Nachlese zum vierten Starship Teststart ITF-4
Mit dem vierten Teststart hat SpaceX es erstmals geschafft, alle Missionsziele zu erreichen. Damit ist das Starship jetzt innerhalb der SpaceX Familie gleich gut wie die Falcon 1, die iher ersten erfolgreichen Flug auch nach drei Starts hatte und nach fünf Starts eingestellt wurde.
Für die Auswertung habe ich dieses und dieses Video von Full Flight genommen. Ich habe den Start nicht live angeschaut, das hat mit SpaceX nichts zu tun, da Starts vorprogrammierten Ereignissen folgen, ist es bei ihnen etwas anderes als wenn man ein Fußballspiel oder Rockkonzert anschaut. Selbst wenn ein Start fehlschlägt, so gab es die Ursache dafür schon vor dem Start. Daneben muss ich die Videos anhalten können. Daher verfolge ich Starts schon seit etwa zwei Jahrzehnten nicht mehr live. Ich sage das deswegen, weil ich zuerst dachte der Start wäre in den Videos zusammengeschnitten worden. Aber dann kündigt 12 Minuten nach dem Start die Sprecherin an, dass man in 40 Minuten wieder für den Reentry online gehe. Testziele in der Orbitphase wie beim letzten Start gab es in der Zwischenzeit nicht.
Der Teststart in der Kurzzusammenfassung
Schon 4 Sekunden nach dem Start fällt eines der Raptoren in dem äußeren Ring der SuperHeavy aus. Entsprechend ist auch der Brennschluss um einige Sekunden verzögert. Auch beim Landungsburn zündet eines der 13 Triebwerke nicht.
Obwohl diesmal 28 Minuten nicht gezeigt wurden, ist immer noch deutlich zu sehen, dass direkt nach dem Erreichen des Orbits weiter das Starship etwas ausgast. Das ist aber nach 40 Minuten nicht mehr der Fall und diesmal funktioniert auch die Rollachsenkontrolle.
Bedingt durch die nun funktionierende Rollachsenkontrolle übersteht das Starship diesmal den Wiedereintritt, man sieht aber zahlreiche Teile wegfliegen und ein Flügel im Bereich einer Kamera wird beschädigt. In den letzten Minuten ist die Linse verschmutzt und gesprungen, das Bild der zweiten Kamera wird nicht mehr gezeigt. Aber die Geschwindigkeits- und Höhenangaben zeigen einen erfolgreichen Landungsburn an, auch wenn die Triebwerke im Diagramm nun nicht mehr aufleuchten.
Ereignisse
Hier ein Vergleich von Ereignissen mit den Vorgaben:
Bei einigen Manövern schalten erst einige Triebwerke ab, dann andere. Ich habe daher jeweils zwei Zeiten mit der Anzahl der abgeschalteten Triebwerke angegeben.
Vorgabe [Min:Sec] | Real [Min:Sec] | Geschwindigkeit [km/h] | Höhe [km] | |
MECO Superheavy | 2:41 | 2:46 | 5.523 | 66 |
Start Starship | 2:45 | 2:52 | 5.495 | 71 |
Wende SuperHeavy | 2:49 | 2:57 | 5.440 | 75 |
Ende Wende SuperHeavy (9) | 3:47 | 1.368 | 103 | |
Ende Wende SuperHeavy (3) | 3:52 | 3:56 | 1.290 | 106 |
Abtrennung Stufenadapter | 3:54 | 4:09 | 1.000 | 109 |
Höchste Höhe | 4:23 | 880 | 109 | |
Landungsburn | 6:43 | 7:09 | 1.193 | 1 |
Ende Landungsburg | 7:04 | 7:24 | 9 | 0 |
Meco Starship (3) | 8:09 | 24.978 | 148 | |
Meco Starship (3) | 8:23 | 8:37 | 26.495 | 150 |
Erstes Glühen des Starships | 47:25 | 44:54 | 26.697 | 108 |
Erste Teile fliegen weg | ~ 53:30 | 21.978 | 67 | |
Landungburn Starship (3) | 1:05:38 | 1:05:39 | 359 | 0 |
Landungburn Starship (1) | 1:05:43 | 1:05:47 | 40 | 0 |
Ende Landungsburn | 1:05:48 | 1:06:04 | 2 | 0 |
Die ersten Zeitmarken sind dadurch geprägt das ein Raptor bei der Superheavy ausgefallen ist, das verlängert die Brennzeit um 5 Sekunden und verschiebt entsprechend folgende Manöver. Deutlich verzögert ist dagegen der Landungsburn der Superheavy.
Ebenso hat das Starship deutlich später Brennschluss. Auch bei ihm dauern die beiden Landemanöver deutlich länger.
