Das Starship als Lunarer Frachttransporter
Wie es mit dem Starship beim Artemis Programm weiter geht, ist derzeit noch offen. Zum einen hat die NASA ja auf Druck inzwischen auch dem Team rund um Blue Origin einen Auftrag gegeben. Zum anderen soll Artemis nach dem NASA-Budget Plan von Trump nach der dritten Mission eingestellt werden. Das war noch vor Musks Abschied und seinem Streit mit Trump. Da das Starship nach zwei Jahren der Erprobung noch keinen Orbit erreicht hat, noch keine Nutzlast befördert hat, die letzten drei Missionen allesamt scheiterten und das Starship 35 für die zehnte Mission schon beim Test explodiert ist, hinkt es weit hinter dem Plan hinterher. Ob eine NASA unter Trumps Regentschaft dann noch an dem Starship festhält, ist für mich eher fraglich.
Danach müsste SpaceX auch eine heile Landung am Startplatz hinbekommen, eine schnelle Startfolge für die benötigten Tankflüge etablieren und diese bisher noch nie umgesetzte Technologie muss dann auch funktionieren. Nicht einmal, sondern 12-mal pro Flug hintereinander in kurzem Abstand und ach ja, das Starship sollte dann 100 t wiegen anstatt 170 bis 200 t, die man als Masse aus dem geringen Resttreibstoff bei den letzten Tests ableiten kann. Also für mich spricht diese Aufstellung an Punkten dafür, dass bei der NASA gute Gründe hat, das HLS-Programm einzustellen, wenn man nach Artemis 3 ja sowieso das ganze Programm einstellen will.
Weitere kleine Details gibt es auch: Das Starship hat noch nicht mal demonstriert hat, dass es auf einer glatten Ebene auf der Erde landen kann. Ein Mondlander muss auf dem Mond auf unebenem Gelände landen können, ohne schräg zu stehen oder umzukippen. Es dürfte, da nach neun Testflügen nicht eine komplette Starship-Mission bis zur Landung am Startplatz erfolgte, auch viele Tests geben bis man dies erreicht hat.
Das bei dem Hintergrund, dass das normale Starship anders als das Lunare Starship nichts Neues ist, sondern nur eine Wiederholung dessen, was die NASA schon vor Jahrzehnten geschafft hat: eine Schwerlastrakete entwickeln, die erfolgreich fliegt (Saturn V und SLS) und ein wiederverwendbares Raumfahrtgefährt im Routinebetrieb einzusetzen und das sogar noch bemannt (Space Shuttle).
Okay, das war eine lange Einleitung. Warum geht es? Es geht darum, dass vielleicht SpaceX es mal hinbekommt, dass das Starship operativ ist. Wenn sie dann noch das Betanken hinbekommen, könnte man darüber nachdenken, das man das Starship für Mondmissionen einsetzt, aber eben nicht für die Landung von Astronauten. Für mich gibt es drei mögliche Szenarien:
- Beförderungen von Modulen zum Lunar Gateway
- Beförderung eines Mondlanders in einen 100 km Mondorbit
- Beförderung von Fracht auf die Mondoberfläche
Punkt 3 würde erfordern, das das lunare Starship fertig entwickelt wird. Punkt 1+2 nicht. Dafür reicht ein Starship das sonst Satellitentransporte in den LEO durchführt. Es gibt für mich aber trotzdem einen Grund ihn aufzunehmen. Zum einen: das Starship muss für diese Mission nicht bemannt sein. Das setzt die Sicherheitsaspekte deutlich herunter. Zudem könnte man eine fehlgeschlagene Mission wiederholen und Menschen erst zum Landeort schicken, wenn die Fracht angekommen ist und zuletzt muss das Starship nicht zurückfliegen was die Nutzlast deutlich erhöht. In allen drei Punkten gehe ich davon aus, das die Besatzung mit dem Lander von Blue Origin landet. Man weiß über den Fortschritt des Projektes wenig, wie auch bei der New Glenn, aber Blue Origin scheint planvoller und ähnlich wie klassische Raumfahrtunternehmen an die Sache heranzugehen, zumindest klappte der Jungfernflug der New Glenn. Die Rakete ist nach einem Teststart einsatzbereit, davon ist das Starship nach neun Starts und zwei Jahren noch weit entfernt. Für den 100 km Mondorbit spricht, dass der Mondlander ein kleineres dv hat und so mehr Masse transportieren kann. Für den Halo-Orbit spricht das die Gesamtmasse, also inklusive Orion kleiner ist bzw. die Orion in der derzeitigen Ausführung gar nicht den Treibstoff hat um in einen niedrigen Orbit einzuschwenken und ihn wieder zu verlassen. Da das Lunar Gateway, als Miniraumstation aber auch gestrichen werden soll, habe ich den Apollo-Orbit mit aufgenommen.
