Pannen in der Raumfahrt – Skylab Teil 3
en folgenden Text habe ich weitestgehend unverändert aus meinem Buch „Skylab“ entnommen, das umfassend über die Raumstation und ihre Missionen informiert. Man findet es überall im gut sortierten Buchhandel, wenngleich meistens nur auf Bestellung, aber auch bei allen Onlinediensten wie Libri, Amazon oder kann es direkt beim Verlag bestellen, wodurch der Autor eine höhere Marge bekommt. Der Preis von 24,99 Euro für 332 Seiten ist aber überall der gleiche. Da dieses Ereignis aber so bedeutend ist, nimmt es in meinem Buch zwei Kapitel ein und daher findet ihr es hier in der Website in drei Teile aufgeteilt. Das ist der dritte und letzte Teil 2 über die Skylab 3 Mission, die zweite Rettungsmission. Es erschienen schon in den vergangenen tagen die Beiträge über den Start (Skylab 1) und die erste Rettungsmission (Skylab 2).
Skylab 3 – der endgültige Schutzschild wird montiert.
Schon 36 Tage nach der Landung startete die zweite Besatzung Skylab 3 am 28.7.1973. Kommandant dieser Crew war Al Bean. Er war zusammen mit Conrad bei Apollo 12 auf dem Mond gelandet. Pilot war Jack Lousma, Wissenschaftsastronaut war Owen Garriott. Für sie beide war es der erste Flug ins All. Geplant war ein Start 60 Tage nach der Landung von SL-2, doch verschiedene Faktoren führten zu einer Vorverlegung. Die Mission Sklab-3 startete früher als vorgesehen, da die NASA den hohen Sonnenstand auf der Nordhalbkugel besser ausnutzen wollte. Als dann der Kreisel ausfiel, wurde die Mission, die schon vorher vom 17-ten auf den 9-ten August vorgezogen wurde, nochmals vorverlegt.
Diese Besatzung trug einiges an Ausrüstung zu Skylab, wobei die Apollo-Kommandokapsel den Rekordwert von 6.106 kg Masse aufwies – mehr hätten die Fallschirme bei einer Notlandung nicht aushalten können (die Trägerrakete verfügte noch über Reserven, die jedoch in diesem Falle irrelevant waren). Die Besatzung brachte nun die endgültige Version des Sonnenschildes zur Station, den „Marshall Spinnaker“. Dazu kamen die sechs Ersatzgyroskope, genannt „six-pack“, Filmkanister, Essen für eine eventuelle Missionsverlängerung, Ersatzteile für verschiedene Experimente und zwei weitere Bandrekorder. Der erste Bandrekorder im ATM war nach 842 Stunden ausgefallen und noch von der ersten Crew repariert worden. Während der unbemannten Zeit fiel der Zweite nach 320 Stunden Betrieb aus. Ebenso führte die Besatzung zwei neue Videokameras mit, nachdem die eingebauten inzwischen defekt waren.
Schon vor dem Start hatte die NASA am 20.7.1973 die Mission von 56 auf 59 Tage verlängert, da die Landung diesmal nahe der amerikanischen Westküste vor San Diego geplant war und bei einer Verlängerung um drei Tage die Bedingungen für eine Landung zur Tageszeit besser waren.
Die primäre wissenschaftliche Aufgabe dieser Crew war vor allem die Sonnenbeobachtung. Dazu kam der erste Block von Schülerexperimenten, und es sollten Lehrfilme für das Projekt „Classroom in Space“ gedreht werden.
Bei Skylab 3 gab es bald nach dem Start, noch vor dem Ankoppeln, einen Defekt im Servicemodul. Durch ein Leck trat RCS-Treibstoff aus und gefror an der Wand. Dadurch wurde eine Düsenglocke abgetrennt. Das erschwerte schon das Ankoppeln. Das Haupttriebwerk wurde nur zur Erhöhung der Umlaufbahn oder zum Abbremsen vor der Landung eingesetzt. Die vier RCS (Reaction Control System) Einheiten mit jeweils vier Triebwerken von 445 N Schub wurden für alle feinen Kurskorrekturen benötigt. Schon vor der Ankopplung an Skylab wurde daher der erste Block deaktiviert, da alle Triebwerke an einer gemeinsamen Treibstoffleitung hingen.
