nutzt sie als Transporter für schweres Gerät, Vorräte oder ein Habitat (wobei die Astronauten dann jedes Mal rund 5 m hoch und runter kletter müssen, und das in Raumanzügen). Zwei Erklärungsmöglichkeiten:

Auch für einen Milliardär wie Bezos übersteigt die Aufstiegsstufe das Budget. Während die Landestufe im Prinzip ein aufgebohrter Antrieb ist, muss die Aufstiegsstufe bei einem sehr geringen Gewicht sicher für eine Besatzung sein. SpaceX beweist gerade mal, wie man hier versagen kann. Bei einem so erprobten und einfachen System wie einer Kapsel die an Fallschirmen landet scheitert sie in einem Monat zweimal kläglich. Erst sprengt Sie die Kapsel in die Luft, dann entfalten sich die Fallschirme nur teilweise.

Bezos will, da es praktisch nur einen Kunden für die bemannte Mondlandung gibt, die NASA, zusammen mit dieser die Aufstiegsstufe entwickeln und bietet sich durch die entwickelte Abstiegsstufe als bester Kandidat für einen Auftrag an.

Ein Grundproblem ist natürlich immer noch gegeben – wie kommt das ganze zum Mond und zurück? Von der Treibstoffbilanz würde ich auf eine direkte Landung tippen. Sonst wäre das Gefährt bei der Landung schwerer. Doch eine Kapsel, die man für den Wiedereintritt braucht und eine Rückstartstufe bekommt man in den 3,6 t nicht unter, auch nicht in 6,5 t. Eine Apollkapsel wog 5,5 t. Die Masse kann man für den Start vom Mond verdoppeln. Crew Dragon und Orion sind noch schwerer und wiegen 9 bis 10 t.

Selbst die SLS könnte aber Orion und Blue Moon nicht zusammen befördern. Auch würde man dann keine direkte Landung durchführen. Die New Glenn ist dazu zu klein, man bräuchte die Starts dieser Rakete um auf die Nutzlast zu kommen.

Alles in allem: Viel mehr Fragen als Antworten.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.