Resttreibstoffe
Alle Tanks enden in Domen, Kugelschnitten. Bei einem einzelnen Triebwerk kann man dieses im tiefsten Punkt des Doms platzieren. Bei mehreren Triebwerken ist das schwierig. So lässt die Superheavy nach Musk rund 20 t Treibstoffe in den Tanks zurück. Das die 13 schwenkbaren Triebwerke im Zentrum angeordnet sind, erlaubt es, dass sie nicht abgeschaltet wertenden müssen, wenn die Treibstoffe den äußeren Ring nicht mehr erreichen und für die Landung werden sogar nur die inneren sechs Triebwerke genutzt.
Bei dem Starship liegen die Triebweke mit kurzen Düsen, die beim Eintritt in den Orbit etwas länger brennen, ebenfalls im Zentrum und nur sie sind bei der Landung aktiv. Zusätzlich gibt es einen eigenen Tank für die Landung und ich nehme an, dass man Resttreibstoffe aus dem Haupttank in diesen umpumpt, wie man es beim letzten Testflug ITF-3 ausprobierte.
Vor allem für die Nutzlast ist aber wichtig, wie viele Resttreibstoffe zum Ende der Antriebsphasen es gibt. Ich habe sie mit dem Bildschirmlineal ermittelt.
Schon beim Start war der Tank der Superheavy nicht voll gefüllt. Nach dem Bildschirmlineal fehlen etwa 160 t Treibstoff. Beim letzten Start waren es noch 100 t. Eventuell sind die Tanks auch nie voll gefüllt, das ist aus den Diagrammen nicht absehbar.
Start | MECO Superheavy | Ende Wendungsburn | Ende Landungsburn | Meco Starship | |
LOX | 2.534 t | 223,3 t | 37,3 t | 31,5 t | 20,8 t |
Methan | 710 t | 76 t | 21,3 t | 17,1 t | 8,6 t |
Vergleichen wir dies mit dem letzten Teststart, LOX und Methan jeweils addiert:
MECO Superheavy | Ende Wendungsburn | Ende Landungsburn | Meco Starship | |
ITF-3 | 279 t | 58 t | – | 41 t |
ITF-4 | 299,3 t | 58,6 t | 48,6 t | 29,4 t |
Gegenüber dem letzten Start gibt es einige Änderungen. Der Treibstoff bei MECO und Wende ist vergleichbar, aber beim Starship sind es rund 10 t weniger. Da auch MECO 14 Sekunden später war als angegeben, vermute ich, hat das Starship auch diese Treibstoffmenge verbraucht. Da die suborbitale Bahn fast dieselbe Energie wie ein Orbit benötigt, bedeutet das auch das die Nutzlast um 10 t abgenommen hat (beim letzten Teststart errechnete ich eine Nutzlast von rund 42 t, Musk hat dann wenige Tage später vor Angestellten gesagt, sie läge bei 40 bis 50 t, sodass ich davon ausgehe, das auch dieses Starship nur etwa 30 t Nutzlast hat. Deswegen sagte die Sprecherin auch mehrmals „Data are our Payload“. Auch das erinnert an die Falcon 1, die von Start zu Start an Nutzlast verlor.
Landung des Starships
Schön wäre es, wenn es Bilder von der Landung gegeben hätte. Bei der SuperHeavy gibt es solche Videos inzwischen. Zwar weiß sicher SpaceX nicht wo genau es runterkommt, aber da es beim Wiedereintritt kontrolliert werden muss, damit es nicht verglüht und somit einer berechenbaren Bahn folgt, wird man sicher den ungefähren Landepunkt kennen und hätte dort ein Schiff hinschicken können. Vielleicht haben sie es auch getan und halten nur die aufnahmen zurück. Sie wären interessant, um zu sehen wie beschädigt es ist.
Nach Musk flogen Hitzeschutzkacheln fort und eine Landeklappe wurde beschädigt, aber das ist nur das, was jeder im Video sehen kann. Vorher hatte Musk gesagt, dass schon eine versagende Hitzeschutzkachel zum Verlust führen kann und man nach Unternehmen sucht um mehr dieser Kacheln herstellen zu können, ein für SpaceX ungewöhnlicher Weg. Ich denke entweder weiß er e selbst nicht so genau oder er hat etwas verwechselt. An bestimmten Stellen führt der Verlust einer Kachel zum Verlust des Vehikels. Das waren beim Space Shuttle die Flügelvorderkanten und dort ging auch ein Paneel beim Verlust der Columbia verloren. Woanders streicht das Plasma nur über den Schild und eine einzelne Kachel die verloren geht, ist nicht so tragisch, das ist beim Shuttle bei der Unterseite der Fall gewesen. Es gingen auch beim Space Shuttle bis zum Verlust der Columbia Kacheln verloren, am meisten beim Jungfernflug: da waren es über 200.