dV Anforderungen
Es gibt für jede Mission eine Geschwindigkeitsänderung, im Physiker-deutsch dv (für delta-velocity) genannt. Ich habe aus Einfachheit einfach die Werte von der NASA genommen:
- Erde -> TLI: 3200 m/s
- TLI -> 100 km Mondumlaufbahn -> TEI: 2.200 m/s
- 100 km Mondumlaufbahn -> Mondoberfläche: 2.500 m/s
- TLI -> Halo-Orbit -> TEI 1.050 m/s
Sie stammen aus den Anforderungen für die jeweiligen Module und beinhalten Reserven. Bei Artemis 1 wurden z.B. knapp 760 m/s von den maximal 1.050 m/s benötigt.
Berechnungen
Wie immer, wenn ich was über SpaceX schreibe, ist damit zu rechnen das etliche Besucher den Blog frequentieren die zwar raumfahrtbegeistert sind, aber wenig über die Grundlagen wissen. Für die lohnt sich zum einen ein Besuch der Grundlagensektion auf der Website, zum anderen erläutere ich aber die Berechnung,m weil es nur ein Formel ist, die man nur umformen muss. Alle Werte sind in der letzten Stelle nach oben gerundet. Die Geschwindigkeit eines Raumschiffs/Rakete kann man mit der Raketengrundformel berechnen:
dv = ispez x ln(Mvoll/MLeer)
mit:
dv = erzielte Geschwindigkeitsänderung (in m/s)
ispez: spezifischer Impuls der Raptor 2 (3.698 m/s)
Mvoll: Vollmasse (unbekannt)
MLeer: Leermasse des Starships (110 t)
Zuerst eine Erklärung. Die Vollmasse also mit Treibstoff kennen wir nicht, sie ist die Unbekannte und sie hängt von den obigen Geschwindigkeitsanforderungen ab. Der spezifische Impuls, den ich verwende, ist der den Berechnungsprogramme für die verfügbaren Angeben der Raptoren ausspucken. Der von Elon Musk angegebene Wert ist physikalisch nicht erreichbar, was auch eine DLR-Veröffentlichung erkannt hat. Es ist Impuls der Vakuumversionen, deren Schub vollkommen ausreicht. Die Masse des Starship ist um 10 t gegenüber der Wunschmasse von 100 t erhöht, weil beim derzeitigen Starship 10,5 t auf den Hitzeschutz entfallen. Bei einer Rückkehr von einer Mondmission muss der Schutzschild die doppelte Energie aufnehmen, also auch doppelt so schwer sein, was 10 t Gewicht addiert. Die 100 t sind meiner Ansicht nach „Wunschmasse“, denn wenn man die Treibstoffanzeige bei den Testflügen auswertet, so muss ein Starship derzeit (V1) 170 bis 200 t schwer sein und weitere Triebwerke, verlängerte Tanks etc. bei den angekündigten Versionen V12 und V3 werden es nicht leichter machen. Umgekehrt: würde man auf eine Rückkehr des Starships zur Erde verzichten, so spart man nicht nur den Treibstoff dafür, man könnte das Starship auch erheblich leichter machen, da der Hitzeschutzschild entfällt, ebenso der Landetreibstoff und man könnte die relativ massive Nutzlastsektion durch eine leichte, während des Aufstiegs in den Orbit abgetrennte Nutzlasthülle wie bei anderen Trägersystemen ersetzen. Meiner Ansicht nach könnte dies das Wunschstarship von 100 t um etwa 25 t Masse leichetr machen.
Nun können wir umformen, um die Unbekannte MVoll zu erhalten. Zuerst bringen wir die Beiden Größen mit der Einheit Meter/Sekunde auf eine Seite:
dv/ ispez = ln(Mvoll/MLeer)
Dann wenden wir auf beiden Seiten die Exponentialfunktion an, um die Logarithmusfunktion wegzubekommen:
e(dv/Ispez) = Mvoll/MLeer
Dann multiplizieren wir auf beiden Seiten mit Mleer und haben rechts Mvoll alleine stehen:
e(dv/Ispez) * MLeer = Mvoll
Damit können wir schon rechnen. Kleines Beispiel: wir wollen ein leeres Starship (110 t) von einem LEO-Orbit in eine TLI bringen (3200 m/s), dafür müssen wir nur die Werte einsetzen:
e(3200/3698) * 110 t = 261,338 t
Das Starship müsste also knapp 262 t beim Start wiegen, was zumindest zwei Betankungsflüge, die jeweils 81 t Treibstoff bringen, nötig macht. ganz einfach ist die Berechnung für die unbemannte Mondlandung bei der Fracht transportiert wird. Ich nehme für diesen Fall mal 10 t als Nutzlast an. Hier müssen wir nur die Geschwindigkeiten von Fall 1+3 addieren, da diese nur für den einfachen Kurs sind. Für den Fall 2 brauchen wir nur die halbe Geschwindigkeit (1.100 von 2.,200 m/s), weil man ja nicht zurückfliegt. Die Gesamtgeschwindigkeit beträgt dann:
dv = 3.200 m/s + 1.100 m/s + 2.500 m/s = 6800 m/s.