Das Hauptproblem war nun der unsymmetrische Schub. Da nur noch drei der vier Triebwerke arbeiteten, bewirkte jede Vorwärtsbewegung eine Rotation oder eine Bewegung zur Seite. Es sah deshalb anfangs so aus, als würde sich das Raumschiff Skylab nicht nähern. Garriott hatte den ersten wissenschaftlichen Taschenrechner von Hewlett-Packard, den HP-35, mitgenommen. Dieser bewies nun seinen Nutzen. Da das CM zwar einen Radartransponder zur Bestimmung der Entfernung, aber keine Elektronik zur Bestimmung der Relativgeschwindigkeit aus den Daten hatte, musste die Besatzung diese berechnen, indem die Differenz der Distanz zwischen zwei Messungen durch die Zeitdifferenz geteilt wurde. Dies machte Garriott, der Alan Bean die Relativgeschwindigkeit des Raumfahrzeugs mitteilte. Dadurch konnte sich Apollo langsam Skylab annähern. Das Ankoppeln klappte dann ohne Probleme. Vorher umrundete das Raumschiff das Labor. Dies wurde abgebrochen, als auf Fernsehaufnahmen sichtbar wurde, dass die Abgase der RCS-Düsen den Parasol zum Flattern brachten und die Flugkontrolleure befürchteten, dass sich die Abgase auf den Solarzellen niederschlagen könnten. 52 Minuten später dockte das CSM-117 an. Es war das erste Mal, dass eine Raumstation von zwei Besatzungen bewohnt wurde.
Zuerst einmal gab es ein Problem, das nichts mit Skylab zu tun hatte – alle Astronauten litten unter Raumfahrerkrankheit. So musste der auf den vierten Tag nach dem Start vorgesehene Ausstieg für die Reparatur des Sonnenschirms aufgeschoben werden. Er rutschte vom dritten Missionstag über den Sechsten auf den zehnten Tag. Erst nach fünf Tagen waren die Astronauten wieder wohlauf.
Als die Besatzung am sechsten Tag gerade eine Erdbeobachtung durchführte, sah sie einen Schneeschauer am Fenster vorbeifliegen, und bald darauf ertönte auch ein Alarm. Bean hechtete in die Kommandokapsel und stellte fest, dass ein zweites Leck im RCS vorlag und nun ein zweiter Triebwerksblock abgeschaltet werden musste. 6 kg Treibstoff waren verloren gegangen. Nun waren Block B und D (Steuer- und Backbordseite des SM) ausgefallen.
Am Boden bereitete die Missionskontrolle nun eine Rettungsmission vor. Was würde passieren, wenn noch ein Triebwerksblock ausfallen würde? Es wurde nun sowohl untersucht, ob die Mission abgebrochen werden sollte, wie auch die Fortführung mit nur einem Triebwerksblock.
Eine Rettungsmission, das zeigte eine Konferenz der beteiligten NASA-Zentren, wäre in einem Monat startbereit, und am Kennedy Space Center beschleunigten die Bodenmannschaften die Vorbereitungsarbeiten an dem CSM-118 und der Saturn IB SA-208 für die Skylab 4 Mission, die als nächste starten sollte. Der Umbau des CSM-118 für die Beförderung von fünf Astronauten wurde dabei nach hinten geschoben, da dies innerhalb von acht Arbeitsstunden möglich war. So war eine Entscheidung noch wenige Tage vor dem Start möglich. Es gab auch eine Besatzung für diesen Fall: Es waren Don Lindt und Vance Brandt aus der Ersatzbesatzung für Skylab 3+4. Sie waren, als 1971 erstmals über die Rettungsmöglichkeit beraten wurde, als Vertreter des Astronautenkorps bei der Planung beteiligt. Sie hatten auch für diese Mission trainiert. Die NASA begann mit den ersten Vorbereitungen für eine Rettungsmission am 10.8.1973. Falls keine andere Lösung gefunden werden konnte, würde sie am 5.9.1973 starten und am 10.9.1973 wieder landen.
Währenddessen gingen die Astronauten an Bord von Skylab ihrer Arbeit nach – Eile gab es nicht, denn Skylab verfügte ja noch über die Vorräte für die dritte Besatzung. Sie hätten über vier Monate an Bord der Station bleiben können. Schließlich kam die Missionskontrolle zu dem Schluss, dass keine Rettungsmission nötig war. Die Missionskontrolle schickte den Astronauten eine 15 Seiten lange Liste von Dingen, die sie beachten sollten, um keine Probleme mit den Steuerdüsen beim Wiedereintritt zu haben. Man zündete sie nur kurz, um sich von Skylab zu lösen und führte den Wiedereintritt mit dem Haupttriebwerk durch.
Die zweite Besatzung montierte am neunten Tag ihres Aufenthalts das endgültige Sonnensegel, das dann die Temperaturen auf 22 Grad sinken lies. Es war eine der Hauptaufgaben dieser Mission, und sie brachten die endgültige Version zur Station. Es gab zwei Gründe dafür: Zum einen deckte der Parasol nur einen Teil des Workshops ab. Zum Zweiten wurde die Basisschicht aus Nylon durch die UV-Strahlung der Sonne langsam zerstört. Das Bestreichen mit einer UV-beständigen Farbe hätte die Schichtdicke soweit erhöht, dass es gefaltet nicht mehr durch die Luftschleuse gepasst hätte.