Ich denke etwas anderes ist bedeutsam. SpaceX Konzept basiert ja darauf, dass sie beide Schiffe direkt nach der Landung wieder zur Startrampe bringen können. Wenn sie nun Kacheln ersetzen müssen oder ausgefallene Raptoren ausbauen und ersetzen müssen, dann klappt dieses Konzept nicht. Dann haben sie zwar den Turbaround einer Falcon 9 erreicht, aber für die Wirtschaftlichkeit dürfte das nicht reichen. Denn das Vehikel ist mehr als dreimal schwerer als eine Falcon Heavy, die von der Masse her zu 90+ % wiederverwendbar ist, hat aber derzeit eine viel geringere Nutzlast.
Beim Space Shuttle sorgten die langen Turnaroundzeiten dafür, dass er die Wirtschaftlichkeit, die versprochen wurde, nie erreichte.
Änderungen zu ITF-3
Es gab sicherlich viele Änderungen, etwas Genaueres erfährt man bei SpaceX ja selten. So auch hier. Sowohl das unkontrollierte Rollen wie auch der Abbruch des Landeburns und der Ausfall von 6 Triebwerken beim Wendeturn lagen an Triebwerken, denen die Treibstoffzufuhr abgeschnitten war. Dies hat man wohl erfolgreich nachgebessert. Denn von 26 wieder gezündeten Triebwerken versagten bei ITF-3 insgesamt 19 (jede Zündung gezählt) und diesmal nur ein einziges.
Nächste Starts
SpaceX hat eine neue FAA Lizenz bekommen die weiter geht als die bisherige und es erlauben die Startfolge zu beschleunigen. So wurden drei Ausnahmen genehmigt, die keine Untersuchung der FAA nötig machen: Versagen des Hitzeschutzschildes, Versagen der Landeklappen bei der Landung und Versagen der Raptors bei der Landung. Alle unter Voraussetzung das Dritte nicht betroffen sind. Weil inzwischen auch ein Gutachten zu dem Schluss kam, dass die Belastung durch den Sprinkler, der die Schäden beim Start dämpft, vernachlässigbar sind, gibt es aber schon wieder eine neue Klage gegen die FAA.
SpaceX kann derzeit sechs Kombinationen pro Jahr bauen, ich selbst rechne mit dem nächsten Start in zwei Monaten. Die Firma will aber einen neuen Startturm in der Starbase bauen und plant auch Starts vom LC39a am Kennedy Space Center aus. Bis zu 44 pro Jahr nach einer Eingabe. Die Air Force bearbeitet eine ähnliche Anfrage für das Pad SLC-37 oder ein neues SLC-50, das erst noch errichtet werden muss.
Nach dem erfolgreichen „virtuellen Tower“ Manöver soll nach Musk beim nächsten Start ein Einfangen der SuperHeavy erfolgen.
Starlink
Wie beim letzten Video gab es zahlreiche Aussetzer, weil das Video über Starlink übermittelt wurde. Interessanterweise schon beim Start, als der Tower passiert wurde und nur Bilder von der Starbase und den SpaceX-Angestellten gezeigt wurden. Auch wenn SpaceX das in seinem Statement positiv hervorhebt, ist das keine Werbung für mobile Kunden von Starlink. Technisch ist es egal, ob sich die Antenne auf einem Schiff, Flugzeug oder einem Starship befindet. Das System muss bei jeder Orientierung eine Verbindung aufbauen. Geht es nur nach den Winkelgeschwindigkeiten, mit denen sich die Starlink-Satelliten relativ zur Antenne bewegen, so ist es beim Starship sogar einfacher, weil es sich mit fast der gleichen Geschwindigkeit wie die Satelliten bewegt und Änderungen nur auf dem Unterschied der Bahnneigung (hier etwa 27 Grad, die meisten Starlink Satelliten sind in 53 Grad gezeugten Orbits) beruhen. Diese sind viel kleiner als bei einer stationären Antenne. Dagegen bewegen sie sich relativ zur Erde mit über 7 km/s.
Gut das SpaceX zusätzlich für die wichtige Telemetrie, also nicht das Video, auf die TDRS-Satelliten der NASA zurückgreifen kann. Die können Daten von Satelliten oder anderen Objekten im Orbit schon seit 1983 übertragen, zuverlässig. Aber das ist eben die NASA und nicht SpaceX.