In die Formel eingesetzt:
e(6800/3698) * (110+10) = 754,703 t
Wir sehen, nun sind deutlich mehr Betankungsflüge – mindestens 7 nötig
Bei den beiden anderen Missionen, nur in einen Mondorbit, setzen wir Nutzlast ab, sodass man für den Hin- und Rückweg getrennte Rechnungen machen muss, das nötige dv für den Rückflug ist dabei jeweils die Hälfte des Wertes für den Hin- und Rückflug. Hierbei rechnen wir rückwärts also vom Rückweg aus. Im Folgenden gehe ich davon aus, dass 30 t Nutzlast, das entspricht in etwa der Masse des Blue Moon Mondlanders, zum Halo-Orbit oder in eine 100 km Bahn befördert wird.
Für die Mission Erde -> 100 km Mondumlaufbahn -> 30 t Nutzlast absetzen -> Erde
haben wir so die beiden dv von 1.100 m/s (Rückkehr zur Erde) und 4.300 m/s (Erde -> Mondumlaufbahn)
Zuerst die Rückkehr ausgerechnet:
e(1100/3698) * (110 t) = 148,108 t
Also vor der Rückkehr wiegt das Starship noch 148 t. Nun kommen die 30 t Nutzlast hinzu und die Rechnung für den Hinflug:
e(4300/3698) * (148,108 + 30) = 569,741 t
Genauso, nur mit einem kleineren dv (525 / 3725 m/s) sieht es beim Transfer in den Halo Orbit aus, hier erspare ich mir die Berechnung und gebe nur die Endmasse für 30 t Nutzlast, entweder ein Mondlander oder eines oder mehrere Module für das Lunar Gateway an: 429,296 t.
Es wird noch besser: Der Treibstoffbedarf für den Rückflug ist konstant, da die Masse des Starships unveränderlich ist. Die Masse vor der Rückkehr ist also unabhängig von der transportierten Nutzlast einfach zu beziffern: 148,108 bzw. 126,780 t. Ebenso ist der Term e(x) konstant, weil die Geschwindigkeitsänderung ja fix ist: 3,199 für die 100 km Bahn und 2,739 für den Transfer in einen Halo Orbit. So kann man eine einfache Nutzlast – Startmassebeziehung aufstellen:
Startmasse für den 100 km Orbit: (148,108 t + Nutzlast) * 3,199
Startmasse für den Halo-Orbit: (126,78 t + Nutzlast) * 2.739
Für den Landekurs ist es analog:
Startmasse für den Fachtransport zur Mondoberfläche: (100 t + Nutzlast) * 6,290
Da dieses Starship nicht mehr zur Erde zurückgekehrt, könnte man den Hitzeschutz sogar entfernen was es um 10 t leichter macht. Das gleiche gilt für die Headertanks für die Landung.
Bei einer gegebenen Startmasse kann man so auch die Nutzlast berechnen. Beispiel: Wenn ein Transfer 100 t Treibstoff liefert und die Startmasse nach fünf Auftankvorgängen dann 600 t beträgt, wie viel mehr Nutzlast als die 30 t kann man in einen 100 km Mondorbit transportieren?
600 t = (148,108 t + Nutzlast) * 3,199
600 t/3,199 = 148,108 t + Nutzlast
(600 t/3,199) -148,108 t = Nutzlast
Eingesetzt kommen 38.450 kg raus. Also knapp 30 t mehr Startmasse führen zu 8,45 t mehr Nutzlast.
Beurteilung
Während da HLS oder Lunar Starship sehr ambitioniert ist – es funktioniert wegen der hohen Geschwindigkeitsanforderung eigentlich nur, wenn man die Idealmasse von 100 t erreicht oder sogar unterbietet, ist die Bilanz, wenn man auf den Rückstart von der Mondoberfläche verzichtet deutlich besser. Selbst mit den überschweren Starships, die derzeit die Testflüge absolvieren, wäre so ein Frachttransport in den Halo Orbit, eine 100 km Kreisbahn oder zur Mondoberfläche möglich.