Lousma und Garriott hatten anders als die erste Besatzung genügend Zeit, um im Wassertank die Montage des Segels zu üben. Über 100 Stunden umfasste das Training dafür. Lousma hangelte sich zuerst am ATM-Gerüst bis zu einer Position in Höhe des OWS entlang. Dort angekommen konnte er die Haltevorrichtung für die Stangen befestigen.
Garriott montierte in der Zwischenzeit die Stangen aus 1,5 m langen Teilen. Die einzelnen Teile hatten einen Bajonettverschluss. Die Enden wurden schräg aneinandergesteckt, wobei eine Feder heruntergedrückt wurde. Nach einer Drehung um 20 Grad rastete das Bajonett ein. Zuletzt wurde ein Gummi über die Verbindungsstelle gerollt. Es verhinderte, dass sich die Verbindung lockern konnte. Dies war beim Zusammenbau mit den klobigen Handschuhen der schwierigste Teil. Nachdem Lousma die Befestigung montiert hatte, reichte ihm Garriott die beiden Stangen, die er in Form eines „V“ befestigte. Die Haltevorrichtung war dann der Fußpunkt des „V“. Das Ende der 16,5 m langen Stangen lag am Ende des Workshops.
Das eigentliche Segel wurde mit zwei Leinen auf diesen Stangen aufgezogen. Fixiert wurden die Leinen am ATM-Gestänge. Sie wurden um das Gerüst herumgezogen. Während die Stangen relativ gut zu montieren waren, bereitete das Aufziehen der Leinen Probleme, da hier die Verbindungsleine hinderlich war. Die Missionskontrolle schlug vor, die Leine zuerst an dem Ende der Stangen zu befestigen und erst mit befestigter Leine dann die Stangen zusammenzusetzen. Letztendlich klappte es, doch dauerte die EVA deutlich länger als geplant – vier Stunden. Das Aufziehen des Segels war dann relativ problemlos. Es war 7,25 m lang und bedeckte die gesamte exponierte Oberfläche (der vordere Teil des OWS war ja von mehrlagiger Folie thermisch abgeschirmt). Nun sanken die Temperaturen im Inneren von 27 auf wohnliche 22 Grad Celsius ab.
Danach stand das Ersetzen der Filmkassetten an. Lousma zog auch eine weitere Materialprobe vom Experiment S230 ab. Danach schauten er und Bean vom MDA aus nach irgendwelchen Lecks bei den RCS-Düsen des CSM. Es konnten keine entdeckt werden. Aber Lousma stellte fest, dass die sonnenzugewandte Seite des CSM sich verfärbt hatte. Ebenso erfolglos verlief die Suche nach dem Leck der Kühlflüssigkeit. Das Experiment S149 wurde neu installiert und das UV-Spektrometer inspiziert.
Geplant war eine EVA von dreieinhalb Stunden, doch erst nach 6 Stunden 29 Minuten war sie beendet.
Beim Marshall Spinnaker zeigte sich, dass in der Eile der Vorbereitung ein Zusatzstoff, der zum Trennen der Lagen zugesetzt wurde, nicht genügend Zeit zum Aushärten hatte. Er verfärbte sich dann in der Sonne recht schnell, und so ist auf den Fotos das Segel hellbraun, bis auf die Mitte, wo der Binder voll aushärten konnte. Dort ist es heller.
Am Tag 40 fragte die Besatzung auch nach, ob sie nicht fünf oder zehn Tage länger im All bleiben könnte. Die Bodenkontrolle beriet sich und verwarf diese Option am Tag 50. Das Problem war, dass Skylab 3 durch die große Effizienz knapp an Ressourcen wurde. Es gab zwar genügend Nahrungsmittel und Wasser für eine Missionsverlängerung, aber die Filmvorräte gingen zu Ende. Weiterhin wurde die Unterbekleidung, die nach jeweils zwei Tagen in den Müll wanderte, knapp.
Skylab 3 dauerte nur drei Tage länger als geplant und ging nach 59 Tagen zu Ende. Sie erfüllte nicht nur die Missionsziele, sondern weitaus mehr. Die NASA sprach in einer offiziellen Pressemitteilung von 150% Effizienz. Die Mannschaft war die eingespielteste von allen drei im Programm. Die Übererfüllung der Vorgaben rächte sich dann bei der nächsten Mission, als die Missionskontrolle diese als „normal“ voraussetzte und die Besatzung sich über eine zu hohe Arbeitslast beklagte.
Die zweite Crew konnte nicht nur die Vorgaben erfüllen, sondern deutlich übertreffen. 27,7% der Aufenthaltszeit entfiel auf wissenschaftliche Untersuchungen – ein Drittel mehr als bei der ersten Besatzung.