HLS
In diesem Artikel gab es auch Äußerungen der Verantwortlichen für das HLS zum letzten Testflug (also ITF-3): „Watson-Morgan said. “There weren’t any issues around Raptor. No fires and a lot of good consistency, frankly, around the engines. When you get all those engines to light up, for us, it was a significant win.”.
Äh, es sind bei dem Flug (ITF-3) sechs Raptoren der Superheavy bei der Wende ausgefallen und zwölf von 13 bei der Landung. Bei dem Flug zum Mond gibt es mindestens sieben dieser Zündungen:
- Verlassen der Erdumlaufbahn
- Einschwenken in einen vorläufigen Mondorbit
- Angleichen des Mondorbits an das Lunar Gateway
- Absenken des Perilunäums für eine Landung
- Landung
- Rückstart in einen elliptischen Orbit
- Angleichen des Orbits an das Lunar Gateway
Beim Einschwenken in eine niedrige Mondumlaufbahn vor der Landung und danach können noch weitere Zündungen hinzukommen. Also ich finde es nicht so toll, wenn da Triebwerke ausfallen. Denn auch wenn es kein Feuer gibt, die Mission ist dann gescheitert.
Noch interessanter: Man weiß nicht mal, wie oft man auftanken muss:
„The number of fueling flights heading up to the tanker doesn’t have a hard and fast number at this point, Watson-Morgan said, because it’s not entirely clear how much propellant needs to be transferred.
“It’s contingent on the six of the tanks. It’s contingent on how much how much do we want to transfer. It’s contingent on what all are the other objectives that we want to prove out and how long do we want to make the demonstration of the flight test?” Watson-Morgan said. “And so, it could be just a couple and it could be more than a couple. And so, it all depends on our objectives.”
Sechs Tanks sind meiner Ansicht nach so zu interpretieren: je zwei Haupttanks im Tanker und Versorger und zwei Headtanks (für die Landung) in einem der beiden.
Es wird nun an einem Triebwerk gearbeitet, um den Transfer zu unterstützen: „Watson-Morgan also mentioned that SpaceX is developing a smaller thruster-style engine to help with the prop transfer demonstration“. Ein solches Triebwerk kann eine geringe Beschleunigung aufbauen, damit sich der Treibstoff an den Leitungen sammelt und so leichter transferiert werden kann, ohne dass Gasblasen im Strom sind. Das war ein Vorschlag, den ich schon vor Jahren gemacht habe …
Inzwischen erproben Astronauten auch den Fahrstuhl, der nötig ist, um sie über 50 m abzulassen. Nach den derzeitigen Plänen soll die Artemis 3 Mission im September 2026 erfolgen. Vorher gibt es aber noch eine unbemannte Testlandung. Nach dem Vertrag der am 15.4.2021 abgeschlossen wurde, wäre die Artemis Mission eigentlich noch in diesem Jahr. Sie liegen also rund zwei Jahre hinter dem Zeitplan zurück.
Die Theorie das die Triebwerke mit 80% Maximalschub laufen dürfte nach IFT-4 widerlegt sein. Sie laufen mit 100% Schub auf Niveau der Angaben für Raptor V1 sind also eher V1,5 denn V2.
Ich habe den Eindruck das die Schubleistung seit Beginn der Testflüge nicht verbessert wurde. Da die Stufen mit zusätzlicher Hardware und Verstärkungen modifiziert wurden sind sie schwerer geworden und die Nutzlast sinkt.
Wie viel Schub die Raptoren haben ist für die Nutzlast zweitrangig. Wichtiger ist die Leermasse und der spezifische impuls der Raptoren, da kommt noch ein Artikel in nächster Zeit.
„Der erste Starship-Prototyp(wohlgemerkt keine erneuerte Falcon) ist noch nicht geflogen, da sind die nächsten mit diversen Änderungen schon zusammengeschweißt.“
Und ich glaube das ist für SpaceX mittlerweile ein Problem. Sie haben sich auf vieles Festgelegt bevor man wusste wie das Endprodukt aussieht bzw. wie gut die einzelnen Komponenten funktionieren. Es ist eben kein klassisches Trial and Error bei dem man nach jedem Versuch nachbessert und dann mit dem Nachgebessertem Produkt erneut testest. Beim Starship testest man immer wieder mit Schritten die eigentlich schon veraltet sind weil man ja umbeding schnell Produzieren musste…
Mit Festlegung meine ich z.B. den Durchmesser der Rakete den man seit Jahren nicht mehr ohne große Kosten ändern kann.
Hätte man auf Basis der Falcon Heavy ein „Mini Starship“ im sinne einer wiederverwertbaren Oberstufe gebaut hätte man jetzt vermutlich keine Probleme mit den Starkink Satelliten.